Der rote Faden von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Der Plan ------------------- Romano konnte nicht loslassen. Es blieb vorerst das letzte Gespräch mit Isabel, nachdem er bei ihren Worten am Schluss feige geflüchtet war. Es war für den Anfang einfach zu viel gewesen, dass ausgerechnet dieses freche, kleine Mädchen seine Geliebte sein sollte.  Bisher hatte es ihn immer mindestens 17 Jahre ihres Lebens gekostet, sie wieder zu finden. Sie gleich auf Anhieb in ihrer Kurzlebigkeit zu treffen, war sehr ungewöhnlich. Es wollte nicht in seinen Kopf hinein, dass es diesmal derart einfach sein sollte.  Aber der Faden war unverkennbar zwischen sie beide gespannt und wann immer er ihr zu nah kam, verband dieser ihre beiden Existenzen miteinander, sodass er sich unweigerlich verstecken musste, weil sie sich suchend umsah. Romano wollte nicht erkannt werden. Für gewöhnlich beobachtete er seine Geliebte und sammelte Informationen, wie er am besten mit ihr ins Gespräch kommen konnte, weil die Holzhammermethode schon vor Jahrhunderten eher das Gegenteil bewirkt hatte.  Früher war er oft von anderen verprügelt worden, weil Romano sich an ihrem Eigentum verging, auch wenn es sich nur um Gespräche handelte. Andere Jahrhunderte, andere Sitten. Heutzutage war nichts dergleichen zu befürchten, aber das bedeutete nicht, dass es nun einfacher war.  Wie konnte es auch, wenn seine große Liebe ein verdammtes elfjähriges Kind war?  Geduld hatte er ohne Zweifel, aber es war ein seltsames Gefühl, nur zuschauen zu können. Wann war der richtige Zeitpunkt, sie an seiner Wahrheit teilhaben zu lassen? Sie schien seine Geschichte zu glauben, aber war das auch noch der Fall, wenn sie wusste, dass es um sie ging?  Es stimmte zwar, dass Kinder fantasievoller waren als erwachsene, aber irgendwann würde Isabel ihn doch für verrückt halten. Oder das Gesetz würde einen Keil zwischen sie beide treiben. Welches Elternteil fände es nicht seltsam, wenn ein erwachsener Mann von 20 Jahren sich plötzlich intensiv für seine Tochter interessierte? Es brauchte also etwas Fingerspitzengefühl.  Romano schloss die Augen und kramte sein Smartphone hervor. Glücklicherweise brauchte man heutzutage nicht viel mehr als eines dieser Dinger, um bedient zu sein. Von dieser technischen Entwicklung hätte er damals nicht zu träumen gewagt. Die einzige Erfindung, die es zu seiner Zeit gab, waren Dinge wie Brillen oder bestimmte Kleidungsstücke. Vom Buchdruck war seine ursprüngliche Generation noch weit entfernt.  „Okay, google…“  Er fand einige Informationen, wie er seinem ‚Schwarm‘ unauffällig näher kommen konnte, aber es widerstrebte ihm in diesem Fall überhaupt diesen Gedanken in Betracht zu ziehen. Im Grunde seines Herzens wollte er mehr über sie erfahren, um eine Möglichkeit zu finden, sie in den nächsten Jahren besser kennenlernen zu können.  Es musste ein Zeichen sein, dass er sie durch Zufall in diesem Park so problemlos gefunden hatte. Einen Moment lang dachte er darüber nach, was er denn nun anstellen wollte und so kam ihm ein ganz anderer Gedanke. Sie war bei ihrem ersten Treffen schon soweit gewesen, ihm zu helfen. Wenn er die Wahrheit verschleierte, konnte er sicher auf ihre Mithilfe zählen. Immerhin glaubte sie sowieso, dass sie als Hilfe auserkoren war, warum sollte er das nicht für sich nutzen?  Er wartete am folgenden Tag im Park, den sie jeden Tag auf dem Weg von der Schule nach Hause passierte. Isabel ließ nicht lang auf sich warten und winkte ihm von weitem bereits zu, mit einem Buch an die Brust gepresst, wie jeden Tag. „Hola“, begrüßte sie ihn. „Hast du dir doch überlegt, mir nicht mehr aus dem Weg zu gehen?“  „Hey, Balg“, grüßte er sie und grinste schief. „Mein Name ist Isabel!“, empörte sie sich, ließ sich aber trotzdem auf der Bank neben ihm nieder. Nachdem sie einander einige Sekunden lang angeschwiegen hatten, öffnete sie ihr Buch und zog ihre Knie an sich, um das Buch auf ihren Knien zu balancieren.  „Das machst du also den ganzen Tag? Hier sitzen und lesen? Wird das nicht langweilig?“, fragte Romano nach einer gefühlten Ewigkeit. Isabel sah mit gerunzelter Stirn auf. „Das ist nun mal der schönste Ort, um zu lesen“, gab sie zu.  „Was sagen deine Eltern dazu?“ Romano löcherte sie ein wenig, weil sich die Gelegenheit ergab.  „Meine Eltern sind beide arbeiten. Sie kommen erst spät abends nach Hause und bis dahin bin ich fertig mit dem Buch“, antwortete Isabel und nickte dem Buch zu.  „Und was ist mit den Hausaufgaben?“  „Die habe ich in der Hausaufgabenhilfe gemacht.“  Romano verschränkte die Arme vor der Brust und stieß ein lautloses Seufzen aus.  „Hast du deine Geliebte noch nicht wiedergefunden?“, murmelte Isabel schließlich und legte das Buch zur Seite. Endlich ein Thema, das Romano weiterbrachte!  „Nein, das gestaltet sich seit Jahrhunderten sehr schwierig. Wenn es innerhalb eines Tages ginge, wäre ich sicherlich nicht so verzweifelt.“ Er lächelte überheblich, doch er war sich sicher, dass es nicht den gewünschten Effekt hatte.  „Verzweifelt wirkst du aber nicht“, stellte das Mädchen fest. Verdammtes Gör. „Warum sollte ich es auch jedem unter die Nase reiben, hm?“, konterte er und kickte einen Stein in Richtung der Enten, die in einer Formation an der Parkbank entlang liefen und an Geschwindigkeit aufnahmen, als sie eine Bewegung hinter sich registrierten.  „Weil es wichtig ist, die Wahrheit zu sagen.“ Isabel betrachtete die auseinander getriebenen Enten und ihre Entenküken. „Vielleicht hat dich der Zauberer ja zu Recht verflucht, weil du zu viel lügst. Mama sagt immer, Lügen haben kurze Beine.“  Romano warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. „Wenn du nur wüsstest…“, dachte er bitter.  „Warum lachst du?“, fragte Isabel irritiert und legte den Kopf schief.  Romano verteufelte Kinder für ihre Neugier, aber er war kein Unmensch und antwortete darauf. Hier handelte es sich nicht nur um irgendeinen Kind, sondern um seine Isabel. „Ich weiß nicht warum wir verflucht wurden, aber ich kann dir versichern, dass er uns nicht wegen einer solchen Kleinigkeit verflucht hat.“ Obwohl sich Romano an die genauen Umstände nicht erinnerte, war er sich zumindest dessen sicher.  „Manchmal tun schon kleine Dinge weh“, erklärte Isabel und ließ ihren Blick über die Spazierenden wandern. Die allermeisten schenkten ihnen beiden ein Lächeln, von dem sich Romano sicher war, dass es ausschließlich an Isabel gerichtet war. „Wenn ich mich an einem Blatt Papier schneide, tut es mehr weh als wenn ich hinfalle.“ Sie entblößte mit einer Hand eine Schürfwunde auf ihrem Knie, die ziemlich schmutzig war und blutete.  „Was hast du angestellt?“, fragte Romano, diesmal ernsthaft besorgt. Er wusste, dass Kinder stürmisch sein konnten, aber weil es sich um seine Isabel handelte, störte ihn diese Wunde.  „Das ist beim Spielen passiert. Ich war nicht schnell genug am Klettergerüst und bin hingefallen.“  Romano hatte das Gefühl, dass sie nicht ganz ehrlich war, aber weil er das nicht beweisen konnte, schwieg er nur.      „Lügen ist eine Sünde“, säuselte Antonia und schlug ihm verspielt auf den Oberarm.  „Na warte!“ Romano packte sich seine Angebetete und kletterte auf ihren Schoß, sodass er sie an den Handgelenken packen konnte und ins Gras drücken konnte. „Mal sehen, was du dazu sagst.“ Er platzierte einen Kuss auf ihrem Hals und saugte sich sanft auf ihrer Haut fest.  Antonia stöhnte erschrocken auf und fing im gleichen Moment an zu lachen. „Hör auf, Roma!“ Sie machte aber keine ernsten Anstalten, ihn fortzuschieben, als er für einen Moment inne hielt und seinen Griff um sie lockerte, um ihr die Chance zu geben, sich von ihm zu befreien.  „Gefällt dir das etwa nicht?“, neckte er sie zurück und verbiss sich sanft in ihrer Schulter.  „Wieso sollte mir das…“, stammelte sie gespielt empört, „ gefallen? Du bist ein Ferkel, Roma! Was ist, wenn uns Roberto findet? Und wehe du machst mir einen Knutschfleck, dann setzt’s  was!“ „Lass das mal meine Sorge sein“, flüsterte Romano ihr ins Ohr und platzierte einen unschuldigen Kuss auf ihren Lippen. „So viel zum Thema Sünden…“   „Hallo?“  Als er seine Erinnerungen hinter sich ließ, bemerkte er die kleine Hand, die vor seinem Gesicht hin und her geschwenkt wurde.  „Hm?“, machte er nur.  „Du bist also doch noch da“, grinste Isabel. „Ich muss jetzt nach Hause, bin aber morgen wieder da. Ich wollte mich verabschieden.“  Wo war die Zeit geblieben? Romano rieb sich übers Gesicht. Sie hatten die meiste Zeit mit Schweigen verschwendet, aber es war seine Schuld, wenn er sich in Erinnerungen verrannte. „Dann bis morgen“, antwortete Romano überraschend sanft und hob seine Hand zur Verabschiedung.  „Bis morgen… ähm… wie heißt du eigentlich?“ Isabel zog eine Grimasse und lehnte sich so dicht zu Romano hinüber, dass er den feinperligen Schweiß bemerkte, der sich auf ihrer Stirn sammelte.  „Romano.“ Nachdenklich beobachtete er, ob sie irgendeine Reaktion zeigte oder sie ebenfalls von Erinnerungen überflutet wurde - wie er manchmal - doch nichts dergleichen geschah.  „Gut, bis morgen dann, Romano.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, dass ihm ebenfalls eines auf Gesicht zauberte.  „Bis morgen Isabel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)