Ein unverhofftes Familientreffen von Himikko ================================================================================ Kapitel 17: Abendessen ---------------------- Hätte man Rin vor einer Woche erzählt, dass er einmal mit dem Erdkönig in Gehenna sitzen und sie zusammen Pocky futtern würden, hätte er denjenigen für verrückt erklärt. Doch hier saß er nun auf einem grünen Sofa im Zimmer eines Dämonenkönigs, neben ihm ein kuschelbedürftiger Hobgoblin und ein paar Meter von ihm entfernt der Brokkolikopf, welchen er bis vor kurzem noch verbrennen wollte. Schon seltsam, was sich innerhalb weniger Tage ändern konnte. Er nutzte die Gelegenheit um dem Erdkönig Fragen über die Situation in Assiah, die Blutjäger, der Infiltration der Exorzisten und natürlich dem Angriff auf Yukio zu stellen. Zwar bekam er seine Antworten, jedoch war der grünhaarige Dämon furchtbar einsilbig. Wie immer. Er hatte sich auch wegen Samaels seltsamen Verhalten erkundigt, aber der Erddämon war der Frage ausgewichen. Sie hatten gerade die dritte Packung Pockys vernichtet als Amaimon seinen Stapel Papiere beiseiteschob. Rin sah auf. "Fertig?" "In einer Woche vielleicht.", kam die gegrummelte Antwort. Obwohl sein Halbbruder das Gesicht nicht verzog, schaffte er es dem unbearbeiteten Papierstapel einen strafenden Blick zuzuwerfen. "Ist aber Zeit fürs Abendessen." "Jetzt schon?", entfuhr es Rin verwundert und sah aus dem Fenster. Er hatte offensichtlich jegliches Zeitgefühl verloren, denn die Sonnen begannen bereits unterzugehen. Wie auf Kommando begann sein Magen zu knurren. Zwar hatte ein Bediensteter ihm vorhin Essen vorbeigebracht (dank Aulak hatte er ja sowohl das Frühstück als auch das Mittagessen verpasst), aber inzwischen war der Hunger wieder da. 'Man sollte meinen, dass drei Packungen Süßkram reichen würden.' Amaimon stand auf und streckte sich. "Also gehen wir." Rin nickte und erhob sich ebenfalls. Behemoth und Kuro waren beide eingeschlafen, also ließen sie die Beiden wo sie waren und gingen leise aus dem Zimmer. Auf ihrem Weg zum Esszimmer (oder besser gesagt Saal) sah Rin diesmal relativ wenige Dämonen, aber einige Wachen. Wahrscheinlich war für die meisten Bediensteten bald Feierabend. Sie waren fast angekommen als Amaimon wie angewurzelt stehen blieb. "Da fällt mir ein...ich sollte das ja mitnehmen und Vater geben....", murmelte er. "Was mitnehmen?" "Nur ein paar Papiere...bin gleich wieder da. Warte hier, es sind überall Wachen, da wird nichts passieren." Bevor Rin protestieren könnte war der Erdkönig auch schon verschwunden. Damit wäre die Frage, ob sich die anderen Dämonenkönige ebenfalls teleportieren können wohl geklärt. Seufzend lehnte sich Rin an eine Wand. 'Wenn mich schon wieder jemand versucht zu entführen, erzähl ich dem Brokkolikopf was.', dachte er düster. Im selben Moment hörte er Stimmen, die sich langsam näherten. 'Ich und meine große Klappe.' Um die Ecke kamen zwar keine Entführer, aber dafür potenzieller Ärger. Es waren Amon und Halphas, sowie ein dritter Mann, welchen Rin nicht kannte. Allerdings hatte er das ungute Gefühl, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Zu allem Überfluss entdeckten sie ihn. Halphas murmelte dem Dämonen etwas zu. 'Kommt schon, geht einfach weiter.', flehte Rin. 'Ich lehne hier nur an der Wand. Völlig allein. Gar nicht verdächtig.' Natürlich kamen sie auf ihn zu. Toll. Der unbekannte Dämon baute sich vor ihm auf (Warum waren viele Dämonen auch so groß und hatten offensichtlich nie etwas von persönlicher Distanz gehört?!) und starrte ihn wütend an. Schluck. 'Amaimon? Jederzeit!', dachte er ein wenig verzweifelt. "Du bist also Lord Satans Bastard, huh? Und ich dachte nach Egyn könnte es keine größere Enttäuschung mehr geben." Er begann zu grinsen. "Oder eher kleiner." Wow. Wie einfallsreich. "Und d-...Ihr seid?" Rin war es zuwider höflich zu bleiben, denn der Typ war offensichtlich ein Arsch. Jedoch hatte er dessen Schwert, welches fast so lang wie Rin selbst war, entdeckt und beschloss es lieber nicht darauf ankommen zu lassen. Wenn er sich die Narben im Gesicht so ansah, konnte er davon ausgehen, dass dieser Kerl schon einige Kämpfe miterlebt hatte und den Boden mit ihm aufwischen würde. Jetzt wo er darüber nachdachte...wo zur Hölle (oder zu Gehenna?) war eigentlich Kurikura abgebleiben?! Shura und Yukio würden ihn umbringen, wenn sie wüssten, dass er es aus den Augen verloren hatte und Shiro würde im Grabe rotieren. "Alastor. Bin Lord Satans Hand und General der Armee sowie sein oberster Vollstrecker." Sein Grinsen weitete sich, reiner Sadismus spiegelte sich darin. "Außerdem kümmere ich mich um die...stureren Insassen des Tartarus." Irgendetwas sagte Rin, dass er ihnen keine Sozialstunden aufbrummte. "Und was hat das mit mir zu tun?", fragte er, bemüht möglichst ruhig zu klingen. Alastor schnaubte. "Hör mal gut zu, du Göre. Es ist mir scheißegal, was Lord Satan sagt. Du bist schwach, verweichlicht und gehörst ganz sicher nicht hier her. Du bist ein Verräter und hast dich schon einmal für die Exorzisten entschieden, da kann mir keiner erzählen, dass du deine Meinung geändert hast. Wäre es nach mir gegangen, wärst du längst tot. Im Moment hält Lord Satan seine Hand über dich, aber solltest du aus der Reihe tanzen, wirst du dafür bezahlen." Er lehnte sich ein Stück nach vorne. "Dann werde ich dir sämtliche Knochen brechen, Haut und Fleisch abschälen und sobald du dich geheilt hast, fange ich von vorne an. Ich verspreche dir, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dich nicht einmal mehr an deinen Namen erinnern." 'Tja. Fuck.' Bevor Rin antworten konnte, mischte sich eine weitere Stimme ein. Das war wohl besser so, denn er hatte die Vermutung, dass seine Stimme einige Oktaven höher gewesen wäre als es angebracht war. "Alastor, Halphas, Amon. Was glaubt ihr, was ihr da tut?!" Er erkannte die Stimme, konnte sie allerdings auf Anhieb nicht zuordnen. Erst als sie näher kam, erkannte er sie. Es war Ankou. Ihre weißen Augen waren zu Schlitzen verengt. "Habt ihr wirklich nichts besseres zu tun als Kinder zu bedrohen?! Bei Alastor überrascht es mich nicht, aber von euch beiden hätte ich besseres erwartet. Wie enttäuschend." Amon und Halphas sahen für einen Moment tatsächlich so aus als würden sie sich ein wenig schämen, Alastor stieß ein leises Knurren aus. "Halt dich da raus, Weibsstück." "Eure Antwort ist Sexismus? Na, irgendwie müssen Männer sich ja wichtig fühlen.", kam die spöttische Antwort. "Und ich halte mich da nicht raus. Lasst ihn in Ruhe oder ich jage Euch einen Pfeil ins Herz." "Du drohst mir?", Alastor lachte. "Sieht so aus als müsste da jemand seinen Platz lernen." "Alastor-", begann Amon, doch wurde unterbrochen. "Ruhe!", fauchte Alastor und wandte sich wieder an die Dämonin. Diese schien nicht unbeeindruckt. Amon und Halphas schienen allerdings nicht von Alastors Verhalten angetan zu sein. Sie schienen sich sogar darauf vorzubereiten, dass er handgreiflich wurde. Ankou war dagegen das Musterbeispiel an Gelassenheit. "Ihr wisst, was Lord Satan gesagt hat. Wenn Ihr Hand an ihn legt, werdet Ihr sterben. Ist das Euren Stolz wert?" Der Dämon bleckte die Zähne und ging auf sie, jedoch zuckte sie nicht einmal mit der Wimper, dabei war sie vielleicht grad mal zehn Zentimeter größer als Koneko und er war ein Riese. "Du willst mir also erzählen, dass du ihm vertraust? Dann bist du so naiv wie deine Schwester und nicht für deinen Posten geeignet." "Ich vertraue ihm nicht hundertprozentig, aber ich bin bereit ihm eine Chance zu geben. Solange wir wachsam bleiben, gibt es keinen Grund sich Sorgen wegen ihm zu machen.", erwiderte sie ruhig. "Darum finde ich es auch sehr interessant, dass Ihr ihn so sehr fürchtet. Habt Ihr vielleicht einfach Angst?" 'Jetzt reicht's...sie bekommt sowas von einen Platz auf meiner Coolness-Liste.', legte Rin fest. Alastor lachte auf. "Du hältst dich wirklich für so clever, wie? Na egal, ich habe hier genug Zeit verschwendet." Er wandte sich ein letztes Mal an Rin. "Denk an meine Worte, Nephilim. Lord Satan mag eine Schwäche für seine Söhne haben, aber er kann dir nicht immer den Arsch retten. Das Gleiche gilt für deine unnützen Brüder und Leuten wie sie." Er nickte in Richtung Ankou, welche ihn mit verschränkten Armen und steinerner Miene beobachtete. Damit wandte sich der Vollstrecker um und ging. Amon und Halphas folgten ihm nach kurzem Zögern und warfen ihr entschuldigende Blicke zu. Erst als sie außer Sichtweite waren, erlaubte sich Rin aufzuatmen. "Tut mir Leid, dass dir das passieren musste. Alastor ist bei sowas leider unmöglich.", sprach ihn seine Retterin an. "Kein Problem, ich bin inzwischen an Dämonen, die mich umbringen wollen, gewöhnt.", antwortete er noch immer etwas angespannt. "Schätze mal, Paymons Warnung war begründet." Er meinte den Anflug eines Lächeln zu sehen, auch wenn es sofort wieder verschwand. Scheinbar war sie keine komplette Eisprinzessin. "Stimmt, du scheinst ein Talent darin zu haben, Ärger anzuziehen. Keine Sorge, deine Brüder haben das längst zum Volkssport gemacht." Sie seufzte. "Apropos, warum stehst du hier rum, wie bestellt und nicht abgeholt? Haben sie dich allen Ernstes alleine durch den Palast irren lassen oder bist du ausgerückt?" "Ich war mit Amaimon unterwegs, aber er wollte irgendwas holen, dass er liegen gelassen hat.", erklärte Rin. Die Wind- und Geisterdämonin verdrehte die Augen. "Typisch. Das einzige, was er nie vergisst, ist sein Süßkram." Rin zögerte kurz, doch er wollte wissen, was gerade passiert war. "Was sollte das eben? Was ist Alastors Problem?" Sie seufzte. "Mach dir nichts draus. Er, Halphas und Amon vertrauen dir nicht, weil sie glauben, dass du uns an die Exorzisten verraten willst. Halphas und Amon sind eigentlich vollkommen in Ordnung, sie machen sich nur Sorgen, weil sie sehr eng mit Iblis und Astaroth befreundet sind. Amon hat außerdem Frau und Kinder, da ist es kein Wunder, dass er besonders misstrauisch ist. Gib ihnen etwas Zeit und sie akzeptieren dich sicher. Was Alastor angeht..." Erneut seufzte sie. "Er hat nie besonders viel von deinen Brüdern oder Lord Satans Entscheidung keinen Krieg mit den Exorzisten zu beginnen, gehalten." "Was hat er denn gegen die Dämonenkönige?", fragte Rin verwirrt. "Er hat kann Aristokraten nicht ausstehen. Er hat früh seine Eltern verloren und auf der Straße gelebt. Die meisten Adligen haben nicht viel für 'Straßenratten' oder das gemeine Volk übrig, also haben sie ihm so oft sie konnten Probleme bereitet. Ein Schmied hat ihn später aufgenommen, wurde aber bei einem Konflikt zwischen zwei Adelshäusern getötet kurz nachdem Alastor der Armee beigetreten ist. Er musste sich immer alles erkämpfen und hart arbeiten, während die Reichen alles auf dem Silbertablett bekommen." "Das klingt zwar übel, aber ist keine Entschuldigung!", rief der Nephilim. "Und mit Satan kommt er klar?!" Er konnte sich noch nicht dazu bringen Satan als 'Vater' zu bezeichnen. Ankou sprach ihn glücklicherweise nicht darauf an. "Ich weiß. Was seine Beziehung mit Lord Satan angeht...es ist...kompliziert. Sagen wir es mal so: Lord Satan ist in gewisser Weise ein Freund, aber auch ein Rivale. Es gibt auch mehrere hartnäckige Gerüchte, dass Alastor einen Groll gegen ihn hegt, aber ich denke, dass solltest du deinen Vater selbst fragen. Wie auch immer. Streite die Vorwürfe nicht einfach ab, sondern zeige uns, dass wir dir vertrauen können. Es wäre wirklich schade, wenn ich dich töten müsste." Sehr beruhigend. Sie sah sich um. "Sollte Amaimon nicht langsam wieder kommen?" Rin öffnete den Mund, als der Erdkönig auch schon neben ihm auftauchte. "'Tschuldige, bin in Namrael rein gerannt und sie hat mich ewig bequatscht.", murmelte er und blinzelte als er Ankou entdeckte. "Was machst du denn hier?" "Deinen Job. Alastor ist ihm auf die Pelle gerückt.", kam die leicht verärgerte Antwort. "Oh...'Tschuldigung?" Rin und Ankou stießen gleichzeitig einen Seufzer aus. "Schon gut, aber wenn ich wegen sowas mal sterben sollte, werde ich dich als Geist heimsuchen!", grollte Rin. "....Na gut.", antwortete Amaimon. "Das ist nicht wie es funktioniert, aber gut.", seufzte Ankou. "Ich bin weg. Pass auf dich auf, Rin." "Danke für deine Hilfe." Sie nickte. "Kein Problem, aber lasse es besser nicht zur Gewohnheit werden." Damit verschwand sie in einer schwarzen Rauchwolke. ....................................................................................................... Je länger Satan die Blutjäger folterte, desto mehr musste er zugeben, dass sie ihn durchaus beeindruckten. Sie waren von den Befragern zusammengeschlagen und von Iblis auf verschiedene Art und Weise gequält worden. Nun standen sie dem Teufel selbst gegenüber und dennoch schafften sie es sich zusammenreißen. Bemerkenswert für ihr Alter. Es gab weitaus ältere Dämonen, die inzwischen zu seinen Füßen liegen und um Gnade flehen würden. Für ihn wäre es ein leichtes ihren Geist zu zerschmettern, aber dann wären auch seine Antworten verloren, also musste er Acht geben, es nicht zu übertreiben. Mittlerweile hatte er sogar einige bekommen, zumindest mehr oder weniger. Scheinbar hatten bereits ihre biologischen Eltern Lilith unterstützt und waren in der Rebellion ums Leben gekommen. Daraufhin wollte sie Rache. Als sie dann adoptiert wurden, nutzten sie ihre Möglichkeiten aus so gut sie konnten. Es war nicht einfach gewesen ihre Adoptiveltern zu täuschen, aber sie bereuten nichts. In die Blutjagd waren sie vor knapp 25 Jahren eingestiegen. Allerdings hatte Satan das Gefühl, dass sie an manchen Stellen logen oder gar die Wahrheit zurückhielten. Außerdem hatte er ein seltsames Gefühl, was sie betraf. Irgendwoher kannte er sie, aber diesmal ließ ihn sein normalerweise recht gutes Gedächtnis im Stich. Aym und Stihi waren inzwischen in Ohnmacht gefallen, also befahl er den Wachen sie zurück zu ihren Zellen zu schleifen. Morgen würde er sich die restlichen Antworten holen. ..................................................................................................... Als Rin und Amaimon endlich ankamen, waren einige der Dämonenkönige bereits eingetroffen. Astaroth saß auf seinem Platz, seine Füße lagen auf dem Tisch und in der Hand hielt er wieder seinen Dolch, welchen er diesmal schliff. Azazel starrte auf seinen Laptop, Egyn warf Astaroth einige missbilligende Blicke zu und Beelzebub las in einem Buch. Sie (außer Azazel) sahen auf als Amaimon und Rin eintraten. "Ihr seid beide noch in einem Stück?", fragte Astaroth verwirrt. "Scheiße, jetzt schulde ich Iblis 'nen Kasten Bier." "Ihr habt gewettet?", fragte Rin verblüfft. "Klar." Amaimon schlurfte zu seinem Stuhl und ließ sich hinein plumpsen, scheinbar nicht überrascht. Erneut öffnete sich die Tür, diesmal betraten Lucifer und Samael den Raum. Lucifer warf dem Fäulniskönig einen strengen Blick zu. "Astaroth, Füße vom Tisch." "Die machen den nachher eh sauber..." "Jetzt." Astaroth grummelte etwas vor sich hin, hörte allerdings auf den Lichtkönig. Samael setzte sich ebenfalls. Noch immer wirkte er ein wenig schlecht gelaunt, aber das hielt ihn nicht davon ab Rin dreckig anzugrinsen. "Schön, dass Amaimon und du euch vertragen könnt. Es wäre schade gewesen, wenn ich die nächste Runde verpasst hätte!~" Rin starrte den Clown nur an, ließ sich dann lieber wortlos neben Astaroth nieder. "Kein Kommentar?", stichelte der Zeitkönig. "Klar. Warum hast du so schlechte Laune?", antwortete Rin unschuldig. Samael erwischte die Frage im kalten, doch er ließ es sich nicht anmerken. "Ich habe leider keine Ahnung, wovon du sprichst, kleiner Bruder!~" Rin ließ nicht locker. "Warum bist du dann nicht so nervtötend wie sonst?" Der Zeitkönig wurde von den aufschwingenden Saaltüren geöffnet. Herein gestapft kam Iblis, welcher äußerst säuerlich drein schaute. "Ich. Hasse. Den. Tartaros.", fauchte er. "Hast du dich wieder verlaufen?~", frohlockte Egyn. "Klappe Iggy!" "Hey! Es ist nicht meine Schuld, wenn du dich nach all den Jahrtausenden noch immer nicht dort auskennst, Ibi!" "Iggy? Ibi?", echote Rin verwirrt. Astaroth öffnete den Mund, doch wurde von Iblis unterbrochen. "Denk nicht mal dran, Rothy!" "ARGH, ERNSTHAFT?!" 'Rothy. Was. Zum. Obst?!' Lucifer seufzte. "Amaimon konnte als Kind nicht Egyns Namen aussprechen, also hat er ihn immer 'Iggy' genannt. Iblis hat ihn dann damit aufgezogen, woraufhin Egyn ihm 'Ibi' verpasst hat, um es ihm heimzuzahlen. Als Astaroth das rausgefunden hat, hat er sie dann damit aufgezogen und sie haben ihn 'Rothy' genannt. " Rin machte einen gedanklichen Vermerk, keinen der Dämonenkönige je bei einem Spitznamen zu nennen oder ihnen gar selbst einen zu verpassen. Wenn es möglich war, die Namen von drei der mächtigsten Dämonen Gehennas, derartig lächerlich zu machen, wollte er nicht wissen, was sie ihm als Spitznamen geben würden. "Hast du die ganze Zeit damit verbracht den Weg raus zu finden, Iblis?", fragte Beelzebub. "Ne, hab' jemanden getroffen, der mir den Weg erklärt hat. Haben die ja schon am Kontrollpunkt versucht, aber nach der vierten Brücke hatte ich den Faden verloren. Hab' mich bis grad eben um ein paar Drachen gekümmert. Die haben mich zwar zweimal fast gefressen, aber zumindest drehen die nicht länger durch." 'Drachen? Ach, was soll's, mich wundert's nicht mehr.', dachte Rin resigniert. "Also hast du keine Ahnung wo Vater steckt?", erkundigte sich Lucifer. "Nein, aber ich schätze er wird die Blutjäger Alastor überlassen." "Alastor ist aber im Palast.", warf Rin ein. Die Baal (bis auf Amaimon) starrten ihn an, sogar Azazel hob den Kopf. "Woher weißt'n du'n das?", nuschelte er. "Ich bin ihm vorhin begegnet." "Wann?", fragte Lucifer scharf und sein Blick wanderte zu Amaimon, welcher reges Interesse an seinem Lollipop zeigte. Rin wurde bewusst, dass er gerade aus Versehen den Erdkönig verpetzt hatte. Etwas widerwillig erzählte er, was passiert war. Als er fertig war, sprang Egyn fast Amaimon an die Kehle. "DU HAST UNSEREN KLEINEN BRUDER ALLEIN MIT ALASTOR GELASSEN?!", kreischte er beinahe. Rin zuckte zusammen, die anderen waren es gewohnt, daher beeindruckte sie das nicht wirklich. Azazel, welcher sich vorsorglich die Ohren zugehalten hatte, nachdem Rin fertig mit Erzählen gewesen war, sah Egyn genervt an. "Musst du immer so hysterisch werden?" "Er hat ihn allein gelassen! Mit Alastor!", wiederholte der Wasserkönig entsetzt. "Ist ja nichts passiert...", versuchte Rin ihn zu verteidigen. "Es konnte es auch nicht wissen." "Es spielt ohnehin keine Rolle mehr, was geschehen ist, ist geschehen.", bestätigte Lucifer. Er wandte sich an Iblis und Astaroth. "Sprecht nochmal mit Amon und Halphas. Wir sollten außerdem Vater davon erzählen, damit er sich mit Alastor unterhält...und wir müssen uns bei Ankou bedanken." Er sah Rin an. "Solange wir da sind, kann Alastor nichts tun, aber provoziere ihn bitte nicht und wandere auch nicht allein umher." "Provozieren?! Ich stand da einfach nur rum! Soll ich mich nächstes Mal hinter dem Vorhang verstecken oder doch lieber aus dem Fenster klettern?!", knurrte der Nephilim. "Mach einfach einen Bogen um ihn.", empfahl Beelzebub. "Gerne." Wieder ging die Tür und endlich war es Satan, der den Raum betrat. Interessanterweise zog sich Rins Magen diesmal nicht zusammen. Immerhin ein Anfang. "Tut mir Leid, dass ich zu spät bin.", seufzte der Gott Gehennas. "Diese Blutjäger waren stur." "Gibt's dann jetzt Essen? Ich laufe auf dem Zahnfleisch.", grummelte Iblis. Satan verdrehte die Augen und wandte sich an Rin und Amaimon. "Ich hoffe ihr habt euch endlich vertragen?" "Also war es doch Absicht, dass du uns zu zweit losgeschickt hast.", stellte Rin fest. "Vielleicht.", antwortete Satan, in seiner Stimme schwang ein Hauch von Belustigung mit. Zehn Minuten später saßen alle am Tisch und es gab endlich Abendessen. Rin sah etwas bewildert seinen Teller an. Darauf lag ein Stück Fleisch, scheinbar das Gleiche, was er gegessen hatte als Azazel auf ihn aufgepasst hatte. Wenn er sich richtig erinnerte, war es Selkie Fleisch. Daneben lagen einige grau-schwarze Kugeln und irgendein blaues Kraut. Dazu gab es eine seltsame grüne Soße, zu trinken bekamen sie eine rote Flüssigkeit, welche Blut schrecklich ähnlich sah. Außerdem stand auf dem Tisch noch einige Schüsseln in denen grün-gelbe...Würmer...Raupen...Dinger lagen. "Ich glaube die bewegen sich...", wies er seine Familie unsicher hin. Astaroth griff in die Schüssel und nahm sich einige dieser Teile. "Lindwurm-Larven.", erklärte er. Rin erkannte nun, dass sie sich tatsächlich noch bewegten. "Iss den Kopf zuerst, dann finden sie den Weg allein.", fuhr der Fäulniskönig grinsend fort und steckte sich tatsächlich einige von denen in den Mund. Rin schaute ihm entsetzt zu, schaute dann auf die Schüssel und rutschte etwas weg. Nope. Not gonna happen. "Keine Sorge, die sind bereits tot. Das sind nur letzte Zuckungen." beruhigte ihn Beelzebub. "Das macht es nicht besser!", antwortete der Nephilim etwas verstört. "Also keine fleischfressende Skarabäus-Suppe für dich?", erkundigte sich Amaimon. Rin starrte ihn entsetzt an, Satan verdrehte die Augen. "Er zieht dich über den Tisch." "Dafür gibt's Manaia-Augen-Eintopf.", steuerte Azazel bei. Rin spuckte fast sein Essen aus. Diesmal bezeichnete es niemand als Witz. "Ich schätze, ihr habt hier kein Subway?", fragte er etwas verzweifelt. "Schön wär's.", murmelte Iblis. Rin fiel auf, dass er sein Essen hin und her schob. Satan warf dem Feuerkönig einen Seitenblick zu und seufzte. "Also gut, was ist jetzt wieder los? Du hattest dich doch beschwert, so großen Hunger zu haben." Iblis sah überrascht auf, offensichtlich aus seinen Gedanken gerissen. "Ich denke nur an etwas, was Stihi gesagt hat, mehr nicht." Rin wurde hellhörig. Wenn er sich richtig erinnerte, war Stihi eine der beiden Blutjäger, die Yukio angegriffen hatten." "Du solltest nicht alles was sie erzählen, glauben.", gab Lucifer zu bedenken. "Ist trotzdem komisch..." "Was hat sie gesagt?", hakte Satan nach. Iblis zögerte bevor er antwortete. "Du hast wirklich keine Ahnung, oder? Du hast keinen Schimmer was ihr uns angetan habt. Ihr lebt in eurem Palast und ignoriert alles, was euch Probleme bereiten könnte. Ihr nehmt was und wen ihr wollt und werft es weg, wenn es uninteressant geworden ist. Ihr seid widerlich." Satan, Rin und die Baal starrten ihn an. Schließlich durchbrach Egyn die Stille. "Das ist doch lächerlich, wir nehmen uns 'wen' wir wollen? Oder hat jemand was zu beichten?" "Ew...", murmelte Azazel. Rin war verwirrt, warum ew? Wahrscheinlich wollte er es nicht wissen. "Natürlich nicht, ich habe wirklich besseres zu tun.", schnaubte Samael. "Es war einfach das Geschwafel einer geistesgestörten Person oder sie wollte uns verunsichern. Wir sollten da nicht so viel drauf geben.", murmelte Azazel. Iblis zuckte mit den Schultern. "Vielleicht..." "Wie wäre es mit einem Themawechsel?", fuhr Beelzebub. "Ich will mich jetzt nicht wieder mit Arbeit beschäftigen. Wahrscheinlich werde ich in den nächsten Nächten ohnehin von Papierstapeln träumen." "Gute Idee, dann können wir uns gleich über Alastor unterhalten.", stimmte Lucifer zu. Satan runzelte die Stirn. "Was hat er jetzt wieder angestellt?" Auf das Drängen seiner Halbbrüder hin, erzählte Rin war vorgefallen war. Es war komisch Satan seine 'Probleme' anzuvertrauen. Der Dämonengott hörte mit einem nicht deutbarem Gesichtsausdruck zu und schien vor sich hin zu fluchen als der Nephilim fertig war. "Ich habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er die Pfoten von dir lassen soll, aber natürlich kommt er nicht über seinen Stolz. Eines Tages werde ich wirklich die Geduld mit ihm verlieren...", murmelte er verärgert. "Warum hast du ihn überhaupt zu deiner rechten Hand gemacht?", fragte Rin vorsichtig. "Alastor ist...kompliziert. Ankou hat dir ja bereits einiges erzählt. Er stieg rasant auf nachdem er der Armee beitrat. Irgendwann forderte er mich heraus." Das klang danach als hätte Alastor Todeswünsche gehegt. "Heißt?" "Wenn ein Dämon, egal welchen Ranges oder Abstammung der Meinung ist, dass ich schlecht regiere, kann man mich jederzeit herausfordern. Wenn er oder sie gewinnt, erhalten sie meine Flammen und somit den Thron Gehennas. Damit soll sichergestellt werden, dass der momentane Herrscher sich gegen derartige Bedrohungen wehren kann. Wir dürfen jede Waffe und Fähigkeit einsetzen, die wir wollen. Ich darf nur meine Flammen nicht benutzen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass noch niemand gegen mich gewonnen hat." "Was passiert mit den Verlierern?" Er war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte. "Sie sterben.", sagte Satan in einem Tonfall, in dem man normalerweise über das Wetter redete. Scheinbar glaubte man in Gehenna nicht an zweite Chancen. "Alastor war jedoch anders als meine bisherigen Gegner. Ich war sehr beeindruckt von seine Fähigkeiten und seiner Ausdauer. Er hat wesentlich länger durchgehalten als alle anderen. Also habe ich ihm einen Platz angeboten." "Du hast dem Kerl, der dich umbringen wollte, einen Job angeboten?!", fragte Rin fassungslos. "Ich habe mit dem Kampf seinen Stolz verletzt, aber er ist immer noch Soldat. Er respektiert Stärke und ich habe mir im Kampf seine Anerkennung verdient. Er handelt außerdem nicht in seinem eigenen Interesse, sondern im Interesse Gehennas. Darum hat er dich ja überhaupt erst bedroht. Du hast das Potenzial die Dämonen oder die Menschheit zu vernichten." Super. "Es gibt Gerüchte, dass er einen Groll gegen mich hegt, aber letztendlich ändert das nichts an seiner Loyalität zu Gehenna. Er ist damals auch nicht Lilith gefolgt, sondern ist mir treu geblieben. Momentan sehe ich keine Grund mir Sorgen um ihn zu machen, ich werde mit ihm reden und ihm klar machen, dass er sich von dir fernhalten soll." "Das hat ja auch super beim ersten Mal funktioniert...", murmelte Amaimon. Schweigen folgte, nur das gelegentliche Klappern des Bestecks war zu hören. Die rote Flüssigkeit in den Bechern hatte sich zudem als eine Art Saft herausgestellt. Plötzlich durchbrach Iblis die Stille. "Ach ja, bevor ich's vergesse. Da wir jetzt alle aufeinander hocken: habt ihr Lust heute mal wieder was trinken zu gehen?" Die Dämonenkönige sahen ihn überrascht an. "Es das nicht etwas kurzfristig?", fragte Beelzebub zweifelnd. "Abgesehen davon bin ich ziemlich platt." "Also ich hätte nichts gegen.", hielt Astaroth schulterzuckend dagegen. "Ist ja nicht besonders weit weg und ich nach diesen scheiß Tagen könnte ich Alkohol vertragen..." "Ebenfalls.", stimmte Egyn zu, sehr zu Rins Überraschung. "Denk dran Astaroth, du schuldest mir noch was.", warf Iblis grinsend ein. Amaimon bleib still, nickte jedoch. Lucifer zögerte und sah Samael fragend an. "Was sagst du?" "Wenn Iblis zahlt.", antwortete dieser grinsend. Rin verdrehte die Augen. Die Dämonenkönige waren wahrscheinlich stinkreich und Samael war immer noch knausrig...andererseits war das in Assiah nicht anders gewesen. "Dann bin ich wohl auch dabei.", seufzte Beelzebub und wandte sich an Azazel. "Na gut...", kam es leise von ihm. "Geht doch.", sagte Iblis und wandte sich an Rin. "Kommst du auch mit?" Die Frage überrumpelte den Halbdämonen. "Ich?" "Sitzt sonst noch wer auf deinem Platz?", fragte Astaroth augenrollend. Wollte er? Einerseits graute es ihm davor in ein Gebiet voller Dämonen zu gehen, andererseits war er im Palast auch von ihnen umgeben und er wollte endlich etwas anderes tun als immer nur in seinem Zimmer zu hocken. "Ich kann aber noch nichts trinken...", sagte er langsam. Iblis winkte ab. "Da finden wir schon was. Abgesehen davon sind wir immer noch da, dann kannst du schon mal was trinken. Du musst dir ja nicht gleich nen Armageddon in den Kopf kippen." "Na gut, dann schätze schon." Er hatte echt genug davon rumzusitzen. Die Baal sahen Satan erwartungsvoll an. Dieser runzelte die Stirn. "Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist..." "Wir sind die ganze Zeit bei ihm und die Bar ist nicht weit weg. Wir kennen die Leute dort und wir kommen auch nicht zu spät nach Hause.", versicherte Lucifer ihm schnell. "Abgesehen davon bekommt er allein in seinem Zimmer doch ne Vollkrise.", fügte Astaroth hinzu. "Er kann uns auch besser kennenlernen und sieht etwas von Gehenna.", mischte sich Egyn ein. Rin wusste nicht genau weswegen, aber als er zuhörte wie seine Halbbrüder für ihn Partei ergriffen, machte sich in ihm ein seltsames Gefühl breit. Er war nicht ganz sicher, was er war. Erleichterung? Freude? Verbundenheit? Egal, es war ein gutes Gefühl, welches an Zuhause erinnerte. Satan zögerte, doch schlussendlich gab er sich matt lächelnd geschlagen. "Na gut, ich schätze da spricht nichts gegen. Aber ich habe einige Bedingungen. Ihr bleibt die ganze Zeit bei ihm und ihr haltet euch mit dem trinken zurück. Ich habe keine Lust euch morgen aus dem Bett schleifen zu müssen." Sein Blick wanderte zu Azazel. "Und wenn sich einer von euch nochmal in die Flure- nein, wenn sich einer von euch innerhalb meines Palastes oder meines Gebietes übergibt, dürft ihr die nächsten zweihundert Jahre in ihren Zimmern Papierkram erledigen, kapiert?" Azazel schien auf seinem Stuhl zu schrumpfen, die anderen Baal nickten schnell. "Sollen wir dir irgendwas mitbringen?", fragte Beelzebub. "Nicht nötig. Ich trinke noch ein Glas und gehe dann schlafen." "Hast du uns nicht grad gesagt, dass wir uns mit Alkohol zurückhalten sollen? Du trinkst fast jeden Tag...", warf Lucifer vorsichtig ein. "Sag mir nicht, wie ich mein Leben leben soll." Während die Gespräche langsam wieder an Fahrt aufnahmen und Samael ein offensichtliches Alkoholproblem kommentierte, war Rin in Gedanken versunken. Stets wurde ihm gesagt, dass die Dämonen für das Böse in der Welt verantwortlich und somit die Wurzel allen Übels sind. Inzwischen begann er einzusehen, dass das alles Blödsinn war. Dämonen waren wie die Menschen, sie konnten Gutes und Schlechtes bewirken. Letztendlich war es eigentlich auch egal, denn als er sich die anderen am Tisch so ansah, musste er sich eingestehen, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig Zuhause fühlte und eine Familie hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)