Nachsitzen mit Überstunden von Writing_League ================================================================================ Nachsitzen mit Überstunden -------------------------- Es war nicht so, als hätte Hayato in seinem Schulleben noch nie Nachsitzen bekommen. Eigentlich bekam er es sogar verdammt häufig. Wunderte einen auch nicht, wenn man ihn kannte. Aufbrausendes Gebaren, laute Stimme, schmutziger Wortschatz… dazu der oft sehr provokante Kleidungsstil, der an der Namimori-High natürlich extra aufstieß, und die Zigaretten? Ein perfektes Grundrezept für Ärger, noch mehr Ärger und Nachsitzen. Der Knackpunkt an der Sache war vielmehr; Hayato war noch nie hingegangen. Warum auch? Was konnten die Lehrer ihm am Ende des Tages schon tun, als noch mehr Nachsitzen zu geben, oder mit Briefen an seine Eltern zu drohen? Letztere amüsierten Hayato so sichtlich und ohne Ende, dass die meisten Briefe gar nicht abgeschickt wurden. (Und die, die trotzdem in Hayatos Briefkasten landeten… nun, er hatte seine Schulanmeldung auch selbst unterschrieben, da war es kein Wunder, dass die Unterschrift auch auf diesen Briefen sehr Originalgetreu aussah, nicht wahr?) Diese Dinge waren es, die Hayato so mehr oder weniger durch den Kopf gingen, als er auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht die Füße vom Schülerpult nahm, und dem Lehrer nur ins Gesicht grollte. Er hatte schlecht geschlafen, war verspannt, und das half! Und außerdem hatte er keine Lust zu gehorchen. Er hätte die Füße ja gleich von selbst heruntergenommen, hätte der Kerl einfach mal gewartet. Aber so? So nicht. Einfach mal gar nicht. Also blieben die Füße oben, und Hayato bekam Nachsitzen eingetragen. (Dass im Hintergrund sein Juudaime besorgt aussah tat Hayato dagegen ehrlich leid. Er würde später erklären müssen, beruhigen, dass er trotzdem bei seinem Juudaime sein würde, weil er natürlich niemals zum Nachsitzen gehen würde, sondern immer für seinen Juudaime da sein würde. Wirklich. Er hatte Prioritäten! Das musste selbst so ein hinterwäldlerischer Lehrer verstehen.) ((Und bei aller Arroganz entging Hayato tatsächlich, dass sein Lehrer ein unerwartet entschlossenes und selbstzufriedenes Gesicht machte. Er hätte es ahnen können, dass mit seinem lockeren Schulschwänzen irgendwann Ende wäre.)) *** Als die Glocke zum Ende der letzten Stunde läutete, war noch alles gut. Sie packten ihre Sachen, wo nötig (Hayato hatte schon seit zehn Minuten nur noch auf einen leeren Tisch gestarrt), und schlenderten aus dem Klassenraum. Die Gänge waren verstopft und überfüllt, und es ging nur langsam voran, doch endlich waren sie bis auf den Schulhof hinaus gedrungen. Hayato atmete tief durch, griff erst einmal in seine Jackentasche auf der Suche nach seinem Zigarettenpäckchen. „Mah, Mah, Gokudera, warte doch lieber, bis wir vom Schulgelände herunter sind?“ Hayato schenkte der Mahnung des Baseballtrottels keine Aufmerksamkeit. Steckte sich genüsslich einen Glimmstängel zwischen die Lippen, ließ das Feuerzeug klicken… Das Kreischen und eilige Weghuschen der Schüler um sie herum hätte ein recht deutliches Zeichen sein sollen, doch Hayato war zu sehr mit dem ersten, genüsslichen Zug beschäftigt. Dann lag seine Zigarre im Staub des Schulhofbodens, und Juudaime kreischte, während der Baseballidiot natürlich nur lachte. „Tja, Gokudera, ich hab dich gewarnt!“ Hayato knurrte, doch sein Blick lag auf dem Schänder seiner Zigarette. Hibari Kyouya persönlich war aus seinem staubigen Büro gekrochen; wegen einer Zigarette. Ernsthaft? Und sogar die Tonfa hatte er schon erhoben… „Juudaime, geh ruhig schon einmal vor, ich komme gleich nach“, meinte er großmütig, selbstbewusst. Denn wirklich, sein Juudaime sollte das nicht mit ansehen müssen, und außerdem wäre es viel zu gefährlich in der Nähe eines solchen Kampfes. „A-aber Gokudera-kun…“ „Bis später, Gokudera!“ Immerhin in solchen Momenten war auf den Baseballschädel verlass, dachte sich Hayato etwas grimmig, als der Sportler Juudaime um die Schulter packte und einfach wegführte. Gut so. Dann brauchte Hayato immerhin keine Rücksicht mehr zu nehmen! *** Vielleicht aber hätte er etwas Rücksicht von der anderen Seite gebraucht, denn viel zu bald lag Hayato selbst im Staub des Schulhofs, Hibari mit grimmigem Blick über ihm stehend, einen Fuß auf Hayatos Brust gesetzt. „Rauchen ist auf dem Schulgelände untersagt.“ Ach nein? Hayato schnaubte, schob den Fuß von sich und rappelte sich auf. Wischte sich unwirsch ein Blutrinnsal von der Lippe, wo sie bei einem ungünstig aufgekommenen Schlag aufgeplatzt war. „Ich war ja auf dem Weg nach draußen“, murrte er. Sammelte seine Schultasche ein, die ein paar Meter weiter liegen geblieben war, klopfte den Dreck ab, und wandte sich dem Schultor zu. Nur, um sich abermals einem erhobenen Tonfa gegenüberzusehen. „Falsche Richtung.“ Diesmal war Hayato recht perplex, blinzelte, einmal, zweimal, hustete dann lachend auf. „Blindfisch, der Ausgang ist hinter dir.“ Doch das Tonfa zeigte zurück auf das Schulgebäude. „Du hast nachsitzen.“ Nein. Nicht wirklich, oder? Seit wann interessierte sich Hibari Kyouya für solche Kleinigkeiten? Hayato knurrte, stieß das Tonfa zur Seite. „Ich habe keine Zeit für den Blödsinn, Hibari. Aus dem Weg.“ *** Diesmal ging es noch schneller, dass er im Staub lag, und diesmal drückte Hibaris Fuß unangenehm auf Hayatos Kehle, sodass er hustete und fluchte, bis der Dämon genug Erbarmen in sich fand (als ob!), und von ihm abließ. „Nachsitzen. Jetzt.“ Hayato rappelte sich wieder hoch, noch immer hustend, befühlte seinen Hals. „Arschloch. Du hättest mich fast umgebracht!“, empörte er sich. Gut, so schlimm war es gewiss nicht gewesen, aber… Hibari schnaubte. „Nachsitzen. Jetzt.“ Würde Hibari noch mehr Nachdruck in diese Worte legen, die Worte allein hätten Hayato wieder zu Boden geworfen. So seufzte er nur geschlagen, schüttelte den Kopf. „Geh ja schon, geh ja schon“, meinte er lässig, wenn auch ziemlich genervt. Er ging nicht zum Nachsitzen. Niemals! Und wenn Hibari erst außer Sicht wäre… Nur, dass der selbsternannte Schulpolizist ihn verfolgte. Bis zu dem Klassenraum, wo das Nachsitzen stattfand. Und selbst, als der Lehrer Hibari dankte, den flüchtigen Delinquenten eingefangen zu haben, und Hayato viel zu süffisant angrinste, als er ihm seine Aufgaben reichte, ging Hibari nicht weg. Setzte sich hinter Hayato, als der die Aufgaben auspackte. Sätze schreiben. Wie in der Grundschule. Ernsthaft? Ich behandle das Schuleigentum respektvoll. Ich respektiere meine Lehrer. Ernsthaft! Hayato schnaubte, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme. Vielleicht hätte er sich besser nicht zurückgelehnt, denn auf einmal war ein Tonfa in seinem Nacken. „Schreib.“ Ernsthaft. *** Hayato wollte nicht. Gar nicht. Und aus dem einzigen Protest heraus, den er noch bringen konnte mit dem Tonfa im Nacken, schrieb er extra langsam. Und am Ende der Schulzeit hatte er sage und schreibe fünf Sätze geschafft. Die anderen Schüler packten ein. Der Lehrer packte ein. Doch als Hayato den Stift in seine Tasche warf, bekam er einen Schlag quer über den Rücken. „Schreib. Weiter.“ „Vergiss es!“, knurrte er zurück, und das Kichern der anderen Schüler, als sie den Raum verließen, schallte viel zu Laut in seinen Ohren. Der Lehrer hatte sogar noch die Frechheit, Hibari noch einmal für seinen Einsatz zu danken und dann selbst zu gehen. Was für eine verrückte Welt war das hier? „Du schreibst. Einhundert Mal. Jeden Satz.“ Die Tür fiel hinter dem Lehrer ins Schloss und Hayato war mit Hibari allein. Mit Hibari, und dieser absolut ätzenden Nachsitz-Aufgabe. *** Nach zwanzig Sätzen begannen Hayatos Finger zu schmerzen. Nach fünfzig die ganze Hand. Die ersten Hundert geschafft flog sein Stift Hibari an den Kopf. „Bittesehr! Und jetzt gehe ich!“ Es war spät, er wollte zu Juudaime, und überhaupt saß Hayato nicht nach! Der Stift flog zurück. „Weiter. Sonst wird es noch mehr.“ Hayato knurrte. Und schrieb. *** Als die Tür des Klassenraums hinter Gokudera zufiel, erlaubte sich Hibari ein schales Lächeln. Die Papierbögen auf Hayatos Tisch waren eng beschrieben, ordentlich und sauber. Einhundertmal Ich behandle das Schuleigentum respektvoll. Einhundertmal Ich respektiere Hibari Kyouya. Da würde jemand wohl morgen noch einmal zur Arbeit antreten müssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)