Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 53: Die Arche --------------------- Nach einer Weile lag er erschöpft und hechelnd auf einer kleinen Lichtung im Nadelwald. Er spürte, dass Isaak sich näherte und reagierte nicht auf die Geräusche, die dieser dabei machte. Dann stand er vor ihm und runzelte die Stirn. „Jake, was ist los? Warum hast du dich vor mir verschlossen? Habe ich schon wieder etwas falsch gemacht?“, fragte der Wächter. Der Beta schnaubte und drehte den Kopf weg. Sein Freund hatte es schon wieder getan und ihm Informationen vorenthalten. Er war sich sicher, dass dieser von den beiden Neuen wusste. „Komm schon. Sag mir doch wenigstens, warum du mir böse bist“, fleht der andere und versuchte ihm in die Augen zu sehen. Jake mahlte mit den Zähnen und öffnete ihre Verbindung. Dann schnauzte er wütend: „Das Rudel ist größer geworden. Wusstest du davon?“ „Wenn du Collin Littlesea und Brandy Fuller meinst, dann ja. Die zwei waren schon überfällig. Ich bin froh, dass ich nicht eingreifen musste“, sagte Isaak vorsichtig. „Ich verstehe aber nicht, was das mit mir zu tun hat?“ „Du wusstest davon und hast es mir nicht gesagt. Deshalb bin ich sauer“, fuhr er seinen Freund an. „Oh“, sagte Isaak und ließ den Kopf hängen. „Tut mir leid. Ich habe diese Information als unwichtig eingestuft. Mein Fehler.“ Dann ging er vor dem gewaltigen Wolfskopf in die Knie und legte den Kopf leicht schief. „Verzeih mir bitte. Ich habe so viel im Kopf in letzter Zeit. Ich habe es dir nicht absichtlich verschwiegen.“ Jake knurrte und kam auf die Beine. Dann stieß er den anderen um und baute sich über ihm auf. Dieser hob die Hände, präsentierte seinen Hals und sagte: „Ich gebe auf.“ Der Beta grollte abermals und öffnete das Maul. Dann ließ er sich einfach fallen und begrub seinen Freund mit dem Kopf. „Umpf“, gab dieser von sich und begann ihn sanft zu kraulen. Jake grollte noch einmal wütend, dann seufzte er. Dies Streicheleinheiten waren einfach zu gut, um lange wütend zu sein. Dennoch verdiente sein Freund eine Strafe. Er verwandelte sich zurück und biss dem Unteren rabiat in den Hals. „Hey, nicht so doll“, beschwerte sich Isaak, wehrte sich aber nicht wirklich. „Das hast du dir verdient“, meinte der Beta und leckte ihm solange über die Wunde, bis diese vollständig geheilt war. Erst dann ließ er von dem Hals ab. Schnell raubte er sich noch einen Kuss und stand auf. Der Wächter hatte seinen Fehler zugegeben und eine Strafe erhalten. Für ihn war damit alles geklärt. Er hatte nun keinen Grund mehr wütend zu sein. Außerdem war das wohl auch mit sein eigener Fehler. Er konnte die Verbindung zum Rudel steuern und hatte sich komplett abgeschottet. Somit konnte er seinem Freund auch nur eine Teilschuld geben. Er hätte selbst besser aufpassen sollen. „Dad will mich immer noch verbannen hat Sam gesagt“, erklärte Jake und zog auch seinen Geliebten auf die Beine. „Aber das weißt du sicher auch schon.“ „Von deinem Gespräch mit Sam weiß ich nichts. Wenn ich die Systeme hochfahre, kann ich es mir nicht leisten meine Konzentration zu teilen. Ich weiß nur, dass Sam alles tut, um dich zu schützen und zudem noch die beiden Kindsköpfe an der Backe hat“, erklärte der Wächter und zuckte mit den Schultern. „Ich bin kurz davor die Verbindung vollständig zu unterdrücken, dieses ganze Gezanke geht mir langsam auf die Nerven.“ Jake brachte ein schmales Lächeln zustande. „Wie machen sich die Neuen?“ „Nicht so gut. Die beiden verursachen einen Streit nach dem anderen. Collin denkt nur daran wie heiß Leah ist und will sie nackt sehen. Das gefällt ihr natürlich nicht und sie fährt langsam richtig hoch. Zudem markiert Brandy eine dicke Lippe gegenüber allen. Sein Glück, dass Sam noch die Hand über sie hält. Paul, Jared und Leah hätten die Kleinen sonst schon längst in der Luft zerrissen.“ Jetzt musste der Beta wirklich grinsen. „Na, dann bin ich mal glücklich nicht dabei zu sein. Bei Leah und Seth habe ich schon genug einstecken müssen.“ Isaak ließ den Kopf hängen: „Ja, ich weiß.“ Schnell schüttelte er den Kopf und grinste: „Emily hat vorhin ihre Nichte eingeladen. Endlich fügt sich alles.“ Also stand Quils Prägung kurz bevor. Jake war sich immer noch nicht sicher, was er davon halten sollte und wechselte schnell das Thema. „Was ist in der verbotenen Kuppel?“ „Hat die KI dir das nicht verraten?“, fragte der Rotblonde irritiert nach. „Es war mir zu anstrengend mit ihr zu reden. Wie du schon sagtest: Erwarte keine geistreichen Antworten, oder so ähnlich.“ Isaak grinste und sagte: „Ja, da hast du Recht. Das Thema ist auch nicht gerade einfach zu erklären, muss ich gestehen. Am besten zeige ich es dir. Wo hast du deine Kleidung gelassen?“ Der Wolfsjunge dachte kurz nach und antwortete: „Bei der Röhre zur mittleren Kugel.“ Isaak gab den Befehl und schon flogen sie davon. „Hey, ich stehe hier nackt rum“, maulte der Beta und verdeckte seine Blöße. „Was, wenn die anderen in der Nähe sind?“ Sein Freund kam auf ihn zu und leckte sich lüstern über die Lippen: „Keine Angst, die sind in einer anderen Kuppel. Glaubst du echt ich würde so etwas zulassen? Diesen Anblick habe ich nur für mich reserviert.“ Dann raubte er sich einen gierigen Kuss, bevor der Wolfsjunge etwas erwidern konnte. Schnell griff sich der Wächter die Arme des anderen und legte sie sich um. Gleichzeitig zog auch er seinen Geliebten in eine enge Umarmung. Mental knurrte Jake kurz auf. Dann seufzte er und sagte: „Dito.“ Es fiel ihm immer noch schwer, wenn Isaak andauernd sein Verhalten änderte. In einem Moment unterwarf er sich, im Nächsten dominierte er ihn. Offenbar war das bei dem Wächter lediglich eine Angelegenheit seiner Laune. Jake hingegen musste sich da noch zügeln. Auch wenn er die Möglichkeit hatte ebenfalls zu wechseln, so bevorzugte er doch die dominante Art. Das lag ihm einfach mehr. Solange sie unter sich waren, konnte er langsam damit umgehen, aber in der Öffentlichkeit würde er das noch nicht dulden. Er hing einfach noch viel zu sehr an seinem alten Verhaltensmuster. Mental sprach Isaak: „Keine Sorge, Wölfchen. In der Öffentlichkeit werde ich brav sein. Ich halte mein Wort. Wenn du willst, stelle ich mich auch unterwürfig hinter dich, mit gesenktem Blick oder werfe mich dir vor die Füße. Ist mir vollkommen egal. Solange du und ich, wenn wir allein sind, auf Augenhöhe dastehen, ist mir alles andere gleichgültig.“ „Du sollst nicht immer auf meine Gedanken antworten, aber danke. So devot musst du aber nicht sein. Es reicht mir, wenn du mich einfach nur in der Öffentlichkeit nicht dominierst. Mehr verlange ich gar nicht. Vor allem vor dem Rudel. Ich kann mir da keine Blöße erlauben, nicht so wie es aktuell ist“, erwiderte Jake durch ihre Verbindung. Sprechen konnten beide nicht. Keiner von ihnen wollte den heißen Zungenkuss beenden. Dann kamen sie allerdings an und der Wächter zog sich schweren Herzens etwas zurück. Er gab Jake gerade mal genügend Freiraum, damit dieser sich anziehen konnte. Kaum war alles da wo es hingehörte, da klebte er auch schon wieder an seinem Freund. Schnell befahl der Rotblonde: „KI, bring uns in die Gen-Forschungskuppel. Segment 42.“ Von der Reise bekam der Wolfsjunge nicht wirklich etwas mit. Beide waren schon wieder erregt und pressten sich aneinander, während sie sich gegenseitig am Hals knabberten und den jeweils anderen zum Stöhnen brachten. Dann löste sich der Wächter auf einmal und drehte sich so, dass er hinter Jake stand. Er legte ihm den Kopf auf die Schulter und sagte. „Sieh es dir an. Wir sind gleich da.“ Der Übergang zur fünften Kuppel war anders. Ein undurchsichtiges Kraftfeld blockierte den Weg. Als sie sich näherten, öffnete sich eine Lücke und ließ sie passieren. Jake riss die Augen auf. Was er hier sah zeigte ihm in aller Deutlichkeit, wie weit die Wächter in ihrer Technologie waren. Das Areal war in verschiedene Segmente untergliedert. Überall waren einzelne Bereiche mit Kraftfeldern in alle Richtungen abgegrenzt. In diesen wucherten seltsame Dinge. Einiges davon schien Horrorfilmen entsprungen zu sein. Rankenartige Gebilde, die umherzuckten und einem das Gefühl gaben, dass sie einen verschlingen wollten, oder leuchtende Dinger, welche unheilvoll pulsierten. Jake erwartete schon fast, dass diese Teile explodieren würden, als sie über sie hinwegflogen. Im nächsten Gefängnis befand sich eine seltsame wabernde Masse. Diese war knallorange und bewegte sich unaufhörlich. Dann gab es aber auch unscheinbarere Gewächse. In einem der Bereiche war eine einzige gigantische Kartoffel, locker zehn Meter lang und vier breit. Ein anderes Segment war gefüllt mit röhrenartigen Gebilden, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt waren und in ihrem Inneren seltsame Dinge schwebten. In der Mitte lag ein besonderes Areal: Eine Art Labor. Dorthin schwebten sie auch und Isaak erklärte: „Die Wächter vor mir haben hier viele Experimente durchgeführt. Das hat auch was mit Projekt Phönix zu tun. Wir wollten eine intelligente, humanoide Pflanze erschaffen. Unsere Intention dahinter war es, diese zur Hauptrasse werden zu lassen. Wir erhofften uns, dass eine auf einer Pflanze basierende Lebensform nicht so zu Gewalt neigt, wie die Menschen es tun und besser mit der Umwelt interagieren könnte.“ Er legte missbilligend die Stirn in Falten: „Leider hatten wir auch Erfolg mit der Forschung und dennoch war es ein Fehlschlag. Das war keine Sternstunde der Wächter muss ich sagen.“ Isaak ging ein paar Schritte und deutete auf einen der Tanks in der Nähe. Darin schwamm ein totes, furchteinflößendes Ding. Es sah aus wie eine Kreuzung zwischen Menschen und Pflanze. Aus dem Kopf wucherten tentakelartige lange Ranken. Die Haut war grün und die Gliedmaßen seltsam entstellt. „Die erzeugte Rasse war sogar noch schlimmer als die Menschen. In unseren Simulationen löschte sie sämtliches tierische Leben aus, da sie es als Bedrohung sah.“ Der Rotblonde seufzte schwer und sagte: „Als Wächter Xeno starb, wurden sämtliche Exemplare getötet und dieser Komplex fast gänzlich stillgelegt. Die Kristallmatrix experimentiert hier ab und zu nach meinen Anweisungen ein wenig, aber nicht mehr in diese Richtung. Mein Interesse gilt der Umweltbelastung durch den Menschen auf die Flora des Planeten.“ Er deutete zu einem Bereich mit unterschiedlich großen Kraftfeldern. „Es sieht echt nicht rosig aus für die Erde. Die Pflanzen können sich nicht schnell genug an die Schadstoffe und den Klimawandel anpassen. Wenn das so weitergeht, dann werden in einem Jahrhundert in etwa 90 % aller Pflanzen ausgestorben sein. Und zudem auch 96 % aller Tiere.“ Isaak schüttelte traurig den Kopf. „Ein Problem nach dem anderen. Vielleicht verstehst du so langsam, warum wir Projekt Phönix erschaffen haben.“ Jake war, wie so oft, sprachlos. Schnell wandte er sich ab und stammelte: „Genug davon. Ihr Wächter habt echt einen an der Klatsche. Lass mich bloß in Ruhe mit so nem Zeug.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Verstohlen warf er dem Etwas im Tank einen Blick zu. „Können wir wieder gehen? Ich mag das Ding nicht.“ „Natürlich“, sagte der Wächter mitfühlend und sah ebenfalls zu dem Geschöpf. „Ich bekomme auch immer eine Gänsehaut, wenn ich hier bin. Deshalb lasse ich auch die Haupt-KI die Versuche durchführen. Aber, wenn dich das hier bereits abschreckt, dann halte dich bitte von der Genabteilung im zoologischen Forschungsinstitut fern.“ „Was? Da gibst auch so was?“, fragte Jake und erschauderte. „Ja, das hier“, er machte ein Geste, welche die ganze Kuppel umfasste. „Ist noch harmlos, im Gegensatz zu dem, was wir dort in der Vergangenheit getrieben haben.“ Dann wurde sein Blick weich. „Versteh mich bitte richtig. Du hast absolut freien Zugang zu allen Bereichen. Ich verbiete dir nichts. Wenn du es willst, dann zeige ich dir alles und beantworte all deine Fragen. Ich rate dir nur, manche Dinge sollten besser im Schatten bleiben und nicht ans Licht gezerrt werden.“ Dann befahl er: „KI, bring uns zum Eingangsbereich.“ Nachdenklich fragte Isaak: „Was willst du jetzt machen? Ich habe noch in etwa zwanzig Minuten, dann muss ich zum letzten Außenposten.“ „Was? Nur zwanzig Minuten? Warum das auf einmal?“, harkte Jake erstaunt nach. Mit einem leichten Grinsen erklärte Isaak: „Die Arche ist als einziger Außenposten aktiv geblieben. Da muss ich nur die Verriegelung aufheben und die Verbindung wiederherstellen. Das dauert aber auch nicht lange. In etwa einer Stunde kann ich den Befehl zum Vollladen der Kristalle geben.“ „Gut dann lass uns schnell den anderen Bescheid sagen. Ich komme mit dir mit“, entschied der Beta resolut. „KI, bring uns zu den Besuchern.“ Augenblicklich änderte sich ihre Flugbahn. Kurz Zeit später setzten sie auf dem Weg vor einer Wiese auf. Dort fanden sie auch die anderen. Beide lagen eng aneinandergeschmiegt zwischen den Blumen und sahen in den Himmel. Es dämmerte bereits und die Sterne traten deutlicher hervor. „Na, ihr zwei?“, begrüßte Jake sie. Die Angesprochenen schauten zu ihnen auf. Bella verzog das Gesicht und maulte: „Oh, ist die Zeit schon um? Ich wollte mir doch den Nachthimmel ansehen.“ „Wenn ihr wollt könnt ihr gerne hierbleiben. Wir wollten euch nur Bescheid geben, dass wir schnell zum letzten Stützpunkt gehen. In einer Stunde holen wir euch dann wieder ab“, schwatzte der Beta grinsend. „Schön brav bleiben in der Zeit.“ „Wartet“, stieß Edward hervor. „Können wir auch ohne euch zu dem Unterwasserposten reisen? Oder muss immer einer von euch beiden den Befehl für den Transport geben?“ „Ich habe mir die Rechte der Besucher angesehen, als ich die Systeme hochgefahren habe. Ihr seid befugt, euch zwischen dem Wetterkontrollobservatorium, dem zoologischen und dem botanischen Forschungsinstitut frei zu bewegen. Die KI wird die Teleportation einleiten, wenn ihr das befehlt“, versicherte Isaak. „Gut, dann braucht ihr uns nicht abzuholen. Sagen wir in zwei Stunden im Speisesaal?“, schlug der Vampir vor. „Abgemacht“, bestätigte der Wolfsjunge. Auch in der Arche registrierte Isaak seinen Freund schnell. Dann sah sich dieser um. Die vorherrschende Farbe war reines schneeweiß, durchbrochen von feinen blauen Linien. Der Raum, in dem sie standen, war diesmal gänzlich anders aufgebaut. Sie befanden sich direkt im Zentralraum. Vom Aufbau her war er fast identisch mit dem aus dem Reaktorposten. Um die Schaltpultreihe war eine Art Laufweg mit Geländer angeordnet worden. Wände gab es keine. Decke und Boden waren mit feinen weißen Säulen verbunden, auf denen sich je eine blaue Linie spiralförmig nach oben schlängelte. Jake steuerte auf die Absperrung zu und staunte mit offenem Mund. Vor ihm erstreckte sich eine große zylindrische Kammer. Sie hatte locker einen Kilometer im Durchmesser und ihre Position war exakt der Mittelpunkt. Die gesamte Wandfläche war mit eine Art Wabenmuster, von etwa einem Meter Durchmesser, überzogen. In der Mitte einer jeden Wabe leuchtete ein faustgroßer grüner Punkt. Währenddessen ließ Isaak eine Konsole vor sich erscheinen und suchte nach einem bestimmten Eintrag. Anschließend nahm er seinen Freund von hinten in den Arm und befahl: „KI, Lade 148.527 ausfahren.“ Auch wenn der Gestaltwandler nichts spürte, so sah er doch, wie sie ich bewegten. Die Frage war nur: bewegten sie sich, oder der ganze Raum um sie herum? Sie stoben in die Tiefe und drehten sich dabei. Dann blieben sie unvermittelt stehen. Der grüne Punkt direkt ihnen gegenüber wurde orange und die Wabe schoss auf sie zu. Jake wollte einen Satz nach hinten machen, wurde aber an Ort und Stelle gehalten. Etwa zehn Zentimeter vor seinem Gesicht hielt das Geschoss an. Plötzlich erschien zu beiden Seiten der Wabe je ein Laufweg mitsamt Geländer, bestehend aus dem blauen Kraftfeld. Zudem senkte sich die Begrenzung vor dem Wolfsjungen ab und fuhr in den Boden hinein. Der Wächter ließ ihn los und machte ein paar Schritte auf dem Steg. Misstrauisch testete der Beta erstmal, ob die Barriere ihn aushielt. Dabei sah er durch diese nach unten und stellte entsetzt fest, dass er nicht einmal den Boden sehen konnte. Dieser Raum schien in die Unendlichkeit zu führen. Schnell sah er nach oben und erkannte, dass es zumindest eine Decke gab, auch wenn sich diese nun mindestens vierhundert Meter über ihnen befand. Zudem bemerkte er, dass der Zentralraum offenbar schwebte. Dieser hatte keine Verbindung, weder zur Decke, noch eine Säule zum Boden. Er schluckte schwer und sah zu dem anderen. Sein Freund stand da und lächelte ihm vertrauensvoll zu. Der Wolfsjunge nahm all seinen Mut zusammen und folgte seinem Geliebten vorsichtig. Als er neben der ausgefahrenen Struktur stand, stellte er fest, dass diese eine achteckige Säule war. Ihre Oberfläche hatte ebenfalls ein Wabenmuster. Der Rotblonde sah einen Augenblick auf die Zeichen, mit denen die etwa zehn Zentimeter großen Waben beschriftet waren. Dann machte er eine Bewegung nach unten und die Säule drehte sich seiner Vorgabe entsprechend. Anschließend drückte er auf eine bestimmte Wabe. Dieses zischte und es drang weißer Nebel hervor, als sie etwa dreißig Zentimeter ausfuhr. Sie bestand aus einem durchsichtigen Glas. Zudem war sie in einzelne Segmente eingeteilt. Der Wächter griff zu und zog eine achteckige, mehrere zentimeterdicke Scheibe hervor. Isaak sah auf und zeigte seinem Freund das Gespinst. In der Mitte der Scheibe befand sich ein roter Punkt. „Das ist ein Tropfen Blut von Ephraim Black, deinem Großvater.“ „Was?“, stieß Jake hervor. Mit sanfter Stimme begann der Wächter zu erklären: „Seit ihrer Inbetriebnahme vor rund 85.000 Jahren sammelt die Arche das Erbmaterial jeder Lebensform auf dem Planeten. Bei den meisten Insekten, anderen Geschöpfen oder Pflanzen, welche zu klein sind, wird ein Ei oder Samen, aus jeder Generation einer Kolonie, eingesammelt. Bei mikrobischen Organismen wir eine komplette Kolonie angelegt. Das Erbgut wird ermittelt und doppelt gespeichert. Einmal in einer dieser Scheiben und zum Zweiten in der Gen-Datenbank dieses Komplexes.“ Tonlos fragte der Wolfsjunge: „Warum macht ihr das?“ „Es gibt drei Hauptgründe, warum wir uns für dieses Vorhaben entschieden haben. Erstens: Archivierung alles Lebensformen. Zweitens: Projekt Phönix. Drittens: In absoluten Ausnahmesituationen, wenn das Leben einer, für die Zukunft wichtigen, Lebensform, aus unvorhersehbaren Gründen, ausgelöscht wird, können wir einen Klon erschaffen, der die Aufgabe des Originals übernimmt.“ Isaak lächelte gequält: „Ja, ich weiß, wir spinnen, aber, wir planen eben im Voraus. Das ist unser Daseinszweck.“ „Moment“, begann Jake und schüttelte den Kopf. „Mein Blut ist auch hier?“ „Ja“, antwortete der Rotblonde vorsichtig. „Wie? Was?“, stammelte der Gestaltwandler. Sein Freund nahm ihm die Gen-Probe aus der Hand und schob sie zurück in den Aufnahmebehälter. Dann befahl er: „KI, Gen-Proben von Wächter Isaak ausfahren.“ Erschrocken sprang Jake einen Schritt zurück als die Wabensäule neben ihm in die Wand zurückschoss. Neben ihm baute sich ein zweites Geländer auf und sie bewegen sich, ohne es zu spüren. Sie drehten sich um die Mittelachse und schossen nach oben. Direkt unter der Decke hielten sie an und das Lichtsignal der Wabe, mit welcher der Laufsteg verbunden war, wechselte von grün zu orange und rauschte auf sie zu. Dann bewegten sie sich, wie auf einem Förderband, etwa bis in die Mitte der Säule. Diese drehte sich und eine Wabe wurde ausgefahren. Der Rotblonde deutete auf eine der Scheiben und sagte: „Diese Probe entstand kurz nach meiner Geburt. Diese hier“, er zeigte auf eine andere: „Als ich zum Wächter wurde.“ Dann zeigte Isaak auf eine dritte Scheibe. „Und das ist die Probe nachdem ich meine DNA umstrukturiert habe.“ Er sah auf und grinste: „Wie du siehst bin ich keine Ausnahme. Auch meine Gene wurde erfasst und archiviert. Sowie die aller Wächter vor mir.“ Dann befahl er: „KI, Gen-Probe der menschlichen Magierin Morgan le Fay ausfahren.“ Abermals zog sich die die Wabensäue ein und kehrte in die Wand zurück. Anschließend schossen sie in die Tiefe, diesmal deutlich schneller. „Diese Arche ist unser größter Schatz“, sagte der Wächter mit vor stolz geschwellter Brust. Dann wurde sein Blick ernst: „Zusammen mit dem Wissen der Kristallmatrix, wird dies unser Vermächtnis sein.“ Schnell erreichten sie das Ziel und Isaak zog die Probe heraus. Einen Augenblick starrte er die gläserne Wabe an. Dann senkte er den Blick und atmete tief durch. Mit leiser Stimme erklärte er: „Was ich dir nun sage ist nicht einmal der Kristallmatrix bekannt. Es ist unser größtes Geheimnis.“ „Warte“, fuhr Jake dazwischen. „Ich habe heute schon genug Dinge gehört und gesehen, welche mich in meinen Träumen verfolgen werden. Behalte dein Wissen für dich, ok? Ich vertraue dir.“ Isaak hob den Blick und lächelte liebevoll. „Und ich vertraue dir“, sagte er, dann wurde seine Miene wieder erst. „Deshalb solltest du es wissen. In einigen Punkten habe ich dich und die anderen belogen. Selbst mit meiner vollen Magie habe ich keine Chance gegen einen menschlichen Magier. Und schon gar nicht gegen Morgan le Fay. Sie ist sogar noch stärker als alle Magier vor ihr. Das habe ich gespürt als ich mit ihr verbunden war.“ „Warte. Was?“, fuhr Jake ihn an und wurde wütend. Isaak hob beschwichtigend die Hände und sagte: „Lass mich bitte ausreden.“ Dann wartete er bis der Wolfsjunge zähneknirschend nickte. Durch ihre Verbindung spürte der Wächter, dass sein Freund sich betrogen fühlte, aber die Zeit war gekommen endlich reinen Tisch zu machen. „Vor Äonen von Jahren, in der ersten Blütezeit der Wächter, waren wir so was wie göttliche Wesen. Unsere Macht war nahezu grenzenlos und nur unsere Vorstellungskraft schien uns bremsen zu können. Damals lebten die Wächter 100.000e von Jahren. Alles regelten wir mit unserer Magie. Nichts und niemand konnte uns aufhalten. Wir waren die ultimativen Beschützer des Lebens und kümmerten uns gut um diesen Planeten. Unter unserer Obhut florierte das Leben, es explodierte quasi. Täglich entstanden unzählige neue Arten und Rassen. In unserer grenzenlosen Ignoranz beschleunigten wir die Evolution sogar. Der damalige Wächter hielt sich für unsterblich und dachte er würde bis in alle Ewigkeit über die Erde wachen. Doch dann begann der Zerfall. Der Wächter bemerkten lange nicht, wie seine Kräfte schwanden. Es war ein schleichender Prozess und erst kurz vor einer globalen Katastrophe wurde es ihm bewusst. Er war zu schwach und opferte sich, um das Leben zu bewahren, das er so viele Jahrtausende gehegt und gepflegt hatte. Dennoch starben Milliarden und Abermilliarden von Lebensformen. Vom Einzeller bis zu den größten Tieren. Damals gab es noch keine Zitadelle und auch keine Aufzeichnungen. Der nächste Wächter hatte von seinem Vorgänger lediglich seine Macht geerbt. Alles andere musst er sich selbst beibringen. Und auch dieser Wächter wähnte sich nach einiger Zeit allmächtig und unsterblich. Unter seiner Obhut erblühte das Leben wieder. Der Kreislauf begann von Neuem und der Wächter wurde schwächer. Es dauerte einige Milliarden Jahre und viele Generationen von Wächtern, bis wir endlich den Fehler erkannten. Je mehr Leben existiert, desto schwächer wurden die Wächter. Das war die Geburtsstunde der Zitadelle. Von da an sammelten wir akribisch unser Wissen und versuchten aus dieser Spirale auszubrechen. Nicht um unseretwillen, sondern um das Leben zu beschützen. Das war und ist noch heute unsere einzige Aufgabe. Unser Daseinszweck. Dennoch dauerte es Millionen von Jahren und unzählige Wächter, bis wir jeden Winkel auf dem Planeten untersucht und alles Wissen in unserer Bibliothek aufgenommen hatten. Aber auch mit diesem Wissen konnten wir das Leben nicht beschützen. Mit jeder größeren Katastrophe starb der Wächter bei dem Versuch seine Aufgabe zu erfüllen. Voller Verzweiflung, und in dem Glauben versagt zu haben, wandten wir uns von der Magie ab. Dies war die Geburtsstunde unserer Technologie. Wir hofften mit Hilfe dieser, den ewigen Kreislauf unterbrechen zu können. Wie außerordentlich dumm wir doch waren.“ Isaak lachte kurz und mitleidig auf. „Wie dem auch sei. Etliche Generationen später hatten wir es geschafft. Mit Hilfe unserer Technologie konnten wir einen Megavulkanausbruch aufhalten. Der damalige Wächter sah den Weg, den wir eingeschlagen hatten als den richtigen an und verstärkte unsere Technologie noch weiter, aber auch das rettete ihn nicht vor einem Asteroiden, bei dem er sich opfern musste. Da erkannten wir es: Die Wächter und das Leben selbst waren eine Einheit. Je mehr wir das Leben schützten und mehrten, desto schwächer wurden wir. Durch unsere Technologie konnten wir das nun ausgleichen aber zu welchem Preis? Ohne die Katastrophen, welche das Leben dahinrafften, war unsere Magie nur noch ein schwacher Abklatsch unserer einstigen Macht. Vor rund 100.000 Jahren erschufen wir dann die Kristallmatrix und wenig später die Außenposten und die Arche. Da wurde es richtig schlimm. Unsere Lebensdauer sank rapide. Nicht aufgrund von Katastrophen, gegen die wir nicht gewappnet waren, nein, wegen der Entwicklung der Menschen, welche auch uns beeinflusste. Wie ich bereits sagte. Die Selbstmordrate unter den Wächtern ist sehr hoch. Kaum einer lebte mehr als 200-300 Jahre. Mittlerweile haben wir unser Schicksal anerkannt. Unsere Technologie ist nun bereit unsere Aufgabe fortzusetzen. Wir haben alles durchdacht und unzählige Tests durchgeführt. Ich selbst habe diese Arbeit beendet und vor rund 2000 Jahren die Außenposten runtergefahren. Alles ist vorbereitet für den Tag, an dem unsere Magie vollends versiegt und die Wächter aufhören werden zu existieren. Die Kristallmatrix weiß nichts davon. Es gibt Wissen, dazu zählt auch dieses, welches wir sogar vor ihr geheim halten. In der Zitadelle gibt es einen Abschnitt, zu dem sie keinen Zutritt hat und dort sind die Bücher mit allem, was in unseren Augen zu gefährlich ist, um es einer KI anzuvertrauen. Meine Magie ist viel zu schwach. Deshalb kann ich Morgan le Fay allein auch nicht besiegen, aber auch für einen solchen Fall haben wir vorgesorgt. In der Zitadelle haben wir Waffen erschaffen, um einen menschlichen Magier aufzuhalten. Ihre Identität zu enthüllen war mein oberstes Gebot.“ Er hielt die Gen-Probe hoch. „Mit dieser Probe kann ich in der Zitadelle eine Biowaffe erschaffen, welche Morgan le Fay töten wird. Das ist mittlerweile der beschämende Weg der Wächter.“ Traurig senkte er den Blick und ließ die Schultern hängen. „Auch in diesem Punkt habe ich gelogen. Wir haben so viel von unserer Magie eingebüßt, dass wir auf die Technologie angewiesen sind. Es ist nicht nur eine Spielerei für uns, wir sind vollkommen von ihr abhängig. Das ist auch der Grund warum die KI die Zitadelle in eine andere Dimension verschoben hat. Ohne den Zugriff auf unsere Hauptsysteme kann ich kaum etwas machen. Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Katastrophe eintritt und mein Leben endet. Deshalb muss ich die Zitadelle zurückbringen und Morgan le Fay auslöschen, bevor sie bemerkt was los ist. Sie gibt sich dem verständlichen Irrglauben hin, dass Magie allmächtig ist, wie wir es auch einst taten, und die Wächter ihr darin ebenbürtig sind. Das ist der Grund, warum sie bisher nicht selbst in Erscheinung getreten ist. Ihre Angst vor mir lässt sie im Schatten die Fäden ziehen. Sollte sie aber erfahren, wie schwach ich wirklich bin, wird sie direkt mit aller Macht angreifen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)