Der Preis der Magie von abgemeldet (Die Wächterin) ================================================================================ Kapitel 9: Der Turm von Ishal ----------------------------- Der Turm von Ishal   »Was bleibt, entscheiden wir selbst – mit jedem unserer Worte – mit jeder unserer Taten.« * * * Die Dunkelheit kam schneller als erwünscht und ein Gewitter zog auf. Als wüsste der Himmel, welche Schlacht auf uns warten würde, schossen Blitze drohend durch die Luft. Vierzehn geschätzte Takte später folgte ein fürchterliches Donnern, das mir durch Mark und Bein ging. Gewitter hatte mich immer geängstigt, aber unter freiem Himmel fühlte ich mich hilflos ausgeliefert.  Mein ganzer Körper zitterte vor Angst und ich konnte kaum gerade gehen, taumelte eher, als alles andere. Der Regen, der vom Himmel fiel nahm mir die Sicht auf die Ferne, als wir die Brücke zum Turm Ishal überqueren wollten.  Cullen lief neben mir, Alistair vor uns und wir schlichen uns an den Bogenschützen vorbei auf die andere Seite hinüber, zum Turm. Dort sollten wir ein Leuchtfeuer entzünden, das für den Regenten des Königs ein Zeichen zum Angriff in die Flanke der Horde der Brut sein würde. Alistair kannte das Signal und wir hatten noch Zeit, aber wir wollten dennoch nicht trödeln. Aus der Ferne hörten wir monströses Brüllen und das Einschlagen von Felsbrocken auf der Brücke. Der Boden unter uns bebte gefährlich. Mein Herz pochte drohend schneller in meiner Brust, der Atem blieb mir weg, während ein Stein unmittelbar vor uns einschlug und einige Bogenschützen von den Füßen riss. Einer von ihnen stürzte in die Tiefe und schrie um sein Leben. Ich konnte nur einen kurzen Blick erhaschen, bevor Cullen mich am Arm zog und mich weiter voran trieb. Ich spürte, wie die Luft um mich herum knisterte und meine Magie auf die Angst reagierte, die mich zu übermannen schien. ›Bleib ruhig‹, sagte ich mir, mehrfach, doch mir brach der blanke Angstschweiß aus. Die Brut in der Wildnis war ein Vorgeschmack auf das gewesen, was uns hier erwartet hatte, doch das hier war mit nichts zuvor zu vergleichen gewesen. Entsetzt stolperte ich Cullen hinterher, der meine Hand in seine gefasst hatte. Der Geruch von Feuer und Rauch lag in der Luft, von der Dunkelheit verschlungen war mein Mut nur eine zarte Erinnerung. Niemand würde die Zeit anhalten, um uns die Möglichkeit zu geben, die Situation überblicken zu können. Alles was ich spürte war wirklich und ausnahmslos gefährlich. Die kleinste Unachtsamkeit konnte mein Untergang werden. Die Erkenntnis trieb mir die Tränen in die Augen, die Knie schlotterten mir vor Angst. Schmerzhaft pochten die Seitenstiche vom schnellen Laufen und ich keuchte, versuchte mich zu beruhigen, verlangsamte meine Schritte und riss mich aus Cullens Hand los. Das war nur eine einfache Mission sagte ich mir, mit der dunklen Brut würde unsere Truppe gar nicht in Kontakt kommen. Doch da war dieses dumpfe Gefühl in meinem Magen, das mir sagte, dass etwas ganz und gar schief laufen würde. So war es doch immer, nicht wahr? Wenn man nicht damit rechnete, kam der große Knall. Ich biss mir auf die Zunge, als ich von weitem schon einen Krieger vor dem Turm kämpfen sah. Alistair kannte den Mann offenbar, denn er rief ihm etwas zu, das ich bei dem Lärm kaum verstehen konnte. Dann stach der Krieger mit seinem Schwert der Kreatur, mit der er gerungen hatte, in den Kopf und sie sackte vor ihm zusammen. »Ein Überfall«, hörte ich den Fremden sagen und Alistair lief an ihm vorbei, sein Schwert und Schild erhoben. Gemeinsam liefen wir das Podium hinauf zum Turm von Ishal. Dunkle Brut befand sich knapp vor uns, mit den Wachen des Turms kämpfend. »Verdammt«, hörte ich Alistair rufen. »Sie sind überall!« Ich lockerte meinen Stab aus dem Halfter und schickte kleine Blitze auf die Körper der Dunklen, die mit den Wachen kämpften. Ich spürte, wie meine Finger unter der Aufregung kribbelten und einige Blitze daneben trafen. Weit ausholend schwenkte ich meinen Stab und traf einen der Genlocks am Kopf, der taumelte zurück und ließ von seinem Ziel ab. Der Krieger mit dem die Kreatur gekämpft hatte, sank zu Boden und ich schlug erneut nach dem Monster. Es riss seine verfaulte Schnauze auf und brüllte mich an, sodass ich zurückschrak. ›Lass dich nicht davon einschüchtern‹, sagte ich mir erneut und wartete, bis die Kreatur einen Angriff startete. Ich wusste schon ganz genau, wie ich ihn außer Gefecht setzen würde und warf meinen Stab zu seinen Füßen nieder, ganz wie ich es mir von Duncan abgeschaut hatte. Irritiert sah das Monster zu Boden und war für die nötige Sekunde abgelenkt. Ich legte meine gespreizten Finger an seine Stirn und jagte ihm heiße, pulsierende Blitze durch den Körper, die sein verderbtes Herz anhalten würden. Er sackte zusammen wie sein Opfer vor ihm, dann nahm ich meinen Stab wieder auf und folgte Alistair und Cullen, die bereits einen Magier der dunklen Brut mit ihren Schwertern bearbeiteten. Gemeinsam war es uns ein Leichtes, uns im Turm nach oben durch Dunkle Brut hindurch zuschlagen obwohl doch mehr Brut eingedrungen war, als wir gedacht hatten. Wir erfuhren auch den Grund, denn offenbar hatten sie einen Tunnel gegraben, um uns aus einem Hinterhalt angreifen zu können. Es war mir unbegreiflich, wie diese Kreaturen überhaupt eine Strategie entwickeln konnten. Wir peitschten voran, denn wir waren schon deutlich zu spät für das Leuchtfeuer, das Signal der Grauen Wächter war längst erklungen. Alistair hetzte uns und obwohl ich vollkommen außer Atem war und mir der Schädel brummte, konnten wir uns mit Hilfe von einigen Mabarihunden, die noch in ihren Käfigen fest saßen, bis zur Spitze durchkämpfen.   * * * Der Boden unter uns vibrierte gefährlich, als eine riesige Kreatur sich zu uns umdrehte, während die schwere Tür zur Turmspitze ins Schloss fiel. Ich hatte so etwas bisher nur in Büchern gelesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass dies ein Oger war. Die Hörner und das große Maul mit den spitzen Zähnen waren ein markantes Zeichen dafür. »Aufteilen!«, rief Alistair erschrocken und wir taten wie uns geheißen. Wir mussten das Feuer sobald wie möglich zünden, also warfen wir all unsere Bedenken über Bord und attackierten das Monster mit vereinten Kräften, etwas anderes blieb uns kaum übrig. Es fixierte sich zunächst auf Alistair und dieser konnte die Schläge nur mühevoll parieren, denn er besaß nicht die Wucht der Kreatur. Also rief Cullen der Bestie entgegen und schwerfällig folgte der Oger nun dem Templer. Ich warf fortlaufend Blitze in die Richtung der dunklen Brut, aber er schien sich wenig dafür zu interessieren, also fokussierte ich meine Magie stattdessen. Vielleicht war ein starker Schlag effektiver als die vielen Kleinen... Ich nahm eine Phiole mit magischen Wirkungsfeuern von meinem Gürtel, die ich im Lager gekauft hatte und zog den Korken mit meinem Mund heraus, nur um das Ungeheuer anschließend damit zu benetzen. Es würde nun brennen und hoffentlich bald verenden. Ich wartete einen Moment, doch stattdessen galt seine Aufmerksamkeit nun mir und unter den schweren, bebenden Schritten stolperte ich davon, während es mir ungeachtet der Brandwunden folgte. Der Raum war nicht groß genug und so hatte er mich bald erreicht. Die blanke Panik packte mich und ich ballte meine Hand zur Faust. Das taube Kribbeln in meinem Arm war ein weiteres Anzeichen, dass meine Magie sich bald entladen musste und ich blieb stehen, weil er mich in die Enge getrieben hatte. Der Oger griff nach mir und ich konnte gerade so ausweichen, sprang zur Seite und verletzte mir dabei das Knie. Ich hatte nicht genug Zeit, mich zu bemitleiden oder Schmerz zu empfinden, denn das Monstrum hob seine großen Hände, um erneut nach mir zu fassen. Er ließ sich auch nicht von Cullen und Alistair ablenken, die beide auf ihn einhieben, stattdessen hatte er mich als sein Opfer auserkoren.  Ich zog mich an der Steinwand hoch und konnte gerade einem weiteren Schlag des Ogers entgehen, aber er traf die Wand und hinterließ einen Krater, sodass abgebröckelte Steine durch die Luft flogen.  Einer davon erwischte mich, er war nicht gerade groß, aber nun lief mir Blut die Stirn hinunter und ich konnte den Blick vom Blut an meinen Händen kaum loslösen. Das Mana in mir floss beständig und kribbelte an meiner Haut, versuchte, die Wunden zu heilen.  Ich fokussierte das Mana in meine Hände und versuchte zumindest, die Wunde am Kopf zu versorgen, doch der Oger startete seinen nächsten Angriff. Er wollte mich nicht in Ruhe lassen und mit Schrecken stellte ich fest, wie er einen dicken Brocken Fels nahm und ihn in meine Richtung schleuderte.  »Emiya, Vorsicht!«  Nur am Rande hörte ich Alistair, wie er schrie, doch seine Versuche, die Aufmerksamkeit vom Monster auf sich zu lenken scheiterten. Die Brut reagierte unweigerlich auf meine Magie. Dem Felsbrocken konnte ich zwar ausweichen, schlitterte bei dem Versuch allerdings über den Steinboden und riss mir die Knie und Ellbogen auf. Das war vielleicht der Fehler gewesen, denn als ich mich aufrappeln wollte, reagierte mein Körper nur unter großen Schmerzen und langsamer als notwendig.  Der Oger war schneller als ich und fasste mich grob mit einer Pranke, um mich in die Luft zu heben. Ich spürte förmlich, wie einige Rippen unter seinem Griff brachen und wie ich daraufhin Blut spucken musste. Cullen rief meinen Namen und Alistair schlug wieder auf den Oger ein, vergeblich.  Ich wollte mich jedoch nicht kampflos geschlagen geben. Entschlossen erwiderte ich den Blick des Ungeheuers und legte meine Hand auf seine dunkle Haut. Ein helllichter Blitz blendete uns, während ich das Mana auf die Brut leitete. Ich roch verbrannte Haut – meine Eigene - und spürte unsagbaren Schmerz. Diese Art von Energie würde mir ähnlich schaden wie ihm. Er ließ mich los und ich fiel ungebremst zu Boden. Hektisch versuchte ich mit meinen verletzten Knien davon zu robben, denn ich ahnte, dass die Kreatur ebenfalls stürzen würde. Da tauchte plötzlich Cullen auf, der mit einem wohl gut gewählten Sprung auf die Brust des Tieres stürzte und ihm einen Dolch in die Augen rammte. Ich schmeckte das Blut in meinem Mund und spuckte neben mich auf den Boden. Nur aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie der Oger mitsamt Cullen zu Boden krachte und das Poltern beim Aufprall ließ selbst einen gestandenen Krieger wie Alistair stolpern. Hektisch lief er zur Feuerstelle und kramte die Steine heraus, mit denen er Feuer machen wollte, doch es wollte nicht gelingen. »Komm schon«, fluchte er wütend und schlug sie wie ein Verrückter aufeinander.  »Ich will helfen«, stammelte ich, aber war zu schmerzhaft, die Entfernung zu überbrücken. Ich wollte einen Feuerball schleudern, doch mein Körper war erschöpft. Wenn ich mein Mana nun entlud, würde ich das Bewusstsein verlieren und war nur eine weitere Bürde für meine Gefährten. Alistair sah mich aus großen Augen an. »Würdet Ihr...?«  Meine Bedenken warf ich über Bord und schaffte es mit Hilfe von Cullen, der mich stützte, unter großen Schmerzen zur Feuerstelle. Langsam fasste ich das Holz und legte behutsam meine Hände darauf. Das Mana war nicht genug, um eine Flamme zu entzünden und aber ich spürte, wie meine Hände warm wurden.  »Beim Erbauer, Ihr habt Euch ja verbrannt!«, keuchte Alistair erschrocken, als er den Vorgang beobachtete.  »Wir mussten ihn doch loswerden«, gab ich geschwächt zur Antwort und erntete einen tadelnden Blick. »Nicht zu diesem Preis!«  »Alistair hat Recht.« Cullen tätschelte mir den Kopf und beobachtete mich, wie ich verzweifelt versuchte, Feuer zu machen. Dann spürte ich, wie er mir ein kühles Glas an die Wange hielt: Lyrium.  Natürlich hatten Templer immer Lyrium bei sich, denn sie zogen selbst ihre Fähigkeiten aus diesem furchtbaren Gesöff, dass süchtig machen konnte. Ich hatte Lyrium nie gut vertragen und wollte es bereits fort schieben, als ich zufällig Alistairs Blick erhaschte. »Ohne das Feuer werden sie es nicht schaffen«, murmelte er vor sich hin, während er mit den Feuersteinen wieder die Arbeit aufnahm.  Resignierend nahm ich Cullen die Flasche ab und schluckte das Lyrium in einem Zug. Mir wurde schwindelig und übel, mein ganzer Körper begann zu zittern und ich glaubte, jeden Moment ohnmächtig zu werden, aber noch während das Lyrium in meinem Körper pulsierte, spürte ich das Mana, das sich plötzlich mit Leichtigkeit fokussieren ließ. Alistair landete erschrocken auf seinem Hintern, als ich das Holz entflammte und das Leuchtfeuer seinen Weg durch den Schornstein in den Himmel fand.  »Wir haben es geschafft!«, stieß Alistair erleichtert hervor und im gleichen Atemzug flog die steinerne Tür auf, im Türrahmen weitere der dunklen Brut, die ersten Bogenschützen spannten ihre Pfeile. Hektisch schloss ich meine Augen, um eine Barriere zu formen, doch plötzlich begann sich alles um mich herum zu drehen: eine Nachwirkung des Lyriums. Ich wusste bereits, dass ich es nicht sonderlich vertrug, aber erst, als mich ein Pfeil in der Schulter traf, schrak ich auf.  Ein fürchterliches Klingeln dröhnte in meinen Ohren und immer mehr dunkle Brut stürmte auf uns ein, das Bewusstsein des verderbten Blutes ließ mich aufheulen. Es war zu viel für mich und noch während mich ein zweiter und dritter Pfeil durchbohrte, wurde alles schwarz vor meinem inneren Auge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)