Ein unverhofftes Familientreffen von Himikko ================================================================================ Kapitel 59: Der letzte Plan --------------------------- Zwanzig Minuten später befand sich Rin noch immer in seinem komaartigen Schockzustand und starrte mit einem leeren Blick vor sich hin. Seine Brüder versuchten derweil, auf ihn einzureden und zu beruhigen, das meiste schien jedoch an ihm abzuprallen. Beelzebub konnte ihn irgendwo verstehen, immerhin war es niemals schön, gekorbt zu werden, doch eine spontane Existenzkrise schien etwas zu viel des Guten. Es war ja nun wirklich nicht so, dass es keine anderen Mädchen gab, zumal die erste Liebe meist ohnehin verfloss, so gemein es klang. Nicht dass er ihm dies unter die Nase reiben würde, er war immerhin nicht Amaimon. „Was ist denn mit ihm passiert?“, hörte er Ankou fragen, welche zusammen mit Shax, Halphas und Alastor zu ihnen gekommen war. Letzterer überraschte ihn ziemlich, immerhin meid die rechte Hand Satans Exorzisten und die meisten Feiern wie die Pest. „Er hat einen Korb kassiert.“, seufzte Astaroth. „Und es war echt brutal. Sie steht auf Yukio und hat ihn in die Freundeszone geschoben.“ Alle Dämonen, sogar Alastor, verzogen das Gesicht. „Autsch. Das ist übel.“, kommentierte die Geisterdämonin mitleidig. „Aber Yukio? Ernsthaft? Ich wette, der rafft es nicht mal.“   „Mag sein, aber immerhin war sie ehrlich und er macht sich keine falschen Hoffnungen.“, warf Halphas ein, womit er natürlich recht hatte. Es tat nur umso mehr weh, wenn man sich etwas erhoffte, nur um dann zurückgewiesen zu werden oder zu realisieren, dass die andere Person kein Interesse hatte. Glücklicherweise hatte er bisher noch nie das Pech gehabt, jemanden zu erwischen, der ihn diesbezüglich anlog. „Was sagt Satan dazu?“, hörte er derweil den Feuerdämonen fragen. „Er weiß es noch nicht.“, antwortete Samael. „Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher wie er reagieren wird…entweder wird er erleichtert sein oder…“   „Die Adeptin verbrennen?“, beendete Amaimon seinen Gedankengang. „Wenn er es nicht tut, kann immer noch -“ „Amaimon, zum letzten Mal, hier wird niemand getötet!“, protestierte Egyn sofort und warf dem Erddämonen einen gereizten Blick zu. „Also versuche es gar nicht erst!“   „Na ja, es muss keiner wissen.“, überlegte Astaroth. „Und wir können es jemanden in die Schuhe schieben. Wir brauchen nur eine Schaufel, Benzin, Klebeband, Seil und ein Alibi. Und eventuell Bleichmittel.“ Egyn schien kurz davor zu stehen, sich die Haare auszureißen. „BIN ICH DER EINZIG NORMALE HIER?!“   „Pfff, Anfänger.“, grummelte Alastor, den Wasserdämonen ignorierend. „Besorgt euch lieber Säure. Verbrennen ist zu dreckig und da denken sie sofort an Iblis.“ Egyn machte ein Geräusch, dass an ein sterbendes Tier erinnerte und zog damit einige Blicke auf sich, doch niemand traute sich zu fragen, was los war. Wahrscheinlich war es besser so, die Exorzisten fanden sie schon so seltsam genug. Alastor kümmerte sich nicht weiter darum und wandte sich bereits zum gehen. „Wie auch immer, ist euer Problem. Wenn mich wer sucht, ich geh wieder trinken.“ Auch Halphas verabschiedete sich, wurde jedoch von Agares ersetzte, die sich sofort daran machte, Egyn zu beruhigen. Eines Tages würde der Dämon noch einen Nervenzusammenbruch bekommen. Immerhin kehrte Rin kurz darauf ebenfalls langsam in das Reich der Lebenden zurück, allerdings sah er noch immer aus, als würde er sich am liebsten vergraben lassen. Folglich reagierte er nicht, als Iblis begann zu sprechen. „Also mit wem verkuppeln wir Rin?“, fragte der Baal, während er einen erneuten Hieb aus seinem Glas nahm. „Ich glaube, dieses Fuchsmädchen steht auf ihn…“   „Wir verkuppeln hier niemanden.“, würgte Lucifer ihn sofort ab, welcher sich bisher aus Egyns Bemühungen die restlichen Dämonenkönige von einem Mord abzubringen, heraus gehalten hatte. „Er wurde gerade erst zurückgewiesen, da hat er kaum Lust auf noch mehr Drama.“   „Du kannst nicht abstreiten, dass es interessant wäre.~“, warf Samael grinsend ein und erhielt wie erwartet böse Blicke. „Wenn du nochmal versuchst, Rin als Unterhaltung zu missbrauchen, dann Gnade dir Vater.“, zischte der Lichtkönig warnend und Beelzebub nickte zustimmend. „Du hast wirklich genug angerichtet, also wage es ja nicht!“ Der Zeitkönig verzog sofort das Gesicht und seufzte. „ Dass ihr immer noch deswegen auf mir herum hacken müsst!“   „Oh ja, du armer. War ja nicht zu erwarten, dass das passiert.“, erwiderte Beelzebub sarkastisch. „Immerhin hast du nur jahrelang einem Exorzisten geholfen, Rin zu verstecken und ihn obendrein für deine Spiele ausgenutzt.“ Samael schnaubte nur und nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas, während er weiter vor sich hin grummelte. Agares ließ sich von ihrem Gezanke nicht herunter ziehen und blieb positiv. „Hey, das ist eine Party.“, erinnerte sie die Dämonenkönige. „Streitet euch doch nicht wegen sowas albernen und genießt es lieber. Wir wissen immerhin nicht, wann wir das nächste Mal so viel Ruhe haben.“ Damit hatte sie durchaus ein Argument, worauf Egyn sofort ansprang. „Danke!“, rief er erleichtert. „Endlich jemand mit Verstand!“ Beelzebub schüttelte nur mit dem Kopf und wandte sich wieder an Rin, welcher noch immer schweigend da saß. „Mach dir nichts draus, sowas passiert.“, versuchte er den Nephilim zu trösten. „Irgendwann wirst du jemanden finden und in ein paar Jahren lachst du darüber.“ Rin nickte langsam, seinem Blick ausweichend. „Versteh mich nicht falsch, ich freue mich für Yukio und ich weiß, dass er viel ansprechender ist-“   „Sag sowas nicht.“, unterbrach der Insektendämon ihn. „Nur weil er vielleicht bisher mehr Frauenglück hatte, heißt das nicht, dass du unattraktiv bist. Du hast einfach noch nicht die richtige Person getroffen. Wenn du dich immer nur mit ihm vergleichst, wirst du niemals glücklich, also tu es nicht. Würde ich mich mit unseren Brüdern vergleichen, würde ich den Verstand verlieren! Es war schon nervig genug, als wir in der Schule ständig miteinander verglichen wurden.“ Zumindest sah der Nephilim ein wenig glücklicher aus und sprach weiter. „Ich wusste ja, dass Shiemi ihn mag. Ich hatte eben nur gehofft, dass es doch was wird.“, gestand er leise. „Aber ich schätze, es hätte schlimmer sein können. Wenigstens mag sie Yukio und nicht irgendeinen Idioten und sie war ehrlich zu mir.“ Beelzebub musste sich schnell auf die Zunge beißen, um keinen Kommentar abzugeben. Zwar schien sich Yukio wirklich zu bemühen, zumindest etwas offener zu sein, aber er würde nicht so schnell vergessen, wie er Rin und seine Brüder behandelt hatte, Vielleicht konnten sie sich eines Tages wirklich richtig vertragen, doch momentan war er nicht bereit dazu. Daher wählte er mit eine neutrale Antwort und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Ja, da hast du wohl recht. Komm, Agares hat Recht. Das ist immer noch eine Feier, also haben wir Spaß. Hol meinetwegen deine Adeptenfreunde her, wenn du willst.“ Rin sah ihn überrascht an. „Ich dachte, ihr mögt sie nicht besonders?“, fragte er zweifelnd. Der Insektendämon zuckte mit den Schultern. „Persönlich habe ich nichts gegen sie. Zumindest jetzt wo sie uns nicht mehr anstarren, als würden wir sie gleich ausweiden. Und selbst wenn, sie sind deine Freunde. Wenn du mit ihnen Zeit verbringen willst, werden wir dich sicher nicht aufhalten. So lange können wir uns dann sicher mal vertragen. Sie haben doch vorhin mit Karten gespielt oder? Da gab es doch auch keine Probleme.“ Wie erhofft schien dies die Laune des jüngeren noch mehr zu bessern. Es war nicht einmal gelogen, die Adepten störten ihn nicht wirklich. Sicher, sie würden wohl fürs erste keine Freunde werden, aber er sah keinen Grund ihnen das Leben schwer zu machen. Schlussendlich hatten zumindest die drei aus Kyoto ihre Gründe und die beiden Mädchen waren bisher recht höflich gewesen. Gesagt, getan. Rin holte seine Freunde dazu und obwohl Shiemi dabei war, blieb die Stimmung relativ locker. Nur kurz darauf schlug Iblis plötzlich aus heiterem Himmel vor, Yukio und Lucifer (welcher mal wieder abgehauen war, um sich schon wieder um ein angebliches Problem zu kümmern) abzufüllen, da sie seiner Meinung nach viel zu angespannt waren. Normalweise wäre Beelzebub nicht so schnell dabei gewesen und den Adepten ging es sicherlich nicht anders, doch dieses Mal war es ihnen egal. Warum nicht noch einmal ordentlich Spaß haben, wenn sie wirklich in den nächsten Tagen sterben könnten? Sofort begannen sie damit, Pläne dafür zu schmieden, wobei der Insektendämon aufpasste, dass sie es nicht zu sehr übertrieben. Nicht noch, dass es am Ende hieß, die Dämonen hätten versucht, einen Exorzisten zu vergiften oder die Adepten einen Baal. Sicherlich wäre keiner besonders begeistert, wenn wegen eines Streiches ein neuer Krieg ausgelöst wurde. Offenbar durfte er jetzt den Erwachsenen spielen und aufpassen, dass sie keine neue Katastrophe heraufbeschwören.     ……………………………………………………………………………………     Als Herrscher Gehennas und Vater mehrerer Kinder sollte Satan wohl wirklich darauf achten, dass es auf dieser Feier zu keinen Ausschreitungen kam und es seine Sprösslinge nicht übertrieben. Sicher, sie waren erwachsen und konnten ihren Alkoholkonsum in der Regel gut abschätzen, aber es schadete nicht, ein Auge auf sie zu haben. Immerhin handelte jeder hin und wieder unachtsam und er konnte in diesem Fall sofort reagieren. So lautete zumindest die Theorie, doch dieses Mal konnte sich der Dämonengott nicht dazu bringen, sich auch nur ansatzweise dafür zu interessieren. Heute durften sich gern andere darum kümmern, er hatte offiziell frei und keiner konnte ihm was. Zu Beginn hatte er noch versucht, alles halbwegs im Blick zu behalten, aber nach seinem Gespräch mit Iblis hatte er schlicht und ergreifend aufgegeben. Bei den Feiern in Gehenna hatte er stets darauf achten müssen, dass sich alle benahmen und er selbst den entsprechenden „Eindruck“ vermittelte. Tja, jetzt konnten sie ihn mal ansatzweise! Keine Adligen weit und breit, kein Hofprotokoll, in anderen Worten: Freiheit! Folglich hatte er kein schlechtes Gewissen, als er sich an einigen Getränken bediente, die gar nicht so schlecht waren wie erwartet. Ein Lacher im Gegensatz zu gehennischen Getränken, aber gut genug. Hauptsache er konnte zumindest für diesen Abend einmal abschalten. Folglich schritt er nicht ein, als er den mehr als offensichtlichen Versuch beobachtete, Yukio und Lucifer abzufüllen. Zumindest arbeiteten diese Exorzistenadepten mit seinen Söhnen zusammen, also war es wohl schon ein Fortschritt? Na, es würde schon gut gehen. Sein Blick wanderte zu Samael, der das Geschehen grinsend beobachtete, doch der Dämonenherrscher wusste, dass den Zeitdämonen etwas beschäftigte. Er war vorhin mit Indra verschwunden und kehrte kurz darauf sichtlich unruhig zurück. Zwar hatte er behauptet alles wäre in Ordnung, aber er würde bei der nächsten Gelegenheit in jedem Fall noch einmal nachbohren. „Ich kenne diesen Blick.“, sagte Shax Stimme. „Ich kümmere mich später darum.“, antwortete Satan knapp, ohne den anderen Dämon anzusehen. „Für diesen Abend will ich meine Ruhe.“   „Rin wurde von einem Mädchen gekorbt.“, zerstörte der Geisterdämon die Idylle. Natürlich. Das musste er ihm jetzt sagen. „Was ist passiert?“, fragte Satan erschöpft, auch wenn er sich sicher war, dass er es bereuen würde. „Diese blonde Adepten hat ihn zurückgewiesen. Scheint als würde sie Yukio mögen. Ich glaube aber, er kommt darüber hinweg.“, erklärte der Silberhaarige schulterzuckend und warf einen kurzen Blick in die Richtung des Nephilims. „Wenn ich mich nicht täusche, überlegt Iblis schon mit wem er ihn verkuppeln kann.“   „Wundervoll.“, murmelte der Dämonengott, der sich nur zu gut an die letzte Verkupplungsaktion erinnern konnte. Zumindest kümmerten sich seine Brüder bereits um ihn, er würde noch einmal später mit dem Halbdämonen reden. Zuvor brannte ihm dennoch eine Frage unter den Nägeln. „…Gibt es etwas neues zu Lilith?“ Shax warf ihm einen Seitenblick zu. „Ich dachte, du willst für heute Pause machen.“   „Tu ich auch. Aber ich will trotzdem erfahren, wenn es Neuigkeiten gibt. Sie wird sicher nicht warten, bis wir mit unseren Festen fertig sind.“ Er hatte sie in den letzten Monaten oft genug unterschätzt, jetzt war Schluss damit. Zu seiner Erleichterung schüttelte Shax mit dem Kopf. „Nein. Bisher hat sich nichts ergeben.“, beruhigte er ihn. „Wir hatten vorhin einen Bericht aus Polen, aber das war falscher Alarm. Scheinbar ging es um ein stillgelegtes Forschungszentrum der Ritterschaft.“   „Ich will gar nicht erst wissen, was sie dort getrieben haben.“   „Ja, das ist wahrscheinlich besser so.“     ………………………………………………………………………..     Einige Stunden später begann sich die Feier langsam aufzulösen. Rin war beinahe traurig deswegen, denn sie hatten wirklich ihren Spaß gehabt und sogar Spiele wie „Ich hab noch nie“ gespielt. Er hatte tatsächlich das Gefühl, dass sich alle etwas näher gekommen waren. Yukio war längst gegangen, denn er hatte sich als wenig alkoholresistent herausgestellt, die Adepten verließen die Feier kurz danach. Lucifer war leicht angetrunken, doch zumindest noch nicht so schlimm, dass er irgendwelche Kindheitsgeschichten zum Besten gab. Dennoch kündigte er an, bald ins Bett zu gehen. Vermutlich war dies ohnehin klüger, immerhin stand morgen erneut ein Treffen an, in dem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Rin wurde langsam ebenfalls müde und hörte nur noch stumm dem Gespräch seiner Brüder zu. Inzwischen war er sogar gut über die Sache mit Shiemi hinweg gekommen und je länger er darüber nachdachte, umso froher war er, ihr endlich seine Gefühle gestanden zu haben. Sicherlich hatte es weh getan, aber immerhin hatte er seine Antwort bekommen und machte sich keine falschen Hoffnungen. Rückblickend betrachtet, war es ohnehin fraglich, ob es wirklich Liebe gewesen war. Höchstwahrscheinlich waren es eher Schwärmereien, sonst wäre er wohl nicht so schnell darüber hinweg gekommen. ‚Apropos Geständnisse und falsche Hoffnungen…‘ Er schaute zu Agares, die Egyn immer wieder sehnsüchtige Blicke zuwarf und einige Mal etwas zu sagen wollen schien, nur um schlussendlich still zu bleiben. Der Baal bemerkte es nicht und unterhielt sich weiter mit Beelzebub und Halphas, welche es ebenfalls nicht zu merken schienen. Der Nephilim zögerte, eigentlich ging es ihn nichts an und er hatte nicht das Recht, es Egyn einfach zu sagen, allerdings wollte er nicht tatenlos zusehen. Wenn er den Mut gefunden hatte, Shiemi seine Gefühle zu gestehen, dann konnte die Wasserdämonin das ebenfalls. Sie brauchte nur einen Schubs in die richtige Richtung. Mit neu gewonnener Entschlossenheit stand er auf und hielt auf die Dämonin zu. Sie sagte nichts, als er sich neben sie setzte und schaute stattdessen weiterhin Richtung Egyn. Dann lag es wohl an ihm, das Gespräch zu beginnen. „Willst du es ihm nicht sagen? So mies es klingt, du bekommst vielleicht keine Gelegenheit mehr.“, fragte er vorsichtig, woraufhin sie sich unsicher auf die Lippe biss. „Ich weiß, aber ich habe keine Ahnung wie ich es ihm sagen soll. Vor allem weil es so plötzlich ist.“   „Frag ihn einfach, ob du ihn kurz allein sprechen kannst und dann sag es ihm.“, antwortete Rin schulterzuckend. „Vielleicht hast du es mitbekommen, ich habe vorhin auch jemanden meine Gefühle gestanden, aber einen Korb bekommen. Klar, das tut erst mal weh und vielleicht wird es danach etwas seltsam, aber immerhin weißt du dann endlich, was Sache ist.“ Zu seiner Überraschung lächelte sie ihn an. „Du hast dich verändert, seit du in Gehenna angekommen bist. Du wirkst…erwachsener.“ Ein wenig überrumpelt von dem plötzlichen Einwurf, errötete er und wich ihrem Blick aus. „D-Danke…Aber es geht jetzt um dich! Das ist vielleicht deine letzte Gelegenheit, also komm!“ Da sie erneut zögerte, griff er zu härteren Methoden. „Hey Egyn, komm bitte mal her!“, rief er dem Dämonenkönig zu und ließ Agares erbleichen. „Bist du wahnsinnig?“, zischte sie, aber Egyn war bereits auf dem Weg zu ihnen. Die Wasserdämonin warf dem Nephilim einen mörderischen Blick zu, zwang sich jedoch zu einem Lächeln, als Egyn bei ihnen ankam. „Ja, worum geht es?“, fragte er und sah abwechselnd Agares und Rin an. Dieser konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Agares möchte dir was sagen.“ War das etwas gemein von ihm? Ja, so ziemlich, doch er wollte ihr wirklich nur helfen. Schlussendlich konnte sie jederzeit still bleiben und sich so aus der Affäre ziehen. Natürlich war sie errötet und wich dem Blick des älteren Dämonen aus. „K-Könnten wir irgendwo hin gehen, wo wir allein sind?“, stotterte sie hervor. Egyn schien ein wenig überrascht, nickte allerdings. „Klar, kein Problem.“ Die Wasserdämonin sah aus, als würde sie gleich umkippen, aber setzte sich glücklicherweise in Bewegung, jedoch nicht ohne dem Nephilim einen letzten verzweifelten Blick zuzuwerfen. Dieser grinste sie aufmunternd an und gab ihr einen Daumen nach oben. Irgendwie würde sie es schon schaffen, er hatte vollstes Vertrauen in sie.     …………………………………………………………………………………     Agares fragte sich unterdessen was sie dabei geritten hatte, sich von Rin dazu breit schlagen lassen, Egyn ihre Gefühle zu gestehen. Ihr Herz klopfte wie wild und ihre Hände zitterten, mal ganz abgesehen von der plötzlichen Übelkeit. Wieso nur musste sie direkt so nervös sein? Er würde ihr kaum den Kopf abreißen, sie kannten sich schon seit Jahren! Selbst wenn er sie zurückwies, er würde sie nicht anders behandeln und weiterhin als eine Freundin sehen. Dieses Mal würde sie nicht den Schwanz einziehen, sie war lange genug davon gerannt! ‚Ok, du schaffst das.‘, versuchte sie sich anzufeuern. ‚Hol tief Luft und entspanne dich, es wird alles gut werden. Es ist nur Egyn, er wird dich nicht fressen. Behalt nur dein Essen unten und du hast das größte geschafft.‘    „Also, worüber möchtest du mit mir reden?“, riss der Dämon sie aus ihren Gedanken und lächelte sie freundlich an. Großartig, jetzt bekam sie auch noch weiche Knie. War ihm überhaupt klar, was er damit tat?! ‚Reiß dich zusammen! Er würde dich niemals auslachen oder verspotten!‘   „Ja…“, begann sie langsam, während sie Egyn direkt in die Augen sah. Es gab kein Zurück mehr, jetzt oder nie. „Ich will dir das schon seit einer Weile sagen, aber habe mich bisher nicht getraut. Ich wollte nicht unsere Freundschaft riskieren oder dich in Verlegenheit bringen.“   „Du kannst mir alles sagen.“, versicherte der Wasserdämon schnell. „Du kannst mir vertrauen, ok?“ Die Weißhaarige schluckte. Irgendwie machte es das ganze nur schwerer. „Nun ja…wir kennen uns jetzt schon sehr lange und ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir diese Position gegeben hast und mir so sehr vertraust.“   „Du hast mir das Leben gerettet, das war ja wohl das mindeste.“, warf Egyn ein. „Und du hast immer wieder gezeigt, dass du ideal für den Job bist.“ Agares war sehr stolz auf sich, dass sie nicht sofort rot wurde, stattdessen sprach sie weiter, als wäre nichts gewesen. „Ich wollte erst nichts sagen, weil ich dachte, dass das alles ruinieren würde.“, fuhr sie fort. „Aber jetzt habe ich kaum etwas zu verlieren. Die anderen drängen mich ohnehin schon seit Jahren, es zu sagen.“ Und jetzt brabbelte sie. ‚Idiot, jetzt komm zum Punkt!‘   „Was ich sagen will…ich mag dich. Sehr sogar. Mehr als einen Freund…ich liebe dich. Und das schon sehr lange. Eigentlich schon seit dem Tag, an dem ich dich gerettet habe. Damals war es nur eine Schwärmerei, doch inzwischen muss ich ständig an dich denken!“, verkündete sie, während ihr nun doch die Röte ins Gesicht stieg.  Jetzt da sie einmal in Fahrt war, konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen und alles sprudelte aus ihr heraus. „Ich mag wie positiv und unterstützend du bist, du siehst immer das gute in allem und jedem und tust, was du kannst, um zu helfen, ohne irgendetwas im Gegenzug zu erwarten. Als Dämonenkönig hast du so viel zu tun, aber hast dennoch immer ein offenes Ohr, egal ob für deine Familie, Freunde oder Untertanen. Man kann sich immer auf dich verlassen und…ich könnte jetzt ewig weiter machen, aber du verstehst schon.“ Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen. „W-Wenn du das nicht erwiderst, dann ist das in Ordnung. Ich verstehe, dass ich nicht sehr ansprechend bin. Ich bin nur eine Nephilim aus einem unbedeutendem Dorf, aber ich wollte es dir endlich sagen.“ Damit beendete sie ihren Redeschwall und wartete gespannt auf die Antwort des noch immer überrumpelten Dämonenkönigs. Mit großen Augen sah er sie an, offenbar war er noch dabei ihre Worte zu verarbeiten. Mehrere Sekunden verstrichen, bis sie plötzlich von Rins Stimme unterbrochen wurde. „Um Gottes oder wessen auch immer Willen, sie steht auf dich und will deine Freundin sein, aber du merkst es nie! Jetzt gib ihr endlich eine Antwort!“ Wo kam das denn jetzt her?! Sie spürte wie sie rot wurde und auch Egyn erging es so. Unwillkürlich musste sie an Ankous Worte denken: Küss ihn einfach, das versteht sogar er.   Die Versuchung war groß, das musste sie zugeben, aber schlussendlich ließ sie es bleiben. Sie wollte nicht zu aufdringlich sein oder die Situation noch seltsamer machen. „Du…magst mich? So lange schon?“, fragte Egyn endlich. „Ja, wie gesagt, eigentlich schon seit unserer ersten Begegnung.“, gestand die Dämonin. „Aber du warst da gerade aus der Beziehung mit Kyrene raus und später war dann das mit Asmo und die ganzen Streitereien mit deinem Vater. Ich dachte, du hättest genug um die Ohren und danach habe ich mich einfach nicht getraut. Zumal deine späteren Partnerschaften ja eher…kurz und…chaotisch waren.“    „Oh…“, machte Egyn, nun noch röter. „Also…warum sagst du es dann jetzt? Das ist…eine echt schwierige Zeit.“   „Ich weiß, aber ganz ehrlich? Vielleicht leben wir bald nicht mehr, also wollte ich endlich Gewissheit haben!“, antwortete sie sofort. Es gab keinen Grund um den heißen Brei zu reden, sie würde direkt und ehrlich sein. „Ich weiß nicht mal, ob es erlaubt sind, dass ein Baal und Stellvertreter zusammen sind. Ich meine, das macht vielleicht nicht gerade den besten Eindruck und ich verstehe auch, wenn du nicht willst oder wenn doch, dass es dann vielleicht nicht klappt!“, brabbelte die Dämonin weiter. „Wahrscheinlich bist du viel zu gut für mich, aber ich -“   „Agares, jetzt warte mal!“, unterbrach Egyn sie und griff nach ihrer Hand. Ihr Herz setzte für eine Sekunde aus, doch der Baal lächelte ihr aufmunternd zu. „Tut mir leid, dass ich es nicht eher gemerkt habe. Wahrscheinlich war es mega offensichtlich, oder?“   „Ja, etwas.“, rutschte es ihr heraus. Hoppla, das sollte eigentlich nicht passieren. Sie grinste verlegen, doch glücklicherweise schien es Egy nicht zu stören. Zwar wurde er noch röter, aber er ließ ihre Hand nicht los. „Wie auch immer, es mir egal, dass du eine Nephilim bist und nicht aus einem Adelshaus kommst. Wenn interessiert das überhaupt noch? Ich liebe nicht jemanden wegen des Status oder der Blutlinie. Du bist super wie du bist also sage nicht, dass du nicht gut genug bist, ok?“ Er zögerte kurz, bevor er weiter sprach. „Wie gesagt, momentan ist nicht der beste Zeitpunkt, aber ich…mag dich auch. Ich weiß nicht, ob es wirklich Liebe ist, aber wenn das hier alles vorbei ist, würde ich es gerne probieren.“ Agares brauchte einige Sekunden, bis seine Worte richtig ankamen. „D-Du meinst das ernst?!“ Kaum nickte Egyn, fiel sie ihm sofort um den Hals. Bevor sie nochmal nachdenken konnte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange, dann ließ sie von ihm ab. Beide waren rot und genossen den Moment bis-   „FUCKING FINALLY!“, hörten sie Iblis rufen. „Iblis, jetzt hast du den Moment ruiniert!“, wurde er von Lucifer gerügt, doch das war dem jüngeren herzlich egal. „NA UND?! DAS WURDE VERDAMMT NOCHMAL ZEIT!“ Agares hätte wohl damit rechnen sollen, dass sie sie belauschen konnte, doch momentan konnte sie nicht dazu bringen, sich darüber zu ärgern. Sie hatte endlich ihre Gefühle gestanden und wenn sie den Krieg überstehen sollten, würde sicherlich eine schöne Zukunft auf sie warten.     ……………………………………………………………………………….     Satan wusste schon beim Aufwachen, dass dieser Tag nicht gut werden würde. Zwei Tage waren seit der Feier vergangen und er hatte so gut wie lange nicht geschlafen, sogar länger als seine Söhne, was seit Jahren nicht geschehen war, doch kaum hatte er sich fertig gemacht, kam Shax in den Raum. Sein Blick ließ nur wenig Gutes erahnen. „Shax, ich hatte noch nicht mal Kaffee. Sag mir nicht, dass es jetzt schon Ärger gibt.“, sagte er beinahe flehend, doch natürlich verzog der Silberhaarige entschuldigend das Gesicht. „Leider doch. Unsere Befürchtung hat sich bestätigt. Lilith hat uns einige Abschiedsgeschenke da gelassen. Einmal ihre Experimente und die Samen des Chaos.“ Ja, dieser Tag würde richtig mies werden, dabei waren die letzten so entspannt gewesen. Zumindest mehr oder weniger. Es hatte keine neuen Katastrophen gegeben, Egyn hatte endlich kapiert, dass Agares ihn mochte, es gab keine Streitereien…Vielleicht sollte er sich einfach wieder hinlegen. „Sie hat die Samen verwendet? Scheint als wäre sie verzweifelter als gedacht.“, stellte der Dämonenherrscher grimmig fest. „Sogar sie sollte wissen, wie riskant das ist.“ Ursprünglich entstanden die Samen zur Zeit ihrer ersten Rebellion und wurden in ihrem Auftrag von Uphir hergestellt, jedoch stellte sich sehr schnell als zu unberechenbar heraus, weswegen sie schlussendlich den Einsatz abgebrochen hatte. Immerhin brachte der Sieg einem nicht viel, wenn ganz Gehenna in Schutt und Asche lag. Zwar konnten sie die Samen später bergen, doch leider war es nicht möglich, sie ohne weiteres zu zerstören, weswegen Satan sie in seinem Privatarchiv untergebracht hatte, in dem bereits allerhand Artefakte und Gegenstände lagerten. Hoffentlich hatte sie sich nicht noch mehr daraus genommen, aber in diesem Fall wäre dies wohl längst zum Einsatz gekommen. Hoffentlich. „Und ihre Experimente?“, hakte er nach.  „Diese Alukah Sirenen Hybride und mehrere der Parasiten mit denen sich der Hexenzirkel auseinandersetzen musste.“, berichtete Shax. „Bisher sind 5 Großstädte betroffen, aber es wird sich schnell verbreiten, wenn wir nicht handeln. Es wurde bereits ein Treffen einberufen.“   „Wunderbar, noch ein Treffen…ich komme in einer Minute.“   „Alles klar. Ich habe dir übrigens Kaffee mitgebracht.“, fuhr der jüngere Dämon fort und gab ihm die Thermoskanne. Sofort besserte sich seine Laune ein wenig. „Danke, du bist ein Lebensretter…“, seufzte der Dämonenherrscher. An Tagen wie diesen wurde ihm immer wieder bewusst, dass er ohne Shax des Öfteren ziemlich blöd da stehen würde. Nicht zuletzt da er ihn immer an seine Hochzeitstage erinnert hatte. „Wissen meine Söhne schon Bescheid?“   „Ja, Alastor ist gerade bei ihnen. Jetzt aber los, je eher wir uns darum kümmern, umso besser!“ Satan nickte mussmutig und setzte sich in Bewegung, wobei er schnell den ersten Schluck Kaffee nahm. Gedanklich ging er bereits alle Möglichkeiten und Truppenkapazitäten durch. Insgesamt gab es 26 Samen, bisher hörte man nur etwas aus 5 Städten, also würde der Rest sehr bald folgen. Dies würde allerdings auch bedeuten, dass sie erst vor kurzem aufgegangen waren und der Schaden somit noch überschaubar war. Mit etwas Glück konnten sie den Rest aufspüren, bevor sie richtig Wurzeln schlugen. Allerdings hatten sie bisher nur die Auswirkungen auf Dämonen gesehen, niemand konnte sagen wie die Menschen oder Assiahs Ökosystem darauf reagieren würden und ob das Problem wirklich mit den Samen verschwand. Möglicherweise würde es Jahre dauern, bis sich die Umgebung davon erholte, von den betroffenen Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier, ganz zu schweigen. Richtig übel würde es werden, falls es ins Grundwasser gelang. Wenn der Krieg vorbei war, sollte er sich wirklich noch einmal mit den Samen beschäftigen und nach einer Möglichkeit suchen, sie zu zerstören.   In der Aula herrschte bereits geschäftiges Treiben, alle redeten aufgeregt durcheinander und schenkten ihnen kaum Beachtung. ‚Das fängt ja schon gut an.‘, dachte Satan grimmig und sah sich suchend um. Bisher entdeckte er keinen seiner Söhne, genauso wenig wie den Paladin. Es würde wohl einige Minuten dauern, bis es los ging. Immerhin entdeckte er kurz darauf Alastor in dem Getümmel, welcher sofort zu ihnen hinüber kam. „Die drehen hier alle komplett durch.“, berichtete er sofort. „Was haben die denn erwartet? Dass Lilith einfach beleidigt abzieht und das war’s?“ Satan ignorierte sein Gegrummel und kam direkt zur Sache. „Gibt es Neuigkeiten? Shax hat erzählt, dass bisher nur fünf Städte betroffen sind.“, fragte er, woraufhin der Vollstrecker grimmig den Kopf schüttelte. „Inzwischen sind’s sechs, wohl sogar in Japan. Kyoto hieß es glaube. Die Exorzisten haben dort irgendwo ein Auge des unreinen Königs versteckt.“, erklärte er, was beide Dämonen innerlich aufstöhnen ließ. Keiner wollte sich ausmalen, was die Samen da anstellen könnten. Einige Minuten später erschienen endlich seine Söhne, gefolgt vom Paladin und den Grigori. Satan machte sich gar nicht die Mühe, irgendetwas schön zu reden und erklärte direkt, was die Samen so gefährlich machte. Sie mochten relativ harmlos klingen (Natürlich musste Shura unbedingt kommentieren, dass der Name total einfallslos war), aber sie verfügten über ein gewaltiges Zerstörungspotenziell. Sie enthielten verbotene Alchemie, eine nicht zu unterschätzende Menge Chaos Energie und strahlten vor allem die reine Essenz Gehennas aus. In anderen Worten: Es war mehr oder weniger ein Batzen dämonischer Radioaktivität, so seltsam es klang. Sobald die Samen Wurzeln schlugen, wurde diese Energie freigesetzt und begann, Pflanzen und Lebewesen gleichermaßen mit dem Wesen Gehennas zu korrumpieren. Während sich die Pflanzen veränderten und schnell denen in Gehenna glichen, machte es Lebewesen wesentlich aggressiver bis es sie schließlich in den Wahnsinn trieb. Menschen würde es wahrscheinlich ähnlicher ergehen oder sie würden direkt sterben. Dummerweise blieb dieser Zustand nicht auf ein Gebiet beschränkt. Wie bei einer normalen Pflanze wuchsen die Wurzelns stetig und würden sich langsam verbreiten bis irgendwann ganz Assiah verseucht war. Dann würden die Samen zwar endlich keine Energie mehr haben, aber alle Menschen wären tot und Assiah selbst wäre sogar für Dämonen für die nächsten Jahrhunderte unbrauchbar. „Gut, wir haben also noch Zeit.“, mischte sich der Paladin ein. „Aber wie viel und wie werden wir sie los?“   „Wahrscheinlich ein paar Tage, es ist schwer zu sagen.“, antwortete Shax. „In Gehenna waren die Folgen schon verheerend, wir können also nicht vorhersagen, was passieren wird. Wir müssen sie finden und ausgraben, aber je näher man ihnen kommt, umso vehementer wird man angegriffen. Und man muss sich natürlich beeilen, weil man sonst selbst Opfer wird.“ „Und wie lange dauert das?“   „Wir haben doch grad gesagt, dass wir noch nicht gesehen haben, wie Menschen darauf reagieren. Wie sollen wir es da wissen?“, fragte Iblis augenrollend. „Kann 'ne Frage von Minuten oder auch Sekunden sein.“   „Kann man sich dagegen schützen? Oder Siegel verwenden, um es für eine Weile einzugrenzen?“, hakte Shura nach. „Ihr habt doch damals sowas bestimmt ausprobiert.“   „Wir können versuchen es einzugrenzen, ja, aber das dauert und die Zeit haben wir nicht. Vor allem nicht bei so vielen. Wir können höchstens versuchen, die Stellen Punkten für eine Weile einzudämmen.“   „Also müssen wir herausfinden, wo alle Samen sind, dort hin gehen, sie ausbuddeln, uns dabei nicht töten lassen und darauf achten, dass wir denen nicht zu lang ausgesetzt sind?“, fasste einer der Exorzisten zusammen und klang dabei mehr als müde. Man konnte ihm wohl nicht wirklich Vorwürfe machen, diese Dinger zu finden, würde äußerst anstrengend werden. Es war die allzu beliebte Nadel im Heuhafen, doch einen Lichtblick gab es. „Die Samen zu finden, wird vielleicht gar nicht so schwer werden. Die geben so viel dämonische Essenz ab, das dreht sogar uns den Magen um.“, gab Ankou zu bedenken. „Wir müssen uns nur entsprechend aufteilen und vor allem die Menschen aus dem Weg bekommen.“   „Nun gut…“, sagte Angel langsam. „Wo beginnen wir?“     …………………………………………………………………..     „Die Samen haben Wurzeln geschlagen und begonnen, die Städte der Menschen in Chaos zu stürzen. Satan und die Exorzisten haben allerdings bereits reagiert.“ Lilith nickte nur, ohne Berith anzusehen. „Das war abzusehen. Es spielt fürs erste keine Rolle. Satan hat uns geschwächt, das wichtigste ist jetzt sich neu zu formieren.“ Ihre Stimme erschien zwar ruhig, doch enthielt unterdrückte Wut. Sie wurde besiegt und hatte obendrein diese verdammten Exorzisten überschätzt beziehungsweise die Effizient ihrer eigenen Truppen überschätzt. „Du kannst gehen. Ich will nicht mehr gestört werden.“, entließ sie den Zeitdämon kurz angebunden. Zu Beriths Glück hinterfrage er es nicht, verbeugte sich kurz und ging. Lilith lehnte sich seufzend in ihrem Stuhl zurück und atmete kurz durch. Das lief nicht wie es sollte. Überhaupt nicht. Zwar hatte sie noch immer Gehenna unter ihrer Kontrolle, doch sie konnte sich nicht mehr darüber freuen. Stattdessen verspürte sie Verbitterung und Frustration. Als sie diesen Krieg vor so vielen Jahrtausenden begonnen hatte, war sie bestens vorbereitet gewesen. Ihre Anhänger waren zahlreich, sie wusste was sie wollte und sie konnte Satan so weit schwächen, dass er fast besiegt war, doch schlussendlich war sie die Besiegte gewesen. Alles war so gut gelaufen und dann hatte ein einziger Kampf alles ruiniert, was sie sich aufgebaut hatte. Nur weil all diese Idioten nicht verstanden, wie besser ihre Vision für die Zukunft war. Gehenna sollte seinen alten Ruhm wiedererlangen und die Menschen in die Knie zwingen, anstatt vor ihnen im Dreck zu kriechen. Das Leben könnte überall so viel besser sein. Was bot Satan, was sie nicht bieten oder sogar überbieten konnte? Es gab Armut und Korruption, der Rat war nichts weiter als ein Ränkespiel. Es wäre so viel besser, wenn eine Person an der Spitze wäre und wichtige Aufgaben Vertrauen überließ. Eine Wehrpflicht würde ihre Reihen stärken und endlich die unteren Schichten der Gesellschaft wachrütteln. Sie waren alle Dämonen, warum sollten sie sich bekämpfen, wenn sie stattdessen gemeinsam so viel mehr erreichen konnten. Warum konnten sie das nicht sehen? Wie konnte Satan das nicht sehen?! „Der alte Satan hätte mich verstanden…und mir zugestimmt.“, murmelte sie vor sich hin. Damals war ihr beider Leben so viel besser, keiner hat sich getraut aufzumucken und sie hatten den Spaß ihres Lebens. Alles war perfekt gewesen. Sie wünschte sich so sehr die alten Zeiten zurück, doch dafür musste sie zuerst ihre Feinde besiegen. Momentan konnte sie sich nicht erlauben, sich in Tagträumen zu verlieren. Erneut atmete sie tief durch und konzentrierte sich, doch wie schon so viele aber zuvor gelang es ihr nicht, eine Verbindung zu Azazel aufzubauen. Es war zu erwarten, doch gleichzeitig war es ärgerlich, dass ihre stärkste Marionette nicht länger verfügbar war. Gut, einen Versuch war es wert gewesen. Seufzend stand sie auf, zog ein Buch dem Regal und begann darin zu blättern, bis sie die gewünschte Seite vor sich hatte. Konzentriert las sie sich den Text durch und notierte sich nebenbei einiges auf einem Blatt Papier, welches sie sich im Anschluss ebenfalls durchlas. Endlich zufrieden, nickte sie und verließ das Zimmer. Es war an der Zeit, sich für den Fall der Fälle vorzubereiten.     …………………………………………………………………………     Die ersten Samen zu finden, war einfacher als alle erwartet hatten. Das waren die guten Nachrichten. Die schlechten: Wie befürchtet verbreitete sich die dämonische Energie schnell und richtete ziemlichen Schaden an. Ein Teil der Stadt war bereits evakuiert, der Rest befand sich nach wie vor in heller Aufregung und machte es sehr schwer, voranzukommen. Der Plan war, dass sich die Exorzisten um die Menschen kümmern und alle Gefahren von ihnen fernhielten, während sich die Dämonen um die Samen und das Versiegeln kümmerten. Da sie nur kleine Gruppen waren und sich schnell frei bewegen mussten, waren sie zudem in ihre Dämonenform gewechselt. Zwar widerstrebte es ihnen gewaltig, den Exorzisten ihre wahre Form zu zeigen, doch dieses Mal ging es nicht anders. Sie brauchten den Kraftschub und ihre Flügel, egal wie die Menschen darauf reagierten und wie ungehörig es war. Hoffentlich würde niemand anfangen, auf sie zu schießen. Zwar würde sie das kaum stören, doch es raubte kostbare Zeit. Samael verfluchte sich derweil bereits nach wenigen Minuten, nicht öfter in seiner Dämonenform zu trainieren. So ungern er es zugab, seine Flugkünste waren ziemlich einrostet und einige Male wäre er beinahe mit einer Ampel oder einem Schild kollidiert. Was für ein Glück, dass das niemand gesehen hatte. Zu seiner Verteidigung: Er hatte die letzten Jahre vorwiegend in Assiah verbracht, wo er es nicht riskieren konnte, seine Dämonenform anzunehmen und in Gehenna war er meist mit anderen Dingen beschäftigt. Zudem musste eine Schule leiten, die Exorzisten ausspionieren, Wetten abschließen, Menschen nerven…er hatte seine Prioritäten! Sobald sie wieder Zuhause waren, hatte er wirklich Nachholbedarf. Zwar hatte er in den letzten Tagen einige Male trainiert, doch die unterirdischen Trainingshallen der Exorzisten eigneten sich logischerweise nicht wirklich für Dämonen. Hoffentlich würde er keine Krämpfe oder gar Muskelkater bekommen. Das wäre nun wirklich mehr als peinlich. Immerhin war er endlich mit dem Siegel fertig und hatte dadurch etwas mehr Zeit erkauft. Jetzt mussten sie nur noch alle von den Samen betroffenen Wesen erledigen, damit sie ihn ungestört erreichen konnten. Damit begann der interessante Teil, denn die Menschen liefen noch immer herum wie aufgescheuchter Hühnerstall. „Hier bist du Samael!“, hörte er plötzlich Mammons Stimme. Sekunden später landete der Zeitdämon neben ihm auf dem Dach. „Wir haben die Viecher mehr oder weniger zurück gedrängt, aber einige sind uns durch die Lappen gegangen.“, berichtete er. „Dummerweise scheinen die Menschen ziemliche Angst vor uns zu haben, wir müssen uns da also auf die Exorzisten verlassen.“ Das war leider zu erwarten. Alles andere als willkommen, aber sie konnten es nicht ändern. „Verstehe. Sonst noch etwas, dass ich wissen wollte?“, hakte der Zeitkönig nach, woraufhin Mammon nur mit den Schultern zuckte. „Sind dir schon diese komischen Ranken da drüben aufgefallen? Die hängen hier überall. Halt dich ja fern von denen, vorhin haben die nach mir gegriffen und ich schwöre, das hatte ein Maul. Dank diesen Samen spielt hier alles verrückt-“ Ein Schrei unterbrach ihn, der sie Blicke wechseln ließ, dann traten sie näher an den Rand des Daches und schauten nach unten. Die Ursache war schnell gefunden und beide rümpften die Nase. „Spinnen…“, murmelte Mammon abfällig. „Ich hasse Spinnen…und jetzt gibt’s die auch noch in groß?!“, beschwerte er sich, woraufhin Samael nur seufzen konnte. „Beelzebub züchtet die sogar…aber sei’s drum, wir sollten uns besser darum kümmern.“   „Er tut was?!“ Der Zeitkönig ignorierte ihn und machte sich auf den Weg nach unten, der andere Zeitdämon folgte nur widerwillig. „Da seid ihr also! Wir dachten schon, ihr wollt den Spaß verpassen!“, wurden sie von einer weiteren Zeitdämonin namens Decima begrüßt. Samael antwortete nicht und verschaffte sich einen schnellen Überblick. Alles war voller Spinnennetze, teilweise waren Menschen darin gefangen, weswegen sie sie nicht einfach verbrennen konnten, doch die Spinnen kamen schnell näher. Der Baal fasste innerhalb von Sekunden einen Entschluss und erteilte sofort Befehle. „Ich sperre sie in ein Zeitfeld, ihr greift sie mit allem an, was ihr habt, aber passt auf die Menschen auf. Mammon, Decima, ihr versucht bei einen von ihnen die Zeit zurück zu drehen, falls sie wieder normal werden, können wir das für weitere Kämpfe nutzen.“ Alle nickten und der Zeitkönig fing sofort an. „3…2…1…Zeitstopp!“ Die Spinnen erstarrten, doch er spürte im selben Moment ein seltsames Ziehen, das ihn inne halten ließ. Sicher, Lilith hatte das Gleichgewicht ins Wanken gebracht, aber bisher hatte sich das kaum auf seine Kräfte ausgewirkt. Sie mussten sich wirklich beeilen! „Na dann, wird schon schief gehen…“, murmelte Mammon und konzentrierte sich zusammen mit Decima auf eine Spinne. Für einen Moment schien es zu klappen und die Spinne schrumpfte wieder, doch dann wurde es zu anstrengend für sie und sie mussten abbrechen. Sofort war sie wieder bei ihren alten Größe, was die Zeitdämonen verdatterte Blicke wechseln ließ. Das war mehr als ungewöhnlich, war die Zeit einmal zurückgedreht, sprang sie nicht einfach von allein nach vorn. ‚Sie kann schon so sehr die Realität verzerren?! Das wird ja besser und besser…‘, stellte der Baal düster fest, bevor er den anderen zunickte. „Los, schaut nicht einfach zu, erledigt sie!“, befahl er, womit er den Rest endlich aus der Schockstarre riss. Dummerweise hatten sie ein ähnliches Problem wie damals im Wald, zum Teil wollten diese Viecher nicht sterben und gewisse Angriffe prallten einfach ab. Zumindest waren sie nicht ganz so zäh wie die gehennischen Spinnen, sodass sie das Problem nach anfänglichen Schwierigkeiten beseitigen konnten. Nur leider hatten sie dadurch erheblich an Zeit verloren, sie mussten sich sputen. „Befreit die Menschen bis die Exorzisten eintreffen, ich geh schon weiter.“, wies der Baal an und wandte sich an einige Dämonen zu seiner Rechten. „Ihr kommt mit mir. Vertrödeln wir keine Zeit und haltet die Augen offen.“ Unterwegs trafen sie eine weitere Gruppe, welche endgültig bestätigte, dass sich der gesuchte Samen höchstwahrscheinlich im Stadtpark befand. Samaels Meinung nach ein nicht gerade günstiger Ort, da jeder dort zuerst nachsehen würde, andererseits waren dort wohl die meisten Pflanzen und Lebewesen, was sie wesentlich effektiver machte. Zumindest wären sie dann relativ schnell fertig, nur musste er zuerst die genaue Position finden. „Ich kümmere mich um die Samen, ihr gebt mir Deckung.“ Jetzt könnte er wirklich Amaimon gebrauchen, er war beim suchen viel genauer als gewöhnliche Erddämonen. So musste er das wohl oder übel auf die altmodische Art regeln. Kaum waren er und seine Gruppe gelandet, ging es direkt mit Angriffen los. Sie wurden von allen Seiten von korrumpierten Tieren und den Alukah Kreuzungen angegriffen und als würde das nicht reichen, begannen sogar die Pflanzen nach ihnen zu greifen. Mammon hatte recht gehabt, diese Biester versuchten wirklich sie zu fressen. Das würde interessant werden. „Na, etwas Hilfe gefällig?“, fragte plötzlich Iblis Stimme. Sekunden darauf landeten er und Halphas auch schon neben ihm, beide standen in Flammen und begannen, die ersten Pflanzenmonster zu verbrennen. „Was tust du hier? Du warst einer anderen Stadt zugeteilt!“, hinterfragte Samael ein wenig irritiert. Konnte sein Bruder neuerdings keine Karten mehr lesen?! Er brachte die ganze Planung durcheinander! „Wir sind schneller fertig geworden, also dachten wir uns, wir greifen dir mal etwas unter die Arme.~“, erklärte der jüngere Baal im Plauderton, während er munter damit fortfuhr, mehrere Hybride einzuäschern. „Und leg dabei besser 'nen Zacken zu. Wir hatten vorhin schon das Vergnügen mit diesen Pflanzenmonstern und das wird noch schlimmer werden.“, warf Halphas ein, während er eine weitere Spinne angriff. Das ließen sich die Baal nicht zwei Mal sagen und begannen sofort mit ihrer Arbeit. Die beiden Feuerdämonen verbrannten die Wurzeln und Ranken, die den Boden überwucherten und hielt weitere Angreifer in Schach, während sich Samael darauf konzentrierte, die Samen zu finden. Die sich ständig verändernde Aura machte es schwierig, eine genauere Stelle zu ermitteln, daher mussten sie sich langsam voran arbeiten. Inzwischen waren weitere Dämonen zur Unterstützung gekommen, doch auch die Angriffe nahmen zu. Wie erwartet wurden sie von den Samen wie Motten zum Licht angezogen. Eines musste man Uphir lassen, der Mann hatte sein Handwerk verstanden, so grausam es gewesen war. Nach einer gefühlten Ewigkeit war es endlich so weit und der Zeitdämon konnte die Position bestimmen. Sofort verwies er Iblis auf die entsprechende Stelle. „Ich hab ihn! Kreise die Stelle ein!“ Protestlos kam der jüngere Baal der Aufforderung nach und bildete aus seinem Feuer einen Ring. Manche der Tiere zischten gefährlich, doch keines von ihnen wagte sich allzu nah an die Flammen, welche schnell an Hitze zunahmen. Beide Baal und einige Erddämonen landeten, letztere öffnete schnell den Boden, um den Samen frei zu legen. Dieser war faustgroß, dunkelrot und pulsierte leicht, einem Herz nicht unähnlich. Beinahe sofort stieg ein Schwall Miasma auf, was sie zwang, einige Schritte zurückzutreten. ‚Und ich dachte immer, der unreine König wäre eine Miasma Schleuder…‘ Samael holte kurz Luft, bevor er sich in Position „Bleibt zurück, Iblis und ich versuchen ihn einzudämmen.“ Wie zur Antwort setzte der Samen noch mehr Miasma frei, doch dank Iblis erreichte es den älteren Baal nicht, sodass sich dieser vollkommen auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Quälend langsam isolierte er ihn von der laufenden Zeit, bis das Zeitfeld endlich vollständig. Kaum hatte er es geschafft, wankte er leicht, blieb jedoch auf den Beinen. Dennoch war er ziemlich außer Atem. Gut, dass sie ihn rechtzeitig gefunden hatten. Etwas länger und er hätte eventuell Probleme bekommen. Dennoch grinste er siegessicher. „Seht ihr? So einfach ist das.~“, verkündete er und schickte den Samen mit einem Fingerschnipsen zum Sammelplatz. „Gut, dann müssen wir jetzt nur noch warten, bis die Exorzisten kommen, um ihre Reinigung durchzuführen.“, murmelte Iblis. „Hoffentlich beeilen die sich. Ich habe keine Lust auf noch mehr Überraschungen.“     …………………………………………………………..     „Hab ich dich…“, murmelte Lucifer und betrachtete den nun unschädlich gemachten Samen genau. Er war in einer der Städte gelandet, wo die Korruption am schlimmsten war und nun mehr als erleichtert, dass sie der Herausforderung dennoch gewachsen waren. Ein Glück war Satan mitgekommen, andernfalls würde es zu lange dauern, sie einzeln einzusammeln. Er hatte bereits zwei Samen in anderen Städten ausgeschaltet, sie kamen also langsam voran. „Wohin als nächstes?“, fragte er den Dämonenherrscher, nachdem sie auch diesen Orten von der Liste strichen. „Jetzt warten wir, was die Exorzisten sagen.“, erwiderte der Dämonenherrscher. „Dem letzten Stand nach, haben wir bereits sechs Samen.“, fuhr er fort. „Wir-“   „Inzwischen sind es neun.“, mischte sich Egyn ein und landete neben ihnen. „Samael lässt ausrichten, dass er seinen Samen hat, genau wie Astaroth und Amaimon. Einige unserer Späher haben außerdem eine weitere Stadt gefunden, Iblis und Samael sind am nächsten dran.“ Er redete eine Weile weiter, Lucifer hörte dabei so konzentriert zu, dass er nicht bemerkte wie sich ihr Vater plötzlich an den Kopf fasste und langsam blasser wurde. Dafür fiel es Egyn sofort auf und stockte. „Vater, ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Satan antwortete zunächst nicht, sondern schüttelte nur den Kopf und sog gleichzeitig scharf die Luft ein. „Etwas stimmt nicht…“, murmelte er unerwartet leise. „Ich fühle mich...“ Ohne Vorwarnung brach er plötzlich zusammen, nur mit knapper Not gelang es den beiden geschockten Dämonenkönigen ihn aufzufangen. Lucifer war mehr als überfordert und versuchte erfolglos eine Antwort von dem Dämonenherrscher zu erhalten, während Egyn panisch nach Shax rief. „SHAX, KOMM SOFORT HER! SHAX! IRGENDETWAS STIMMT MIT VATER NICHT!“ Der Geisterdämon stand innerhalb von Sekunden neben ihnen, kreidebleich und sichtlich erschüttert, aber noch immer ruhiger als sie. „Was ist passiert?“, fragte er sofort. „Wissen wir nicht, er ist einfach zusammengebrochen!“, antwortete Lucifer ungewöhnlich panisch und half Egyn dabei, den älteren Dämonen vorsichtig abzulegen. „Wurde er von etwas gebissen oder gestochen? Wie viel Miasma hat er eigeatmet?“, bohrte Shax weiter nach, während er sich über den Dämonengott beugte, um ihn näher zu untersuchen. „Nein, nichts davon! Er hat genauso viel Miasma wie wir abbekommen und uns geht es gut!“, berichtete Egyn, welcher der Tränen nah schien. Lucifer legte tröstend einen Arm um ihn und versuchte halbherzig, ihn zu beruhigen. „Das wird schon, keine Sorge.“ Seine Worte klangen selbst für ihn hohl, doch konnte man ihm Vorwürfe machen? Ihr Vater war noch nie umgekippt, jedenfalls nicht unter solchen Umständen. Wie konnte er es da nicht mit der Angst zu tun bekommen?! Sein schlechtes Gefühl verstärkte sich nur weiter, als er Shax' ratlosen und besorgten Gesichtsausdruck bemerkte. Schließlich schüttelte der ältere Dämon den Kopf und stand auf. „Ich kann auf dem ersten Blick nichts ungewöhnliches erkennen. Wir bringen ihn zurück zum Exorzistenhauptquartier. Sofort.“     ……………………………………………………………………..     Rin trainierte gerade mit Alastor und ließ sich von ihm einige Feuertechniken zeigen, als Shax zu ihnen kam. Sofort war klar, dass etwas passiert sein musste. So blass und beunruhigt hatte er ihn zum letzten Mal in der Nacht von Liliths Ausbruch gesehen und auch Alastor wirkte überrascht von dem Auftreten des anderen Dämonen. Rin erwartete schlechte Nachrichten, doch dass ausgerechnet sein Vater zusammengebrochen war, hatte er definitiv nicht kommen sehen. Sofort verließ er die Halle und stürmte zu dem Zimmer, in der Dämonenherrscher lag, Shax und Alastor waren ihm dicht auf den Fersen. Seine Geschwister waren ebenfalls da, alle mit besorgten Gesichtsausdrücken, doch. zu seiner großen Erleichterung war Satan bereits wach, saß aufrecht im Bett und war damit beschäftigt, die Heiler zu verscheuchen. ‚Ein Glück…‘   „Jetzt lasst mich endlich in Ruhe, es geht mir gut!“, beschwerte sich Satan unwirsch bei den Heilern. „Ich muss-“   „Bei allem Respekt Eure Majestät, aber momentan Ihr müsst gar nichts.“, unterbrach einer der Dämonen ihn, den Rin sofort erkannte. Er hatte sich nach Gulas Angriff um ihn gekümmert, nur leider hatte er seinen Namen vergessen. Satan schien zum Protest anzusetzen, nur um von einer weiteren Dämonin unterbrochen zu werden. „Keine Widerrede! Wir wissen noch nicht, weswegen Ihr zusammengebrochen seid.“, sagte sie mit einer Strenge, die man wohl normalerweise nicht gegenüber dem Herrscher aller Dämonen erwarten würde. „Es wäre unverantwortlich, Euch aufstehen zu lassen. Ihr müsst Euch weiter ausruhen, bis dahin geben wir unser Bestes, um herauszufinden, was passiert ist.“ Satan schnaubte nur abfällig und versuchte erneut aufzustehen, wurde jedoch von Lucifer und Samael zurückgehalten. „Ausruhen kann ich mich, wenn der Krieg vorbei ist! Jetzt geht, es gibt sicher genug Verletzte, die eure Hilfe brauchen!“   „Würdest du dich nicht so stur stellen, wären sie längst fertig.“, warf Shax ein, woraufhin der Dämonenherrscher die Augen verdrehte. „Haben sich jetzt alle verschworen?! Ich sage doch, es geht mir gut! Mir ist kurz schwindlig geworden und fertig. Wahrscheinlich war es nur Stress oder das Wetter oder was weiß ich denn!“   „Oh? Habt ihr denn eine Heilerausbildung absolviert und kennt Euch mit Verletzungen aus?“, fragte dieselbe Dämonen ein wenig angriffslustig. „Habt ihr Arbeiten dazu geschrieben? An Krankheiten geforscht? Gegenmittel und Gegengifte entdeckt?“ Satans Stille nahm sie wohl als Kapitulation auf. „Das dachte ich mir. Es ist zu Euren eigenen Besten, also bliebt bitte sitzen und lasst uns unsere Arbeit machen!“ Rin ignorierte ihre hitzige Debatte und lief sofort an seine Seite. „Was ist passiert? Shax meinte, du bist zusammengebrochen! Geht es dir gut?!  Bist du verletzt?!“, fragte er aufgebracht und betrachtete den älteren Dämon besorgt, aber dieser winkte ab. „Mir geht es wunderbar, sie übertreiben nur.“   „Nein, tun sie nicht!“, protestierte Lucifer sofort. „Niemand kippt einfach um, da stimmt etwas nicht!“   „Er hat recht!“, sprang Egyn ein, dessen Augen auffällig gerötet waren. „Du solltest das wirklich ernster nehmen! Was wenn das nochmal passiert?! Also sei nicht so stur und ruhe dich gefälligst aus!“ „Oder wir gehen und holen Ruha. Dann kannst du gern mit ihr darüber reden.“, schlug Alastor vor und erhielt dafür einen so bösen Blick, dass Rin befürchtete, Satan könnte ihn anzünden. Allerdings konnte er ihnen nur zustimmen. Von Medizin hatte er zwar keine Ahnung, doch jeder verstand, dass was auch immer mit seinem Vater passierte, nicht normal war. Dieser sah noch immer sehr blass aus und obwohl er das Gegenteil behauptete, war sich Rin sicher, dass ihm nicht allzu gut geht. „Wir müssen uns immer noch die Samen suchen.“, protestierte sein Vater, klang aber langsam müde. „Wenn-“   „Kein wenn und aber!“, fuhr Shax streng dazwischen. „Die Samen können wir ohne dich holen, bisher läuft es gut. Akzeptiere es oder ich schwöre, ich fessle dich an das Bett. platziere einen Bannkreis drum herum und hole wirklich Ruha und Sequana!“ Letzteres fügte er hinzu, da Satan erneut den Mund öffnete, um zu widersprechen. „Und wenn du es schon nicht deinetwegen tust, dann tu es wenigstens für deine Söhne.“ Das war etwas unfair, aber in jedem Fall wirkungsvoll, denn obwohl Satan erneut schnaubte, lehnte er sich wieder zurück und ließ sich weiter von den Heilern untersuchen. Keiner sagte etwas und ließen sie ihn in Ruhe arbeiten, sodass sie in wenigen Minuten fertig waren.  „Ich hasse es, das zuzugeben, aber wir können nicht feststellen, wo das Problem liegt.“, berichtete ein Heiler düster. „Euer Blutdruck normalisiert sich wieder, es gibt keine Fremdkörper, keine Anzeichen von Vergiftungen, kein gar nichts…allerdings solltet Ihr mehr schlafen.“   „In anderen Worten: Ruht Euch weiter aus, wir untersuchen Euch dann heute Abend noch einmal. Bleibt so lange im Bett und falls ihr aufstehen müsst, holt Euch Hilfe.“, ergänzte ein weiterer. „Solltet ihr Euch zwischendurch schlechter fühlen, gebt bitte sofort jemanden Bescheid.“ Der weißhaarige nickte ungeduldig. „Gut, danke. Behaltet diese Sache jedoch vorerst für euch. Kein Dämon und kein Exorzist darf hiervon erfahren, verstanden? Das gilt auch für euch.“ Er sah seine Söhne streng an. „Und kein Wort zu Yukio und deinen Adeptenfreunden.“   „Aber sollten sie nicht wissen, was passiert ist?“, fragte Rin vorsichtig und erhielt dafür einen strengen Blick. „Auf keinen Fall. Sowas würde weitere Unruhen auslösen, vor allem wenn wir nicht wissen, weswegen es passiert ist. Wir warten fürs erste ab.“ Der Nephilim wollte protestieren, sah nach kurzem Überlegen allerdings ein, dass sein Vater nicht Unrecht hatte. Seit der Feier hatten die Spannungen zwar abgenommen, aber das bedeutete nicht, dass alles Friede Freude Eierkuchen war.  Manche würden sich auf diese Situation wie die Geier stürzen. „Sie werden Fragen stellen, wenn du nicht mehr auftauchst. Wir sollten uns eine Ausrede überlegen.“, kommentierte Lucifer und sah alle der Reihe nach an. „Wir könnten behaupten, dass er eine Möglichkeit sucht, die Samen zu zerstören.“, schlug Amaimon nach kurzer Stille vor. „Das ist nicht mal gelogen.“   „Gut, dann tut das.“, murmelte Satan, welcher ein wenig blasser als zuvor wirkte . Rin, welcher sich zwischenzeitlich auf den Bettrand gesetzt hatte, rückte unbewusst näher an ihn heran. Er hatte seinen Vater noch nie so verwundbar erlebt und um direkt zu sein, er hatte Angst. Vielleicht war es albern, doch nach Shiros Tod konnte er sich nicht vorstellen, noch jemanden zu verlieren, der ihm wichtig war, insbesondere eine Vaterfigur. Satan schien seinen Unmut zu fühlen, da er ihn etwas näher zu sich zog und umarmte. „Mach dir keine Gedanken, das wird wieder.“, beruhigte er ihn leise und der Nephilim spürte, wie sich der Schweif des Dämonenherrschers um ihn wickelte. Bevor jemand etwas sagen oder tun konnte, kehrten die Heiler zurück und scheuchten sie aus dem Zimmer, damit sich Satan ausruhen konnte. Offenbar schaute Rin noch immer unglücklich drein, denn er wurde direkt von Beelzebub umarmt. „Hey, es ist alles ok. Sie finden heraus, was passiert ist und dann werden sie ihm helfen. Vater ist zäh, also keine Sorge.“ Der Halbdämon versuchte, das Lächeln zu erwidern, doch das schlechte Gefühl blieb.     …………………………………………………….     Ihre Zuversicht hielt nicht lange an, niemand konnte erklären, weswegen der Dämonengott zusammengebrochen war. Zwar erholte er sich ziemlich schnell, doch die Unsicherheit blieb, immerhin konnte keiner sagen, ob es erneut passieren würde und er nächstes Mal wieder so schnell auf die Beine kam. Zumindest hatten sie es schlussendlich geschafft, alle Samen aufzuspüren und unschädlich zu machen. Liliths Züchtungen hatten sie ebenfalls zusammengetrieben und ausgeschaltet, den Rest konnten die Exorzisten erledigen. Damit war nur noch Gehenna übrig. Ein weiteres Mal trafen sich Dämonen und Exorzisten, um sich abzusprechen und zu Rins Verwunderung sollte er dieses Mal mitkommen. Bisher war er nie dabei gewesen, da er ohnehin nicht mitkämpfen durfte, egal wie sehr er protestierte. Vielleicht war es besser so, er hatte noch immer gelegentliche Albträume von Lilith und seinen Peinigern. Erst gestern hatte er in seiner Panik beinahe einen Halbalukah angegriffen, als er dessen Augen sah. Glücklicherweise war nichts Schlimmeres passiert und der Dämon hatte es ihm nicht übel genommen, aber er war sich ziemlich sicher, dass manche seitdem einen Bogen um ihn machten. Folglich hielt er sich während des Treffens eher im Hintergrund und hörte schweigend zu. Umso überraschte war er von dem, was sein Vater zu verkünden hatte. „Ich bin nicht sicher, ob wir momentan dazu in der Lage sind, Lilith zu töten.“, gestand er zerknirscht klingend und zog damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. „Meine Kräfte werden immer schwächer und ich habe die Befürchtung, dass sie momentan stärker als ich ist. Unsere beste Chance ist es, sie vorerst erneut zu versiegeln.“ Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass der Saal in heller Aufruhr versank. Es brauchte einiges rufen und eine gut gezielte Flamme von Satan, bis endlich halbwegs Ruhe eingekehrt war, Angel ließ sich davon allerdings nicht lange beeindrucken. „Was soll das heißen?!“, entrüstete er sofort. „Nach allem was geschehen ist, wollt ihr sie wieder versiegeln?! Sie wird ja wohl kaum noch einmal darauf hereinfallen und in ein paar Jahren geht das ganze Theater dann von vorne los! Das löst nichts, wahrscheinlich macht das eher alles schlimmer?“ So sehr der Nephilim es hasste, er musste dem Paladin Recht geben. Was dachte sich sein Vater dabei? Er müsste doch an besten wissen, wie gefährlich die Dämonin war! Er schaute zu seinen Brüdern, von denen keiner überrascht wirkte, allerdings sahen sie nicht weniger unzufrieden aus. „Es ist nur eine vorrübergehende Maßnahme.“, rechtfertigte sich der Dämonenherrscher. Dieses Mal blieben alle ruhig und hörten sich seine Erklärung an. „Ich bin genauso wenig begeistert, hätte ich die Möglichkeit würde ich sie sofort töten, aber es geht nicht anders. Sie hat zwar Rückschläge erlitten und musste sich zurückziehen, aber sie ist trotzdem noch sehr gefährlich, vor allem wegen ihres Amulettes.“ Er zögerte kurz und seufzte dann. „Ich bin vor einigen Tagen plötzlich umgekippt, die Heiler konnten allerdings nichts finden und ich habe mich sehr schnell erholt.“, gestand er, das raunen der anderen ignorierend. Dieses Mal schienen auch die Dämonenkönige überrascht und wechselten fragende Blicke. Offenbar wussten sie nicht, dass Satan von diesem Zwischenfall erzählen würde, doch dieser redete bereits weiter. „Ich vermute daher, dass ich schwächer geworden bin, als ich dachte, anders kann ich es mir nicht erklären. Wir können nicht riskieren, dass ich im entscheidenden Moment wieder zusammenbreche, daher bleibt uns nur die Versieglung. Bevor hier jemand anfängt, ich hatte gute Gründe, es vorerst für mich zu behalten und es spielt ohnehin keine Rolle mehr. Wichtig ist nur, dass wir uns einen Plan überlegen, um Pandemonium zurückzuerobern und Lilith nicht wieder entkommen zu lassen. Wir versiegeln sie und nutzen ihre Abwesenheit, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und ihre Machtbasis zu zerstören. Dann lassen wir sie wieder raus und töten sie endgültig.“ Rin wurde erneut überrascht, niemand protestierte, nicht einmal Angel, auch wenn er nicht gerade begeistert davon aussah, dass Satan nicht eher etwas gesagt hatte. „Aber wie soll das ohne Lord Azazel funktionieren?“, warf einer der Dämonengeneräle ein. „Er ist nicht wirklich in der Verfassung, ein derart mächtiges Ritual durchzuführen.“   „Azazel wird nicht mitkommen.“, antwortete Satan und für einen Moment stand Sorge in seinem Gesicht, die schnell wieder verschwand. Der Grund dafür wurde in seinem nächsten Satz deutlich. „Rin wird seinen Platz einnehmen.“   „WAS?!“, entfuhr es dem Nephilim entsetzt und starrte seinen Vater mit aufgerissenen Augen an. „Ich?! Hast du sie noch alle?!“ Vermutlich nicht die beste Art mit einem Dämonengott zu reden, aber das war ihm momentan mehr als egal. „Ich habe keine Ahnung davon! Ich jage eher Gehenna in die Luft!“ Satan ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, verschränkte die Arme und sah ihn ernst an. „Wir haben keine andere Wahl. Du bist der Einzige, der über genug Macht verfügt. Selbst wenn Azazel keinen Vertrag mit Lilith hätte, er ist zu schwach.“   „Ich hab nicht mal all meine Kräfte, wie soll ich da helfen?! Nehmt Shax oder so!“, erinnerte Rin ihn, während er versuchte, all die ganzen Blick und das Geflüster zu ignorieren. Was um alles in der Welt dachte sich sein Vater nur dabei?! Er war die schlechteste Wahl dafür! „Shax hat nicht genug Macht dafür, es geht nicht anders. Es gibt eine Möglichkeit, deine volle Kraft in das Ritual einfließen zu lassen.“, sprang Samael unerwartet ein. „Das ist deine einzige Aufgabe bei dem Ritual. Du musst nur deine Kraft leihen und einige Worte aufsagen, den Rest übernehmen wir.“ Nur? Machte der Clown Witze? Er kannte seine Noten, er musste doch wissen wie schlecht er in Rezitation war. Darum hatte er sich ja gegen den Aria Meister entschieden! „Und was soll ich sagen?! Ich bin schlecht darin, mir Sachen zu merken!“   „Wir bringen es dir bei, es ist nicht viel.“, beruhigte Lucifer ihn schnell. „Gehennisch hast du auch gut geschafft, mach dir keine Gedanken. Ich weiß, dass kommt gerade aus dem heiteren Himmel, aber wir haben keine andere Möglichkeit mehr. Du bist der einzige, der Azazel ersetzen kann.“ Rin gefiel nicht, was er hörte. Absolut nicht. Allerdings wusste er, dass sie ihn niemals darum beten würden, wenn es wirklich eine andere Möglichkeit gäbe. Und wenn es wirklich ihre letzte Chance war… „Ok, dann tu ich es.“, verkündete er ein wenig widerwillig. „Aber ich weiß nicht, ob ich euch wirklich im Kampf helfen kann-“ „Du kämpfst nicht, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Keine Diskussion.“, fuhr Satan scharf dazwischen. „Ich soll einfach zusehen?“, protestierte der Nephilim, doch erneut schnitt sein Vater ihm das Wort ab. „Wenn du nicht auf die Vernunft hören willst, dann bedenke, dass das Ritual fehl schlägt, wenn dir etwas passiert. Abgesehen davon will ich nicht riskieren, dass dein Schwert zerbricht.“ Das reichte aus, um jede Diskussion im Keim zu ersticken. Ohne ein weiteres Wort sank der Halbdämon auf seinem Platz zusammen und nickte nur. „Gut, dann wäre das wohl geklärt…“, stellte einer der Exorzisten vorsichtig fest und erhielt zustimmendes Gemurmel. Shura, welche auf der anderen Seite des Raumes stand, warf dem jungen Nephilim einen besorgten Blick zu, woraufhin er versuchte, ihr aufmunternd zuzulächeln. Zumindest würde er endlich die Gelegenheit haben, seinen Beitrag zu leisten.     ………………………………………………………………………     Avaritia saß auf dem Balkongeländer und ließ ihre Beine baumeln, während sie über Pandemonium blickte. Von ihrer momentanen Position aus wirkte die Stadt so friedlich, beinahe schon idyllisch. Was für ein schlechter Witz. In den letzten Tagen gab es immer wieder Aufstände und Schlägereien, wahrscheinlich hatte man noch immer nicht alle Leichen weggeschafft. Was brachte es einem, über Gehenna zu herrschen, wenn sich alle gegenseitig töteten und die Körper bereits die Abflüsse verstopften? Was für eine gewaltige Verschwendung. Seufzend schloss sie die Augen und genoss den Wind, der ihr durch das Haar strich. Dieser Turm war zweifelsohne ihr Lieblingsort und gefühlt die einzige Stelle, wo man sich wirklich entspannen konnte. Keiner kam hier jemals hoch, höchstens einige Wächter schauten hin und wieder vorbei, doch die meisten waren schlicht und ergreifend zu faul, die ganzen Stufen hinaufzusteigen. Was würde sie nicht manchmal dafür geben, für immer hier zu sitzen und ihren Gedanken nachzuhängen. Das leise Knarren hinter ihr durchbrach ihre persönliche Idylle und ließ sie genervt die Augen verdrehen. „Was willst du, Lux?“, fragte sie ein wenig ungehalten, was die andere Todsünde nicht wirklich zu stören schien. „Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde.“, begrüßte sie sie. „Es gibt keinen Grund so aggressiv zu reagieren, weißt du?“   „Das ist der einzige Ort, wo ich mal Ruhe habe und dann kommst du an. Soll ich mich etwa darüber freuen?“, fragte die jüngere ungehalten. Luxuria antworte nicht, stattdessen setzte sie sich neben sie auf die Brüstung und betrachtete ebenfalls die Szenerie. „Jetzt verstehe ich, warum du immer hier bist. Die Aussicht hat was.“, kommentierte sie fast schon abwesend. „Ja.“, bestätigte die Silberhaarige. „Es sieht sogar fast wieder alles normal aus.“ Sie wandte sich an ihre Schwester, bevor sie weitersprach. „Du bist sicher nicht hier, um dir den Sonnenuntergang anzusehen. Was willst du?“   „Ist es so abwegig, dass ich nach meiner Schwester sehen will?“   Avaritia lachte auf, doch es klang falsch und erzwungen. „Ja, natürlich. Du bist vielleicht nicht so schlimm wie Superbia, aber wissen doch beide, wie gern du andere manipulierst. Also los, raus damit oder geh.“   „Gut, gut.“, gab sich die ältere geschlagen. „Ich habe mich nur gefragt…denkst du noch, dass wir wirklich gewinnen? Und selbst wenn, dass es das noch wert ist?“ Überrascht sah Avaritia sie an. „Wie kommst du denn darauf?“ Luxuria zuckte nur mit den Schultern, daher dachte sie nach und antwortete dann zögerlich. „Na ja, zu Beginn dachte ich, ich will auf jeden Fall gewinnen. Ich meine, der Preis ist Gehenna, wer würde nicht zuschlagen, aber jetzt…“, sie schnaubte abfällig. „So wie’s aussieht, bekommen wir nicht mal die Reste und ich habe es satt, nur rumgeschubst zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass vieles so verdammt unnötig ist. Hätte ich die Möglichkeit, wäre ich längst über alle Berge.“   „…Ja, mir geht’s ähnlich, nur hatte ich nie Interesse an Gehenna.“, erwiderte die ältere Sünde schulterzuckend. „Allerdings hatte ich nie eine andere Aufgabe, schätze ich. Jetzt scheint aber alles umsonst gewesen zu sein. Der nächste Kampf dürfte knapp werden.“   „Sicher? Azazel ist aus dem Verkehr gezogen, Satan und die Baal sind geschwächt…andererseits haben wir sie wohl schon zu oft unterschätzt. Sonst wäre Gula noch am Leben…“ Ihre Stimme brach, der Gesichtsausdruck düster. Sie hatten keine enge Bindung miteinander wie die Dämonenkönige, aber es war dennoch seltsam, dass die jüngere Dämonin nicht mehr bei ihnen war. Lilith hatte es selbstverständlich nicht gekümmert, ebenso wenig wie Superbia, der Rest war schwer einzuschätzen, nur Acedia schien aufrichtig traurig zu sein. „Wenn das hier den Bach runter geht, bin ich weg.“, murmelte Avaritia plötzlich. „Mir egal, was danach kommt, irgendwas fällt mir schon ein. Notfalls flieh ich in das unerforschte Gebiet, wenn sich andere Dämonen durchschlagen können, schaffe ich das erst recht. “ Nun war es Luxuria, die sie überrascht ansah. „Mutig, das so direkt zuzugeben.“   „Du wirst mich wohl kaum verpfeifen.“   „…Ich schätze, ich werde es ähnlich machen.“, gestand die ältere. „Aber vielleicht nicht unbedingt ins unerforschte Gebiet. Ich will nicht wie ein Tier im Wald leben. Aber selbst wenn Lilith gewinnt, bin ich nicht sicher, ob ich hier bleiben will.“   „Ja, geht mir auch so.“ Stille folgte, dieses Mal war sie jedoch wesentlich angenehmer. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, zusammen hier zu sitzen und einmal nicht zu streiten. Wenige Minuten später ging langsam die Sonne unter und die ersten Lichter in den Häusern leuchteten auf, gefolgt von den Straßenlaternen. „Also…ich schätze mal, ich sollte langsam zurück in mein Zimmer und schlafen.“, murmelte Luxuria. „Satan könnte jeden Tag anrücken…Bleib nicht zu lange wach, ok?“ Avaritia summte zustimmend, noch immer auf die Stadt herabschauend. „Ja, alles klar.“, antwortete sie gedankenverloren. Luxuria schien noch etwas zu wollen, überlegte es sich dann allerdings anders und ließ ihre Schwester mit ihren Gedanken allein.     ………………………………………………………………………………     „Solltest du dich nicht auf den Angriff vorbereiten?“ Ankou zuckte zusammen, da sie nicht gedacht hätte, dass Azazel noch wach war. „Und solltest du nicht schlafen?“, konterte sie, während sie vorsichtig die Tür hinter sich schloss. Der Baal zuckte mit den Schultern, setzte sich auf und streckte sich, dann drehte er sich zu ihr um und seine Augen weiteten sich. Sie hatte bereits eine derartige Reaktion erwartet, konnte sich ein leichtes Grinsen aber nicht verkneifen. „Gefällt es dir?“, fragte sie herausfordernd und fuhr sich durch ihre nun schulterlangen Haare. „Ä-Ähm ja, s-sieht gut aus.“, stotterte der Geisterkönig hervor und drehte sich weg, sodass seine Haare den größten Teil seines Gesichtes verdeckten. Ein mehr als eindeutiges Anzeichen, dass er gerade rot wurde. „Warum hast du sie abgeschnitten?“, versuchte er die Situation zu retten. „Du hast die langen Haare schon ewig.“   „Kürzere Haare sind praktischer beim Kämpfen und ich wollte mal etwas neues ausprobieren.“, erklärte sie gelassen. „Abgesehen davon wachsen sie doch nach. Es ist nur Haar.“ Sie setzte sich auf den Boden und musterte den älteren Dämonen. Er sah nicht besser aus als bei ihrem letzten Besuch, aber immerhin auch nicht schlechter. „Wo ist Ruha?“, fragte sie schließlich, da dem Baal die "Wie geht es dir"-Frage inzwischen mehr als nur zum Hals heraushängen dürfte. „Ruht sich im Limbo aus.“, antwortete er seufzend. „Sie kann sich jetzt zwar richtig verankern, aber es macht sie sehr müde. Ich schätze mal, sie wird bald wieder gehen müssen.“ Zwar versuchte er neutral zu klingen, doch sie bemerkte sofort wie zittrig seine Stimme am Ende klang. „Hey, du kannst ruhig zugeben, dass du traurig deswegen bist.“, sagte sie leise. „Ich bin’s, du musst nicht immer so stark tun.“   „Genau das gleiche könnte ich zu dir sagen.“, fauchte er unerwartet, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht so anfahren. Mich macht es nur wahnsinnig, dass ihr kämpft, während ich hier wieder Däumchen dreh. Ich konnte nicht mal für meinen Vater da sein, als er zusammengebrochen ist und dann muss ausgerechnet Rin meinen Platz für das Ritual einnehmen. Was wenn ihm etwas passiert?“   „Wir passen auf ihn auf, er ist in guten Händen.“, beruhigte sie ihn schnell. „Rin ist abgesehen davon kein kleines Kind mehr. Er ist nicht wehrlos.“ Sie sagte dies nicht nur, damit er sich besser fühlte. Der Nephilim war vielleicht noch kein richtiger Kämpfer, aber er hatte das Potenzial dazu und viele neigten dazu, ihn zu unterschätzen. Sie war sich ziemlich sicher, dass er notfalls selbst einige Feinde ausschalten konnte. Allerdings hatte er bisher nur Gula getötet und obwohl es aus Notwehr geschehen war, hatte es seine Narben hinterlassen. Davon abgesehen würde es sie nicht wundern, wenn ihn Verliese und dunkle, enge Orte nervös machten, was natürlich nicht unbedingt günstig war, wenn das Ritual dort ablaufen würde. Generell blieben die Folgen abzuwarten, insbesondere Azazel und Rin würden noch sehr lange an allem zu knabbern haben. „Er ist immer noch ein Kind.“, warf der Geisterkönig ein. „Er sollte nicht in einem Krieg kämpfen oder Rituale absolvieren.“   „Azazel, ihr wart damals auch jung und habt es geschafft. Er wird das schon hin bekommen und du hälst jetzt sofort den Mund und beruhigst dich oder ich hetze dir Egyn, deine Mutter und Sequana auf den Hals.“, drohte sie und ließ Azazel zusammenzucken. „Sequana?! Warum Sequana?!“   „Darum. Also ruhig jetzt und tief durchatmen.“, wies die Dämonin ihn streng an und nach kurzem Zögern tat er, was sie verlangte. „Gut. Und jetzt mach dir keine Gedanken mehr, ok?“ Da Azazel noch immer drein schaute, als würde bald jeder sterben, den er kannte, stand sie seufzend auf. „W-Warte du-“ Ankou ignorierte seine Proteste und setzte sich neben ihn, dann nahm sie seine Hand in ihre. „Du hilfst uns am meisten, wenn du hier bleibst und dich erholst. Wir beschützen Rin und den anderen wird es auch gut gehen. Wir haben schon so viel überlebt, dann überleben wir das hier auch. Schon allein, weil wir alle ewig gewartet haben, bis Agares mal genug Mut hat, mit Egyn über ihre Gefühle zu sprechen und sehen wollen wie es weiter geht.“ Azazel schnaubte. „Über 1000 Jahre Wartezeit und ich verpasse es…“, grummelte er mussmutig. „Immerhin hat Iblis es gefilmt…“   „Also, bleib ganz ruhig.“, fuhr Ankou fort, als hätte er nichts gesagt. „Halt einfach nur durch.“, Erneut zögerte sie, dann gab sie ihm kurzerhand einen schnellen Kuss auf die Wange und stand wieder auf. „Ich sollte gehen, aber ich komme morgen nochmal.“, sagte sie und ignorierte ihre nun ebenfalls leicht geröteten Wangen. „J-Ja, gut…“, kam die überrumpelt klingende Antwort, während sich der Baal an die Wange fasste. Sie warf ihm einen letzten Blick zu, dann verließ sie das Zimmer. ‚Es ist bald vorbei…wir werden Lilith los, Azazel erholt sich und Gehenna wird neu aufgebaut. Alles kein Problem.‘, beruhigte sie sich. ‚Wir haben es beinahe geschafft. Halte nur noch etwas länger durch.‘     ……………………………………………………              „Ok, Rin. Noch einmal, dann reicht es für heute.“, sagte Lucifer und sah den Nephilim erwartungsvoll an. Dieser atmete kurz durch, bevor er der Aufforderung nachkam und die Formel erneut aufsagte. Als er fertig war, nickte der Lichtkönig zufrieden. „Sehr gut, du hast keinen Fehler gemacht.“, lobte er den jüngeren Dämonen und lächelte ihm aufmunternd zu. „Ich denke, du musst dir diesbezüglich keine Sorgen machen.“   „Danke.“, murmelte Rin leise, mit den Gedanken längst anderswo. Seit er erfahren hatte, was von ihm erwartet wurde, übte er ständig die Formel und für den Fall der Fälle Nahkampf sowie den Umgang mit seinen Flammen. Leider konnte er sein Schwert nicht als Waffe verwenden, die Klinge war zu instabil und sie brauchten es außerdem für das Ritual. „Hey, es wird alles gut.“, hörte er Lucifer weiterreden. „Du hast dich so gut vorbereitet, das wird schon.“, redete beruhigend auf ihn ein. Der Halbdämon nickte nur und bedankte sich, dann stand er auf, um in die Cafeteria zu gehen. Er wollte Mittag essen, bevor der größere Ansturm kam. Nachdem er sein Essen hatte, sah er sich kurz im Saal um, wie erwartet waren nur wenige Tische besetzt. Zu seiner Überraschung entdeckte er dabei ein sehr ungewöhnliches Pärchen: An einem Tisch saßen Christina und Indra und waren offenbar tief in einer Unterhaltung versunken. Neugierig was die beiden trieben, ging er zu ihnen. „Hey…kann ich hier sitzen?“, fragte er, woraufhin die Hexe sofort nickte. „Klar, setze dich!“ Er nickte dankbar und setzte sich neben sie, Indra wich interessanterweise seinem Blick aus und aß stumm weiter. „Und, wie läuft es mit dem Formel lernen?“, fragte derweil Christina, welche das seltsame Verhalten der Zeitdämonin entweder nicht bemerkte oder ignorierte. „Es geht.“, gestand der Nephilim. „Ich habe heute keinen Fehler gemacht, aber ich habe trotzdem ein schlechtes Gefühl. „Mach dir keine Gedanken, das wird schon.“, tröstete sie ihn sofort. „Ich kenne das Gefühl. Als ich damals Hohepriesterin geworden bin und zum ersten Mal ein Mondritual anführen musste, war ich auch furchtbar aufgeregt und konnte die Nacht davor kaum schlafen. Ich dachte, ich würde etwas falsch machen und mich vor dem ganzem Zirkel blamieren. Schlussendlich lief alles super.~“   „Sie hat recht.“, sagte unerwarteterweise Indra, die aber noch immer auf ihren Teller schaute. „Das ist nur eine Frage der Konzentration. Du bist nicht dumm, also beweise es.“ Erst jetzt fiel dem jungen Dämonen auf, wie müde sie aussah. Unter ihren Augen lagen Schatten und ihre Haare wirkten zerzaust. Sie machten einen beinahe schon elenden Eindruck, von ihrem sonstigen Stolz und Selbstbewusstsein war wenig zu sehen. Jetzt wo er darüber nachdachte, fiel ihm sogar auf, dass sie anders als sonst sprach. Wahrscheinlich sah sie keinen Sinn mehr darin, länger beim förmlichen zu bleiben, zumal sie momentan nicht länger eine Adelsposition inne hatte.  „Also…worüber habt ihr geredet?“, fragte er vorsichtig. „Ich hab euch noch nie zusammen gesehen.“   „Wir haben uns vor einigen Tagen kennen gelernt und ich brauchte jemanden zum Reden.“, gestand die Zeitdämonin leise. „Und da sie Samael ganz gut kennt, hab ich sie gefragt.“ Sie schaute zum ersten Mal auf und musterte ihn. „Du hast unseren Streit auf der Feier mitbekommen, nicht wahr?“ Überrascht sah der Nephilim sie an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Samael ihr davon erzählt hatte und gesehen konnte sie ihn an diesem Abend auch nicht haben. Dennoch entschied er sich für die Wahrheit. „Ja, aber das war keine Absicht.“, antwortete er entschuldigend. „Wie hast du das mitbekommen?“   „Spielt keine Rolle. Ich nehme an, dann hast du das mit Lilith gehört.“, fuhr sie düster fort. „Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass du dich zu uns gesetzt hast. Ich dachte, du würdest mich hassen oder mir zumindest aus dem Weg gehen.“ Erneut erwischte sie Rin im kalten und erhielt einen verwunderten Blick. „Warum sollte ich das tun?“ „Du hast doch mitbekommen, was ich über Lilith gesagt habe, oder?“   „Dass du in sie-“, setzte er an, wurde aber schnell von ihr unterbrochen. „Ja! Sag es doch noch lauter!“, zischte sie. „Dann kann ich mich gleich von meinem letzten Funken Würde verabschieden!“   „'Tschuldige…aber nein, warum sollte mich das kümmern? Ich verstehe zwar nicht wie man sie…na ja, du weißt schon kann, es geht mich allerdings nicht wirklich was an.“ Sicherlich, am Anfang war er ziemlich überrascht und sogar ein wenig schockiert gewesen, doch schlussendlich kannte er die Hintergründe nicht und da sie Indra ohnehin gekorbt hatte, spielte es wohl keine große Rolle. Er wusste, dass Lilith sie gedemütigt hatte und sie es ihr mit Satan heimzahlen wollte, das reichte ihm bereits. „Du vergisst, dass dein Vater sie einst geliebt hat.“, erinnerte Indra ihn mit einem bitterem Lächeln. „Du hast sie so kennen gelernt, wie sie jetzt ist. Früher sah es anders aus.“   „Laut meinem Vater sie schon immer eine manipulierende Tyrannin.“, warf Rin ein, woraufhin die Zeitdämonin langsam nickte. „Das ist wahr, aber sie hatte gute Qualitäten. Wusstest du, dass damals schon ihre Dämonen oft schlechter behandelt wurden? Lilith hat sich dafür eingesetzt, dass sie besser behandelt werden. Sie hat einiges unterstützt, zum Beispiel, dass der Qualitätsunterschied der Ausbildung an öffentlichen und privaten Schulen nicht mehr so gewaltig ist und war dafür, den Adel und das Häusersystem abzuschaffen, sodass es nur normale Bewohner und das Königshaus gibt. Letzteres hat sie natürlich nicht ganz uneigennützig getan, sie bewertet Personen stets danach wie sehr sie ihr nutzen können, aber es gibt einige, die die Adligen abschaffen wollen. So oder so hat sie tatsächlich einige gute Dinge gebracht oder zumindest versucht sie durchzusetzen. Wäre nicht ihre Obsession und ihr Hochmut gewesen, hätte sie eine gute Königin sein können. Es war ein sehr zweischneidiges Schwert. Einerseits hat sie kein Problem damit gehabt das Volk auszunutzen und Aufstände oder dergleichen brutal niederzuschlagen, andererseits hat sie in einigen Bereichen wirklich versucht zu helfen. Was genau in ihrem Kopf vorging, weiß wohl keiner.“ Sie seufzte. „Worauf ich hinaus will: Lilith ist keine gute Person, aber sie hatte durchaus Eigenschaften, die sie sympathisch wirken ließen. Selbstbewusstsein, Ehrgeiz, Charisma, Intelligenz, Pragmatismus…rückblickend frag ich mich jedoch wie viel eine Maske war, denn wirklich zu kennen scheine ich sie ja nicht zu haben.“ Kopfschüttelnd aß sie weiter, weswegen nun Christina das Wort ergriff. „Ich denke wir können uns einigen, dass Lilith nicht so leicht einzuschätzen ist. Nicht mal Lord Satan hat kommen sehen, dass sie versuchen würde, seine anderen Frauen zu ermorden. Nach dem was ich so höre, hat er sie nach der Trennung nach wie vor mit Respekt behandelt. Zumindest zu Beginn…“   „Ich weiß ja nicht, was die anderen über dich sagen.“, erwiderte Rin. „Aber mir ist es egal, was deine Beziehung zu Lilith war. Es ist doch nur wichtig, dass du jetzt hier bist und nicht bei ihr und ihr hilfst. Wer auch immer sich darüber aufregt, ist einfach nur bescheuert.“   „Genau das sage ich ihr auch die ganze Zeit!“, verkündete Christina und verdrehte die Augen. „Und ich versuche schon die ganze Zeit sie dazu zu überreden, sich mal richtig mit Lord Samael auszusprechen und ihm alles zu erzählen, was sie uns erzählt hat, aber sie ist so stur!“ Indra schnaubte nur abfällig und bleckte leicht die Zähne. ‚Wow, sie scheint wirklich am Ende zu sein…ich habe sie das noch nie machen sehen…‘, stellte Rin am Rande fest. Nun da er die Körpersprache der Dämonen grob kannte, achtete er auf vieles, was er zuvor ignoriert hatte und verstand dadurch endlich, warum seine Brüder ihm immer eingebläut hatten, diesbezüglich vorsichtig zu sein. Gewisse Haltungen und Gesten konnten so viele Bedeutungen haben und das sprang einem sofort entgegen. „Ich habe schon oft versucht mit ihm zu reden, er lehnt mich immer ab. Was soll das bringen?“, zischte sie verbittert. „Na ja, so wie du manchmal mit ihm sprichst, ist das kein Wunder.“, kommentierte Rin und erhielt dafür einen bohrenden Blick, aber sprach dennoch weiter. „Ich meine, ich bin nur Zuschauer, aber du bist teilweise echt passiv aggressiv, das fällt sogar mir auf. Du sagst ihm dann sowas wie, dass du seine Mutter bist und er darum hören soll, aber das klingt eigentlich nur arrogant und irgendwie auch herablassend. Also…versuche doch mal ruhig mit ihm zu reden, ohne was zu verlangen, einfach nett sein und dich ran tasten.“ Er stockte und wich etwas unangenehm berührt ihrem Blick aus. „Tut mir leid, ich bin nicht gut bei solchen Kram.“   „...Nein…“, seufzte Indra. „Du hast recht.“ Bitte was? Rin und Christina sahen sie beiden verwundert an. Sie hatten beide erwartet, dass sie gleich Gift spucken würde, keine Einsicht. Mir ist das schon beim letzten Streit mit ihm klar geworden…ich habe nicht das Recht irgendetwas von ihm zu verlangen.“ Sie stockte und wandte sich erneut an Rin, dieses Mal sah sie ihn beinahe flehend an. „Glaubst du wirklich, er würde mir zuhören?“ In Wirklichkeit war der Nephilim nicht sicher, der Zeitkönig war unberechenbar und es fiel ihm noch immer schwer, manche seiner Handlungen nachzuvollziehen, allerdings hoffte er es. „Ich werde mal versuchen mit ihm zu reden. Vielleicht kann ich ihn überreden, dir zumindest zuzuhören.“, bot er an und erhielt ein dankbares Lächeln. „Danke. Du hast keinen Grund mir zu helfen und trotzdem…“ Ihre Stimme brach, offenbar war sie unsicher, wie sie fortfahren sollte. Rin zuckte nur mit den Schultern. „Kein Problem. Du scheinst ja zu bereuen was passiert ist und ich denke, jeder hat eine zweite Chance verdient. Außer Lilith, aber das ist was anderes.“ Zu seiner Überraschung lachte Indra kurz auf, doch von nun an wirkte sie wesentlich glücklicher und nicht mehr ganz so zerstreut wie zu Beginn. Rin überlegte derweil fieberhaft wie er Samael am besten dazu überreden sollte, mit seiner Mutter zu sprechen. Zwar kam er inzwischen recht gut mit ihm klar, doch er stand ihm nicht so nah wie beispielsweise Iblis oder Egyn. Vielleicht sollte er ganz direkt sein, dann konnte sich der Zeitkönig gar nicht herausreden. Das hoffte er zumindest. Christina schien seine Besorgnis zu spüren, denn sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Mach dir keine Gedanken, dir wird er in jedem Fall zuhören. Du musst nur stur bleiben und ihn notfalls dazu zwingen. Glaub mir, ich spreche aus mehreren Jahrhunderten Erfahrung.~“, versicherte sie ihm gelassen. „Er ist nur leider ein fürchterlicher Dickkopf, aber da scheint er wohl nach dir zu kommen.~“ Letzteres unterstrich sie mit einem vielsagenden Grinsen, das Indra mit dem Kopf schütteln ließ. „Sein Vater ist nicht weniger Schuld daran, auch wenn er gerne anderes behauptet.“, brummelte sie vor sich hin und rümpfte die Nase, mehr sagte sie allerdings nicht. Schweigend beendeten sie ihr Mittagessen, anschließend überredete Rin die Zeitdämonin direkt zu Samael zu gehen und mit ihm zu reden. Zugegebenermaßen war der Halbdämon selbst nicht begeistert, aber versprochen war versprochen. Sie fanden den Zeitdämonen und Amaimon bei einer kleineren Gruppe Dämonen in einem der Räume, wobei letztere bereits dabei waren, zu gehen. Indra wartete draußen, während der Nephilim herein ging und im Stillen betete, dass er die Situation nicht schlimmer machte. Behemoth, der bisher unter einem Tisch gesessen hatte, sprang sofort hervor und begrüßte den Dämonen freudig indem er ihn beinahe umwarf und Streicheleinheiten verlangte. Natürlich kam er der Aufforderung nach. „Rin! Was führt dich denn her?“, wurde er von dem älteren Baal begrüßt. „Lucifer hat erzählt, dass du die Formel inzwischen gut beherrschst. Ich gebe zu, dass ich meine Zweifel hatte.~“ „Du solltest ihn nicht immer unterschätzen, Bruder.“, kommentierte Amaimon und überraschte damit den Nephilim immens, doch Samael zuckte nur mit den Schultern. „Es ist keine einfache Formel und nach dazu Henochisch. Andere brauchen Jahre dafür.“   Erneut war Rin überrascht, als ihm klar wurde, dass sie ihn lobten, zumal insbesondere Amaimon damals seine Unwissenheit kritisiert hatte. „Ähm danke…“, murmelte er und wandte sich an Samael. „Ich muss mit dir reden…Amaimon, kannst du uns bitte allein lassen?“ Der Erddämon zuckte mit den Schultern und verschwand mit Behemoth im Schlepptau. Samael sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Seit wann so nervös?“, fragte er und fing an zu grinsen. „Möchtest du etwa Beziehungstipps, kleiner Bruder? Sehr lobenswert, dass du nach Moriyamas Zurückweisung wieder so schnell auf den Beinen bist.~“ Sofort errötete jüngere und schüttelte schnell mit dem Kopf. Er wollte diese Blamage nur noch vergessen, wieso musste der Zeitdämon das ansprechen?! „Nein, das hat nichts damit zu tun!“, verneinte er schnell und verkniff es sich zu erwähnen, dass Samael der letzte wäre, zu dem er für Beziehungstipps gehen würde, immerhin wollte er ihm nicht jetzt schon die Laune verderben. „Um ganz ehrlich zu sein, geht es um Indra.“, gestand er und wie erwartet, versteifte der andere sofort, auch wenn sich sein Gesichtsausdruck nicht veränderte. „Oh, wirklich? Ich habe sie seit der Feier nicht gesehen, daher bezweifle ich, dass ich dir dabei helfen kann.“ Rin verfluchte sich, weil er zugestimmt hatte, die Situation war jetzt schon richtig unangenehm. „Sie möchte mit dir reden. Aber dieses Mal richtig.“, erklärte er, bevor der Baal ihn unterbrechen konnte. „Ohne streiten, ohne irgendwas zu verlangen und so.“ Samael verzog das Gesicht, seufzte dann aber. „Rin, ich weiß nicht, was sie dir erzählt hat, aber lass dich nicht täuschen. Sie ist kein Opfer-“   „Aber sie bereut, wie es zwischen euch gelaufen ist!“, unterbrach Rin ihn schnell. „Ich verstehe, dass du wütend auf sie bist, ich wäre es genauso, aber sich immer nur zu streiten, wird es nicht besser machen. Du musst sie ja nicht sofort als Mutter annehmen, aber willst du sie nicht wenigstens anhören? Du bist der einzige, dessen Mutter noch lebt, wäre ich an deiner Stelle, würde ich es zumindest versuchen.“ Samael zögerte, wirkte aber noch nicht ganz überzeugt. „Sie hatte Jahre Zeit dafür und es nie genutzt. Warum sollte es dieses Mal anders laufen?“   „Weil ich dieses Mal keine Erwartungen habe und nur möchte, dass du mir zuhörst.“, wurden sie von Indras Stimme unterbrochen. Offenbar hatte sie genug davon, Rin alles zu überlassen. Sie sah Samael ernst, aber ruhig an und auch ihre Körperhaltung wirkte entspannter als sonst. Es faszinierte den Nephilim immer wieder, worauf er inzwischen achtete, früher hätte er es nicht getan. „Ich weiß, wir waren nicht immer meiner Meinung und ich habe vieles mir selbst zuzuschreiben.“, fuhr sie leise fort. „Aber bitte höre mir wenigstens einmal zu. Danach kannst du mich meinetwegen nach Herzenslust ignorieren.“ Samael zögerte, Rin sah ihn nur bittend an. Wie durch ein kleines Wunder, nickte der Baal schließlich. „Also gut, ich bin ganz Ohr. Aber wenn ich merke, dass du mich anlügst oder versuchst mir wieder ein schlechtes Gewissen zu machen, bin ich weg.“ Sowohl Indra als auch der Nephilim waren erleichtert, letzterer hatte allerdings nicht vor, länger hier zu bleiben. Er hatte ein wenig nachgeholfen, den Rest mussten sie selbst erledigen. „Also ich bin dann mal weg.“, verabschiedete er sich. Keiner der beiden hielt ihn auf, wobei Indra ihm im Vorbeigehen ein schnelles „Danke“ zuflüsterte.     ……………………………………………………………………….     Samael war nicht sicher, weswegen er zugesagt hatte. Indra hatte mehr als genug Zeit gehabt, mit ihm zu reden und erst jetzt wollte sie versuchen, ihre ohnehin schon kaum existierende Beziehung in Ordnung zu bringen. Entweder hatte der Verlust ihres alten Lebens ihre Augen geöffnet oder sie wollte sich schlicht und ergreifend einschmeicheln, damit er ihr aus der Patsche half. „Also, worüber möchtest du reden?“, fragte er direkt, da die Zeitdämonin schwieg. Diese schien sich kurz zu sammeln, dann begann sie zu sprechen. „Zuerst wollte ich mich für mein Verhalten entschuldigen. Es stand mir nicht zu, irgendetwas von dir zu erwarten. Du hattest Recht. Ich habe dich nicht aufgezogen und somit nicht das Recht, dir Vorschriften zu machen.“ Damit erwischte sie den Zeitkönig im kalten. Noch nie zuvor hatte er erlebt wie sich für irgendetwas entschuldigt hatte! Allerdings schwieg er, er wollte wissen, was als nächstes kam. „Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist. Dich einfach bei deinem Vater abzugeben und zu verschwinden war feige, aber ich hatte Angst.“, fuhr sie leise vor. „Angst wegen meiner Familie, meinem Ruf und vor allem Angst davor, mich um ein Kind zu kümmern. Ich war nicht bereit dazu.“   „Das entschuldigt nicht, dass du nie versucht hast, Kontakt aufzunehmen.“, unterbrach Samael sie, allerdings weniger aggressiv als sonst. Wenn seine Mutter endlich bereit war wie eine vernünftige Erwachsene zu reden, würde er es ihr gleich tun. „Ich meine nicht, dass du jeden Tag oder jede Woche hättest kommen müssen. Aber du hast dich nicht einmal zu erkennen gegeben, bis ich fast erwachsen war. Um genau zu sein, warst es nicht mal du, sondern Vater. Warum hast du nicht eher versucht, mich zu erreichen?“ Erneut zögerte die Dämonin und für einen Moment glaubte er, sie würde wie immer der Frage ausweichen, doch zu seiner Verblüffung antwortete sie. „Ich habe mir eingeredet, dass du ohne mich besser dran bist. Du hattest deinen Vater, deine Geschwister und Stiefmütter, ich hatte da keinen Platz. Dumm, ich weiß.“ Sie sah Samael nachdenklich an, dann stellte sie eine Frage, die nicht erwartet hatte. „Erinnerst du dich an dein Tik-Tik Plüschtier aus deiner Kindheit?“ Natürlich erinnerte er sich, es war sein Lieblingsplüschtier, er hatte es sogar noch in einer Kiste zusammen mit anderen Kindheitserinnerungen. Er hatte immer ein gewaltiges Theater veranstaltet, wenn es weg gewesen war und konnte ohne es nicht schlafen. Vom Aussehen her erinnerte es stark an eine Fledermaus in Assiah, nur war es violett, hatte kleine Hörner und einen kleinen Schweif. „Ja…warte, warum weißt du davon?“, fragte er scharf nach, woraufhin die andere Dämonin ein wenig lächelte. „Ich war es, die sie dir geschenkt hat. An deinem ersten Geburtstag um genau zu sein.“ Sekunde, wie bitte?! „Du hast was?!“, entfuhr es ihm überrascht, woraufhin die Zeitdämonin ein wenig verstohlen lächelte. „Ich schätze, ich wollte doch irgendwie ein kleiner Teil deines Lebens sein, auch wenn ich mir anderes eingeredet habe. Es macht trotzdem nichts gut, ich weiß.“ Seufzend lehnte sie sich gegen den Tisch. „Du hattest Recht, ich war damals zu feige. Insbesondere bei der Sache mit Uriel, aber ich wollte mir nicht eingestehen, dass es wirklich Lilith war. Und als ich dich dann hatte, ist es noch komplizierter geworden. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion und wusste, dass du bei Satan sicherer bist, aber gleichzeitig war ich zu stolz, um meine Fehler zuzugeben oder die Hilfe deines Vaters in Anspruch zu nehmen.“   „Und jetzt bist du hier. Warum der plötzliche Meinungsumschwung?“   „Muss ich dir das wirklich erklären? Meine Familie hat mich verstoßen, wir könnten bald alle tot oder schlimmeres sein, ich habe genug von den Heimlichkeiten, was habe ich noch zu verlieren? Ich hätte das hier schon viel eher tun sollen.“ Sie klang müde, während sie das erzählte, doch ihre Stimme wankte nicht. „Ich weiß, du hast keinen Grund mir zu vergeben, aber ich wollte es zumindest richtig stellen und meine Seite erzählen.“   „Hast du bereits mit Vater darüber gesprochen?“   „Noch nicht.“, gab sie zu und wirkte für einen Moment nervös. „Aber ich werde es bald tun. Er verdient die Wahrheit genauso, auch wenn er mich danach wohl hassen wird.“ Erneut herrschte Stille in der der Zeitdämon über ihre Worte nachdachte. Noch hatte er seiner Mutter nicht ganz vergeben, er war nach wie vor wütend und immerhin hatte sie selbst zugegeben, selbstsüchtig gehandelt zu haben. Nun da er sich jedoch noch einmal alles in Ruhe durch den Kopf gehen ließ, musste er zugeben, dass Abneigung nachgelassen hatte. Nicht genug, um sie direkt in sein Leben zu lassen, doch es war wohl zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Fürs erste würde er einige weitere Fragen stellen, dann konnte er sich immer noch entscheiden.   ……………………………………………………………………………     Rin machte sich gerade bettfertig, als es an der Tür klopfte. Er erwartete niemanden und sein Vater und seine Brüder klopften nie, immerhin schliefen sie ebenfalls in diesem Zimmer. „Ist offen!“ Die Tür öffnete sich und sein Besuch stellte sich als Yukio heraus. „Oh, hey!“, begrüßte er den jüngeren. „Tut mir leid, dass ich mich nicht nochmal gemeldet hab, ich hab Samael bei was geholfen und war dann trainieren.“   „Schon in Ordnung, dein Training ist wichtiger.“, antwortete der Brillenträger. „Ich hab gehört, dass du die Formel inzwischen ganz gut kannst.“ Er zögerte kurz, dann sprach er langsam weiter, scheinbar ein wenig unsicher. „Ich habe es dir noch nicht gesagt, aber ich bin beeindruckt davon, wie viel du in dem letzten Dreivierteljahr gelernt hast. Gehennisch klingt nicht einfach, dann noch deine Flammen, jetzt diese Formel…Vater wäre stolz auf dich.“ Rin glaubte für einen Moment, sich verhört zu haben. Yukio hatte ihn noch nie wegen seiner schulischen Leistungen gelobt, von seinen dämonischen Kräften einmal ganz abgesehen. „Wow…danke!“, antwortete er daher etwas überrumpelt und grinste seinen Zwilling an. „Bevor du’s weißt übernehme ich auch deinen Unterricht, du wirst sehen!“ Er war ein Witz, kein besonders guter und eher ein kläglicher Versuch seine Überraschung zu verstecken, doch tatsächlich lächelte Yukio für den Bruchteil einer Sekunde. „So weit würde ich für’s erste nicht gehen, aber vielleicht irgendwann einmal.“ Rin nickte und setzte sich auf sein Bett. „Übrigens wollte ich schon immer mal fragen wie es war, vom alten unterrichtet zu werden. Ich kann ihn mir irgendwie gar nicht als Lehrer vorstellen.“ Seit Shiros Tod hatten sie kaum über ihn gesprochen, doch nach seinem Treffen mit ihm im Limbo und dem darauf gefolgten Gespräch mit Yukio hatte sich das geändert. Sicher, es tat nach wie vor weh, doch es war kein Grund eine Person tot zu schweigen. Stattdessen  sollte man sie stets in guter Erinnerung behalten. „Streng.“, erwiderte Yukio sofort. „Aber auch sehr geduldig und motivierend. Es gab einige Exorzisten, die mit seiner Art zu unterrichten nicht einverstanden waren. Oder besser gesagt seiner Einstellung gegenüber Dämonen.“ Er seufzte kurz, offenbar in Gedanken bevor er weitersprach. „Da er der Paladin war, hat es keiner offen gesagt, aber er hat immer wieder einige Kommentare und Seitenhiebe bekommen. Das hat ihn natürlich wenig gekümmert, er hat einfach weiter gemacht. Ich schätze, das haben du und er gemeinsam.“ Sie sprachen noch eine Weile über Shiro und einige ihrer liebsten Erinnerungen mit ihnen, bis der jüngere Okumura Zwilling das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. „Also…ich nehme an, der Angriff wird bald stattfinden, wenn du die Formel jetzt kannst. Haben die Dämonenkönige oder Satan etwas erzählt?“   „Nein, leider nicht.“, gestand Rin. „Aber du wirst wohl Recht haben. Es gibt keinen wirklichen Grund das ganze weiter raus zu zögern. Hoffen wir nur, dass ich es nicht vermassle. Wäre ja nicht das erste Mal.“ Letzteres sagte er mit ungewollter Bitterkeit in der Stimme. „Sag sowas nicht.“, sagte Yukio schnell. „Du hast so viel geübt und sie würden nicht angreifen, wenn sie nicht sicher wären, dass du es kannst. Das wird schon.“ Der Nephilim nickte, aber die Nervosität blieb natürlich. „Danke. Hätte nicht gedacht, das mal von dir zu hören.“ Es war die Wahrheit und natürlich zuckte Yukio ein wenig zusammen, doch er widersprach nicht. Die beiden redeten noch eine Weile, dann verabschiedete sich der jüngere, da es allmählich spät wurde. Kurz darauf trudelten die Dämonenkönige und Satan ein. „Mir ist egal, was heute noch passiert. Meinetwegen können Asien und Australien von 'nem Riesenfisch verschluckt werden, ich schlafe weiter.“, verkündete Astaroth und gähnte. „Japp, ebenfalls.“, bestätigten Iblis und Beelzebub gleichzeitig. Der Rest sagte gar nichts und begann sofort damit, sich umzuziehen und hinzulegen. „Langer Tag?“, fragte Rin, während er selbst ins Bett kletterte und sich zudeckte. Satan brummte zustimmend und legte sich ebenfalls hin. „Ich war noch einmal bei einer Untersuchung. Sie konnten wieder nichts feststellen.“, berichtete er und ließ den Nephilim aufatmen. Sein Blick wanderte daraufhin zu Samael, doch sein müder Gesichtsausdruck verriet, dass sie wohl am nächsten Tag über Indra reden mussten. Allerdings wirkte er nicht gereizt oder wütend, daher musste es wohl ganz gut gelaufen sein. Mit einem letzten Gähnen schloss er die Augen und kuschelte sich in seine Decke. Er hatte ein Gefühl, dass er diese Nacht besonders gut schlafen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)