Evolition von Charly89 (Hoenn und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 21: Unter vier Augen ---------------------------- Ich hadere noch einen Moment mit mir. Doch meine Entscheidung fällt schnell, als mir Chiefs Haltung wieder in den Sinn kommt und dieser Ausdruck in seinen Augen letzte Nacht. Das war definitiv Verlust … Ich laufe los, Richtung Dorf-Ausgang. Zwischen den ganzen Blitza und Evoli überall, ist es schwer den Überblick zu behalten. Verdammt! Zwischen diesem Gelb und Braun sollte doch ein Flamara auffallen! Wo ist er nur? Langsam beschleunigen sich meine Schritte. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich habe, also sollte ich mich beeilen. Da! In der Ferne ist ein roter Fleck und ich beginne zu rennen. Meine Flanke meldet sich sofort, aber das ist mir herzlich egal. „Chief!“, rufe ich laut, als ich näher dran bin. Er bleibt stehen und sieht mich verwirrt an, und traurig. Ich überbrücke das letzte bisschen Distanz und verziehe das Gesicht. Mit der schmerzenden Seite hätte ich definitiv nicht rennen sollen! Meine Rippen pochen dumpf und drücken mir die Luft irgendwie ab. „Du solltest dich ausruhen“, seufzt Chief bedrückt. „Aber … Scharte … Leonore …“, keuche ich noch etwas außer Puste. „Du hast gelauscht“, stellt Chief amüsiert fest und schmunzelt. „Ja …“ Ich senke schuldbewusst den Kopf. „Schon gut, ich verstehe dich.“ Das Flamara seufzt. Ein Moment der Stille setzt ein, dann stupst mich Chief an. „Ich bin dir wirklich nicht böse. Es ist viel passiert; verständlich, dass du wissen wolltest, was los ist …“ Ich sehe das Flamara an; da ist so viel Schmerz in seinen Augen – aber warum? „Ich verstehe, dass das schwierig für dich ist; du hast ein Versprechen gegeben. Allerdings …“ Ich beiße mir auf die Lippe. Ist es nicht etwas anmaßend von mir, Chief hier ins Gewissen zu reden? „Allerdings?“, fragt er auffordernd nach. „Ich glaube, dass hier der richtige Platz für Scharte ist.“ Es tut so weh das zu sagen, aber diese erwachsene Stimme hat einfach recht. „Er kann hier glücklich werden.“ Chief betrachtet mich eingehend. „Das hätte ich fast vergessen.“ „Was?“, frage ich verdutzt nach. „Das du kein Welpe bist …“ Ich grinse schief. Stimmt, wie ein Welpe rede ich nicht gerade … und denke auch immer weniger so. „Warum … trifft dich das so?“ Die Frage brennt mir wirklich unter den Pfoten. „Wenn wir eine falsche Entscheidung treffen … und du musst wissen, das ist schon passiert …“ Er bricht ab und atmet durch. „Ich könnte mir nicht noch mal verzeihen, das zu tun.“ Noch mal? Ich ahne, dass das wohl eine längere Geschichte sein dürfte. Obwohl ich neugierig bin, will ich nicht weiter nachfragen – Scharte ist jetzt wichtiger. „Ich glaube nicht, dass es hier eine falsche Entscheidung gibt.“ Ich sortiere meine Gedanken und erkläre weiter, „Weißt du, Schnuff und ich werden immer unseren Bruder in Scharte sehen: den Raufbold mit der großen Klappe, der sich aber fast ins Fell macht, wenn ein harmloses Zubat auftaucht. Ich glaube nicht, dass wir je in der Lage sein werden, das in ihm zu sehen, was die Blitza offenbar sehen. Wie bei Eltern, die immer ihre Kinder sehen – egal wie erwachsen sie schon sind … Ich fürchte, dass wir ihm im Weg wären, der zu sein, der er sein möchte …“ Chief hört mir aufmerksam zu und nickt. „Du musst wissen, dass ich die Tochter, Sandy, meines besten Freundes zu den Aquana geschickt habe, weil sie es dort so geliebt hat, als wir sie besucht haben. Ich war mir so sicher, das Richtige getan zu haben …“ Das Flamara lässt den Kopf hängen und kämpft offensichtlich mit den Emotionen. „Während sie glücklich war, war ihre Familie das natürlich nicht, es hat unsere Freundschaft belastet und damit auch den Clan.“ Ich höre den Schmerz und die Verbitterung heraus. Chief trägt so viel Verantwortung und dadurch eine Last, die mir irgendwie vertraut vorkommt – wenn auch in einem anderen Maßstab. „Viele Monate später, als die Aquana uns besuchten, erwartete ich Sandy anzutreffen. Sie war nicht dabei und die Aquana haben mir erzählt, dass sie den Clan auf eigene Faust verließ. Sie konnte nicht mehr zu uns zurück, das soll sie sehr mitgenommen haben. Ohne ein Wort des Abschieds verschwand sie aus dem Clan.“ Chief seufzt und schließt einen Augenblick die Augen. „Bis heute wissen wir nicht, was aus Sandy geworden ist, und ihre Familie hat meinen Clan verlassen, um sie zu suchen. Alle weg. Ich habe Mitglieder meines Clans verloren und der Aquana-Clan Sandy. Es gibt falsche Entscheidungen, zumindest empfinde ich das so, weil ich es bin, der dafür die Verantwortung tragen muss.“ Mich trifft das tief. Chief hat durch seine damalige Entscheidung viel verloren. „Ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr schlimm und schmerzhaft war, aber … vielleicht hätte sie auch den Flamara-Clan verlassen, wenn sie geblieben wäre, weil sie doch lieber bei den Aquana gewesen wäre. Vielleicht war es ihre Bestimmung zu gehen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort.“ Chief lacht kurz freudlos. „Meinst du?“ „Ich glaube, dass manche nie glücklich sind, mit dem was sie haben, und immer genau das andere wollen – egal wie herum es ist.“ Der Rasen vom Nachbarn ist immer grüner … solche Leute gibt es einfach, vielleicht war Sandy so jemand. Chief denkt über meine Worte nach. „Ich habe auch daran gedacht und … mich mit dem Gedanken oft getröstet, wenn es mal wieder zu schlimm wurde. Tja, es ist Teil meiner Aufgabe, solche Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen zu tragen …“ „Aber diesmal bist du nicht allein …“, flüstere ich leise. Ich will, dass er weiß, das ich hinter ihm stehe, bei diesem Thema. „Sollte Scharte hier bleiben und sich dann doch eines Tages auf und davon machen, werde ich dennoch dazu stehen, seinen Verbleib im Blitza-Clan unterstützt zu haben.“ Chief lächelt mich an und legt den Kopf schief. „Danke. Ich freue mich, dass du deine Meinung und Gedanken mit mir teilst – das macht die Entscheidungsfindung einfacher.“ Er richtet seinen Blick in die Ferne. „Ich war gerade auf dem Weg zu Scharte. Begleitest du mich?“ Ich muss lachen; was für eine Frage! „Natürlich.“ Wir verlassen das Dorf endgültig und gehen zum Trainingslager des Blitza-Clans. Angekommen stehen wir auf einer kleinen Anhöhe und überblicken so das Gelände. Meine Güte! Man müsste meinen, dass es die Blitza nach dem Überfall letzte Nacht ruhig angehen lassen, aber davon ist hier nichts zu sehen. Überall wird eifrig trainiert – Blitza und Evoli gleichermaßen. Wenn ich an meine „Evoli-Zeit“ denke … hier ist wirklich vieles anders. Plötzlich zischt ein Sternschauer gen Himmel und lenkt mich ab. „Wie cool!“ Ich sehe aus dem Augenwinkel wie Chief grinst und ich fühle mich ertappt – warum kann ich nicht sagen. Ich versuche abzulenken: „Und das ist sicher?“ „Siehst du die Steine?“ Tatsächlich. Auf dem Gelände liegen Steine verteilt, die offenkundig platziert wurden. „Sie trennen verschiedene Bereiche. Nur in bestimmten Bereichen dürfen Attacken trainiert werden, und auch nur bestimmte“, erklärt Chief. „Okay. Ich bleibe trotzdem einfach dicht bei dir, nur zur Sicherheit“, nuschle ich leicht beschämt. Mir ist das alles nicht geheuer. Das Flamara lacht und läuft los. Wie angekündigt bleibe ich an Chiefs Seite, sehe mich aber trotzdem neugierig um. Zwei Evoli rennen aufeinander zu, ihre Schweife beginnen zu leuchten und treffen mit einem kraftvollen Hieb aufeinander. Auf der anderen Seite sehe ich ein Blitza, welches in die Luft springt, einen Salto hinlegt und mit den Pfoten einen Stein pulverisiert – mit nur zwei Schlägen! Das hier ist alles so anders … unweigerlich frage ich mich, wie es gewesen wäre, wenn Scharte hier das Licht der Welt … „Da“, holt mich Chief ins Hier zurück. In einiger Entfernung steht mein Bruder, zusammen mit drei anderen Evoli. Sie trainieren, lachen und unterhalten sich ... Es versetzt mir einen Stich, gleichzeitig fühle ich mich bestätigt. Er gehört hier her. Als wir näher kommen erzählt gerade eines der Evoli. „… und siehst du das?“ Sie deutet auf die Narbe über ihrem Auge. „Die habe ich mir vor einem Monat verdient, als ich gegen ein Knarksel gekämpft habe!“ „Woah!“ Scharte ist hörbar beeindruckt. „Das ist echt cool, Cleo.“ Ich fühle mich wie der letzte Depp. Ein Knarksel? Ernsthaft?! Sie hat gegen ein Knarksel gekämpft und ich bin von einem unerfahrenen Kaumalat platt gemacht worden … Als wir bei der Gruppe ankommen, räuspert sich Chief um die Aufmerksamkeit der Bande zubekommen. Scharte wirkt irritiert, dass ich ebenfalls dabei bin und zieht die Augenbraue hoch. „Was gibt es?“ „Du musst leider mitkommen“, erklärt Chief und ringt sich ein freundliches Gesicht ab. „Muss ich?“ Mein Bruder ist nicht glücklich darüber und er verbirgt es auch nicht. „Ich würde lieber mit Cleo und den anderen noch etwas trainieren.“ „Tut mir leid, Scharte, aber es muss.“ Das Flamara dreht sich um und macht deutlich, dass er nicht diskutieren wird. Wir verabschieden uns von den Evoli und machen uns auf den Weg zurück ins Dorf. Die Stimmung ist gedrückt und selbst Scharte fällt es auf. „Ist etwas Schlimmes passiert?“, fragt er schließlich. „Nein, nein“, beschwichtigt Chief. „Aber es muss etwas Wichtiges entscheiden werden und du bist unverzichtbar dafür.“ Scharte grinst breit und sieht mich an. „Unverzichtbar, hast du gehört?“ Ich rolle mit den Augen, verkneife mir aber ein Kommentar – ich will nicht streiten. Mein Bruder bemerkt das natürlich und runzelt die Stirn. Er sagt nichts und auch ich hülle mich weiter in Schweigen, genau wie Chief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)