Das Herz will, was das Herz will! von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Personentombola") ================================================================================ Kapitel 10: Aussprache ---------------------- Angespannt standen Seto und Eiri in der Dunkelheit. Das einzige was zu hören war, war nur ihr Atem der hastiger als üblicherweise ging. Die Starre hielt mehrere Herzschläge an, dann flackerte plötzlich ein schwaches rotes Licht um sie herum auf. Die Notbeleuchtung war angesprungen. Ein Stoßseufzer entfuhr Seto und dann sackten ihm plötzlich die Knie weg und er rutschte am Pult entlang bis auf den Boden wo der schwach die Ellenbogen auf die Knie stützte und erschöpft das Gesicht in den Händen vergrub. Reglos stand Eiri ein Stück entfernt und blickte auf ihn herab. Kein Laut kam über seine Lippen. Eine ganze Weile war von Seto nichts anderes zu hören als sein rascher Atem der sich allmählich beruhigte. Schließlich brach Eiri das Schweigen. „Wir sollten vielleicht mal nachsehen, ob die zwei heil runtergekommen sind.“ Zunächst kam keine Antwort. „Wir können hier nicht raus“, erklang es schließlich noch immer aus Setos Händen heraus. „Wenn das System einen unerlaubten Zugriff registriert, schottet es alles ab und solange der Strom weg ist, lässt sich diese Tür nur noch rein manuell von außen öffnen. Auch das ist eine Sicherheitsvorkehrung, damit niemand hieraus entkommen kann, der hier nichts zu suchen hat.“ „Nenne es wie du willst, aber du bist doch schon ein bisschen paranoid, weißt du?“, kam es nun trocken von Eiri Nun hob Seto langsam den Kopf. „Und du bist wirklich ganz schön kaltschnäuzig“, Langsam lehnte Eiri sich nun an die Konsole neben ihm. „Warum glaubst du das?“, fragte er ruhig. Seto wandte Kopf wandte sich ihm zu. Selbst in dem roten Licht der Notbeleuchtung konnte man erkennen, dass sein Gesicht ungewöhnlich blass war. „Du hast doch kaum eine Miene verzogen bei der ganzen Sache“, antwortete er ein wenig sarkastisch. „Du hattest die Ruhe weg, während ich...“, er stockte kurz. „Ich war das reinste Nervenbündel.“ Er zögerte einen langen Moment dann sprach er leise weiter. „Ich hab Mokuba schon fallen gesehen. Ich konnte nicht mehr klar denken. Zum Glück hat dich das Ganze so kalt gelassen. Hättest du nicht die Ruhe bewahrt... und diese Idee mit der Sicherung gehabt... ich weiß nicht wie das ausgegangen wäre.“ Die letzten Worte klangen unangenehm hohl. Still blickte Eiri auf ihn herab. „Versuchst du mir irgendetwas zu sagen?“, fragte er dann verhalten. Unwirsch richtete Seto wieder den Blick zum Boden. Er sah fast schon ein wenig trotzig aus. Einen langen Moment schien er nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich... hätte die beiden niemals mit der Anlage fahren lassen dürfen, ohne zumindest einen Probelauf zu machen. Das war unglaublich dumm und fahrlässig von mir!“, die bitteren Worte wurden begleitet von einer geballten Faust die einmal kurz auf den Boden schlug. „Aber ich wollte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.“ Noch einmal atmete er kontrolliert durch. „Ich habe das Leben meines Bruders riskiert, weil mir meine persönlichen Gefühle wichtiger waren als er. Das kann ich mir nicht verzeihen!“ Eiris Stirn legte sich leicht in Falten. „Ich hätte ja gedacht, dass du eher mir die Schuld gibst an der Sache“, meinte er unsicher. Noch einmal warf Seto einen kurzen Seitenblick zu ihm hinauf. „Du bist zwar nervtötend bis aufs Blut, aber nicht du hast die Maschinen ohne Wartung in Gang gesetzt, sondern ich.“ „Womöglich...“, kam es nun zögernd von Eiri, „hat meine Anwesenheit dich ein wenig zu sehr gedanklich in Beschlag genommen.“ Stumm starrte Seto vor sich auf den Boden. Er schwieg eine Weile. „Du hast ja auch alles getan um das zu erreichen.“, meinte er schließlich schwach. „Trotzdem entschuldigt das nicht die Tatsache, dass ich die üblichen Sicherheitsprotokolle übergangen habe und damit das Leben zweier Menschen riskiert habe nur um einen Vorgang abzukürzen, der mir nicht geheuer war. Wenn... Mokuba dadurch etwas passiert wäre...“, in ihm krampfte sich alles zusammen bei dem Gedanken, „ich weiß nicht was ich dann jetzt täte.“ Noch einmal warf er Eiri einen kurzen Blick zu. „Keine Ahnung ob du das irgendwie verstehen kannst.“ Für einen Moment blickte Eiri nur still auf ihn herunter, dann ließ er sich ebenfalls an der Seite des Pultes heruntergleiten und kam mit einer knappen Handbreite Abstand neben Seto auf dem Boden zu sitzen. „Du musst dich nicht so fertig machen“, sagte er ruhig. „Es ist ja zum Glück nichts Schlimmes passiert. Das Ganze war einfach ganz dummes Pech. Ein gefährlicher Schaden, der aber nun behoben werden kann. Ich nehme mal an, dass diese ganze Anlage jetzt von dir persönlich auf Herz und Nieren geprüft wird ehe da irgendjemand noch mal einsteigt.“ „Darauf kannst du wetten!“, bestätigte Seto trocken. Aufmunternd tappte Eiri zweimal kurz mit der Handfläche auf Setos Knie und ließ sie dann da liegen. „Na, siehst du!“ Der junge Mann zuckte einmal kurz zusammen, zog das Bein aber nicht weg. Aus den Augenwinkeln musterte er den Mann neben sich. „Versuchst du immer noch mich anzubaggern, oder ist das jetzt nur als Aufmunterung gedacht?“, kam es skeptisch. Eiris Blick ging hinunter zu seiner Hand. Er zögerte einen Moment, dann nahm er sie herunter. „Macht der Gewohnheit...“, murmelte er. „Ich verstehe dich einfach nicht“, schüttelte Seto leicht den Kopf. „Warum ich? Was willst du ausgerechnet von mir? Kannst du wirklich keinen anderen finden der dich Shindo-san ausspannt? Jemanden bei dem das mehr nachvollziehbar ist? Wenn du ihn loswerden willst, kannst du ihm dann nicht einfach den Laufpass geben? Warum ziehst du so eine Nummer hier ab? Ist es dir denn völlig egal wenn du andere dabei demütigst oder verletzt? Bedeuten dir deine Mitmenschen eigentlich überhaupt irgendetwas?“ Reglos saß Eiri da. Kein Ton kam über seine Lippen, doch nun konnte man sehen, dass er kurz unwillkürlich schluckte. Ein kurzer kontrollierter Atemzug entfuhr ihm, dann lehnte er sich mit dem Rücken an das Pult und schloss müde die Augen. So saß er eine eine ganze Weile, dann sagte er leise: „Es ging eigentlich niemals um das Geld, weißt du?“ Verwundert blickte Seto auf, doch Eiri redete schon weiter. „Die Sache mit den Fanfictions. Ich wollte gar kein Geld von dir, ich wollte nur deine Unterschrift auf dem Scheck.“ Setos Stirn legte sich in Falten. „Wozu?“, fragte er skeptisch. „Es sollte nur ein Autogramm werden, für Shindo“, fügte er erklärend hinzu. Sprachlos hatte Seto die Worte vernommen. „Ist das dein Ernst?“, fragte er ungläubig. „Du hast das ganze Theater nur abgezogen für ein Autogramm? Ich musste dir diese blöden Zettel abkaufen für eine Signatur um die du mich einfach hättest bitten können an dem Abend?“ Ein wenig unbehaglich blickte Eiri nun drein. Er schien schwer mit sich zu ringen. „Nicht ganz...“, gab er schließlich schweren Herzens zu. „Was noch?“, hakte Seto unnachgiebig nach. Noch einmal atmete Eiri kurz durch und dann blickte er Seto direkt an. „Mir hat nicht gefallen wie du Shindo behandelt hast“, sagte er fest. „Einen Monat vorher hast du ihm eine grobe Abfuhr erteilt, als er dich auf einer Spielemesse um ein Autogramm gebeten hat. Zwei Wochen hat er Depri geschoben bis ich es nicht mehr ausgehalten habe.“ Man konnte nun sehen wie es hinter Setos Stirn anfing zu arbeiten. Schließlich meinte er: „Wenn ich mich recht erinnere, ist er mir über das ganze Messegelände hinterhergelaufen und ließ sich einfach nicht abwimmeln.“ „Das klingt sehr nach ihm“, bemerkte Eiri trocken. „Er wollte mir sogar vors Auto springen, da musste ich ein Machtwort sprechen.“ „Du sagtest ihm, er solle sich zum Teufel scheren!“ „Ich hätte ihn fast überfahren! Er wollte einfach nicht locker lassen.“ „Du hättest ihm einfach das Autogramm geben sollen. Shindo kann unglaublich beharrlich sein, wenn er was will.“ „So wie dich?“, nachdenklich musterte Seto den jungen Mann neben sich. Eiri hatte die Oberarme auf die Knie gestützt und seine Hände hingen schlaff nach unten. Betrübt blickte er vor sich hin. „Was willst du eigentlich von ihm?“, fragte Seto jetzt verständnislos. „Warum brühtest du so was wie das mit den Fanfictions aus? Nur um mir eins auszuwischen, weil ich nicht nett zu ihm war? Ist dir klar wie verrückt sich das anhört?“ Schwach fuhr sich Eiri nun einmal mit der Hand übers Gesicht. „Das ist... kompliziert“, seufzte er leicht. „Hättest du die Güte zu versuchen es mir trotzdem zu erklären?“, meinte Seto etwas gereizt. „Ich würde nämlich immer noch gerne meine Rolle in der ganzen Sache begreifen.“ „Da gibt es nicht wirklich viel zu erklären“, meinte Eiri schwach achselzuckend. „Ich mag es nicht wenn jemand Shindo schlecht behandelt. Er nimmt sich so etwas immer viel zu sehr zu Herzen und ich kann es nicht ertragen wenn er heult. Und schon gar nicht wenn er tatsächlich Grund dazu hat. Also hab ich einen Wettbewerb ausgeschrieben für Shonen Ai-Fanfictions mit dir. Ich dachte mir, wenn du das Autogramm nicht freiwillig rausrückst, sorge ich dafür dass du es unfreiwillig tust. Den Rest kennst du ja.“ „Wie kommt man bloß auf eine so abwegige Idee?“, schüttelte Seto ungläubig den Kopf. „Es hat doch funktioniert“, entgegnete Eiri schlicht. „Das kann man wohl sagen“, gab Seto müde zu. „Ein wenig zu gut“, kam es jetzt etwas verhalten von Eiri. Seto hob erneut den Kopf. Der blonde Schriftsteller streckte nun ein Bein geradeaus. „Ich hatte wirklich nicht geplant, dass da mehr draus wird. Ich hätte dich vielleicht doch nicht küssen sollen.“ „Nur vielleicht?“, kam es kritisch von Seto. Nun schaute Eiri wieder auf und begegnete Setos Blick. Eine Ernsthaftigkeit lag nun in seinen Augen die Seto doch wieder etwas beunruhigte. „Weißt du, Kaiba“, sagte er leise, „wenn ich gewusst hätte was daraus wird, hätte ich das mit dem Kuss tatsächlich gelassen. Ich wollte dich einfach nur ein bisschen büßen lassen, weil du ein echtes Ekel warst, aber jetzt...“, er schluckte erneut, „jetzt kriege ich jedes Mal die Flatter wenn du mich anschaust wie jetzt grade.“ Setos Augen weiteten sich. Sprachlos starrte er Eiri an. „Glaub mir, das war wahrhaftig nicht beabsichtigt“, fuhr Eiri fort. „aber ich finde dich tatsächlich anziehend. Auch wenn du das wohl nicht so empfindest.“ Sein Blick bekam nun etwas Resigniertes. „Ich habe mich da einfach in etwas verrannt, was vermutlich keine Zukunft hat.“ Er schlug die Augen nieder. „Aber ich kann es nicht leugnen, dass es mich schon allein anmacht nur hier neben dir zu sitzen. Ich wünschte manchmal, ich hätte mich bei so was etwas besser in der Gewalt.“ Nervös strich er die Haare aus seinem Gesicht. „Du bist echt seltsam“, murmelte Seto. „Wenn ich von dir verlange, dass du dich von mir fernhältst und du dann wieder so ein Ding abziehst, dass mir nichts anderes bleibt als zu dir zu kommen, dann musst du wirklich ganz schön versessen auf mich sein.“ Nun hob Eiri langsam wieder den Kopf und sah ihn an. Unter diesem Blick wurde es Seto erneut ganz blümerant zumute, denn jetzt lag da eine Intensität drin, die er weder recht deuten noch erklären konnte. Aber irgendetwas ballte sich in seiner Magengrube zusammen dabei. Das Gesicht des blonden Schriftstellers hing nun direkt vor seinem und wieder war da diese eigenartige Spannung wie vorhin im Tunnel. „Ich bin nicht kaltschnäuzig...“, sagte Eiri nun leise und fast schon eindringlich. „So gar nicht! Ich hatte auch eine scheiß Angst.“ Sein Gesicht kam nun ein wenig näher an Setos heran, dessen Augen sich leicht weiteten. „Ich dachte, jeden Moment stürzen beide ab, und ich konnte gar nichts machen. Das Einzige was ich tun konnte, war dafür zu sorgen, dass die einzige Person, die sie retten konnte, ihren Job macht.“ Sein Gesicht kam noch ein Stück näher an Setos heran, der zwar wie erstarrt dasaß, aber weder einen Ton von sich gab, noch zurückwich. „Nur weil du so ein verdammtes Computergenie bist, hat Shindo überlebt, und dafür steh ich auf ewig in deiner Schuld“, Eiris Stimme zitterte nun leicht. Große grüne Augen nagelten den jungen Firmenchef fest und Seto konnte nun erkennen, dass es in ihnen eigenartig feucht schimmerte. Jetzt hob Eiri zaghaft die Hand und sehr behutsam legten sich Daumen und Zeigefinger um Setos Kinn. Unwillkürlich beschleunigte sich Setos Atem und er konnte spüren wie sein Herz jetzt heftig gegen seine Brust pochte. „Was... was machst du da?“, kam die schwache Frage. „Mich bedanken!“, wisperte Eiri jetzt kaum hörbar. Setos Puls raste. Er blinzelte mehrfach und sei Atem ging heftig. Er konnte nicht glauben, dass ihm das hier wirklich passierte. Eiris Gesicht schwebte direkt vor seinem. In den grünen Augen lag nun eine solche Sehnsucht, dass es Seto ganz heiß und kalt wurde dabei. Die Stellen an seinem Kinn, wo der andere ihn berührte, glühten förmlich und in seinem Kopf drehte sich alles. Es war das erste Mal, dass er das Gesicht des Anderen so deutlich wahrnahm. Es war androgyn und sehr ebenmäßig und schmale, feingeschwungene Lippen näherten sich jetzt den seinen. Seto spürte wie sein Herz bis zum Hals schlug und ihm die Farbe aus dem Gesicht wich, doch er konnte sich einfach nicht losreißen. Oder wollte er nicht? Es war schwer zu sagen, er konnte im Moment irgendwie nicht klar denken. Die ganze jüngste Panik hatte sein Nervenkostüm empfindlich aufgerüttelt und ihn gerade sehr angreifbar gemacht. Eiri neigte sich nun noch etwas dichter zu ihm hinüber. Setos Augen waren weit geöffnet, aber er wich nicht vor ihm davon. Er duldete es sogar, dass er sein Gesicht jetzt sanft zu sich zog. Auch wenn der junge Firmenchef gerade keinen Finger rührte, verriet doch seine Halsschlagader seine Aufregung. Auch Eiris Herz schlug heftig. Er konnte sich einfach nicht helfen, dieses unbeholfene Gebaren, diese leichte Furcht auf das was kommen mochte, verstärkte das flatterige Gefühl in seiner Magengrube nur noch und mit Beglückung stellte er fest, dass hier nicht länger Widerstand war. Seine Lippen zitterten fast schon ein wenig bei der Erwartung sich sanft über seine zu legen und diese exquisite Weichheit zu ertasten und zu kosten. Nun trennten nur noch wenige Millimeter ihre Lippen voneinander und Eiri registrierte genüsslich, dass Setos Augen sich nun entspannten und halb schlossen. Sein Herz machte einen erregten Satz. Er hatte es geschafft! Das hier war genau das was er sich erträumt hatte. Er hatte gewonnen! Und auf einmal hielt er inne und sein Gesicht wurde blass. Er brauchte einen Moment um wieder zu sich zu kommen. Was genau tat er hier eigentlich? Wieso war ihm dieser erkämpfte Kuss, der sich ihm hier jetzt so bereitwillig anbot, nur so wichtig? Was war das hier? Ein Spiel? Eine Liebelei? Er schluckte schwer. Gerade eben noch war er tausend Tode gestorben während er beobachtete, wie Shuichi über einem dreißig Meter hohen Abgrund im Begriff war zu Tode zu stürzen. Shuichi! Nein, das konnte er ihm nicht antun! Er schlug leicht die Augen nieder. Er hatte gerade erst miterlebt wie Seto Kaiba sich selbst Vorwürfe gemacht hatte, weil er seinen Bruder in Gefahr gebracht hatte, da er sich gedanklich lieber von ihm vereinnahmen ließ, anstatt auf Mokubas Sicherheit zu achten. Aber war er da so viel anders? In den vergangenen Stunden hatte er von diesem Park und seinen Attraktionen kaum etwas mitbekommen. Stattdessen hatte sich sein ganzes Denken nur darum gedreht, Seto herum zu bekommen. Und hier waren sie jetzt! Dabei hatte er seinen Partner völlig links liegen gelassen und versucht ihn an einen Jüngeren abzuschieben, damit er ihm nicht auf den Wecker fiel. Wäre das hier gerade nur ein wenig anders ausgegangen, dann würde er sich sein Leben lang Vorwürfe machen, dass er die letzten Stunden von Shuichis Leben einem Anderen hinterher gestiegen war, der zudem offenkundig für ihn unerreichbar bleiben würde. Der Gedanke schnürte ihm gerade empfindlich die Luft ab. Damit hätte er nicht leben können, das wurde ihm nun nur allzu bewusst. Was bin ich doch für ein Vollidiot!, schimpfte er innerlich. Dann blickte er wieder zu Seto auf, der ihm noch immer mit einem unsicheren Blick entgegensah. Mit einem leichten Seufzer setzte sich Eiri wieder ein Stück auf, dann drückte er rasch seine Lippen kurz auf Setos Wange und lächelte dabei verschmitzt. „War ein Scherz!“, meinte er neckisch, jedoch in seinen Augen lag noch immer Bekümmertheit. Setos Augen flogen auf. Für einen Moment war er völlig perplex, dann streckte er die Hand aus und schob das Gesicht des anderen demonstrativ weg. „Lass den Blödsinn, das ist eklig!“ Nun lehnte Eiri sich wieder zurück an das Metallpult und ließ langsam die Luft entweichen. Die Erkenntnis von eben musste er erst mal verdauen. Vor allem, wie sollte das jetzt weitergehen? Auch Seto saß nun wieder ein wenig ratlos da. Seine Wangen hatten sich unwillkürlich bei dem Bussi gerötet. Noch immer fühlte er sich ziemlich aufgewühlt und durch den Wind. Eigentlich hatte er schon fest damit gerechnet, dass der andere ihn küssen würde. Es wunderte ihn selbst, dass er in diesem Moment tatsächlich bereit war, es zuzulassen, und noch mehr verwunderte ihn die Tatsache, dass er es fast bedauerte, dass es nicht dazu gekommen war. Und dann dieser rasche Kuss auf die Wange. Was war das nun wieder? Ein neues Spiel? Seto war es langsam leid. Er fühlte sich emotional durch die Mangel gedreht und so müde wie schon lange nicht mehr. „Ich kann nicht darüber lachen!“, bemerkte er missmutig. „Es ist auch nicht wirklich zum Lachen“, gab Eiri verhalten zu. „Ich... wollte wirklich nur Danke sagen.“ „Vielleicht könntest du das beim nächsten Mal auf andere Weise tun.“ Seto warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Du bringst mich mit so was ganz durcheinander.“ Eigentlich hatte er gar nicht so ehrlich sein wollen. „Ja“, bemerkte Eiri nun trocken und mied seinen Blick. „Darin bin ich wohl Meister.“ Mit diesen Worten erhob er sich steif und trat einen Schritt zur Seite. Verwundert blickte Seto ihm hinterher. „Wieso? Weil es dir Spaß macht, alle Leute um den Finger zu wickeln?“ Mit einem schiefen Lächeln warf Eiri ihm einen kurzen Blick zu. „Weil früher oder später alle Typen auf mich stehen.“ Er begann in seiner Tasche zu kramen. Nun hievte sich Seto auch wieder vom Boden hoch. Seine Miene war ernst. „Ich steh nicht auf dich!“ Eiri sah kurz zu ihm rüber. „Oh doch, tust du!“, sagte er leicht belustigt. Dann tastete er weiter seine Taschen ab und förderte eine Packung Zigarette zutage. Setos Wangen röteten sich ärgerlich. „Erzähl keinen Scheiß!“ „Ist doch so!“, meinte Eiri beiläufig und zog ein Feuerzeug aus der Hosentasche. „Ist es nicht!“, stellte Seto nachdrücklich klar. „Rede dir das nur weiter ein!“, erwiderte Eiri gelassen. Und fischte nun eine Zigarette aus der Packung. „Hier drin herrscht Rauchverbot!“, stellte Seto demonstrativ klar. Eiri verdrehte die Augen. „Hab dich nicht so. Das Ganze hat mich auch ziemlich geschlaucht. Ich brauch jetzt wirklich ne Kippe!“ Nachdrücklich trat Seto näher. „Ich habe es satt, dass du mir ständig widersprechen musst“, kam es grimmig von ihm. „Pack das weg!“ „Ich rauch nur eine, ganz schnell!“, entgegnete Eiri trotzig. „Ich sagte, hier drin wird nicht geraucht!“, Ärger funkelte in Setos Miene auf. Geringschätzig zuckte Eiri mit den Achseln und zückte das Feuerzeug zum Anzünden. „Versuch mich aufzuhalten!“ Ein scharfes Einatmen ertönte von Seto. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf, machte zwei große Schritte und packte ihn vorne grob am Kragen. In seinen Augen funkelte es wütend, und nur Sekunden später presste er mit Gewalt seine Lippen auf die von Eiri und zwang dem völlig überrumpelten Schriftsteller einen harten aber fast schon leidenschaftlichen Kuss auf. Verblüfft fielen Eiri die Zigaretten aus der Hand. Er hatte das nicht kommen sehen. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er wieder in die alten provokanten Verhaltensmuster gerutscht war. Erst als die Lippen des anderen sich wild und fordernd über seine legten, dass ihm im ersten Moment die Luft wegblieb, wurde ihm bewusst, dass er wohl wieder zu weit gegangen war. Nur diesmal bekam er dafür die Quittung, denn diesmal hatte er es nicht einmal darauf angelegt, und irgendwie behagte ihm das gar nicht. Denn das hier rief Erinnerungen wach, die er eigentlich vergessen wollte. Und zu seiner eigenen Verwunderung versuchte er sich nun von ihm zu lösen. Doch in Setos Griff lag erstaunlich viel Kraft. Unerbittlich hielt er ihn fest und bearbeitete gnadenlos sein Mund mit den seinen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, gab er ihn schließlich frei. Er ließ den Hemdkragen los, starrte ihn schwer atmend aber mit zornigem Blick an und wischte sich angeekelt mit dem Handrücken den Mund ab. „Jetzt weißt du hoffentlich wie es sich anfühlt, wenn jemand einem seinen Willen aufzwingt!“, schnaufte er aufgebracht. „Das war es doch worauf du es die ganze Zeit angelegt hast, oder? Ich hoffe, jetzt wo du endlich hast was du wolltest, lässt du es endlich mal gut sein, mich ständig zu provozieren. Ich habe jetzt nämlich wirklich genug davon!“ Noch immer perplex starrte Eiri ihn an. „Ok...“, entfuhr es ihm ein wenig benommen. In diesem Augenblick war von der Tür her ein mechanisches Knirschen zu vernehmen. Simultan fuhren beide Köpfe herum. Jemand machte sich offenbar an der Tür zu schaffen. Es knirschte noch ein wenig weiter und dann plötzlich ertönte ein lautes 'Klack' und die Tür bewegte sich zur Seite. Kaum war der Spalt groß genug, als sich auch schon eine kleine Gestalt hindurchzwängte und auf Seto zustürzte. Völlig aufgelöst warf sich ihm Mokuba entgegen: „Seto! Oh, Seto!“, rief er weinerlich und dann fiel er ihm schluchzend um den Hals und ließ den Tränen freien Laut. Zunächst etwas überrumpelt, doch dann verständnisvoll nahm Seto seinen Bruder in die Arme und tröstete ihn sanft. Der Mechaniker der die Tür geöffnet hatte, schob diese nun ganz auf und bemerkte beiläufig: „Wir kümmern uns bereits um den Stromausfall, Kaiba-sama. Es wird nicht lange dauern.“ „Der Cyberdrache wird erst mal stillgelegt!“, bestimmte Seto fest. „Er bekommt einen vollständigen Check-Up!“ „Natürlich, Kaiba-sama!“, verneigte sich der Mann kurz und verschwand dann aus der Sicht. Behutsam strich Seto wieder über Mokubas Haar, während dieser sich noch immer bei ihm ausweinte. „Es ist alles gut!“, murmelte er sanft. „Jetzt kann dir nichts mehr passieren!“ Ein Stück entfernt stand Eiri und beobachtete die beiden. Sie so zu sehen gab ihm ein etwas beklommenen Gefühl. Diese Szene war nicht für Außenstehende gedacht. Mit leisen Schritten bewegte er sich zur Tür und dann verließ er schweigend den Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)