Der Weihnachtswunsch von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Das Geschenk ----------------------- Leise lief die Weihnachtsmusik im Hintergrund. Wie sehr hatte sie sich gefreut, dass ihre Kinder aus Japan mit ihren Familien angereist waren. Es hatte sich in den letzten vier Jahren so eingeschlichen, dass die große Familie das Weihnachtfest zusammen in Paris feierte. Die Familie saß am großen Esstisch und verzerrte gerade die Nachspeise. Vor der großen Fensterfront stand der große Weihnachtsbaum. Dieser war mit bunten Kugeln, Holzfiguren, einer Lichterkette und natürlich mit der Baumspitze – die ein Stern darstellte – geschmückt. Natsuko freute sich, dass alle ihre Lieben hier bei ihr waren. Ihr Mann, ihre drei Kinder mit ihren Partnern und ihre zwei Enkelkinder. Alle verstanden sich sehr gut, auch wenn ihre Söhne mit dem Freund ihrer Schwester nicht gut auskamen, rissen sich Yamato und Takeru zusammen und ließen die Differenzen zwischen Louisas Freund und sich auf sich beruhen. Für die japanischen Familienmitglieder war es eine Umstellung, ein Fest zu feiern, das es in ihrer Kultur nicht gab. Schnell hatten sich diese mit diesem christlichen Fest angefreundet. Alle fanden es schön, Zeit mit der Familie zu verbringen und die stressige Zeit des Alltags zu entkommen. An diesem Weihnachtsfest war etwas anders. Louisa und ihr Freund redeten fast kein Wort miteinander. Was in Anbetracht der Tatsache, dass die beiden schon zwei Jahre ein Paar waren recht ungewöhnlich war. Wenn man sich die Sitzordnung anschaute fiel auf, dass alle neben ihren Partnern saßen, außer Louisa und ihr Freund. Was noch verdächtiger war, dass Louisas Freund nach dem Essen sofort fluchtartig die Wohnung verlassen hatte. Louisa hatte sich gleich danach in ihrem Zimmer verkochen. Traurig blickte sie auf die Fotos die an der Wand hingen und auf ihrem Schreibtisch standen. Sie nahm sich ein Foto vom Schreibtisch und schaute es traurig an. Stumm liefen die ersten Tränen über ihre Wangen. War sie damals zu naiv? Sie hatten sich versprochen Freunde zu sein. Dies klappte auch ganz gut, bis sie ihm erzählt hatte, dass sie einen Freund hatte. Sie hatten zwar immer noch Kontakt, aber es war nicht mehr so wie früher. Warum musste sie sich in diese Beziehung stürzen? Warum glaubte sie das sie ihn liebte? Warum drängte er sich unbewusst wieder in ihr Leben? Warum spürte sie seine Lippen, wenn sie ihren Freund küsste? Warum stellte sie sich vor, es wären seine Hände, die sie berührten und nicht die ihres Freundes? Warum konnte sie in den gesamten zwei Jahren ihrer Beziehung nur ein paar Mal mit ihrem Freund schlafen? Warum fiel es ihr erst nach seiner Frage auf? War sie nicht zu jung um solch eine Entscheidung zu treffen? Sie hatte doch gerade erst ihr Studium zur Fremdsprachenkorrespondentin begonnen. Da sie ihm keine Antwort auf seine Frage geben konnte hatte er sofort ihre Beziehung in Frage gestellt. Ihr an den Kopf geworfen, dass sie ihn nicht lieben würde. Stumm hatte sie seine Anschuldigungen und Vorwürfe angehört. Ihr kam es gerade so vor als wenn er einen Schlussstrich unter die Beziehung ziehen wollte, als Natsuko alle zum Essen rief. Schutzsuchend hatte sie sich neben Yamato gesetzt und Takeru mitgezogen, damit er sich neben sie setzen musste. Zwischen ihren Brüdern fühlte sich Louisa immer beschützt und geborgen. Ihre Brüder konnten sie immer nur mit ihrer Anwesenheit beruhigen. Beide waren schlau genug, nicht nach zu fragen und erfüllten ihrer kleinen Schwester ihre stumme bitte. Konnten sich die Geschwister auch ohne Worte verständigen. In Gedanken versunken hatte Louisa das Weihnachtsessen zu sich genommen. Sie dachte an ihren ersten Urlaub in Tokio. Damals wollte sie ihre Brüder besuchen. Mit Takeru war sie aufgewachsen, er war immer ein sicherer Anker in ihrem Leben. Als er nach Tokio zog fühlte sich sie plötzlich alleine. Sie quengelte so lange, bis ihre Eltern es ihr erlaubten Takeru in Tokio zu besuchen. Dort hatte sie das erste Mal in ihrem Leben die Möglichkeit sehr viel Zeit mit Yamato zu verbringen. Schnell hatten die Beiden einen gemeinsamen Nenner gefunden und waren seitdem ein unschlagbares Team geworden. Im Freundeskreis hatten Yamato, Takeru und Louisa den Ruf weg, die drei Musketiere zu sein. Da ihr unausgesprochenes Motto ‚Einer für alle und alle für einen‘ zu sein schien. In dieser Zeit hatte sie auch Iori kennengelernt. Sie konnte sich noch genau an ihre erste Begegnung erinnern. Es war auf der Geburtstagsfeier ihrer jetzigen Schwägerin. Er hatte versucht sie zu trösten, als es durch ein Missverständnis zum Streit mit Takeru gekommen war. Sie musste einen riesigen Kloß im Hals herunterschlucken, als sie ihm das erste Mal in seine Augen geschaut hatte. Diese blickten sie mitfühlend und mit einer solchen Wärme an, dass ihr Herzschlag einmal aussetze. Lächelnd reichte er ihr ein Taschentuch. Danach gingen sie an die frische Luft und unterhielten sich über alles Mögliche. Sie verabredeten sich für den darauffolgenden Tag im Park. Bei diesem Treffen bekam sie ihren ersten richtigen Kuss. Ganz genau konnte sie sich heute noch daran erinnern, wie seine Lippen sanft auf ihre trafen. Keine Sekunde konnte sie klar denken, als sie ihren Mund leicht öffnete und seine Zunge spürte. Diesen Kuss konnte ihr jetziger Freund nie toppen. Ihre Welt kam ins Wanken, als Iori sie zurückwies. Seine Worte hallten ihr immer noch durch den Kopf: Iori wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als Louisa das Reden übernommen hatte. „Du willst mich abservieren.“ „Du verstehst das falsch, Isa. Du bedeutest mir eine Menge. Es würde aber nicht funktionieren.“ „Wie meinst du das?“ „Du wohnst in Paris. Ich in Tokio. Von dem Altersunterschied möchte ich gar nicht sprechen“, kam es leise von Iori. Diese Worte mussten doch als Erklärung reichen. Die Blondine sprang auf. „Woher willst du das wissen. Wir haben es noch nicht einmal versucht.“ „Du bist noch so jung. Es wäre nicht richtig von mir von dir zu verlangen, auf mich zu warten.“ „Warum nicht?“ „Du musst dein Leben, leben. Ich würde dir dabei nur im Weg stehen.“ „Du machst es dir verdammt einfach“, fauchte sie ihn an. „Nein, das mache ich mir nicht. Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst. Ich möchte aber nicht, dass du in ein paar Jahren auf dein Leben zurückblickst und das Gefühl hast etwas verpasst zu haben, weil du auf mich gewartet hast.“ „Das war es also? Es ist zu Ende, bevor es angefangen hat?“ „Ich werde deinen Brüdern erklären warum ich zu dieser Entscheidung gekommen bin. Du musst mir glauben, dass ich mir das Alles nicht einfach gemacht habe.“ Louisa konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie fiel Iori um den Hals und sprach: „Können wir die paar Tage, die ich noch hier bin, miteinander verbringen? Ich möchte nicht, dass wir nach diesem Gespräch auseinander gehen.“ „Wenn du es möchtest werde ich immer als ein Freund an deiner Seite sein“, kam es leise über seine Lippen. Seine Arme hatte er beschützend um die Blondine geschlungen. Es fiel ihm schwer seine Tränen zu unterdrücken. Damals war sie so wütend auf ihn. Sie verstand sein Handeln nicht, wenn sie ehrlich zu sich selber war hatte sie diesen bis zur Frage ihres jetzigen Freundes nicht verstanden. Erst als er ihr die Frage aller Fragen gestellt hatte war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen. Warum hatte sich damals nicht erkannt, was sie heute wusste? Sie wollte keinen französisch sprechenden Freund. Sie wollte keine Küsse von ihrem Freund. Sie wollte keine körperliche Beziehung zu ihrem Freund. Sie wollte kein gemeinsames Leben mit ihrem Freund. Sie wollte nicht ihren Freund. Sie wollte nicht mehr unglücklich sein. Sie wollte in seinen Armen liegen und seine Küsse genießen, seine Leidenschaft spüren. Jetzt wo ihr klar geworden war, was sie für Iori empfand war es zu spät. Die gemeinsamen Gespräche und der Briefkontakt den sie zu ihm hatte war nie erloschen, sondern nur träger geworden. Yamato meinte mal zu ihr, als Iori von ihr erfahren hatte, dass sie einen festen Freund hatte, hatte er sich verändert. Er war noch ruhiger geworden, sprach noch weniger über sich selbst. Bis er auf der Geburtstagsfeier von Koushiro vor drei Wochen die Bombe platzen ließ: Er hatte eine feste Freundin. Beide wirkten auf der Feier sehr glücklich. Was aber allen die Sprache verschlagen hatte, war das das junge Paar ein Kind erwartete. Von Takeru wusste sie, dass er mit Iori über diese Situation gesprochen hatte. Die Sätze, den ihr Bruder zitierte, ließen sie stutzen: „Was soll ich denn machen? Es ist wie es ist. Das Kind kann nichts dafür. Außerdem lebt Louisa ihr Leben. Was ist so verkehrt daran, dass ich das auch mache?“ Louisa strich noch einmal zärtlich über das Foto von Iori und sich. Schnell wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, als es an ihrer Zimmertür klopfte und Takeru in ihr Zimmer trat, als er die Erlaubnis dazu hatte. Ihr Bruder hatte noch nicht einmal die Tür geschlossen, als er mit seiner Schwester ein Gespräch anfing. „Krümel, was ist los mit dir? Warum hat Maxime Hals über Kopf die Wohnung verlassen?“ Er sah sich seine Schwester genauer an, „Warum hast du geweint?“ „Hey Großer, komm bitte rein und schließe die Tür.“ Sämtliche Alarmglocken schrillten in Takeru. Diesen Satz benutze Louisa nur, wenn sie nicht wollte, dass andere von ihrem Gespräch erfuhren. „Dir ist klar, dass mich alle fragen werden, worüber wir uns unterhalten?“ „Das wird sich nicht vermeiden lassen, da es so wieso auffallen wird.“ Takeru setzte sich neben sie auf ihr Bett. Sanft legte er seinen Arm um ihre Schulter. Dabei fiel sein Blick auf das Foto von Louisa und Iori. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie dieses Foto entstanden war. Es war auf der Abschiedsfeier von Jean und seiner Schwester. Hikari hatte damals schnell sein Handy aus seiner Hand gerissen und dieses Foto gemacht. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Schwester. „Los, sag schon, was dir auf dem Herzen liegt.“ Sie kuschelte sich in seine Umarmung. Niedergeschlagen legte sie ihre Wange auf seine Brust. Der ruhige und gleichmäßige Herzschlag ihres Bruders beruhigte sie. „Ich … wir … Maxime wird sich wohl von mir trennen. Sollte er es in den nächsten Tagen nicht machen, werde ich ein Schlussstrich ziehen.“ „Das tut mir leid, Louisa. Warum jetzt?“ Die Blondine seufzte auf. Sie löste ihren Kopf von seiner Brust und sah ihrem Bruder in Augen. „Er hat mich etwas gefragt, was ich nicht sofort beantworten konnte. Takeru, ich bin neunzehn Jahre alt. In diesem Alter stellt man so eine Lebensentscheidende Frage nicht.“ Ihr Bruder konnte sich denken, um welche Frage es ging, trotzdem fragte er nach: „Über welche Frage sprechen wir eigentlich?“ Louisa hob ihren Kopf um ihn in die Augen sehen zu können. „Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte.“ Sie merkte, wie Takeru scharf die Luft einzog. Ihr war klar, dass weder er noch Yamato sich gut mit Maxime verstanden. „Hättest du Chloé in meinem Alter diese Frage gestellt?“ „Nein, hätte ich es gewollt, hätte ich ihr einen Antrag gemacht, als sie nach Marseille ging.“ „Warum hast du es nicht getan?“ „Im Unterbewusstsein wusste ich damals schon, dass unsere Beziehung gescheitert war. Dass sie nicht die Richtige an meiner Seite war. Kann es sein, dass es dir -nach dieser Frage – genauso geht?“ Louisa legte ihren Kopf wieder auf die Brust ihres Bruders. Sie schaute auf das Bild, das neben den Geschwistern lag. „Ja, da ich mein Herz vor vier Jahren in Tokio gelassen habe. Jetzt ist es zu spät.“ Sie krallte ihre Hände in den Wollpullover von Takeru. „Wenn ihr für einander bestimmt seid, wird sich immer ein Weg finden, damit ihr Beide glücklich werden könnt.“ Er streichelte beruhigend über ihren Rücken. Die Geschwister wurden aus ihrer Unterhaltung gerissen, als sich ohne Vorwarnung die Zimmertür öffnete. Ein kleines Mädchen stürmte ins Zimmer. „Papa, Tante Isa kommt. Ich möchte Geschenke auspacken.“ „Sei nicht so ungeduldig, Akari.“ Hikari kam ins Zimmer und nahm ihre Tochter auf den Arm. Nachdenklich schaute sie auf Takeru und Louisa. „Ist alles in Ordnung?“ Sie sah, wie ihr Mann den Kopf schüttelte. „Mama, Geschenke“, quengelte das kleine Mädchen vor sich her. „Von wen hat sie nur ihre Ungeduld“, kam es nachdenklich von Takeru. „Ganz klar von Tai“, schoss es aus der Braunhaarigen. Louisa musste lachen. Sie sah ihre Nichte an. „Wir können gleich anfangen, Prinzessin. Ich gehe nur noch schnell ins Badezimmer.“ Die Blondine drückte Takeru einen Kuss auf die Wange. „Danke Großer.“ Louisa vertröstete ihre Familie, dass sie Maxime und ihr Verhalten später erklären würde. Endlich saßen alle in gemütlicher Runde vor dem Weihnachtsbaum. Akari und Haru – der Sohn von Yamato und Sora - rissen das Geschenkpapier schnell von ihren Geschenken und spielten mit ihren neuen Errungenschaften. Takeru und Hikari standen ein wenig abseits und beobachteten ihre Tochter. „Ich weiß nicht, ob ich sein Geschenk Louisa geben soll.Cody wollte nie, dass sich die Beiden wegen ihm streiten. Jetzt sieht es so aus, dass sie sich wegen ihm von Maxime trennt.“ „So wie du mir das erzählt hast wird das Geschenk daran nichts ändern, da die Entscheidung schon vorher gefallen ist. Vielleicht muntert sie es ja auf“, erklärte Hikari ihren Standpunkt. „Du hast wie immer Recht, Sonnenschein“. Takeru gab seiner Frau einen Kuss. „Ich hole es aus unserem Zimmer.“ „Brauchst du nicht, mon coeur.“ Sie nahm ein kleines Päckchen von der Anrichte. „Ich habe es geholt, als Akari in Louisas Zimmer gelaufen ist.“ „Du bist die Beste.“ Schnell gab er ihr einen Kuss auf die Wange und nahm das Geschenk an sich. „Krümel, ich habe noch etwas für dich. Jedenfalls steht dein Name darauf.“ Takeru ging auf seine Schwester zu. Er reichte ihr eine kleine Geschenkbox. „Danke -“ „Es ist von keinem Anwesenden.“ Louisa schaute auf ihr Geschenk. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus, als sie die Handschrift erkannte. Mit zitternden Händen nahm sie die Box in ihre Hände. Vorsichtig öffnete sie das Geschenkpapier. Zum Vorschein kam eine schwarze Schachtel. Auf dem Deckel klebte ein kleiner Zettel: ‚Wünsch dir etwas vom Herzen…‘ Sie öffnete die Schachtel. Im inneren lag wieder ein Zettel: ‚… und es wird wahr. Der Inhalt wird dir dabei helfen. Cody‘ Als sie den Zettel wegnahm kam eine goldene Rose zum vorschien. Mit Tränen in den Augen sah sie Takeru an. Er zog sie sofort in seine Arme. Er hörte wie seine Schwester murmelte: „Ich wünsche mir ein Leben mit dir.“ Kapitel 2: Der Weg der Erkenntnis --------------------------------- Iori kam nach einem langen Arbeitstag nach Hause. Die Gerichtsverhandlung war nach einem langen Verfahren endlich zum Abschluss gekommen. Er hatte als Staatsanwalt - der jüngste in ganz Japan - seinem Land Gerechtigkeit zu kommen lassen. Der junge Mann liebte seinen Beruf, auch wenn er dadurch viel Leid sehen musste. Er hatte gelernt die Schicksale der Menschen nicht an sich herankommen zu lassen, wenn er dies tun würde, würde er zu Grunde gehen. Es erschreckte ihn immer wieder, wie skrupellos einige Menschen sein konnten. Das es Menschen gab, die anderen Menschen quälten, missbrauchten und den Opfern das Leben nahmen ließ ihn nie kalt. Er konnte es nachvollziehen, wenn aus Opfern Täter wurden und doch musste er auch dann seiner Arbeit nachkommen. Sein hartes Berufsleben konnte er meistens vor seiner Wohnungstür lassen. Halfen ihm seine Treffen mit seinen Freunden, seine Familie und seine Freundin Leiko den Alltagsstress zu vergessen. Den größten Halt in seinem Leben gaben ihm aber die Briefe und E-Mails die aus Paris kamen. Das Highlight war für ihn, wenn er Louisas Stimme am Telefon hören konnte. Das Leiko jedes Mal vor Eifersucht an die Decke ging prallte nach gut einem Jahr Beziehung an ihm ab. Zum Anfang fand er es noch amüsant, dass seine Freundin auf jemanden eifersüchtig war, der noch nicht einmal in Tokio lebte. Jetzt nervte es ihn nur noch. In ihm kam langsam das Gefühl hoch, dass er vor vier Jahren den größten Fehler seines Lebens gemacht hatte. Hätte er damals zu seinen Gefühlen gestanden und seine Selbstzweifel über Bord geworfen würde er heute glücklicher sein. Iori beruhigte sich immer mit denselben Ausreden: Sie war doch erst fünfzehn Jahre alt gewesen. Sie sollte glücklich werden und nicht auf ihn warten. Die Beziehung wäre zum scheitern verurteilt gewesen, auf Grund der Entfernung und des Alters. Yamato und Takeru hätten aus ihm Kleinholz gemacht, wenn er ihrer Schwester weh getan hätte. Er hätte sein Studium an den Nagel hängen können, wenn eine Beziehung mit einer Minderjährigen bekannt geworden wäre. Schließlich wollte er sie in ihrem Alter nicht für immer an sich binden nur um mit ihr zusammen sein zu können. Jetzt hatte er den Salat. Louisa hatte einen Freund. Er hatte sie für immer verloren. Daher hatte er sich aus Trotz in eine Affäre – die jetzt seine Freundin war - gestürzt, die zu allem Überfluss schwanger geworden war. Wie das passieren konnte war ihm bis heute ein Rätsel. Immerhin hatten sie doppelt verhütet. Er hatte in seinem ganzen Leben nur ein einziges Mal ohne Kondom mit einer Frau geschlafen. Da er ihr in jeder Hinsicht vertraute und er wusste, dass er sie mehr liebte als sein Leben. Es hatte ihn damals aus den Socken gehauen, zu was für einer wunderschönen Frau sie geworden war, als er sie auf der Hochzeit von Hikari und Takeru wiedergesehen hatte. Ihr bodenlanges mintgrünes Chiffonkleid betonte die weiblichen Rundungen enorm. Das Oberteil war mit kleinen glitzernden Ornamenten verziert. Ihre Haare hatte sie kunstvoll hochgesteckt und kleine Locken umrahmten ihr zartes Gesicht. Ihm fiel damals die Kinnlade runter, als er ihre Rückenansicht sah. Ihre Träger schlossen sich zwischen den Schulterblättern und der gesamte nackte Rücken war bis zu den Hüften zusehen. Noch heute könnte er sich ohrfeigen, dass er seiner Sehnsucht ihr gegenüber nachgeben hatte. Er hatte Louisa ihre Unschuld mit einem One-Night-Stand genommen. Dass hatte sie ganz sicher nicht verdient, auch wenn beide vorher – im Rausch der Gefühle – die Vereinbarung trafen, dass es nicht mehr sein würde. Sicher, er wusste, dass er sie liebte, aber traute sich nicht nachzufragen, wie Louisa die Sache sah. Es brach ihm das Herz, als sie weinend seine Wohnung verließ. Kurze Zeit später hatte er von ihr erfahren, dass sie mit Maxime zusammen war. Damals brach sein Herz erneut in tausend Teile. Er hatte das Gefühl nicht mehr zu leben. Wie ferngesteuert bestritt er von da an sein Leben, bis er Leiko kennenlernte. Er gab ihr eine Chance. Er wollte sie in sein Herz lassen. Er wollte sie lieben. In gewisser Weise tat er das auch, aber er konnte sie nicht so lieben wie Louisa. Gedankenversunken schloss er seine Wohnung auf. Kurz stöhnte er auf, als er die Stimme von Leiko hörte. Eigentlich wollte er seine Ruhe haben und seine Wunden lecken. Außerdem hasste er es, wenn sie alleine in seiner Wohnung war. Warum hatte er ihr noch mal einen Wohnungsschlüssel gegeben? Ach ja, er war vor ein paar Wochen wegen einer Blinddarmoperation im Krankenhaus. Leiko sollte ihm frische Wäsche holen und hatte ihm bis heute den Schlüssel nicht zurückgegeben. Iori wollte sich bemerkbar machen, als er ein paar Wortfetzten ihres Gespräches hörte: „Nein, ich habe noch nicht mit Iori gesprochen. … Ich soll was machen? Spinnst du? Er verlässt mich sofort, wenn er die Wahrheit kennt. …. Meine Eltern würden das nicht zu lassen. … Ich kann auch nichts dafür, dass du keinen gescheiten Beruf hast. …. Mein Kind, nicht deins. Ich entscheide, was richtig für mein Kind ist. Verstanden?“ Iori musste kurz schlucken, als er die Worte verstanden hatte. Er merkte, wie die Wut in ihm überhandnahm. Er merkte, wie er in ein bodenloses Loch fiel. Er blickte auf den Scherbenhaufen vor sich, der sein Leben darstellte. Ihm wurde klar, dass eine schwere Last von seinen Schultern genommen wurde. Ihm wurde klar, dass alles was mit Leiko zu tun hatte ein riesiger Fehler war. Ihm wurde klar, dass er erleichtert war. Erleichtert darüber, dass er kein Kind, dessen Mutter er nicht liebte, in die Welt setze. Ihm wurde klar, dass er nur ein Leben hatte und es Zeit wurde, dieses so zu leben wie er es sich wünschte. Ihm wurde klar, dass er seinen Lebenstraum endlich wahr werden sollte. Da gab es ein kleines Problem. Nachdem er Leiko aus seiner Wohnung geschmissen hatte und sich seine Freiheit zurückgeholt hatte. Stand er gedankenversunken an seinem Wohnzimmerfenster. Er sah den Schneeflocken zu wie diese sachte zu Boden fielen. Ihm fiel wieder ein, dass Hikari, Takeru, ihre Tochter, sowie Sora, Yamato und Haru bald wieder nach Paris fliegen würden. Dort würden sie mit der Familie der Brüder das Weihnachtsfest feiern. Iori konnte nie wirklich etwas mit diesem Fest anfangen. Obwohl, es war nicht das Weihnachtsfest, womit er nichts anfangen konnte, er verstand schlichtweg den Sinn des christlichen Glaubens nicht. Erst als Louisa in sein Leben trat und er merkte, was für ein Stellenwert sie in seinem Leben hatte, hatte er angefangen sich über ihre Kultur zu informieren. Wurden nicht immer kleine Geschenke überreicht? Hatte er gestern nicht diese goldene Rose gefunden? Wie hieß sie nochmal? Infinity Rose, da ihre Haltbarkeit auf mindestens drei Jahre angeben wird. Louisa liebte Rosen. Das wäre das perfekte Geschenk. Oder doch nicht? Immerhin hatte sie einen Freund. Iori ging davon aus, dass sie glücklich in dieser Beziehung war. Er glaubte ihr. Er wollte ihr den Schmerz und den Frust, den er in seiner gerade beendeten Beziehung durchgelebt hat, erspart wissen. Wie war das mit seinem Lebenstraum? Er glaubte und hoffte auf eine gemeinsame Zukunft mit der quirligen Blondine. Sie holte ihn mit ihrer fröhlichen Art aus seinem Schneckenhaus. Wo er gradlinig war, zeigte sie, dass man auch auf Umwegen zum Ziel kommen kann. Wo er verbissen wirkte, war sie offen und fröhlich, verlor aber nicht ihre Ziele aus den Augen. Sie zeigte ihm den Spaß am Leben, wo er sie so manches Mal auffing, wenn etwas schief lief in ihrem Leben. Er gestand sich endlich nach vier Jahren ein, dass sie das perfekte Gegenstück zu ihm war. Schnell lief er in den Flur und zog sich seine Stiefel an und schmiss sich seinen Mantel über und nahm seine Aktentasche an sich. Den Mantel konnte er im Aufzug richten. Mit schnellen Schritten eilte er durch das verschneite Tokio. Als er das richtige Geschäft gefunden hatte, atmete er erleichtert aus. Das Glück war auf seiner Seite. Iori ergatterte die letzte Infinity Rose. Wenn dies keinen Zeichen der Götter war. Oder war es das Weihnachtswunder, von dem er immer hörte. Gerade als er Louisas Geschenk in seiner Aktentasche verstauen wollte, sah er die Leuchtreklame von einer Pariser Fluggesellschaft. Was wollten die Götter ihm damit sagen? Iori zuckte mit den Schultern. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Telefonnummer von Takeru. Louisas Bruder war in den vier Jahren ein sehr guter Freund geworden um genau zu sein, sah er in dem Blonden seinen besten Freund. Takeru rechnete es ihm heute noch hoch an, dass er damals mehr an Louisa, als an sich selbst dachte. Der Blonde wusste seit Louisas ersten Besuch in Tokio, dass Iori seine Schwester liebte. Immerhin hatte er es Takeru selber erzählt. Als der Blonde das Gespräch annahm, fragte Iori ihn, ob er Louisa ein Geschenk von sich überreichen könnte. In der Wohnung der Takaisihs hatte er noch die Zettel geschrieben und die Box in rote/weißes Geschenkpapier verpackt. Dabei hatte sich sein eigener Weihnachtswunsch in seinem Herzen festgesetzt. ‚Ich wünsche mir eine gemeinsame Zukunft mit dir.‘ Kapitel 3: Hals über Kopf ------------------------- Hikari und Takeru machten einen Spaziergang durch das verschneite Paris. Ihre Tochter hatten sie bei Natsuko und Matéo gelassen. Vor einer goldenen Flamme blieb Takeru stehen. Seine Frau sah ihn nachdenklich an. „Hier waren wir noch nie, was bedeutet diese Flamme?“ „La Flamme de la Liberté ist eine Replik von der Flamme der Freiheitsstatue in New York. Wie der Name schon sagt steht sie für die Freiheit. Ein Motto, das den Franzosen sehr wichtig ist. Wir stehen auf der Pont de Alma direkt unter uns befindet sich die Einfahrt zum Tunnel in dem Prinzessin Diana von Wales ihr Leben verloren hat. Dieser Ort ist so zu sagen eine Gedenkstätte der Prinzessin zu Ehren geworden. Ich bin früher immer hierhergekommen, um nachzudenken. Der Blick auf den Eiffelturm hat mich immer beruhigt.“ Takeru deutete auf das Eisenwerk, das majestätisch über Paris thronte. „Worüber denkst du nach?“ „Ich habe Cody mehrmals versucht anzurufen. Konnte ihn aber nicht erreichen.“ „Was wolltest du mit ihm besprechen?“ „Ich wollte ihm sagen, dass es so nicht weitergehen kann. Beide machen sich unglücklich in ihren Beziehungen. Louisa hatte sich damals nur auf Maxime eingelassen, weil Cody sie wieder abgewiesen hatte. Irgendwann ist sie aus Bequemlichkeit mit Maxime zusammengeblieben. Nach dem gestrigen Gespräch bin ich mir sicher, dass sie Maxime nie geliebt hat. Da ihr Herz schon immer Cody gehört hat. Bei Cody weiß ich, dass er meine Schwester schon eine Ewigkeit liebt.“ „Was macht dich so sicher in deiner Annahme?“ „Kannst du dich noch an den Abend erinnern, als wir wegen Ito von meinem Vater ins Büro zitiert wurden?“ Hikari nickte, „Ich fand die Entscheidung Ito gegenüber zu hart. Im Nachhinein war sie Gold richtig.“ „Das meine ich nicht. Du hattest eine Auseinandersetzung mit Louisa, weil sie sich mit Cody im Einkaufzentrum treffen wollte. Ich hatte es so hingebogen, dass sich Louisa und Cody in meiner Wohnung getroffen hatten. Als du mit Louisa im Schlafzimmer warst hatte ich mit Cody gesprochen. Ich hatte ihn gefragt, ob er in meine Schwester verliebt ist. Damals hatte er die Frage verneint, da er sie lieben würde.“ „Aber wenn das wahr ist, wie passt Leiko in das Gesamtbild?“ „Das weiß ich nicht. Das wollte ich Cody fragen. Ich kann ihn seit einem Tag nicht erreichen. Sein Handy ist aus.“ „Machst du dir Sorgen?“ „Um ehrlich zu sein schon. Ich habe ihn auf seine Mailbox gesprochen, dass ich mit ihm über Louisa sprechen möchte. Er hat immer sofort zurückgerufen, wenn es um meine Schwester geht.“ --- Etwas hilflos sah Iori sich um. Er fühlte sich total übermüdet, mit den Kräften am Ende und hatte eine Heidenangst das Falsche zu tun. Jetzt stand er auch noch auf einem Flughafen, der so chaotisch gebaut wurde, dass kein normaler Mensch durchsah. Die Ausnahmen bildeten die Flughafenangestellten und eine gewisse Anzahl an Bewohnern, die in dieser Stadt lebten. Er war zum ersten Mal in dieser Stadt. Er fühlte sich nicht nur überfordert, er schallte sich einen Idioten, seinen messerscharfen Verstand anscheint in Tokio gelassen zu haben. Jetzt wo er europäischen Boden unter den Füßen hatte merkte er, was für gewaltige Lücken seine Hauruckaktion mit sich brachte. Er wusste nicht, wie er am schnellsten diesen chaotischen Ort verlassen konnte. Er wusste nicht, wo er sie suchen sollte. Er wusste noch nicht einmal, wie er zu der Adresse kommen sollte, die er schon so oft auf einen Briefumschlag geschrieben hatte. Er wusste noch nicht einmal, ob er mit seinen Sprachkenntnissen in diesem Land zurechtkommen würde. Jetzt musste ein Notfallplan her. Was brauchte er als erstes? Iori überlegte kurz – richtig, seine Reisetasche. Ungeduldig wartete er bei dem Gepäckband, das endlich seine Reisetasche zum Vorschein kam. Diese kam auch nach einer gefühlten Stunde endlich langsam auf dem Gepäckband zum vorschien. Schnell griff er nach seiner Reisetasche. Wie kam er aus diesem Irrenhaus heraus? Besser gesagt, wie kam er auf dem schnellsten Wege nach Paris? Er dachte immer, dass der Paris Charles de Gaulle Flughafen in Paris lag. Das dieser gut dreiundzwanzig Kilometer außerhalb dieser Stadt lag ließ mal wieder laut aufstöhnen. Wie dämlich war er eigentlich? Wo war seine Logik gelblieben? Es fiel ihm wieder ein – in Tokio! Der Flughafen von Tokio wurde schließlich auch nicht neben dem Tokio Tower gebaut, sondern lag gut sechzig Kilometer von Tokio entfernt. Kurz überlegte er, ihm fielen fünf Personen ein, die ihm jetzt aus dieser Klemme helfen würden. Einen gewissen Menschen würde er nicht anrufen, da er sich noch auf das Treffen vorbereiten musste, dass unweigerlich vor ihm stand. Er musste erst einmal den Mut finden um mit ihr zu reden. Über dieses Gespräch konnte er sich später Gedanken machen. Jetzt musste er schnellst möglich dieses komische und chaotische Konstrukt von Flughafen entkommen. Schnell zog er sein Handy aus der Manteltasche. Die fünfzig verpassten Anrufe ließen ihn stutzen. Er schaute auf die Nummern. Die dreißig unbeantworteten Anrufe von Leiko ließen ihn kalt. Schnell drückte er den Button um die Anrufe seiner ehemaligen Freundin zu löschen. Iori bekam ein Schreck, als er die Nummer von Takeru sah. Zwanzig verpasste Anrufe von dem Blonden. Dieser rief ihn sehr selten an, wenn er in Paris war. Mit einem flauen Gefühl im Magen wählte er die Nummer seines besten Freundes. --- „Wir müssen ganz dringend zum Bahnhof“, erklärte Takeru seiner Frau schnell. Als er sein Handy wieder in seine Manteltasche verschwinden ließ. Er griff nach Hikaris Hand und ging mit ihr zusammen schnellen Schrittes zu nächsten Metro Station. „Kannst du mir bitte sagen, was wir am Bahnhof wollen?“ Hikari hatte sich Schutz suchen an Takeru geklammert, damit sie das Gleichgewicht in der überfüllten Metro nicht verlor. Ihr Mann hatte schützend eine Hand um ihre Taille gelegt und sie eng an sich gezogen. Immerhin wusste er, wie unangenehm eine Fahrt mit der Metro für eine Frau werden konnte. Schnell wurden die weiblichen Wesen begrapscht, oder blöd angemacht, wenn einige Fahrgäste merkten, dass die Frau alleine unterwegs war. „Du wirst es verstehen, wenn wir da sind.“ Seelig lächelte der junge Mann vor sich her. Wusste er doch, dass jetzt alles gut werden würde. Das endlich das zusammen kommt, was zusammengehört. Er war sich sicher, dass Louisa eine Antwort auf die Frage von Maxime gehabt hätte, wenn Iori ihr diese gestellt hätte. Ungeduldig trat Hikari von einem Bein auf das andere. „Keru, wenn du mir nicht gleich sagst, warum ich mir die Beine in den Bauch stehe anstatt bei unserer Prinzessin zu sein werde ich sehr ungemütlich“, fauchte sie ihren Mann an. „Habe noch einen Moment Geduld, Hika. Der TGV vom Flughafen wird gleich ankommen.“ „Warum warten wir auf den TGV vom Flughafen? Die einzigen Menschen, die ich kenne, die mit dem Zug fahren sind alle in Paris.“ „Nicht alle, jemand fehlt noch.“ „Hä? Matt, Sora und Haru sind doch in Paris.“ „Stimmt. Ich bin mir aber sicher, dass diese Person nächstes Jahr gleich mit uns nach Paris fliegen wird um das Weihnachtsfest mit uns zu feiern.“ „Du sprichst in Rätseln“, fauchte sie ihren Mann an. „Ich weiß, dass ich deine Geduld strapaziere. Trotzdem muss ich nachher noch einmal in mein Büro.“ „Takaishi Takeru, du eingebildeter Fatzke! Was willst du in deinem Urlaub in deinem Büro? Mit Fontaine ist alles geklärt, also verkauf mich nicht für-“ „Hallo Kari, dein Mann kann nichts dafür, ich habe ihn in diese Lage gebracht.“ Hikari sah Takeru überrascht an. „Ist das Cody?“, fragte sie leise nach. Ihr Mann nickte ihr zu. Sie drehte sich in die Richtung, aus der sie Ioris Stimme gehört hatte. Schnell huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Freundschaftlich zog er sie in seine Arme und gab ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange. „Das nenne ich eine Überraschung. Was machst du in Paris?“ „Sei mir nicht böse, aber das muss ich erst mit jemanden klären, um darüber mit dir sprechen zu können.“ „Hallo TK! Danke, dass du mir so schnell aus der Klemme geholfen hast. Ich hätte mich nie so schnell auf dem Flughafen zurechtgefunden.“ Die Männer begrüßten sich mit einem Handschlag. „Den Weg vom Flughafengebäude zum TGV finde ich im Schlaf. Wieso hast du nicht gesagt, dass du kommst?“ „Ich wusste es bis gestern auch nicht. Entschuldigung, dass ich dir solche Unannehmlichkeiten bereite.“ „Rede nicht so ein Unsinn. Komm, wir fahren jetzt erst einmal in mein Büro. Da können wir in Ruhe über alles sprechen.“ Iori nickte Takeru zu. Eigentlich wollte er nur noch eine warme Dusche nehmen und sich in ein gemütliches Bett kuscheln. Verdammt ein entscheidendes Detail hatte er vergessen – Wo sollte er schlafen? In seiner grenzenlosen Dämlichkeit hatte er nur einen Flug gebucht, dass Hotelzimmer hatte vergessen. Hikari, Takeru und Iori waren auf den Weg zur Metro Station. „Hika, kann ich dich alleine von der Bastille zu meinen Eltern gehen lassen?“ „Klar, ich gehe den Weg nicht zum ersten Mal alleine, Keru.“ „Sei trotzdem vorsichtig. Falls ich dich später anrufen werde, kannst du bitte mit Louisa in mein Büro kommen?“ „Kann ich machen. Darf ich ihr sagen, dass Cody-“ „Nein, das soll eine Überraschung sein“, kam es schnell von Iori. Misstrauisch schaute sie die Männer an. „Wie um alles in der Welt soll ich Louisa in dein Büro losten, wenn ich ihr nichts sagen darf?“ „Sag ihr einfach, dass Hiroaki mit ihr sprechen möchte.“ „Du bewegst dich auf dünnen Eis, Keru. Was sollte dein Vater mit deiner Schwester besprechen?“ „Sag ihr, dass es um ein Auslandssemester geht. Hiroaki hat mir gesagt, dass er ihr einen Praktikumsplatz anbieten könnte. Geschäftliche Gespräche führe ich nie von zu Hause oder bei meinen Eltern, dass weißt du.“ Er sah wie sie zum Sprechen ansetzte. „Dieses Angebot gibt es wirklich. Meine Schwester muss einfach nur ‚Ja‘ sagen, dann ist alles in trockenen Tüchern.“ „Okay, dann bis später ihr zwei.“ Hikari zog den Kopf von Takeru sanft ihrem entgegen. Sie gab ihm einen Kuss, bevor sie sich von den Männern verabschiedete. --- Takeru schloss seine Bürotür auf und ließ Iori als ersten eintreten. Dieser schaute sich kurz um. Wie auch auf seinem Schreibtisch in seinem Tokioer Büro standen Bilder darauf. Es gab ein Bild von Hikari und Akari, Yamato und seiner Familie und ein Bild auf den alle seine Freunde aus Tokio abgebildet waren. Außerdem stand noch ein Foto von Yamato, Takeru und Louisa auf dem Fensterbrett. Iori musste schlucken, als er das Bild entdeckte. War das der richtige Weg? Konnte er sich einfach so in ihr Leben drängen? Konnte er es ertragen, wenn sie sich gegen ihn entscheiden würde? „Warum bist du so kurzfristig nach Paris gekommen, Cody?“ Mit diesen Worten hatte Takeru das Gespräch eröffnet. „Um ehrlich zu sein, bin ich wegen Louisa hier.“ Unsicher schaute der Jüngere in die blauen Augen, die ihn aufmerksam musterten. Dadurch bemerkte Iori wie sich Takerus Augen erstaunt weiteten. „Was ist mit Leiko und eurem Baby?“ „Es gibt kein gemeinsames Baby.“ Ungläubig schüttelte der Blonde den Kopf. „Was willst du mir damit sagen, Cody?“ „Ich werde dir die ganze Geschichte erzählen. Ich bitte dich schon im Vorfeld um Entschuldigung. Bitte unterbreche mich nicht beim Sprechen.“ Nachdem Iori das Kopfnicken von Takeru wahrgenommen hatte begann er zu erzählen. Wie er vor vier Jahren sein Herz an Louisa verloren hatte. Das er Louisa nur auf Grund seiner Selbstzweifel zurückgewiesen hatte. Das er lieber eine Freundschaft mit ihr führen wollte, als sie gar nicht in seinem Leben zu haben. Dass er sich auf der Hochzeit erneut in Louisa verliebt hatte. Das er seine Selbstbeherrschung an diesem Tag verloren hatte und mit Louisa geschlafen hatte. Das sie gemeinsam die Entscheidung trafen, dass es nur bei dieser einen Nacht bleiben würde. Das er nach ihrer gemeinsamen Nacht nicht den Mut hatte, Louisa zu fragen, wie sie zu ihm steht. Das er am Boden zerstört war, als Louisa ihm von Maxime erzählt hatte. „Mein Leben war zerstört. Ich musste meine Hoffnungen und Träume die mit deiner Schwester zusammenhingen begraben. Sie sollte glücklich sein, das war mein größter Wunsch für sie. Mir wurde klar, dass ich hoch gepokert und alles verloren hatte. Ich wollte nur wissen, ob ich noch lebe. Ich wollte das Leben wieder in meinen Adern spüren und hatte mich aus Trotz in eine Affäre gestürzt. Das war der zweitgrößte Fehler in meinem Leben. Ich habe Leiko nie geliebt. Als sie mir erzählt hat, dass sie schwanger ist bin ich aus Pflichtbewusstsein bei ihr geblieben. Hätte ich von Anfang an gewusst, dass sie mir ein Kuckuckskind unterschieben will, wäre ich nie so lange mit ihr zusammengeblieben.“ „Das kann ich gar nicht glauben. Leiko war immer so offen und ehrlich.“ „Tja, wohl nicht in allen Lebenslagen.“ „Wie geht es dir, nach dieser Botschaft?“ „Um ehrlich zu sein: Ich fühle mich großartig, befreit und nach langer Zeit habe ich das Gefühl wieder zu mir selbst zu finden.“ „Du hast dich nicht auf das Baby gefreut?“ „Irgendwie schon, trotzdem hat es sich falsch angefühlt. Leiko ist die falsche Frau für meine Kinder.“ Eine Stille hatte sich in dem Raum ausgebreitet. Iori versuchte in den Augen von Takeru irgendeine Reaktion auf das eben gesagte zu finden. Doch der Blonde schaute ihn ausdruckslos an. Ihm kam es vor, als ob er in das Gesicht von Yamato blicken würde. Nichts rein gar nichts deutete darauf hin, was in Takeru vor sich geht. „Du willst mir jetzt sagen, dass du am Tag meiner Hochzeit mit meiner Schwester geschlafen hast?“, fragte Takeru leise nach. Iori nickte leicht. „Sag mir einen Grund, warum ich dir keine verpassen soll?“ „Auf der einen Seite bereue ich es-“ „Falsche Antwort“, kam es gereizt von Takeru. „… auf der anderen Seite bereue ich es nicht. Es geschah aus Liebe, jedenfalls von meiner Seite aus.“ Der Blonde ging wortlos an Iori vorbei und stellte sich an sein Bürofenster. Sein Blick schweifte unruhig über Paris. In seinem Kopf fing es an zu rotieren. Entsetzt drehte er sich wieder um. „Ist dir eigentlich klar, dass es nur soweit gekommen ist, weil ihr zwei nie ehrlich über eure Gefühle gesprochen habt?“ „Wie meinst du das?“ „Louisa war fertig mit der Welt, als du sie vor zwei Jahren erneut zurückgewiesen hast. Sie wollte als Frau wahrgenommen werden. Dieses Gefühl hatte sie, als sie Maxime kennengelernt hat. Im Übrigen wusste ich schon, dass ihr miteinander im Bett wart.“ Erschrocken schaute Iori seinen Gesprächspartner an. „Louisa kann mich nicht anlügen. Ich wollte nur, dass du es mir freiwillig erzählst. Sie hat es mir damals erzählt, als sie mit Maxime zusammengekommen ist.“ „Wieso hast du dir nie etwas anmerken lassen?“ „Ich habe es meiner Schwester versprochen. Außerdem wusste ich tief in meinem Inneren, dass es irgendwann passieren wird. Hättet ihr über eure Gefühle gesprochen, wäre euch einiges erspart geblieben.“ „Takeru, sie war damals siebzehn Jahre alt. Laut des japanischen Gesetzes habe ich mich strafbar gemacht. Ich bin Anwalt verdammt nochmal, weißt du was das für mich bedeutet? Der einzige Weg um offiziell ein Paar sein zu können, wäre eine Verlobung gewesen. Louisa ist noch so jung, in ihrem Alter stellt-“ „Maxime hat sie Heilig Abend gefragt, ob sie seine Frau werden will.“ „Er hat was?“ Ioris Gesicht hatte die Farbe von den weißen Wänden angekommen. Schnell stützte er sich hilfesuchend an dem Schreibtisch ab. „Cody, jetzt schalte endlich den Anwalt in dir ab und stehe zu deinen Gefühlen, oder du wirst sie verlieren.“ Takeru sah wie sein Freund die Schultern straffte, einmal tief durchatmete und sich schließlich aufrecht hinstellte. Selbstbewusst sahen die Augen von Iori in die von Takeru. Stumm nickte der Jüngere. Daraufhin griff der Blonde in seine Tasche und zog sein Handy heraus. Schnell wählte er die Nummer von seiner Frau. Kapitel 4: Es kommt zusammen ---------------------------- Leise lief die Weihnachtsmusik im Hintergrund. Wie sehr hatte sie sich gefreut, dass ihre Kinder aus Japan mit ihren Familien angereist waren. Diese Tradition hatte sich vor Jahren eingeschlichen, dass die große Familie das Weihnachtfest zusammen in Paris feierte. Die Familie saß am großen Esstisch und verzerrte gerade die Nachspeise. Vor der großen Fensterfront stand der große Weihnachtsbaum. Dieser war mit bunten Kugeln, Holzfiguren, einer Lichterkette und natürlich mit der Baumspitze – die ein Stern darstellte – geschmückt. Natsuko freute sich, dass alle ihre Lieben hier bei ihr waren. Ihr Mann, ihre drei Kinder mit ihren Partnern und ihre Enkelkinder. Alle verstanden sich sehr gut und genossen die gemeinsame Zeit in vollen Zügen. An diesem Weihnachtsfest war etwas anders. Es wurde nicht nur das Fest der Liebe gefeiert, sondern es wurde auch abschied genommen. Louisa hatte endlich ihr Studium beendet. Es stand für sie von vornherein fest, wenn die Zeit gekommen war das sie ihre Zelte in Paris abbrechen würde. Sie wollte endlich bei ihrem Freund sein. Obwohl, er war nicht mehr ihr Freund. Seit ein paar Stunden war er ihr Verlobter. Sie hatte die Luft angehalten, als sie bemerkte, was ihr Freund im Schilde führte. Vor ein paar Jahren wurde ihr schon einmal diese Frage gestellt. Damals konnte sie keine Antwort auf die Frage finden. Heute war alles ganz anderes gewesen. Er hatte noch gar nicht zu ende gesprochen, da gab sie ihm schon die Antwort. Jetzt saß sie auf der Couch ihrer Eltern und schaute gedankenversunken auf ihren schmalen Ring, der ihren linken Ringfinger zierte. Neben ihr lag eine kleine Schachtel. Alle Bedenken, die sie zum Anfang der Beziehung hatten waren unbegründet gewesen. Sicher, es war eine harte Zeit. Es gab viele Höhen, aber auch Tiefen. Sorgen und Probleme konnten nicht immer sofort besprochen werden. Sie konnten sich nicht immer sehen, wenn sie es wollten. Da sie eine Fernbeziehung führten. Irgendwie schafften sie es Wege zu finden, die ihren Bedürfnissen entsprachen. Ihre Semesterferien verbrachten sie bei ihm. Er besuchte sie in seinem Urlaub immer in Paris. In der gemeinsamen Zeit tankten beide wieder Kraft für die nächste Zeit, die sie wieder getrennt verbrachten. Louisa hatte mit Freude Hiroakis Vorschlag eines Auslandsemester angekommen. Diese Zeit war die intensivste in ihrer gesamten bisherigen Beziehung. Sie wohnten zusammen, konnten sich sehen, wann sie wollten. Es gab kein Abschiedsschmerz, wenn sie sich morgens verabschiedeten, da sie wussten, dass sie sich abends wiedersehen würden. In der Zeit wurden sich beide einmal mehr bewusst, dass sie den Partner fürs Leben gefunden hatten. Seine ehemalige Freundin versuchte einen Keil zwischen das junge Paar zu treiben. Diese Frau erreichte damit nur das Gegenteil. Das Paar wuchs noch enger zusammen. Beide vertrauten sich blind. Sie führten nicht nur eine Beziehung, sondern waren auch die besten Freunde. So wie sie es sich bei ihrem ersten Abschied versprochen hatten. Louisa wurde von einigen männlichen Mitstudenten umworben. Besonders ein junger Mann versuchte es immer wieder. Jedes Mal ließ sie ihn abblitzen, doch er ließ nicht locker. Als er ihr zu nahe kam verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. Zu der Zeit war Taichi gerade beruflich in Paris. Schnell fassten die Beiden den Plan, dass er - als ihr Freund - sich den aufdringlichen Kerl vorknöpfte. Ihr Verehrer traute sich nach dem Gespräch mit dem Braunhaarigen nicht mehr, die Blondine anzuschauen. Louisa und Taichi verband eine sehr innige Freundschaft. Beide waren das Grauen im gemeinsamen Freundeskreis. Immer wenn Louisa und Taichi aufeinandertrafen mussten sich ihre Freunde auf Streiche einstellen, die von den Beiden ausgeheckt und durchgezogen wurden. Yamato meinte mal, dass seine Schwester den gleichen Humor teilte, wie sein bester Freund. Daher mussten alle lachen, als Louisas Verehrer von Taichi in die Flucht geschlagen wurde. Der Altersunterschied spielte von Anfang an zwischen ihnen gar keine Rolle in ihrer mittlerweile fast vierjährigen Beziehung. Zum Beginn der Beziehung hatte ihr Freundeskreis ein paar Sprüche losgelassen, dass er sie bald wieder fallen lassen würde, weil sie zu unerfahren war. Darauf hin musste Louisa nur lächeln und meinte nur, wenn ein Mann vier Jahre darauf wartet nur um mit ihr zusammen sein zu können, dann hat es etwas zu bedeuten. Sein Freundeskreis rief ein großes ‚Halleluja‘ aus, als bekannt wurde, dass die Beiden ein Paar waren. Warteten alle doch schon seit Jahren auf diese Neuigkeit. Louisa schreckte aus ihren Gedanken, als sie in eine zärtliche Umarmung gezogen wurde. Sie spürte seine warmen weichen Lippen auf ihrer Wange. „An was denkst du mein Engel?“ Seine Stimme jagte ihr nach all den Jahren die sie sich kannten immer noch einen angenehmen Schauer über den Rücken. Louisa kuschelte sich enger an ihm. „Wieso hast du mich heute gefragt, ob ich dich heiraten möchte?“ Sie hob ihren Kopf, um ihn in seine Augen schauen zu können. Liebevoll er widerte er den Blick. „Heute vor vier Jahren hat alles begonnen. Ich wollte, dass sich der Kreis schließt.“ Vorsichtig nahm er die kleine Schachtel in seine Hand und öffnete diese. Zum Vorschein kam einen goldene Infinity Rose. „Was hast du dir damals gewünscht, Isa?“ „Ein Leben mit dir“, flüsterte sie. Zärtlich strich sie ihm über die Hand. „Hast du dir damals auch etwas gewünscht?“ „Ja, das habe ich.“ Verträumt lächelte er vor sich her. „Darf ich fragen, wie dein Wunsch gelautet hat, Cody?“ „Ich habe mir eine gemeinsame Zukunft mit dir gewünscht.“ Sanft legte er seine Hand wieder auf ihren Bauch. „Wir haben uns beide dasselbe gewünscht“, stellte Louisa lächelnd fest. „Als ich vor vier Jahren nach Paris gekommen bin, hatte ich den Gedanken, dass ich dich für immer verloren habe. Dieser wurde bestärkt, als du aus dem Büro von Takeru gelaufen bist, als du mich gesehen hattest.“ „Ich war durcheinander. Ich dachte, dass ich dich für immer verloren hatte, als ich von dem Baby erfahren hatte. Maxime hatte mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte. Mir wurde bewusst, dass ich ihn zwar geliebt habe, aber nie so wie ich dich liebe. Mit meiner Beziehung hatte ich nach dem Gespräch mit Takeru abgeschlossen. Ich stand vor einen riesigen Scherbenhaufen, dass sich mein Leben schimpfte. Plötzlich stehst du vor mir. Das war einfach zu viel für mich. Zumal ich kurz vorher noch ein unangenehmes Gespräch mit Maxime hatte“, erklärte sich Louisa. „Mir erging es genauso. Besonders nachdem Takeru mir erzählt hatte, welche Frage dir Maxime gestellt hat. Von dem Gespräch mit Maxime hast du mir nie erzählt.“ Louisa verkrampfte sich. „Wir sollten jetzt auch nicht darüber sprechen. Du weißt, dass ich mich nicht aufregen soll. Nur so viel: Er hat mich aufs übelste beschimpft. Kari ist damals dazwischen gegangen. Sie hat ihm nahe gelegt nie wieder ein Wort mit mir zu wechseln, wenn er keinen Ärger will. Immerhin waren meine Brüder, sowie meine Schwägerinnen nicht gut auf ihn zu sprechen. Danach hat er mich in Ruhe gelassen.“ Iori zog sie fester in seine Umarmung. Sachte strich er ihr über ihre Wange und platzierte ein Kuss neben ihrer Nase. „Umso mehr freue ich mich, dass du doch noch mit mir gesprochen hast.“ „Ich auch. Das war bis heute mein bestes Weihnachtsfest, welches ich hatte. Bist du bereit für das Gespräch mit meinen Eltern?“ Der musste schlucken schließlich nickte er. „Du musst mir vorher noch zwei Fragen beantworten.“ „Die wären?“ „Warum trägst du deinen Verlobungsring nicht am kleinen Finger. Immerhin bist du Französin.“ „Erstens: Kari und Sora tragen ihre Eheringe über ihren Verlobungsringen an ihrem linken Ringfinger. Zweitens: Würde ich den am kleinen Finger tragen, aber ich habe in letzter Zeit einiges an Gewicht verloren, wie du sicher mitbekommen hast. Der Ring passt nur auf meinem Ringfinger. Drittens: Es ist vollkommen egal, an welchen Finger ich den Ring trage, weil ich dich liebe. Der Ring zeigt jedem, das ich vergeben bin. Was ist die zweite Frage?“ „Wieso nur deinen Eltern? Was ist mit Yamato und Takeru?“ „Die wissen es schon. Es war zu auffällig.“ „Was haben sie gesagt?“ „Das -“ „Isa, Cody kommt hier mal bitte?“ Die Stimme von Natsuko hatte ihr Gespräch unterbrochen. „Wir kommen gleich, Maman.“ Louisa atmete noch einmal tief durch. Danach griff sie nach Ioris Hand. Als das Pärchen die Küche betreten hatte schauten sie Louisas Mutter an. „So ihr zwei, ich weiß, dass ihr was ausheckt, also raus mit der Sprache. Was verheimlicht ihr uns?“ „Wo sind Papa, Matt, Takeru, Sora und Kari? Wir wollen es allen auf einmal sagen.“ Selbstbewusst sah die Blondine ihrer Mutter in die Augen. Die Stimme von Natsuko war wieder zu hören. Kurze Zeit später war die gesamte Familie in der Küche versammelt. Louisa sah allen nacheinander in die Augen. „Für einige von euch wird es keine Überraschung mehr sein …“ Sie sah Takeru in die Augen, „… da ich ein sehr gutes Jobangebot vorerst nur befristet nachkommen kann.“ „Was? Wieso das denn? Hat Hiroaki doch noch sein Angebot zurückgenommen?“, verwirrt schaute Natsuko von Louisa zu Takeru. Takeru sah den flehenden Blick seiner Schwester. „Nein, dass hat er nicht gemacht. Ich habe vor ein paar Wochen Hiroakis Posten übernommen, Maman“, versuchte Takeru die Situation zu erklären. „Louisa hat vorerst meine Stelle als Verbindungsfrau zwischen der ‚Ishida Group‘ und den Verlag von Fontaine übernommen. Mir waren in der Situation die Hände gebunden, da ich ihr nur einen Zeitarbeitsvertag anbieten kann. Sie kann aber zu jeder Zeit wieder bei uns an-“ „Takeru! Sie ist deine Schwester“, kam es empört von Matéo. „Ja, sie ist meine Schwester, die sich zu Zeit nicht aufregen sollte. Daher sollest du erst einmal deiner Tochter zuhören, wenn sie etwas erklären möchte“, rief Takeru aufgebracht in Richtung seines Stiefvaters. „Er kann nichts dafür, Papa. Takeru wollte trotz allem das ich einen unbefristeten Arbeitsvertag erhalte. Das wollten weder Cody noch ich.“ Louisa merkte, wie die Übelkeit in ihr hochstieg. Alles unterdrücken brachte nichts. Sie drehte sich um und lief schnellen Schrittes Richtung Badezimmer. Iori folgte ihr. Geduldig wartete er vor der verschlossen Tür. Er hatte einmal den Fehler gemacht und ging ins Badezimmer, als Louisa sich übergeben musste. So schnell wie er im Raum war, war er auch wieder draußen. Daher hatte er sie gebeten die Tür nur zu schließen, aber nicht abzuschließen, damit er jeder Zeit reinkommen konnte. Nachdenklich schaute Natsuko dem Paar hinterher. In ihr keimte eine Vermutung, die zu einem Verdacht wurde, als Iori und Louisa wieder die Küche betraten. Mit einem Lächeln auf den Lippen fragte sie Louisa direkt: „In der wievielten Woche bist du?“ Sie sah ihrer Mutter erstaunt an. „Wie meinst du das?“ „Du weißt ganz genau wovon ich spreche.“ „In der dreizehnten Woche.“ „Warum sagt ihr es jetzt erst?“ Sora sah nachdenklich auf ihre Schwägerin. „Das hört sich total bescheuert an, aber ich habe es nicht bemerkt. Durch die Vorbereitung auf meinen Bachelor und den ganzen Prüfungsstress habe ich gar nicht mitbekommen, dass meine Tage ausgeblieben sind. Die Müdigkeit und Erschöpfung habe ich auch auf den ganzen Stress geschoben. Bei einer Routinekontrolle vor zwei Wochen hat mir der Arzt gesagt, dass ich schwanger bin. Cody weiß es auch erst seit drei Tagen. Ich wollte es ihm persönlich sagen.“ „Hatte deine Frage etwas mit Pflichtbewusstsein zu tun, Cody?“ „Nein, ich habe Louisa gefragt, weil ich sie liebe.“ Zufrieden lächelte Yamato, der die Frage gestellt hatte, bevor er seine Schwester in eine innige Umarmung zog. „Du hast dein Glück gefunden. Jetzt musst du es für immer festhalten“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Das werde ich machen.“ „Werdet ihr heiraten bevor euer Kind auf die Welt kommt?“ „Nein, wir werden nächstes Jahr zum Weihnachtsfest heiraten. Bis dahin ist unser Wunder schon auf der Welt.“ Louisa lächelte Hikari an, die die Frage gestellt hatte. --- Ungeduldig trat Iori von einem Fuß auf den anderen. Warum hatte er sich dazu überreden lassen? Diese Warterei machte ihn Wahnsinnig. Selbst die Ruhe von Takeru ging nicht auf ihn über. Dabei hatte sein Schwager immer eine Art an sich, die ihn entspannen ließen. Ja, er war schon verheiratet. Jedenfalls nach japanischen Richtlinien. Warum zum Kuckuck hatte er einer westlichen Zeremonie zugestimmt? Er liebte seine Frau über alles. Sie brauchte nur ein bisschen mit den Augen klimpern und er konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. Warum musste es im Dezember sein? Mitten im verschneiten Paris? Es fiel ihm wieder ein, der Dezember war ihr Monat. Der Monat, in dem sie zusammengekommen waren, sich verlobt hatten und in dem er erfahren hatte, dass er Vater wurde. Ein Blick auf die Uhr ließ ihn tief durchatmen. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern. Kurze Zeit später sah er seine Schwägerinnen, wie sie auf den Altar zuschritten. Hikari hatte seine sechs Monate alte Tochter Yume Estelle auf den Arm. Kurz hinter dem Dreiergespann sah er sie endlich. Seine Frau, die Frau die ihm im zarten Alter von fünfzehn Jahren sein Herz gestohlen hatte. Sie sah wunderschön aus in ihrem champagnerfarbenen bodenlangen Brautkleid. Mit einem Mal war seine gesamte Nervosität von ihm abgefallen. Jetzt zählten nur noch seine Frau, seine Tochter und er. Endlich wurden sich eine Familie. Er dachte daran, wie er sie das erste Mal auf der Geburtstagsfeier gesehen hatte. Ihre Augen hatten ihn sofort in ihren Bann gezogen. Das erste Treffen im Park, wo sie sich das erste Mal geküsst hatten. An die ganzen Höhen und Tiefen, die ihre Freundschaft und spätere Beziehung mit sich brachte. Das sie im Grunde vier Jahre verschenkt hatten. Da es kein anderer Mensch es geschafft hatte, ihre Herzen zu erobern. Das er seit fünf Jahren der glücklichste Mensch auf dem gesamten Planeten war. So lange war sie schon die Frau an seiner Seite. Er hatte alles, was er zum Leben brauchte. Als er Louisas Hand in seine nahm und sie gemeinsam die letzten Schritte zum Altar gingen kam ihm wieder ein Spruch in den Sinn, den Takeru ihm vor Jahren gesagt hatte, als er ihm gestand, dass er Louisa liebte: „Wenn du etwas liebst, lasse es los. Kommt es zu dir zurück, bleibt es. Für immer.“ Er hatte sie losgelassen. Sie ließ ihn gehen. Er kam wieder. Sie empfing ihn mit offenen Armen. Jetzt gingen sie gemeinsam die letzten Schritte, um immer für einander da zu sein. „Aishiteimasu, Cody.“ „Je t'aime, Louisa.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)