Der Preis der Magie von abgemeldet (Die Wächterin) ================================================================================ Kapitel 12: Nestflüchter ------------------------ »Not zeugt ihre Helden.« * * * Ich kam mir vor, wie ein kleines Kind, das seinem sicheren Bau entflohen war. Der Schmerz in meinen Rippen und Gliedern zog sich wie ein wütender Blitz immer wieder durch den Körper und schlussendlich in den Kopf ein. Ich war wie benebelt und konnte meine Freude über Alistairs Unversehrtheit kaum ausdrücken. Stattdessen ertappte ich mich dabei, wie meine Gedanken abschweiften. Nur ein kleines bisschen Magie, dachte ich. So viel könnte ich in meine Genesung hineinstecken, doch ich spürte das Mana nur schleichend in mir, es wollte sich kaum regenerieren. Ich wusste, was auf mich wartete, wenn ich es vollständig entlud und in Anbetracht der Umstände konnte ich es mir kaum leisten, erneut in Ohnmacht zu fallen. Die vollständige Entladung allen Manas war zumeist nur eine Strafe für diejenigen Magier, die es gewagt hatten, aus dem Zirkel zu entfliehen, doch bisweilen konnte es beim Lernen ebenfalls geschehen, dass man sich derart verausgabte. Dann wurde einem ganz mulmig und die Knie wurden weich, bis man schlussendlich unwahrscheinlich fieses Herzklopfen hatte. Mir war es erst einmal widerfahren, aber ich kannte die Anzeichen nur zu gut. Ich wusste, dass mein Körper nicht viel mehr Entladung aushalten konnte, doch belästigen wollte ich weder Morrigan noch ihre Mutter, nachdem was sie für uns getan hatten. Sie hatten uns aus Ostagar gerettet, bevor die dunkle Brut uns hinterrücks brutal töten konnte. Offenbar hatte es einen Zugang vom Schlachtfeld gegeben, wo der Krieg getobt hatte. Die Brut hatten sich ihren Weg über Wochen gegraben und es schien, als hätte keiner auch nur etwas bemerkt. Alistair insistierte, dass Duncan uns nie im Leben zum Turm geschickt hätte, wäre er nicht sicher gewesen, dass wir dem gewachsen waren. Stattdessen wurde ich lebensgefährlich verletzt. Alistair und Cullen dagegen waren mit einigen Pfeilverletzungen davon gekommen und obwohl sie gut versorgt waren, glaubte ich keinem von beidem ein Wort, als sie darauf bestanden, sie würden sich fabelhaft fühlen. Ich konnte selber kaum einen klaren Gedanken fassen, während immerzu ein Schmerz mich durchfuhr. Morrigan schien es bemerkt zu haben, denn sie tätschelte meinen Arm. »Ihr seid töricht, wenn Ihr glaubt, dass Ihr stark sein müsst. Ihr wärt beinahe gestorben, Wächterin«, flüsterte sie mir zu und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. »Ihr werdet vermutlich noch lange damit zu kämpfen haben, dass ihr nicht einmal den Stab tragen könnt.« Nachdenklich nickte ich und spürte, wie sie versuchte, mir etwas von ihrem Mana zu übertragen. Offenkundig war sie also in der Heilmagie weniger gut bewandert als ihre Mutter, sonst hätte sie mich einfach geheilt. Dankbar legte ich meine Hand auf die Brust und versuchte, mich zu regenerieren, doch ich stieß auf Widerstand. Womöglich hatte sie Recht und ich war vorerst unfähig zu zaubern. »Es ist mir unbegreiflich, wie Loghain ihn so hinterrücks betrügen konnte«, hörte ich Alistair entfernt sagen und Flemeth stand neben ihm, warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Könige wurden schon aus geringerem Anlass vom Thron gestoßen. Ein Mord, den er anderen zuschieben kann, ist klug dazu, mein Junge«, murmelte die Alte. »Das ist grausam und ganz sicher nicht klug. Wer will ihm denn Glauben schenken?«, widersprach Alistair und starrte auf den trüben See hinaus. »Ich kann und will nicht akzeptieren, dass er sich einfach davon stiehlt. Der Orden war meine Familie und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie er den Rest Fereldens auch noch in die Finsternis stürzt.« Ich konnte es ihm nachfühlen. Ich hatte mich ebenso betrogen von Jowan gefühlt, obwohl dies wohl das schlimmere Schicksal von beiden war. Jowan hatte allerhöchstens unsere Freundschaft verraten und niemand war zu Schaden gekommen außer seiner Geliebten Lily, doch Loghain hatte Menschenleben auf dem Gewissen. Zu viele, um einfach darüber hinweg sehen zu können und es würden noch viele mehr werden, wenn die Brut die ersten Dörfer erreicht hatte.  »Wir werden nicht zusehen«, versprach ich dem älteren Wächter und nickte ihm aufmunternd zu. »Wir haben doch diese Verträge, nicht wahr? Mit denen können wir doch Hilfe anfordern!« Alistair hatte mir in der Wildnis erzählt, was es mit den Verträgen auf sich hatte und im Grunde konnten wir damit verschiedene Parteien bitten, uns im Kampf gegen die Brut zur Seite zu stehen: die Elfen, die Zwerge, die Magier, die Templer und die Ritter der jeweiligen Bannorns beispielsweise. Mir war zwar nicht im entferntesten klar, wie wir mit den Gruppierungen eine Armee gewinnen würden, die der der dunklen Brut ebenbürtig war, doch den Kopf in den Sand stecken konnten wir auch nicht. Das Gesicht des Kriegers erhellte sich und er packte mich bei den Schultern. »Emiya, das ist brillant!«, rief er erfreut und ich unterdrückte ihm zu liebe jeden Ausruf des Schmerzes, der in mir aufstieg. Ich seufzte erleichtert als er mich losließ und ehe ich mich versah, hatte sich Alistair bereits vollständig in den Plan hineingesteigert. »Wir könnten den Arl von Redcliffe um Hilfe bitten«, dachte er weiter. »Er ist mit dem König verwandt und hat gewiss den Wunsch, dass der Mörder seines Neffen bestraft wird. Außerdem ist er beliebt beim Volk. Wir könnten seine Hilfe gebrauchen!« Da war Feuer in seinen Augen und offenbar fiel es nicht nur mir auf, denn Cullen warf mir ebenfalls einen verwunderten Blick zu. »Das klingt für mich, als wolltet Ihr eine Armee rekrutieren«, ging Flemeth dazwischen und lächelte heimtückisch. Ich konnte nicht umhin, zu denken, dass sie nur darauf gewartet hatte, dass dieses Gespräch ausbrechen würde, denn sie stand eine ganze Weile schweigend bei uns und ausgerechnet nun erhob sie das Wort. »Für eine Armee braucht es weit mehr als ein paar Männer, die sie dort entbehren könnten«, vermutete Cullen nachdenklich und verschränkte die Arme. »Ich bezweifle, dass sie uns mit offenen Armen einfach alles geben, was wir brauchen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie die Männer und Frauen zur eigenen Verteidigung brauchen, da die dunkle Brut auf dem Vormarsch ist.« »Ihr seid ein Schwarzseher, aber das ist für einen Templer auch nicht ungewöhnlich«, murmelte die alte Hexe und warf ihm einen bösen Blick zu. »Ihr habt zwar diese sanften Augen, aber Euer Geist ist wach und zu allem fähig, mein Junge.« Sie fischte in ihrem Mantel nach etwas und reichte es Cullen. »Ihr Templer seid Anbeter Andrastes und doch zerstört Ihr, was sie für die Elfen und Magier wollte: Freiheit.« Cullen hob den Anhänger, den sie ihm gegeben hatte in die Höhe und begutachtete ihn gründlich. Ich trat neben ihm, von der Neugier gepackt und sah den Sovereign, der von der Sonne durch die Baumgipfel beschienen wurde und Andrastes Gestalt zeigte. Gerade als er Flemeth das Stück zurückgeben wollte, lachte sie leise. »Behaltet es, mein Junge. So lange, bis Ihr wisst, dass die Welt mehr Farben hat als Schwarz und Weiß.« Sie besah ihn mit einem amüsierten Blick und rief dann nach ihrer Tochter, die sogleich angelaufen kam. »Ja bitte, Mutter? Die Suppe kocht bereits – haben wir heute Gäste oder werden wir allein speisen«, wollte die Dunkelhaarige wissen. »Nichts dergleichen, mein Kind. Ich habe eine andere Aufgabe für dich auserkoren, wie es scheint.« Sie sah zu uns hinüber erwartungsvoll und mit gerunzelter Stirn. »Ihr braucht eine Armee, das bedeutet, dass Euch jede Hilfe ereilen kann, die ihr bekommen könnt. Für die Bürde, die ich hatte, Euch zu retten, möchte ich im Gegenzug, dass Ihr meine Tochter mitnehmt auf die Reise. Sie ist eine fähige Magierin und ein hilfreiches Mädel. Sie wird sowohl Wissen beisteuern als auch geistreiche Kommentare.« »Moment bitte, Mutter. Wann habe ich dem zugestimmt?« Morrigan hob ihre Hände an die Hüften und sah ihre Mutter entgeistert an. Allerdings nicht weniger entgeistert als wir, die dem Spektakel ebenfalls zusehen durften. Morrigan kam mir nicht gerade wie eine Person vor, der man einfach vertrauen konnte. Sie wirkte schrullig und geheimnisvoll – sie war nicht gerade ein Mysterium, das ich zu entschlüsseln vermochte. Ganz zu schweigen von Alistair, der zuvor, als wir zurück im Ostagar Camp gewesen waren, laut am Schimpfen war über die selbsternannte Hexe der Wildnis. »Du wolltest schon immer die Wildnis verlassen, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. So musst du nicht allein auf Wanderschaft gehen und erfüllst sogar einen Zweck. Oder willst du, dass die Brut kommt und mich dahin rafft? Das wird die Verderbnis mit Freuden tun, mein Kind«, bestand Flemeth auf ihr Anliegen und sah uns dann eindringlich an. »Für Euch sollte es wohl kaum zu viel verlangt sein. Sie kann auch schweigen, wenn es Euch beliebt.« »Sie kann durchaus etwas beisteuern«, platzte es mir heraus, die, freundlich wie ich war, das Angebot von Flemeth kaum ablehnen konnte, obwohl Alistair mich direkt zur Seite zog. »Wollt Ihr wirklich diese... Hexe mitnehmen? Können wir Ihr überhaupt vertrauen?« Ich schwieg, denn diese Frage konnte ich ihm wohl kaum beantworten, wenn ich mir zuvor dieselben Fragen gestellt hatte, doch er erwartete eine Antwort. Glücklicherweise konnte Cullen uns – beiden wie es schien – eine plausible Lösung nennen. »Haben wir denn eine Wahl? Wir brauchen jede helfende Hand«, sprach er uns ins Gewissen und ich musste schlucken. Er hatte ja Recht. Ich sah zu Flemeth hinüber und lächelte unsicher. »Wir nehmen Euer Angebot an, Flemeth. Gemäß Morrigan möchte uns folgen.« Alistair gab zwar ein protestierendes Schnauben von sich, doch das beeindruckte die dunkle Hexe wohl kaum. »Ich habe kaum eine andere Wahl, wie mir scheint«, murmelte die Tochter unruhig. »So würde ich nun denn mein Gepäck zusammen suchen. Je eher wir aufbrechen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Lothering vor der Brut erreichen, denn wir brauchen Vorräte.« Mein Herz pochte bei dem Gedanken. In Lothering hatte ich Familie, daher war es gerade notwendig, dort einen Zwischenstopp zu machen. Flemeth sprach nur noch wenige Worte zu uns und Alistair, Cullen und ich sahen uns an. Für uns hatte diese Reise ungeahnte Folgen, denn wir waren vollkommen auf uns allein gestellt. Ich wusste zwar nicht, wie es den anderen beiden erging, aber ich fühlte mich trotz meines Alters gerade erst den Kinderschuhen entwachsen und alles, was vor uns lag war schwer wie ein großer, drohender Ballon aus Tod und Vernichtung, wenn man die jüngsten Ereignisse bedachte und ich war ganz und gar nicht darauf vorbereitet, gegen diesen Feind anzutreten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)