Ein unverhofftes Familientreffen von Himikko ================================================================================ Kapitel 61: Pandemonium ----------------------- Entgegen Satans Erwartungen erreichten sie Pandemonium bereits gegen Nachmittag. Zwar hinkten einige Gruppen etwas hinterher, da sie sich noch einigen anderen Hindernissen stellen oder ihnen ausweichen mussten, doch schlussendlich kamen sie ebenfalls an und bezogen in sicherer Entfernung von den Stadtmauern Stellung. Bisher schien man sie nicht entdeckt zu haben, aber das war kein Grund für Leichtsinnigkeit oder Erleichterung. Obwohl auf dem ersten Blick nichts Auffälliges zu entdecken war, rechneten sie bereits mit allen möglichen Gemeinheiten, immerhin hatten sich schon einige an den Mauern die Zähne ausgebissen. Man musste als Verteidiger nur wissen, was man tat. Auch die Fallen drum herum waren nicht zu verachten und konnten sogar Dämonen schwere Verletzungen zufügen. Einen Menschen würden sie mit großer Wahrscheinlichkeit direkt töten, mit der Ausnahme einiger Siegel, da diese Sterbliche nicht beeinflussten.   Vorerst galt ihre Sorge allerdings den Barrieren, denn es würde dauern, diese einzureißen, selbst mit der Hilfe Satans und seiner Kinder. Lilith und ihre Leute hatten mehr als genug Vorbereitungszeit gehabt und in Satans geschwächten Zustand würde es knifflig werden, vor allem da sie unter extremen Zeitdruck standen. Natürlich war es eine Option mit voller Wucht immer wieder anzugreifen, aber das würde höchstwahrscheinlich zu lange dauern und obendrein verbrauchte es viel zu viel kostbare Energie, was ihnen später gewaltig auf die Füße fallen konnte.   Kurz gesagt, sinnloses Angreifen stand außer Frage, es sei denn ihnen blieb absolut keine andere Möglichkeit, aber daran wollte der Dämonenherrscher fürs erste nicht denken. ‚Vielleicht haben wir ausnahmsweise Glück und Lilith hat in ihrer Wut einen Fehler bei der Barriere gemacht. Wäre immerhin nicht das erste Mal.‘  Glücklicherweise war es eine Schwäche, die sie nie überwunden hatte und wahrscheinlich niemals würde. Die Dämonin tendierte dazu, insbesondere bei komplizierteren Dingen, schlampig zu werden, wenn sie besonders emotional oder in die Ecke gedrängt war. Dummerweise mussten sie noch etwas näher heran, um die Barriere effektiv angreifen zu können und da ihre Ablenkung nicht ewig funktionieren würde, war ein Kampf somit unausweichlich. Sie hatten es nach jeder Menge Planung geschafft, einige Leute einzuschleusen, die ihren Plan in die Tat umsetzen würden, doch zuvor mussten sie auf die Wachablösung warten, da dies das größte Chaos mit sich bringen würde. Mit etwas Glück würden manche der Wachen direkt die Seite wechseln, wenn sich die Gelegenheit bot.   Zudem würde sie nicht sofort mit der vollen Streitkraft angreifen, sondern nur mit der Hälfte ihrer Truppen, andernfalls würden sich alle nur gegenseitig im Weg stehen und auch das Risiko in eine der Fallen zu geraten, war somit geringer. Er selbst und seine Söhne mussten sich derweil zurücknehmen, um ihre volle Aufmerksamkeit der Zerstörung der Barriere zu widmen. Leider war nicht vorhersehbar wie lange dies dauern würde und das gab er gegenüber Alastor offen zu. „Ich kann von hier aus nicht einschätzen wie stark die Barrieren sind. Keine Ahnung wie lange es dauern wird, bis wir die unten haben.“ Der andere Dämon nickte grimmig, war jedoch nicht weiter überrascht.   „Dachte ich mir schon. Wir halten so lange wie nötig die Stellung, notfalls kommt dann eben die zweite Welle. Hoffen wir nur, dass die Sterblichen halbwegs nützlich sind und nicht direkt alle abkratzen.“ Er warf einen kritischen Blick zu einer Menschengruppe rüber, offenbar nur wenig von ihren Fähigkeiten überzeugt. Bisher hatten sie sich zwar nicht schlecht geschlagen, doch Gehenna setzte ihnen immer mehr zu.   Satan antwortete nicht und beobachtete stattdessen weiterhin angespannt die Mauern. Den Angriff zu verschieben, stand außer Frage, wenn die Dämonen erwischt worden waren oder den Zeitpunkt verpasst hatten, hatten sie keine andere Wahl als die Taktik zu ändern und so anzugreifen. Sie wollten es so weit wie möglich vermeiden, Zivilisten damit zu erwischen, doch wussten, dass es unumgänglich war.   Die nachfolgenden Minuten verstrichen in angespannter Stille, wandelte sich jedoch in Erleichterung um, als ein lauter Knall ertönte. Dabei allein blieb es nicht, weitere folgten in nur kurzem Abstand und waren das Signal auf das sie gewartet hatten. Ohne Zögern rückten sie vor, Satan sammelte bereits seine Kraft, um die Barriere anzugreifen, seine Söhne taten es ihm von ihren eigenen Positionen aus gleich. Rin blieb natürlich zurück, sie würden ihn erst dazu holen, wenn alles frei war. Jetzt mussten sie sich auf den Schutz ihrer Truppen verlassen.     ……………………………………………………..     Schlussendlich hielten die Barrieren tatsächlich nicht lange stand. Zwar hatten Liliths Leute sie recht schnell bemerkt und angegriffen, doch sie konnten nichts mehr tun, um sie aufzuhalten oder groß zu verlangsamen. Bereits nach wenigen Minuten war ein lautes Knacken zu hören, dann fiel die gesamte Barriere mit einem dröhnenden Krachen zusammen. Rin musste gestehen, dass er eine gewisse Genugtuung empfand. Liliths Leute hatten sie bereits oft genug überrascht und ausgetrickst, allein ihr Angriff während des Blutgerichtes war ein übler Schlag gewesen, daher war es mehr als zufriedenstellend den Spieß ausnahmsweise umzudrehen.   Die Fallen waren da schon etwas kniffliger, zumindest so weit er das von seiner momentanen Position aus beurteilen konnte. Ein Teil der Gruppe war damit beschäftigt, einen Pfad frei zu machen und auch die Stadttore waren bereits offen. Bisher lief alles besser als erwartet und obwohl Rin nicht viel von Strategie verstand, erkannte sogar er, dass Lilith offenbar weniger Wert auf den Schutz der Mauern gelegt hatte. Sie verschanzte sich lieber im Palast und wartete ab, ihre Gefolgschaft, egal ob nun ihre oder Satans Dämonen, waren ihr dabei vollkommen egal. Man sollte meinen, ihre Leute hätten inzwischen genug von ihr, stattdessen leisteten sie weiterhin erbitterten Widerstand und leider ließen die ersten Toten und Verletzten nicht lange auf sich warten. Er versuchte sich mit der Tatsache zu trösten, dass sie es zumindest in die Stadt geschafft hatten und dabei kaum Verluste erlitten hatten. Nie im Leben hätte der Nephilim mit einem solch glatten Ablauf gerechnet, bisher hatten ihre Pläne ihnen immerhin oft nur noch mehr Pech eingebracht.   Wie verlangt, gab er sein Bestes, den Kopf unten zu behalten, auch wenn er sich etwas schuldig fühlte. Natürlich verstand er, weswegen es nötig war, einfacher machte es seine Untätigkeit dennoch nicht. Bisher hatte er keinen seiner Brüder entdecken können, stattdessen hielt er sich weiterhin an seinen Vater, der sich zwar etwas zurückhielt, um ihn im Auge zu behalten, aber dennoch einiges austeilte. Wie bereits erwartet, fackelten Liliths Leute nicht lange und machten, dass sie wegkamen als sie ihn sahen. „Rin, du bleibst hier bei Iblis und Halphas, ich will mich persönlich umsehen.“, wies Satan ihn an. Der Nephilim dachte gar nicht daran, ihm zu widersprechen, immerhin war er hier ein Fisch auf dem Trockenen. Umso mehr überraschte es ihn, als die beiden erwähnten Dämonen plötzlich neben ihm standen. Offenbar hatte er sie tatsächlich übersehen, was aber angesichts des Chaos nicht unbedingt weiter verwunderlich war.   „Alles klar bei dir?“, fragte Iblis ihn sichtlich angespannt. Er hatte Blut im Gesicht, allerding schien es nicht sein eigenes zu sein. Offenbar war auch er kein großer Fan vom rumstehen, da er sichtlich nervös von einem Fuß auf den anderen trat und immer wieder seine Schwertklinge kontrollierte.   „Ja, es geht.“, antwortete der Halbdämon nicht weniger nervös. „Es scheint ja ganz gut zu laufen.“ „Bisher schon.“, erwiderte der Dämonenkönig unerwartet düster. „Sogar wesentlich besser als letztes Mal. Aber warten wir’s erst mal ab. Bis zum Palast ist es noch ein verdammt weiter Weg.“   „Mach dir aber nicht zu viele Gedanken, Rin. Das wird schon.“, warf Halphas schnell ein. „Halte dich einfach auf den Plan.“ Der Halbdämon nickte und sie verbrachten die nächsten Sekunden in angespanntem Schweigen, nur hin und wieder teilten sie einige Angriffe aus, wenn ein Gegner zu nahekam. „Vater sollte längst zurück sein…wo bleibt er? Wenn er nicht bald kommt, wirft uns das aus dem Zeitplan.“, murmelte Iblis, welcher immer unruhiger wirkte.   Halphas antwortete nicht und schaute stattdessen stirnrunzelnd Richtung Stadt. „Iblis.“, sagte er langsam. „Laut Plan sollten wir eigentlich erst in den vorderen Bereichen sein, also hinter der Mauer, richtig?“   „Ja, warum?“, erwiderte der Baal etwas irritiert, da er sich immer noch nach seinem Vater umsah. „Weil es in mehreren Teilen der Stadt brennt.“ Der Tonfall verriet, dass er bereits erkannt hatte, was los war und auch Iblis und Rin, welche sich sofort umdrehten, verstanden, was passiert war.   Iblis fluchte. „Diese Wahnsinnigen zünden die verdammte Stadt an!“     ………………………………………..     Samael und Amaimon hatten das Feuer zu diesem Zeitpunkt längst entdeckt. Zu Beginn waren sie nicht ganz sicher woher es genau kam und hielten es sogar für Signale zwischen Liliths Leuten, allerdings wurde schnell deutlich, dass dies nicht der Fall war, insbesondere da sie scheinbar wahllos überall auftauchten. Eine wirkliche Strategie ließ sich dabei nicht erkennen, weswegen sich der Zeitkönig fragte, ob dies wirklich geplant gewesen oder eine Verzweiflungstat gewesen war. Eine Rolle spielte es schlussendlich nicht, denn das Feuer breitete sich schneller aus, als ihm lieb war und eigentlich hatten sie absolut keine Zeit sich damit zu beschäftigen. ‚Da hat man einmal keine Feuerdämonen in der Nähe…‘   Amaimon schien ähnliches durch den Kopf zu gehen. „Wir sollten Iblis holen.“ An sich keine dumme Idee, doch natürlich wusste auch er, dass sie sich nicht ablenken lassen sollten. Genau darauf baute Lilith oder wer auch immer diesen Befehl gegeben hatte. „Das wird er allein nicht schaffen, selbst mit Halphas Hilfe und abgesehen davon ist es zu weit verteilt.“, erwiderte er. Es würde nicht lange dauern, bis ihnen die panische Bevölkerung entgegenkommen würde, was nur für noch mehr Durcheinander sorgen würde. Rein logisch gesehen, wäre es am klügsten, diese Situation zu ignorieren und weiter vorzurücken. Die Häuser konnte man wieder aufbauen und es war ja nicht so, dass es hier noch nie Brände gegeben hatte. Sicherlich würde die Bevölkerung schon selbst klarkommen, es gab mehr als genug Feuer- und Wasserdämonen.   Andererseits würden sie damit ihr eigenes Volk im Stich lassen. So wie die Dinge momentan standen, sollten sie zumindest weitere Eskalationen vermeiden und sich die Lage näher ansehen. Manchmal reichten schon einige ermunternde Worte und Anweisungen, um sie aus der Schockstarre zu reißen. „Wir können nicht viel tun und dürfen uns nicht ablenken lassen, aber wir haben etwas Zeit bis die restlichen Truppen nachrücken. Am besten wäre es, etwas bei der Eindämmung zu helfen und zu sehen wie die Bevölkerung klarkommt. Wenn sie wissen was zu tun ist, können sie die Brände selbst löschen.“ Wahrscheinlich alles andere als ideal, allerdings würde es die entstehenden Schäden und somit die Panik eingrenzen. Amaimon nickte lediglich, auch wenn er offensichtlich nicht begeistert wir.   „Wenn du das sagst.“   „Hast du eine bessere Idee?“   „…Nicht wirklich.“   Sie hatten genug herumgetrödelt, jetzt war wirklich keine Zeit für Diskussionen. Ohne ein weiteres Wort ging er los und Amaimon folgte.     …………………………………........     Während mehrere der Truppen mit dem Feuer zu kämpfen hatte oder versuchte die Bevölkerung zu beruhigen, sah es bei Beelzebub, Shura und der dazu gehörigen Exorzisten- und Dämonengruppe etwas anders aus. Nicht nur waren sie auf einige sehr hartnäckige Alukah getroffen, nein, es mussten auch Furien dabei sein. Shura hatte die Dinger zu gut um Gedächtnis und erinnerte sich dunkel daran, dass sie laut den Baal eigentlich nichts in Pandemonium verloren hatten. Waren Lilith die Regeln egal oder waren es nicht nur Geister, die das Totenreich nach Gutdünken verlassen konnten? Zumindest hatten sie nach wie vor ihren Verstand, da sie sich dieses Mal nicht in Assiah befanden, allerdings schienen sie kein Problem damit zu haben, Beelzebub anzugreifen, weswegen sie sich fragte, wie intelligent sie wirklich waren. Erkannten sie den Baal nicht, lag es an Azazels Abwesenheit oder hatten sie Lilith einfach als neue Herrscherin anerkannt? Sollte letzteres der Fall sein, konnte sie sich gut vorstellen, dass dies einiges an Ärger geben würde, wenn Satan erst wieder auf dem Thron saß.   Momentan hatte sie allerdings ganz andere Probleme. Wie Egyn schon damals erklärt hatte, waren ihre Angriffe absolut nutzlos, daher konnte sie nur ausweichen und versuchen, sich gleichzeitig die Alukah vom Hals zu halten. Wieder sprang sie beiseite, dieses Mal starte sie einen Gegenangriff, der ihre Angreiferin voll traf. Zumindest die Alukah konnten den Schaden nicht einfach wegstecken. Nur dumm, dass sie trotzdem wieder relativ schnell auf den Beinen waren. „Wie zum Henker töte ich die?!“, rief sie Beelzebub zu.   „Versuch den Kopf abzutrennen!“, schrie dieser zurück. Wunderbar, genau was ihr schon immer in den letzten Kämpfen gesagt worden war. Wenn es nur so einfach wäre! Jedes Mal, wenn sie nah genug rankam, sprangen ihre Gegner weg oder zwang sie mit einem Angriff zum Rückzug. Schlussendlich konnte sie zwar einige besiegen, aber sie war wesentlich langsamer als normalerweise und dafür schneller aus der Puste. Allmählich schien Gehenna ihr wirklich zu schaffen zu machen. Daher bemerkte sie auch zu spät den Dämonen, der sich von hinten anschlich. Erst ein lautes Kreischen ließ sie herumfahren und stellte fest, dass Beelzebub den Dämon getötet hatte, bevor er sie erreichen konnte. „Die anderen Exorzisten werden auch nachlässiger. Pass besser auf und halt dich an deine Gruppe. Ich hatte wirklich gehofft, wir haben mehr Zeit, bevor euch Gehenna schwächer macht.“, erklärte er, als wäre nichts gewesen.   Shura nickte stumm und wandte sich den restlichen Gegnern zu, doch zu ihrer Verblüffung traten Liliths Leute den Rückzug an. Sie wagten einen kurzen Blick zu den anderen Exorzisten, welche nicht weniger erschöpft  und verwirrt aussahen. „Warum sind wir dieses Mal so schnell erschöpft? Als wir in den Palast eingebrochen sind, war es nicht so.“, fragte sie den Insektenkönig. „Wie gesagt, Gehenna und Assiah haben sich verändert.“, kam die knappe Antwort. „Menschen merken das viel schneller als Dämonen. Würden wir noch länger warten, wäre die Luft in Assiah auch irgendwann wie die Gehenna.“ Großartig, sollten sie es sich also jemals mit Satan vermiesen, könnte er Assiah also theoretisch unbewohnbar für Menschen machen. Nun, er hatte es oft genug angedeutet und solange sie ihm keinen Grund gaben, sollte es hoffentlich niemals so weit kommen.   Die verbliebenen Furien begannen nun ebenfalls sich zurückzuziehen, sehr zur Verwunderung der anderen Dämonen und Exorzisten, denn es gab keinen ersichtlichen Grund dafür. „Warum hauen die den jetzt ab?“, hörte sie einen anderen Exorzisten fragen. Die Dämonen antworteten nicht und sahen sich um, offenbar in der Erwartung etwas zu sehen, dass dem plötzlichen Rückzug erklären würde.   „Sagt mal, riecht ihr das?“, fragte jemand plötzlich. Aus dem Augenwinkel sah Shura wie die Dämonen erstarrten, was ihre Sorge nur bestätigte. Beinahe sofort machten sich Fluchtinstinkte bemerkbar, allerdings reagierte sie erst, als die Dämonen in Deckung gingen und ihnen eine Warnung zuriefen. Die Exorzisten schafften es gerade noch, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen, dann ertönte ein lauter Knall, der den Boden erschütterte und ein beißender Geruch verbreitete sich. In der Ferne konnte sie noch mehr Knallgeräusche hören, daher wagte sie noch nicht, wieder aufzustehen.   „Was war das?“, zischte Shura einigen Dämonen neben sich zu, welche allerdings nicht antworten und abzuwarten schienen oder sie einfach nicht verstanden. Sie harrten einige Minuten aus, aber es blieb alles still. Zwar entdeckten sie jetzt ebenfalls die Feuer, aber momentan konnten sie nichts dagegen tun. War das ein Unfall oder Absicht gewesen? Wenn sie sich so die Gesichter der anderen ansah, waren sie genauso unsicher. Schlussendlich war es Beelzebub, der die angespannte Stille durchbrach.   „Entweder irgendwelche Idioten haben hier nicht aufgepasst oder Lilith ist wirklich alles egal geworden.“, knurrte er finster.   „Sie benutzt irgendwas, um Bomben zu bauen?“, tippte Shura, die sich noch immer versuchte zusammenzureimen, was gerade passiert war.   „Mehr oder weniger. Das ist ein Gas, was sonst in den Minen und Fabriken genutzt wird und leicht entzündlich ist. Ich denke mal, da sind Behälter in der Kanalisation und da strömt es aus. Wenn wir nicht vorsichtig sind, fliegt uns hier alles um die Ohren, vor allem mit den ganzen Feuern überall. Ich muss mich mit den anderen bereden, bevor wir weitergehen. Da jetzt blind rein zu rennen, wird nicht gut enden.“ Niemand protestierte. Die meisten Gebäude um sie herum standen bereits leer, offenbar waren die Bewohner weggelaufen sobald die Kämpfe begonnen hatten, also mussten sie sich zumindest diesbezüglich keine Sorgen machen. Um nicht zu sehr auf dem Präsentierteller zu sitzen, zogen sie sich hinter eines der Gebäude zurück, wo der Insektenkönig seine Familie und andere Befehlshaber kontaktierte. Shura konnte ihr schlechtes Gefühl jedoch weiterhin nicht abschütteln.     …………………………………………………………………     Lucifer und Astaroth hatten gerade ihr zugeteiltes Gebiet gesichert, als Beelzebubs Nachricht durchkam. Verständlicherweise waren beide wenig begeistert, in ihrer Nähe gab es eine Menge Feuer und solange sie nicht wussten, ob noch an anderen Stellen Gase austreten konnten, war weiterrücken keine Option. Es war in der Tat zum Haare raufen, sie waren in der Stadt drin, aber saßen fest und einen Rückzug konnten sie sich nicht leisten. Die Einwohner hatten sie nur allzu gern durchgelassen und manche der Verteidiger hatten beinahe sofort aufgegeben oder wollten sogar helfen, alles war so glatt gelaufen! Das würde sie im Zeitplan zurückwerfen, aber zumindest hatten sie es rechtzeitig gemerkt und konnten somit Verluste verhindern. Die Feuer- und Wasserdämonen würden sich mit den Feuern auseinandersetzen, bis dahin mussten sie nur die jeweiligen Stellungen halten. Es verlangsamte sie immens, aber sie hatten zumindest einen kleinen Erfolg gehabt.     …………………………………………………………..     ‚Ich. Hasse. Diese. Verdammten. Moroi!‘   Kaum hatte Egyn das gedacht, bohrten sich die Krallen seines Gegners genau in die Stelle, an der gerade noch gestanden hatte. Warum bekam er eigentlich immer welche ab, die sich große Tiere verwandeln konnten?! Männliche Fenriswölfe konnten auf den Hinterbeinen drei bis vier Meter hoch sein! Mit einem lauten Knurren schnappte der andere Dämon erneut nach ihm, dieses Mal hielt er auf sein Gesicht zu und zwang den Baal einen Satz nach hinten zu machen. Normalerweise würde er versuchen, den Angreifen auszuweichen bis sein Gegner müde wurde und dann hinter ihn zu kommen, aber dafür hatte er nicht genug Platz, da er den Fehler gemacht hatte, in eine Gasse auszuweichen. ‚Ok, dann eben Plan B.‘ Er täuschte an, sprang allerdings zurück als der Gestaltwandler ausholte, was diesen aus dem Gleichgewicht brachte. ‚Hab ich dich.‘   Anstatt anzugreifen wie es sein Gegner erwartete, machte er einen Satz gegen die linke Wand, stieß sich ab, um auf die rechte Seite zu kommen und nutzte den entstehenden Schwung, um sich hinter den Moroi zu katapultieren. Bevor dieser begreifen konnte, was los war, rammte der Wasserdämon seinen Speer in dessen Achillessehne, sodass er einknickte und er ihm seinen Dolch in den Nacken rammen konnte. ‚Schätze ich sollte Beel danken, weil er mich so oft zum Klettern mitgeschliffen hat.‘, stellte er fest, während er schnell zum Rest der Gruppe aufschloss. Offenbar hatten sie seine Abwesenheit gar nicht bemerkt, allerdings konnte er ihnen dafür nicht wirklich die Schuld geben. Sie hatten mit ihren eigenen Gegnern alle Hände voll zu tun und somit nicht die Zeit, sich um andere zu kümmern.   Er sah sich kurz nach Agares um, diese war mit einem anderen Moroi beschäftigt, schien allerdings keine Hilfe zu brauchen. Zu Beginn war er etwas besorgt gewesen, sie war immerhin schon einmal gefangen genommen worden, hatte aber inzwischen eingesehen, dass es keinen Sinn machte, sich deswegen Gedanken zu machen. Es konnte immer passieren und noch dazu sollte er die Wasserdämonin wirklich nicht unterschätzen, sie war mehr als fähig auf sich selbst aufzupassen. Lange Gedanken machen konnte er sich ohnehin nicht, er hatte direkt einen Alukah vor sich, der es gar nicht abwarten konnte, ihn auszusaugen.   Beinahe schon genervt, trat er beiseite und rammte seinen Speer in den angreifenden Dämonen, dieser versuchte allerdings im letzten Moment auszuweichen, sodass er stattdessen dessen Arm erwischte. Es war keine gefährliche Wunde, jedoch ließ der andere Dämon dadurch zumindest einen seiner Dolche fallen. Dafür griff er mit der anderen Hand an und da der Wasserdämon nicht die Zeit hatte, seinen Speer rechtzeitig herauszuziehen, war er gezwungen, diesen los zu lassen. Bevor sich der Blutsauger darüber freuen konnte, startete der Baal bereits einen Gegenangriff in Form einiger Eiszapfen und dieses Mal trafen sie. Schnell zog er seinen Speer heraus und wandte sich an die nächsten Gegner, die immer noch nicht aufgeben wollten.   ‚Eins muss man ihnen lassen, stur sind sie. Sekunde, was ist das?‘ Auch er hatte nun endlich die Flammen entdeckt und realisierte, dass mehr Arbeit auf sie zukam als gedacht.     …………………………………………………………………     Feuer zu löschen war wirklich das letzte gewesen, das Iblis erwartet hatte. Als sein Vater endlich zu ihnen zurückgekommen war, hatte er sie sofort losgeschickt, um sich darum zu kümmern, denn wie er erfahren hatte, trat überall entzündliches Gas aus. Überraschen sollte es ihn weniger, allerdings konnte er nach wie vor nur den Kopf über diese Entscheidung schütteln. Lilith würde dadurch vielleicht einige Stunden Zeit bekommen, aber war es das wirklich wert? Eigentlich nicht, zumindest hoffte er es. Ein weiteres Feuer erlosch, sehr zu seiner Zufriedenheit. Der Rest seiner Gruppe arbeitete trotz der unerwarteten Wendung ziemlich schnell und bisher war auch nichts in die Luft geflogen. Einige Anwohner hatten sogar ihre Hilfe zugesichert, somit würden sie hoffentlich heute noch den Palast erreichen. Mit etwas Glück konnten sie einige der Geheimgänge nutzen, um zumindest einen Teil ihrer Truppen hineinzuschmuggeln. ‚Fragt sich nur, wo die Aveira bleiben. Sonst kamen die doch auch immer an, wenn man sie null gebrauchen kann. Nicht, dass ich mich beschweren würde. Zumindest sind es nur noch sechs.‘   Noch immer konnte er nicht nachvollziehen, warum Lilith Gula einfach in den Tod geschickt hatte. Versagen hin oder her, warum sollte man seine eigenen Leute verschwenden? Eigentlich war es überraschend, dass die anderen nach der Aktion noch freiwillig für die Dämonengöttin arbeiteten. Er wäre an ihrer Stelle längst über alle Berge. „Sag den anderen, dass wir uns aufteilen. Es sind nicht mehr viele Feuer übrig und der Rest wird bald durch sein.“, befahl er Halphas, welcher kurz nickte.   „Verstanden. Ich gebe den anderen Bescheid. Sobald die restlichen Feuer aus sind, sollte das Gas kein Problem mehr sein und wir können weiter.“     ………………………………………………………………………………………………………..     Seit dem Tod seiner Mutter hatte Azazel keinen wirklichen Kontakt mehr mit dieser Seite der Familie gehabt. Sicher, eine Zeit lang hatte er sie noch besucht und mit seinen Cousins und Cousinen verstand er sich nach wie vor (auch wenn er um Azrael meist einen Bogen machte, denn er wollte seine Augen gern behalten), allerdings war es nicht mehr dasselbe gewesen. Ständig hatten sich die Erwachsenen mit seinem Vater in den Haaren, viele Jahre später hatte er zudem erfahren, dass sie sogar versucht hatten, das Sorgerecht für ihn zu bekommen. So oder so wurden die Besuche seltener, er wollte nicht jedes Mal ihre Streitereien anhören, bis sie sich schlussendlich nur noch zu bestimmten Anlässen sahen, meist waren es Feste. Inzwischen hatte er sich damit abgefunden, weswegen ihn seine momentane Situation umso unangenehmer war. Sie hatten angeboten, sich um ihn zu kümmern, während die anderen weg waren und langsam wünschte er wirklich, sie hätten es nicht getan.   Er hatte sich eigentlich immer mit seiner Tante und seinen Onkeln verstanden, aber dank der Streitereien hatte jedes Treffen und Gespräch einen bitteren Beigeschmack, selbst wenn sie nicht über seinen Vater sprachen. Daher war es nicht weiter verwunderlich, dass unangenehme Stille herrschte. Das letzte Mal hatte er sie zu Azraels Geburtstag vor einem knappen Jahr gesehen, seitdem war Funkstille bis zur nächsten Feier, worüber sollte er da mit ihnen reden? Viduus hatte zwar versucht, ein Gespräch angefangen, aber recht schnell aufgegeben da weder Seker noch Keres besonders erpicht auf eine Konversation schienen. Warum hatten sie sich dann überhaupt freiwillig gemeldet? Zu dumm, dass alle großen Hausführer in den Kampf gezogen waren, die wären ihm wesentlich lieber gewesen.   „Also…du hast es wirklich nur mit der Hilfe anderer Toter rüber geschafft, Ruha?“, hörte er Viduus sagen. Es war offenbar ein neuer Versuch ein Gespräch anzufangen, selbst wenn er die Antwort bereits kannte.   „Ja, das stimmt.“, erwiderte seine Mutter dennoch. „Allerdings sollten wir lieber über eure Feindseligkeit gegenüber Satan reden, meint ihr nicht auch?“   Wie erwartet erhielt sie ein unzufriedenes Schnauben von Seker. „Aus gutem Grund. Wir haben dir von Anfang an gesagt, dass es eine schlechte Idee ist, sich mit ihm einzulassen, aber haben schlussendlich nachgegeben, weil du glücklich war. Wohin das geführt hat, weißt du selbst.“   „Es war mein Leben.“, antwortete Ruha knapp. „Es war meine Entscheidung mit wem ich es verbringe und was mit den Harpyien passiert ist, war nicht seine Schuld.“   „Nicht seine Schuld?!“, protestierte Keres und ihre Augen funkelten wütend. „Er hat dich allein gelassen und davon abgesehen war es doch wegen ihm, dass Lilith durchgedreht ist! Wir haben dich mehrmals gewarnt, wir wussten, dass er Ärger bedeutet, aber du wolltest ja unbedingt Königin werden.“   „Sekunde, ist es das, was ihr glaubt?! Dass ich nur Königin werden wollte?! So denkt ihr von mir?!“, unterbrach Ruha ihre Schwester mit wütender Stimme, welche sofort erblasste. „N-Nein, so war das nicht gemeint! Es tut mir-“   „Keres hat recht.“, unterbrach Seker ihre Entschuldigung. „Wie konntest du dich mit jemanden wie Satan einlassen?! Nach allem was er getan hat, würde jeder, der halbwegs bei Verstand ist, Abstand halten! Er denkt nur an sich selbst, alle anderen sind ihm egal und nach allem was man so hört, geht er auch nicht gerade gut mit seinen Angestellten um und hat Lilith während sie zusammen waren mehrmals betrogen.“   „Das sind nichts weiter als Gerüchte!“, fauchte Ruha, nun erzürnt. „Ihr habt euch nie die Mühe gemacht, ihn näher kennen zu lernen und ihr urteilt wirklich anhand von dummem Gerede?! Nur um es mal klar zu stellen, er war ein wundervoller Gatte und immer respektvoll gegenüber seinen Angestellten, ganz egal welchen Standes und Hintergrunds!“ „Vor dir vielleicht, aber wer weiß, was er hinter geschlossenen Türen-“   „ES REICHT!“, donnerte mit einem Mal Azazel, welcher bisher still geblieben war, sprang auf die Füße und starrte die drei Dämonen wütend an. Sie würden so nicht über seine Eltern reden, wenn er daneben saß! „Wie könnt ihr es wagen, so über meinen Vater zu reden und Mutter zu verurteilen?! Ihr wisst GAR NICHTS über ihn und ganz im Gegenteil zu euch, ist er wenigstens für seine Familie da! Ihr seid einfach nur verbittert, weil ihr mit euren eigenen Leben unzufrieden seid. Seker, du solltest bezüglich Betruges und Respekt gegenüber Angestellten mal ganz ruhig sein, immerhin hast du es mit mehreren von ihnen getrieben, obwohl du noch mit deiner Ex zusammen warst. Streite es gar nicht erst ab, ich habe Ohren und das Gästezimmer ist nah genug an deinem Schlafzimmer.“, fügte er hinzu, als der andere Dämon zum Protest ansetzte. „Übrigens bin ich ziemlich sicher, dass sie nur so getan hat, um dein Ego zu befriedigen. Niemand stöhnt so laut und kommt so oft, also bleib mal auf dem Teppich.“ Inzwischen wurde er von den dreien mit offenem Mund angestarrt, Seker wechselte zwischen verschiedenen Rottönen während seine Mutter aussah wie Wild im Scheinwerferlicht. Bevor er unterbrochen werden konnte, wandte er sich an seine Tante.   „Und du hast Vater auch mehrere Male angegraben, bevor er und Mutter offiziell zusammen waren, aber dann warst du plötzlich dagegen. Klingt eher danach als könntest du den Gedanken nicht ertragen, dass er nichts von dir wollte und deine eigene Schwester vorgezogen hat. Hey, ich kenne das Gefühl, es ist Scheiße immer mit den Geschwistern verglichen zu werden, aber nur weil dein Liebesleben nicht läuft, hast du nicht das Recht Mutter Oberflächlichkeit vorzuwerfen. Außerdem, hast du damit gerechnet, dass Lilith jemals so weit gehen würde? Nein? Dann halt die Klappe und setz dich hin, außer du hast mal was zu sagen, was nichts mit Eifersucht und Häme zu tun hat. Niemand wusste, was mit Lilith war, also wage es ja nicht, Vater nochmal Vorwürfe zu machen.“ Keres schien ausnahmsweise nichts zu sagen haben, weswegen er sich an den letzten in der Runde wandte. Wahrscheinlich würde er seinen Ausbruch nachher bereuen, aber es tat gut nach all den Jahren, endlich all seinem Ärger Luft zu machen.   „Und was dich angeht, Viduus, warum musst du eigentlich immer so feige sein?! Egal, was Keres oder Seker sagen, du ziehst immer mit, aber wenn es dann drauf ankommt, hältst du dich raus. Frieden brechen hin oder her, du wusstest wie bescheuert diese ewigen Streitereien sind und du wusstest auch, dass es niemanden etwas bringt, aber nie hast du irgendetwas gesagt sondern nur zugesehen. Ihr schimpft alle auf Vater, aber ihr seid selbst nicht besser. Ihr seid allesamt Heuchler, die mir gegenüber auf nett tun und es dann nicht gebacken bekommen, wenigstens mal für einen Tag die Streitereien sein zu lassen oder euch wenigstens zu melden, außer ihr braucht was. Ihr habt mir nie ins Gesicht gesagt, was euer genaues Problem mit Vater ist, stattdessen habt ihr immer nur irgendwelche Sprüche und Kommentare abgelassen, damit er schlecht dasteht. Ich war ein Kind, ich hätte euch gebracht, aber ihr wart zu beschäftigt, auf Vater rumzuhacken und zu versuchen, mich gegen ihn aufzubringen. Hättet ihr das nicht wenigstens mal im Privaten bereden können, anstatt ihn vor mir anzuschreien?! Wisst ihr eigentlich wie oft ich mir die Schuld gegeben habe?!“   „A-Azazel, es war nie deine Schuld-“, warf Keres kleinlaut ein und schien sich aufrichtig schlecht zu fühlen, doch der Baal ließ sie nicht zu Wort kommen.   „Ach, ja? Nach eurer Logik müsste es eigentlich meine Schuld sein, ich war dort und konnte nichts tun. Ich dachte, ihr hasst mich, weil ihr kaum mit mir geredet habt. Sogar Azrael war eine bessere Unterstützung und er hat zwei Mal versucht, mir die Augen auszustechen! Ihr seid es, die sich nur um sich selbst kümmern und ganz ehrlich: Ich habe verdammt nochmal die Schnauze voll, also verpisst euch einfach aus meinem Leben! Schreibt mir nicht, kommt mich nicht besuchen oder irgendetwas! Sollte ja kein großes Problem für euch sein, bisher habt ihr das ja auch kaum gemacht!“ Er war immer lauter geworden und am liebsten wäre er aus dem Zimmer gestürmt und hätte die Tür zugeknallt, nur leider ging das nicht, daher konnte er sich nur hinsetzen und ihnen den Rücken zudrehen.   Einige ganze Weile sagte niemals etwas, dann trat Keres nach vorne. „Azazel, wir-“, setzte sie an, doch er schlug ihre Hand weg. „Geht einfach. Raus. Ich will euch nicht mehr sehen.“, knurrte er. „Ich verstehe sowieso nicht, warum ihr überhaupt gekommen seid. Damit ihr weiter meinen Vater durch den Dreck ziehen könnt?!“   „Nein, wir-!“, rief Viduus, aber der Geisterkönig schüttelte den Kopf.   „Ich will es nicht hören.“   „Aber-“   „RAUS!“, er war selbst überrascht von seinem plötzlichen Ausbruch, doch er hatte genug. Wenn sie nichts Besseres zu tun hatten, als seine Familie schlecht zu machen und es nicht einsehen wollten, konnten sie ihm gestohlen bleiben. Dieses Mal protestierte niemand und sie verließen endlich den Raum, sehr zu seiner Erleichterung. Erschöpft sackte er auf dem Bett zusammen, das Gesicht in den Händen vergraben. Sie konnten nicht einfach gehen, immerhin musste jemand auf ihn aufpassen, also hockten sie wahrscheinlich weiterhin vor der Tür, doch zumindest würden sie ihn für eine Weile in Ruhe lassen. „Tut mir leid.“, murmelte er seiner Mutter zu. „Das solltest du nicht sehen…“   Diese nahm ihn mit einem Seufzen in den Arm. „Schon gut. Ich bin nicht wirklich überrascht. Sie waren schon immer…streitsüchtig.“   „Streitsüchtig?“, schnaubte er abfällig. „Das ist noch nett umschrieben.“   Ruha zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. „Ich weiß, das ist nicht einfach, Azzy. Du musst wissen deine Großeltern waren sehr…konservativ. Sie glaubten noch daran, dass sich der Erbe beweisen muss, darum war die Konkurrenz zwischen uns groß und Angewohnheiten wird man nur schwer los. Als ich dann als Hausführerin zurückgetreten bin, um mit deinem Vater zusammen zu sein, war das wie ein Schlag ins Gesicht für sie.“   „Das entschuldigt nicht ihr Verhalten. Sie sind erwachsen, wenn sie immer noch nicht über sowas hinwegkommen, will ich nichts mit ihnen zu tun haben. Abgesehen davon ist Keres dadurch Hausführerin geworden und hat ihren Willen bekommen, also sollte sie sich nicht beschweren.“   „Das mag sein und ich verstehe dich auch. Keres hat sich wie die Zweitwahl gefühlt und war eifersüchtig, darum war sie dennoch unzufrieden. Sie waren schon immer schwierig, aber sie sind eben Familie und schlussendlich konnte ich mich auf sie verlassen. Darum habe ich den Kontakt aufrechterhalten.“ Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig und sie seufzte. „Allerdings hätte ich wirklich gedacht, sie würden sich besser um dich kümmern und ihre Differenzen mit deinem Vater beilegen. Offenbar habe ich ihnen diesbezüglich zu viel zugetraut.“   „Ich habe es einfach satt, sie ständig streiten zu sehen. Vielleicht haben sie das jetzt endlich kapiert, auch wenn ich mich nicht drauf verlassen würde.“   Ruha schwieg und zog ihn näher zu sich, doch nach einigen Minuten Stille ergriff sie erneut das Wort. „Versprich mir bitte nur eins.“, sagte sie leise und sah ihren Sohn ernst an. „Egal was passiert, hör auf, dir die Schuld zu geben an allem zu geben. Du konntest nichts für meinen Tod und Selbiges gilt für die Familienstreitereien und allem, was momentan passiert. Dein schnelles Denken hat damals das schlimmste verhindert und wenn jemand das Gegenteil behauptet, wissen sie nicht wovon sie reden. Du hast die Unterstützung deiner Familie und Freunde, also lass dir helfen. Dein Vater würde alles für dich tun, aber rede mit ihm. Okay?“   Azazel nickte und zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Hoffen wir mal, dass es der Rat genauso sehen wird. Der Großteil stand zwar auf meiner Seite, aber das wird sich sicherlich ändern, wenn erst mal alles wieder vorbei ist.“ „Selbst wenn, es wird keine Rolle spielen. Ich mag keine Richterin sein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass in deinem Fall mildernde Umstände bestehen.“   Erneutes Nicken, er wollte lieber nicht darüber nachdenken. „Ich leg mich wieder hin. Ist das in Ordnung für dich?“   „Sicher. Ich werde nochmal versuchen mit den anderen zu reden, aber lass dich davon nicht stören.“   Der Geisterkönig hatte nicht mehr die Kraft zu protestieren und nickte, dann legte er sich gähnend hin. Zumindest eine gute Sache in diesem ganzen Chaos: Er konnte so viel schlafen wie er wollte.     …………………………………………………….     Der Weg zum Palast zog sich etwas länger als gedacht, allerdings war Satan weiterhin zuversichtlich. Das Gas war unerwartet, aber nicht das Ende der Welt gewesen und die Feuerdämonen leisteten diesbezüglich gute Arbeit. Zugegebenermaßen war die Idee an sich nicht schlecht, doch ganz offensichtliche hatte die Zeit gefehlt, alles entsprechend vorzubereiten. Sein Blick wanderte kurz zu Rin, welcher zwar nervös aber nicht ängstlich wirkte. „Was glaubst du, wie lange es noch dauert?“, fragte der Nephilim stattdessen und starrte dabei Richtung Palast.   Satan zuckte mit den Schultern. „Schwierig zu sagen. Ich denke, gegen Abend könnten wir es rein schaffen, es kommt ganz darauf an. Wir haben es nur so schnell in die Stadt geschafft, weil sie ihre Aufmerksamkeit auf den Palast konzentriert haben, also wird das Problem dort kommen. Allerdings könnten einige versuchen, die Seiten zu wechseln, das wäre unser Glück. Wenn man bedenkt, wie viele bereits geflohen sind, als wir kamen, ist es nicht abwegig. Man sollte meinen, Lilith würde aus ihren Fehlern lernen, aber umso besser für uns.“   „Manche der Aveira schienen auch nicht gerade begeistert von ihr zu sein. Luxuria und Avaritia zum Beispiel.“, warf Rin ein, aber der Dämonenherrscher schnaubte.   „Mag sein, aber es ist zweifelhaft, dass sie helfen würden. Avaritia würde eine Gegenleistung wollen und Luxuria war schon immer wankelmütig. Abgesehen davon, sind sie immer noch Teile von Lilith, wir können sie nicht leben lassen.“   Zwar sah der Halbdämon ihn überrascht an, doch Satan würde sich nicht umstimmen lassen. Die Sünden waren zu gefährlich, um sie am Leben zu lassen und der Tod war nach allem, was sie getan hatten, eine gerechte Strafe. Rin war zu vergebungsvoll, wahrscheinlich würde er widersprechen, aber irgendwann würde er es hoffentlich verstehen. Nochmal würde er Liliths Leute nicht so einfach davonkommen  lassen. Wenn sie sie jagen mussten, dann würde sie das auch tun. „Rin, du bleibst hier.“, befahl er, noch immer die Kämpfe beobachtend. „Ich werde versuchen, etwas nachzuhelfen.“ Bevor Rin protestieren konnte, war er bereits verschwunden.     …………………………………………………………..     Die nächsten Stunden waren zäh und anstrengend, aber sie schafften es schlussendlich dennoch in den Palast. Lucifer war nicht weiter überrascht, dass die Bediensteten längst fort waren. Bevor sie allerdings weiter zum Thronsaal konnten, mussten sie zunächst das Erdgeschoss einnehmen. Zwar trafen sie auf Widerstand, aber zu seiner Verblüffung waren sie bisher weder auf die Aveira noch andere bekannte Gesichter getroffen. Hatten sie sich alle in den oberen Stockwerken verschanzt oder waren sie bereits in den Höhlen? Vermutlich letzteres, er konnte sich nicht vorstellen, dass Lilith etwas anders erlauben würde. ‚Die Aveira werden wahrscheinlich im Hinterhalt warten.  Die Frage ist wo…die Höhlen sind riesig, wir könnten sie verpassen, ohne es zu merken. Außer sie warten wirklich am Ende, was ich nicht glaube.‘ Seufzend schüttelte er den Kopf. Sich jetzt darüber Gedanken zu machen, würde nicht weiterhelfen.   Zwischendurch traf er noch auf Iblis, bei ihm war auch Jahi, welche er seit dem Kampf um Versailles nicht mehr gesehen hatte. Die Feuerdämonin hatte sich danach kaum noch sehen gelassen, ob nun aus Scham oder wegen des Todes ihres Rakshasa Freundes wusste er nicht. Während er einige Worte mit Iblis wechselte, schaute er immer wieder kurz zu ihr hinüber, aber sie beachtete ihn kaum und schien ihren eigenen Gedanken hinterherzuhängen. Insgesamt wirkte sie blass und kraftlos, doch er beschloss, nichts zu sagen. Sicher, sie hatte Reue gezeigt und versuchte zu helfen, trotzdem war es für ihn noch zu früh, um ihr wirklich zu vergeben. Er würde sie nicht schlecht behandeln, jedoch zumindest Abstand von ihr halten und nur dann mit ihr reden, wenn er musste.   Schlussendlich konnte er seine Neugier allerdings nicht im Zaun halten und er sprach Iblis kurz darauf an, welcher mit den Schultern zuckte. „Sie macht sich Vorwürfe wegen Kharas Tod, seitdem will sie nicht wirklich mit jemanden reden. Es scheint sie aber zumindest umso mehr angespornt zu haben. Ich lasse sie machen, solange sie für keine Probleme sorgt. Sie geht mir meist ohnehin aus dem Weg.“   „Verstehe.“ Also stimmte seine Vermutung. Nun, umso besser, wenn es ihr zusätzliche Motivation gab. Schlussendlich konnte man nicht abstreiten, dass Lilith sie hereingelegt hatte und sie durchaus Gründe für ihre Taten hatte. Je entschlossener sie war, es der Dämonengöttin heimzuzahlen, umso besser für sie, so eigennützig es wirken mochte. „Meine Leute sind dabei, die Ostseite zu sichern, ich werde zur Unterstützung hinzustoßen. Kommst du hier allein zurecht?“   „Sicher, geh ruhig. Ich halte mit Halphas die Stellung. Pass nur auf, dass euch niemand in den Rücken fällt. Bisher ist es auffällig ruhig hier.“   „Werde ich. Wir sehen uns dann nachher.“   Er hatte kein gutes Gefühl dabei, Iblis allein zu lassen, obwohl er wusste, dass der Feuerdämon allein zurechtkam. Wahrscheinlich lag es schlicht und ergreifend an seine Erinnerungen an den ersten Krieg mit Lilith. Damals hatten sie sich geschworen, es niemals wieder so weit kommen zu lassen und was hatte es ihnen gebracht? Gar nichts. Egal was danach kam, dieses Mal würden sie keine Fehler machen. Er warf einen letzten Blick zu seinem Bruder, dann machte er sich auf dem Weg. Paymon war vermutlich schon ungeduldig.     ………………………………………………………     Kaum war Lucifer verschwunden, trat Halphas mit ernstem Gesichtsausdruck an den Dämonenkönig heran. „Es gibt Probleme. Eine andere Gruppe ist auf eine große Gruppe Alukah getroffen, darunter auch Aulak. Sie brauchen Unterstützung.“   Der Name reichte, um sein Blut zum Kochen zu bringen, doch Iblis zwang sich zur Ruhe und nickte ihm knapp zu, bevor er sich an seine restlichen Leute wandte, welche mit ihm zurückgeblieben waren. „Alles klar, die anderen brauchen Unterstützung gegen einige Alukah. Halphas, Jahi, Sekhmet, Rusalka, Aed und Safa, ihr kommt mit mir. Der Rest hält hier weiter die Stellung. Ich schicke euch Osiris, wenn wir fertig sind.“   Bei der Erwähnung seines Namens kam der Phönix sofort von der Lampe, auf der er bisher gewartet hatte, runtergeflattert und setzte sich auf seine Schulter. „Halte dich aus dem Kampf raus und warte, wo es sicher ist, okay? Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“, wies er seinen Freund an und streichelte ihm über den Kopf. Dieser gab ein zustimmendes Geräusch von sich und kuschelte sich kurz an ihn, bevor er losflog.   Die Dämonen, welche er zu sich gerufen hatten, folgten kommentarlos, Jahi wich ihren Blicken wie so oft aus. Kümmern tat es sie wenig, inzwischen schafften sie es, sie mehr oder weniger wie den Rest zu behandeln und nicht an ihre Taten zu denken. Für ihn war es zwar noch schwieriger, aber er versteckte es gut. Zumindest hatte die Feuerdämonin bereits die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht. „Okay, beeilen wir uns!“, wies er die Gruppe an und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.   Schon bald war der Kampfeslärm zu hören, Niemand sagte etwas, doch sie zogen sofort die Waffen. Wahrscheinlich würden sie nicht viel Zeit haben, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Je schneller sie eingreifen konnten, umso besser. Das sollte sich auch als gute Idee herausstellen, denn kaum waren sie drinnen, kamen direkt die ersten Angriffe. Einige Geisterdämonen waren ebenfalls hier, was den Feuerdämonen überraschte. Eigentlich sollten sie ganz woanders sein, was trieben sie hier? Mehrere von Liliths Dämonen traten den Rückzug an, die Alukah dagegen traten ihnen fauchend entgegen. Aulak war noch immer bei ihnen und auch wenn er sich vorhin hatte zusammenreißen können, kam die Wut nun mit voller Wucht zurück. Es war inzwischen eine gefühlte Ewigkeit her, seit sie dem Dämon gegenübergestanden hatte und was er Rin angetan beziehungsweise versucht hatte anzutun, versetzte ihn immer noch in Rage! Instinktiv bleckte der Feuerdämon die Zähne, Aulak grinste nur, allerdings wirkte er nicht so selbstsicher wie sonst. Er war kein Trottel, er wusste, dass es schlecht für stand, aber kämpfte dennoch weiter, egal ob es nun aus Loyalität oder Verzweiflung war.   „Na schaut mal an, wen wir hier haben. Lange ist’s her, Iblis? Wie geht’s eurem Halbblutbruder und Azazel? Beide sind etwas blass um die Nase nach dem, was man so hört.~“   Automatisch machte der Baal einen Schritt nach vorn, doch Halphas zog ihn zurück. Überraschenderweise war er aber nicht der einzige, auch Ankou trat nach vorn und funkelte den Alukah wütend an. „Beide haben mehr Mumm und Mut als du es jemals haben wirst, du erbärmlicher, wichtigtuerischer Blutegel!“, fauchte sie, die Zähne nicht nur gebleckt, sondern obendrein länger als gewöhnlich. Normalerweise bewahrte sie einen kühlen Kopf, weswegen Iblis von ihrer Reaktion überrascht war. Die Dämonin hatte sich verändert, früher hätte sie es abgeschüttelt und ignoriert. Es blieb abzuwarten, ob dies eine gute oder schlechte Sache war.   „Deine Beleidigungen waren auch schon besser.“, erwiderte Aulak unbeeindruckt klingend. „Aber so aggressiv kenn ich dich gar nicht. Wütend, dass dein Liebhaber ein Verräter ist?“   „Azazel ist kein Verräter und auch nicht mein Liebhaber, wage es ja nicht, seinen Namen durch den Dreck zu ziehen!“   Der Dämon zeigte sich nach wie vor unbeeindruckt und lachte. „Oh ja, in jedem Fall wesentlich hitziger als früher. Steht dir allerdings, mir gefällt’s.“ Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst, jedoch stand auch Wut darin. „Doch genug davon. Bringen wir’s hinter uns. Vielleicht lasse ich einige von euch leben, wäre schade um das gute Blut.“   Ohne auf ein weiteres Kommando zu warten, stürzten sich die Blutsauger auf Iblis‘ Leute, welche sich aber nicht weniger heftig zur Wehr setzten. Die restlichen Geister- und Luftdämonen waren offenbar genauso wenig begeistert darüber wie Aulak Azazel verspottet hatte und es zeigte sich.  Mehrere von ihnen hielten direkt auf ihn zu, dieser erkannte aber schnell die Gefahr und ließ sich zurückfallen, um hinter seinen Truppen Schutz zu suchen. Iblis hatte keinen Zweifel daran, dass der Alukah fliehen würde, wenn sie nicht aufpassten. Schlussendlich bevorzugte der Dämon es, aus den Schatten zuzuschlagen und das Überraschungsmoment zu nutzen, was sich natürlich in seinem Kampfstil zeigte. Er war keinesfalls schlecht, nein, aber der Stil passte schlicht und ergreifend nicht in diese Art von Kampf. In einem Duell mochte es noch gehen, doch auf dem Schlachtfeld hatte er damit schlechte Karten.   Iblis und Ankou wussten dies beide, darum versuchten sie, alle Fluchtwege zu blockieren. Ihr Vorteil war, dass sie sich besser im Palast auskannten und diesen würden sie in voller Kapazität nutzen. Dummerweise dauerte es in dem Getümmel nicht lange, bis sie den Dämonen verloren. Vom Verschwinden ihres Anführers demotiviert, floh auch der Rest oder ergab sich, nur wenige kämpften weiter und wurden schlussendlich getötet. Der Baal fluchte, wissend, dass er dies hätte vermeiden können, wenn er sich nur etwas mehr Mühe gegeben hätte. Wenn er sich so Halphas‘ und Ankous Gesichtsausdrücke ansah, dachten sie wohl ähnliches. Dennoch trat die Dämonin an sie heran, inzwischen wesentlich gefasst wirkend.   „Danke für die Hilfe, wir wurden vom Rest abgeschnitten. Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen.“   „Sicher, war doch das mindeste. Auch wenn’s schade um Aulak ist. Er hätte uns einige Infos geben können.“   Ankou schüttelte schnell den Kopf, ihr Gesichtsausdruck entschlossen. „Ich verfolge ihn. Er könnte etwas zu Liliths Amulett und Azazels Seelenteil wissen. Vielleicht können wir ihn sogar irgendwie benutzen, um an die Aveira zu kommen.“   „Ich komme mit.“, sprang Halphas ein. „Feuer ist immer noch am effektivsten.“   „Vergesst es.“, widersprach Iblis sofort. „Wir brauchen euch und ihm hinterherzujagen, macht euch nur verwundbar.“   Er erwartete Widerspruch von Ankou, doch Halphas kam ihr zuvor. „Ankou hat recht. Er ist ein wichtiges Ziel und weiß vielleicht wirklich was zu Azazel. Abgesehen davon gehört er zu einer der obersten Kasten, allein dadurch haben wir nicht nur einen wertvollen Gefangenen, sondern bekommen kritische Informationen. Liliths Anhänger werden nicht einfach verschwinden, wenn sie weg ist, wir müssen jede Info und jeden Vorteil sichern, den wir kriegen können. Zu zweit werden wir nicht weiter auffallen, alle sind zu beschäftigt mit den Kämpfen.“   So sehr Iblis es hasste, die beiden hatten nicht ganz unrecht. Aulaks Informationen würden einiges wert sein und wenn er wirklich etwas wissen könnte, dass dabei half, Azazel zu helfen, musste er das nutzen. Ein Teil von ihm wollte es am liebsten selbst tun, immerhin ging es hier um seinen Bruder, doch er wusste, dass er dies seinen Truppen nicht antun konnte. Sie verließen sich auf ihn, er konnte sie jetzt nicht im Stich lassen, um Eventualitäten nachzugehen. „Ich komme zwar mit den Truppen allein klar, aber was ist mit deinen, Ankou?“   „Kári kann das übernehmen. Wir waren im selben Jahrgang an der Militärakademie, er ist mehr als qualifiziert.“   Sie kannte ihre Leute besser als er und selbst wenn er sie ungern allein ließ, gab er endlich seufzend nach. Je mehr Zeit sie mit Reden verschwendeten, umso wahrscheinlicher war es, dass der Alukah entkam, sie mussten sich also beeilen. „Also gut, ich vertraue euch. Aber wenn es zu gefährlich wird oder etwas komisch wirkt, dreht ihr sofort um, verstanden? Ich will euch nicht verlieren und die anderen werden mich durch den Fleischwolf drehen, wenn ich euch gehen lasse und was passiert.“   „Wow, wie nett, dass du dich sorgst.“, antworte Halphas mit einem Augenrollen, grinste allerdings. „Keine Sorge, wir kriegen das hin. Pass aber auch auf dich auf. Wir wollen Satan und deinen Geschwistern nämlich auch nicht erklären müssen, warum sie deine Überreste vom Boden kratzen müssen.“   Ein einfaches Nicken, mehr war nicht nötig. Damit trennten sich ihre Wege erneut.     ……………………………………………………………….     Halphas wusste nicht, ob es das Risiko wirklich wert war. Zwar hatte er alles, was er zu Iblis gesagt hatte, ernst gemeint, aber das änderte nichts daran, dass diese Aktion gewaltig nach hinten los gehen konnte. Er schaute zu Ankou hinüber, doch ihr Gesichtsausdruck verriet nicht, was sie dachte. „Sollte Aulak allein sein, greifst du direkt an, ich versuche mich ranzuschleichen und ihn aus dem Hinterhalt anzugreifen. Wenn jemand bei ihm ist, müssen wir für eine Ablenkung sorgen. Irgendwelche Vorschläge?“ „Ehrlich gesagt hat sich mein Plan darauf beschränkt nicht zu sterben, bin also für Ideen offen.“ „Mein Plan sieht leider nicht besser aus. Halten wir uns fürs erste versteckt und schauen, was uns erwartet, dann können wir uns immer noch etwas überlegen.“   Halphas schnaubte, allerdings war es nicht abfällig, sondern vielmehr resigniert. „Also alles wie immer. Unsere Ausbilder würden durchdrehen, wenn sie sehen wie wir uns ständig überall planlos reinstürzen.“   „Dann sollen sie erstmal mit besseren Ideen kommen.“, knurrte die Dämonin zurück. „Viele Optionen haben wir nun wirklich nicht.“   Sie setzten ihren Weg relativ ungestört fort, hin und wieder mussten sie in eines der Zimmer ausweichen und dort verharren, um entgegenkommenden Feinden auszuweichen, aber davon abgesehen gab es keine Probleme. Schlussendlich erreichten sie einen der kleineren Festsäle, wo sie endlich den flüchtigen Alukah fanden, welcher jedoch nicht allein war. Zwei weitere Alukah sowie ein Rakshasa und eine Naga waren ebenfalls da. Langsam schlichen Ankou und Halphas näher, letzterem blieb jedoch das Herz stehen als er Kaliya in der Gruppe erkannte. Verdammt nochmal. Warum immer ausgerechnet sie?!   Ankou warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er schüttelte den Kopf. Er würde tun, was nötig war, auch wenn es weh tat. Die Dämonin zögerte, nickte dann aber in Richtung Kronleuchter unter dem die Dämonen versammelt waren. Der Feuerdämon verstand sofort. Die Kette hielt dem Feuerstoß nicht lange stand und bereits Sekunden später fiel der schwere Kronenleuchter laut scheppernd zu Boden. Es traf keinen der Dämonen, allerdings flohen einer der Alukah sowie der Rakshasa, sie hatten es also nur noch mit Aulak, Kaliya und dem anderen Alukah zu tun. Letzterer fiel jedoch beinahe sofort einem von Ankous Pfeilen zum Opfer während Halphas Aulak angriff, doch der Schlag wurde gerade noch von Kaliyas Dolch gestoppt. „Zu langsam, Liebling.“, zischte sie, bevor sie mit ihrem zweiten Dolch zustieß, doch auch sie verfehlte.   „Noch kannst du weglaufen.“, sagte er ihr und für eine Sekunde zögerte sie, doch dann verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck. „Hättest du wohl gerne.“ Erneut griff sie an und obwohl Halphas ausweichen konnte, wussten sie beide, dass es eine Weile dauern würde, bis einer von ihnen die Oberhand gewann. Halphas war größer und stärker, Kaliya war klein und flink, zudem waren ihre Dolche vergiftet, es reichte also schon ein Kratzer. Ankou kümmerte sich derweil um Aulak, allerdings wurde schnell deutlich, dass dies ebenfalls kein einfacher Kampf werden würde. Jedoch konnte er nicht zu lange zu ihr schauen, immerhin erforderte seine eigene Gegnerin all seine Konzentration. Immer wieder stach sie auf ihn ein, ein Mal schrammte die Klinge an seiner Seite entlang, glücklicherweise traf es nicht die Haut. Er versuchte daraufhin ihre Beine anzugreifen und sie so aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch sie sprang zurück und brachte dadurch mehr Abstand zwischen sie. Mit ihrer begrenzten Angriffsreichweite war sie damit im Nachteil.   Er wollte gerade zu einem weiteren Angriff ansetzen, als Ankou plötzlich einen kurzen Schmerzensschrei ausstieß. Alarmiert schaute er zu ihr hinüber und stellte fest, dass es sie am Oberarm erwischt hatte. Es war schwierig abzuschätzen wie tief der Schnitt war, allerdings quoll reichlich Blut heraus. Die Dämonin biss dennoch die Zähne zusammen und griff Aulak weiterhin an, welcher nur hämisch grinste. Sie beide wussten, dass sie das nicht lange mitmachen würde. Fluchend ließ Halphas von Kaliya ab, um Ankou zu helfen, aber Aulak hatte bereits damit gerechnet und wich ihm problemlos aus. „Ihr seid wirklich erbärmlich. Und ihr sollt zu den besten Kämpfern gehören? Dass ich nicht lache!“   Kaliya sagte nichts und hielt auf Ankou zu, glücklicherweise sah diese sie kommen, wich sofort aus und erwischte die andere Dämonin dabei am Rücken. „Du verdammtes Miststück! Warum musst du immer alles ruinieren?!“, fauchte Kaliya und machte offenbar reflexartig einen Satz nach vorn, doch genau darauf hatte Ankou die ganze Zeit gewartet. Mit einer schnellen Bewegung rammte sie ihrer Angreiferin ihren Dolch, welchen sie Notfälle immer dabeihatte, in die Seite. Röchelnd stolperte die andere Dämonin zurück, machte aber nicht den Fehler, die Waffe herauszuziehen, sondern presste die Hand gegen die Wunde. Auf den Beinen halten konnte sie sich allerdings nichts mehr und sie fiel auf die Knie. Halphas widerstand den Drang zu seiner ehemaligen Geliebten zu laufen, Aulak seufzte unterdessen nur genervt.   „So viel dazu. Na was soll’s, du hast deinen Zweck ohnehin erfüllt. Nicht, dass du überhaupt jemals besonders nützlich gewesen wärst.“   Kaliya warf ihm einen Blick voller Abneigung zu. „Wenigstens bin ich kein Feigling!“, presste sie hervor, wovon sich Aulak nur wenig beeindruckt zeigte. Dafür hatte er für eine Sekunde nicht aufgepasst, was Ankou genug Zeit gab, ihn erneut anzugreifen und dieses Mal traf sie. Die Klinge ging tief in seine Schulter und er taumelte fluchend zurück. Mit diesem Arm würde er heute nicht mehr kämpfen, dass wussten sie alle.   „Wie war das mit schlechten Kämpfern?“, spottete die Dämonin, dieses Mal rammte sie ihr Knie in seine Magengegend sodass er zu Boden sank. „Was weißt du über Azazels Abmachung und dem Seelenteil? Und wo sind die Aveira?“ „Keine Ahnung, wir wurden getrennt und über Azazels Abmachung weiß ich auch nichts mehr als ihr. Selbst wenn es so wäre, würde ich es euch nicht sagen.“, zischte er und grinste sie schadenfroh an. „Aber langsam müsste es ihm zu schaffen machen, nicht wahr? Zu Schade, dass ich es nicht selbst mitansehen kann.“   Ankou reagierte nicht auf die Provokation, weder sie noch Halphas glaubten ihm. „Du lügst. Irgendwas musst du wissen!“ „Was gibt es da zu wissen? Azazels schnelles Denken mag euch damals den Sieg ermöglicht haben und jetzt fällt es ihm auf die Füße. Die einzigen, die den Vertrag auflösen können, sind Lilith und die Aveira und die werden sich weigern.“   Also war es genauso wie es sich bereits gedacht hatten. Natürlich könnte er lügen, aber sie hatten nicht die Zeit ihn ewig auszufragen. Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Halphas und nickte ihm zu. Je eher sie die anderen informierten, dass sie zwei Gefangene hatte, desto besser. Aulak hatte inzwischen wieder angefangen zu reden, wahrscheinlich war es wieder Spott, aber Ankou hörte ihm nicht und schlug ihn bewusstlos, damit er endlich die Klappe hieß. „Wollen wir mal schauen, ob du noch so selbstbewusst bist, wenn dich das Kriegsgericht zum Tode verurteilt.“ Sie wandte sich an Kaliya, die sich inzwischen zusammengerollt hatte, aber sie immer noch hasserfüllt anstarrte.   „Ich hoffe, ihr seid zufrieden mit euch.“, knurrte sie. „Das ändert gar nichts!“   Ankou antwortete nicht und nutzte stattdessen den Griff ihres Fächers, um sie ebenfalls bewusstlos zu schlagen. „Halt einmal die Klappe.“; murmelte sie, bevor sie sich wieder an Halphas wandte. „Ist alles okay bei dir?“   Der Feuerdämon nickte, sein Blick war allerdings noch immer auf Kaliya gerichtet. „Ja, geht schon. Es wird aber nicht einfacher, egal wie oft ich sie sehe.“ Er hatte eigentlich gedacht, er wäre inzwischen darüber hinweggekommen, offenbar war das ein Irrtum gewesen. Natürlich wusste er, was Kaliya bevorstand. Für ihre Verbrechen würde sie wahrscheinlich die Todesstrafe bekommen, doch trotz allem, was sie getan hatte, wusste er nicht, was er dabei empfinden sollte. Sie würde sich nicht mehr umstimmen lassen, das war ihm klar, aber dennoch fragte er sich, ob er es hätte verhindern können. Kurz darauf kam die Verstärkung, um Aulak und Kaliya in Gewahrsam zu nehmen. Zumindest ein Problem weniger.     ……………………………………………………     Als sie endlich den Thronsaal erreichten, waren kaum noch Gegner anzutreffen. Der Eingang in die Höhlen war bereits offen und keiner der Zurückgelassenen machte sich wirklich die Mühe sie aufzuhalten. Viele traten direkt den Rückzug in die Höhlen an oder ergaben sich, was allerdings kein Grund für Erleichterung war. Es kam Satan suspekt vor, dass die meisten draußen so verbittert gekämpft hatten, während diese hier nicht mal versuchten, Widerstand zu leisten. Vielleicht hatten sie wirklich einfach die Motivation verloren, aber schlussendlich machte es keinen wirklichen Unterschied. Es gab kein Zurück mehr, sie mussten so oder so in die Höhlen runter. Das Ritual vorzubereiten würde dauern und im Gegensatz zum letzten Mal hatten sie bisher noch nicht mal mit den Zeichnungen angefangen.   Na ja, man konnte es nicht mehr ändern. Seine Kinder stießen nur kurz darauf hinzu, somit stand ihnen nichts mehr im Weg. Lucifer nickte ihm zu, um zu bestätigen, dass sie bereit waren. Er schaute kurz zu Rin hinüber, der recht blass wirkte, aber auch entschlossen. Mehr konnte er sich in so einer Situation wohl nicht wünschen. ‚Na, dann. Wird schon schief gehen.‘   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)