Musst du jetzt gerade gehen, Kadan? von DieLadi ================================================================================ Kapitel 2: Haven ---------------- Nun, ich muss zugeben, ich landete später am Abend mit Lucius doch noch auf einem der Zimmer der Taverne. Aber als er sich so auf dem roh gezimmerten Bett und den immerhin sauberen Leinentüchern ausstreckte und mich verführerisch anschaute, oder es zumindest versuchte – es gelang ihm nicht, er wirkte irgendwie unschuldig, wie ein entlaufenes Kätzchen, wie ein Kind das Schutz brauchte – jedenfalls konnte ich es nicht. Ich brachte es nicht fertig, mit ihm zu schlafen. Es erschien mir falsch. Ich musste die ganze Zeit an seinen Gefährten denken, den großen Qunari, der so verzweifelt und gebrochen vor uns gestanden hatte und ich konnte es einfach nicht. Lucius war verwirrt und enttäuscht. Doch schließlich nahm ich ihn in meine Arme und sagte: „Jetzt schlaf. Schlaf dich aus bis morgen früh. Dann werden wir weitersehen.“ Er seufzte und kuschelte sich in meine Arme. Wieder wirkte er so schutzbedürftig. Er schlief ein, noch bevor er „Ja, Dorian“, gesagt hatte. Ich dagegen tat die ganze Nacht kein Auge zu. Als die Morgensonne durchs Fenster schien, schlich ich aus dem Zimmer, wo er noch immer fest schlief. Ich erbat mir vom Tavernenwirt Feder, Tinte und Papier und ging zurück nach oben. Neben dem Bett stand ein kleines Tischchen, daran setzte ich mich und machte mich dran, einen Brief zu verfassen. Ich schrieb an Cassandra und Varric mit der Bitte, sich des Kleinen anzunehmen. Ich würde, wenn er erwachte, ihn zu überzeugen versuchen, zu seinem Gefährten zurückzukehren. Doch wenn er das nicht wollte, und ich ging davon aus, dass das so wäre, dann sollte er nicht ohne Freunde sein. Ich bat sie, ihm ein bisschen von dem zu zeigen, was er so ersehnte: Lachen, Spaß, Leben ... und ihm dann zu helfen, auf eigenen Beinen zustehen und ein Auskommen zu haben. Meine beiden Freunde in Kirkwall waren begütert; Cassandra war immerhin eine nevarranische Adlige und Varric ein erfolgreicher Autor. Sie würden ihm einen guten Start ermöglichen. Später weckte ich den Kleinen, frühstückte mit ihm und brachte ihn dann zu einer der Kutschen. Gemeinsam mit ein paar anderen Reisenden würde er sich also auf den Weg nach Kirkwall machen. Ich gab ihm den Brief und die Adresse meiner Freunde. Bevor das Gefährt abfuhr, drückte er sich an mich. „Danke, Dorian“, sagte er. Und dann: „Falls du … ihn ... noch mal triffst ... sag ihm, es tut mir so leid ...“ Er schniefte, stieg in die Kutsche und ehe ich michs versah, war er in der Ferne verschwundenen. Da stand ich nun. Ich hatte einfach nur ein bisschen Spaß gewollt und war mitten in ein Drama geraten. Aber das lag nun hinter mir, ich hatte mich gut aus der Affäre gezogen und konnte heute Abend erneut in der Taverne auf die Suche gehen. Oder? So recht wollten meine Gedanken sich nicht von all dem lösen. Ich sah noch immer den Qunari vor mir, hörte seine verzweifelten Worte. Hörte aber auch Lucius' Stimme: „... sag ihm ...“ Ach verflixt, nein, die Sache war für mich noch nicht vorbei. Und in dem Moment wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie der Große eigentlich hieß. Ohne es selbst zu bemerken, war ich durch den Ort geschlendert und stand vor einem der kleinen Läden. Ein Laden, der Gemüse von den Bauern der Felder ringsum kaufte und wieder verkaufte. Ich trat ein, und ohne selbst recht zu wissen was ich tat, fragte ich die Besitzerin, eine alte Elfin, nach dem Qunari. Allzu viele von seiner Sorte würde es hier nicht geben, so groß und beeindruckend wie er war. Und richtig, sie wusste sofort von wem ich sprach. „Ihr meint den eisernen Bullen“, sagte sie. „Eiserner Bulle? So heißt er?“ „Ja“, sagte sie und seufzte. „Oder zumindest ist das der Name, den er sich selber gibt. Wie er wirklich heißt ... nun, um ehrlich zu sein, ich weiß nicht einmal, ob die Qunari so ein Konzept wie das eines individuellen Namens überhaupt haben. Aber er gehört nicht mehr zum Qun. Er ist ... wie nennt man das ... Tal-Vashoth.“ Ich nickte. „Und könnt Ihr mir sagen, wo ich ihn finde?“ Sie beschrieb mir den Weg zu seinem Farmhaus und kurze Zeit später war ich auf dem Weg dorthin. Was genau ich bei ihm wollte? Nun, das wusste ich zu dem Zeitpunkt selber nicht, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, damit das Richtige zu tun. Das Farmhaus lag inmitten wohl gepflegter Felder, auf denen das Getreide volle Ähren trug, wenngleich die Farm an sich nicht wirklich groß zu sein schien. Es schien mir zweifelhaft, wie sie eine ganze Familie ernähren sollte. Nun, andererseits war ich als verwöhntes Kind tevinterianischer Adliger aufgewachsen und kannte mich damit nun wirklich nicht aus. Mein Leben war nicht immer einfach gewesen, aber ich hatte nie an mangelndem Geld gelitten. Ich klopfte an die Tür. Es dauerte eine Weile, bis sie sich öffnete und er, der Qunari, Der Eiserne Bulle, vor mir stand. Er riss die Augen weit auf, als er mich sah. Offensichtlich war er erst einmal sprachlos. „Guten Tag“, sagte ich. Er schnappte nach Luft. Sein Kopf lief rot an, er schien zwischen maßloser Verblüffung und Zorn zu schwanken. Ich hätte mich wenig gewundert, wenn nun doch noch seine Faust in meinem Gesicht gelandet wäre. Aber nein. Er schloss seinen Mund wieder und brachte kein Wort heraus. Ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte, schließlich wusste ich ja nicht einmal genau, weshalb ich gekommen war. Ich rang nach Worten, aber er kam mir dann doch zuvor. „Du...!“, stammelte er. Ich versuchte mich an einem gewinnenden Lächeln. „Wo ist Lucius?“, fragte er atemlos. „Fort“, sagte ich leise. „Es geht ihm gut. Er wird dort, wo er hingeht, nicht ohne Hilfe sein.“ Und dann fügte ich hinzu, es schien mir wichtig: „Ich ... habe ihn nicht angefasst.“ Er schluckte und seine, große, imposante Gestalt sackte ein wenig zusammen. Er zitterte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)