Der Held von Aranor von Elnaro (Der König von Kalaß) ================================================================================ Teil 3: Verborgen im See ------------------------ Ein paar Wochen nach der erfolgreichen Umsiedlung des Renid Stammes in die Nosrama Ebene, erhält Nico einen weiteren hohen Verdienstorden und erneut eine Menge Anerkennung aus seinen eignen Reihen, aber auch in der Bevölkerung. Eine Beförderung zum Hauptmann lehnt er ab, denn dieser Dienstgrad nimmt ihm all seine Freiheiten. Er müsste in die Kaserne im Norden der Stadt umziehen und sein Zimmer bei seiner kautzigen Vermieterin aufgeben und das passt ihm überhaupt nicht. Statt dessen nimmt er sich die schon zuvor beschlossene Auszeit, um seiner eigenen Forschung nachzugehen, die er jetzt nicht mehr als Recherche für einen Auftrag ausgeben kann. Fähnrich Mudi Forias und Gefreiter Tin Graba, zwei von Jankas ehemaligen Rittern, schließen sich ihrem Oberleutnant an, den sie, mehr als jeden anderen beim Militär, als ihren Anführer betrachten. Die beiden in armen Verhältnissen aufgewachsenen jungen Männer erleben dadurch zwar einen vorübergehenden Verdienstausfall, doch sie haben vom Schatz im Lanima gehört und wittern hier ihre Chance reich zu werden. „Dem Typen trau ich alles zu!“ waren Mudis Worte, als er sich entschloss ihm zu folgen. Auch Eria arbeitet weiterhin gemeinsam mit den drei Männern zusammen. Sie ist besonders eifrig dabei den genauen Ort herauszubekommen, an dem der Schatz am Boden des riesigen Sees gesunken sein soll. Nico versucht ihr dabei so gut es geht unter die Arme zu greifen und durchsucht Dokumente im ehemaligen Arbeitszimmer von Erias Großvater. Es ist nicht staubig und auch nicht unordentlich. Eria scheint ihre Rolle als Nachlassverwalterin ausgesprochen ernst zu nehmen. Sie arbeiten zwei Tage und zwei Nächte hindurch, in denen Nico viel über die Historie des Kontinents lernt. Viele Zusammenhänge über die Welt erschließen sich ihm, aber er ist auch auf ein paar Dinge gestoßen, die ihm besonders nah gingen. Eine sehr alte Ausgabe der Göttermythologie "Antatia Mande" fessete ihn für Stunden, in denen er oft mit den Tränen kämpfe, was er sich überhaupt nicht erklären kann, da er sich sonst nicht so stark von Erzählungen mitreißen lässt. Erst als er das Buch weg legt, setzt sich Eria zu ihm. "Ist alles in Ordnung?", erkundigt sie sich bei ihm. "Ich will, dass niemand mehr wegen mir sterben muss", antwortet er unerwartet ehrlich, ohne selbst zu verstehen wieso er das getan hat. Sie bleibt still, in der Hoffnung ihn so nicht am weiterreden zu hindern und es funktioniert. "Ohne Schwert bin ich nicht stark genug, aber mit diesem verdammten Ding habe ich kaum eine Kontrolle über mich." "Wieso benutzt du dann kein Übungsschwert, oder ...na so was, da kommt mir eine Idee. Warte kurz, ich suche etwas heraus!" schlägt Eria vor und erhebt sich. Sie geht zu einer alten Truhe, dessen Schloss sie mit einem Schlüssel aufschließt, der in einem Buch verborgen war, das sie zuvor aus einem Regal herausgenommen hat. Quietschend und jaulend öffnet sich die Truhe unter den Händen der adligen Historikerin. Sie beugt sich hinunter, um etwas Sperriges aus der Truhe hinaus zu heben. Nico erkennt schnell, dass es sich um ein altertümliches Schwert in einer schlichten Scheide handelt. Eria geht damit zu ihm und überreicht ihm das Stück ohne Worte. Er nimmt es an und zieht die Schneide heraus. Es ist viel schmaler und leichter als die aktuellen Modelle und nur auf einer Seite geschliffen. Die leicht gebogene Klinge scheint noch immer scharf zu sein. Nico findet, dass er noch niemals in seinem Leben ein so wunderschönes elegantes Schwert gesehen hat. Er steht auf und geht damit in den weiten Flur hinaus, in dem er es zum Test geschickt schwingt. "Würde dir das helfen?", fragt Eria angetan von seiner Anmut. "Es fühlt sich an als sei dieses Schwert schon immer meins gewesen. Ich verstehe das nicht.", schwärmt er abwesend, bevor er sich ihr euphorisch wie selten zuwendet. "Ich bitte dich es mir zu überlassen, was auch immer ich dafür tun muss. Ich sorge gut dafür, das verspreche ich." "Kein Problem, Nico. Ich schenke es dir. Es freut mich, dass es einen Besitzer gefunden hat, der es zu schätzen weiß", entgegnet sie und das unbezahlbare Schwert wechselt den Besitzer. In Sachen Fundstelle des Schatzes kommen sie nicht wirklich voran, weshalb sie beschließen Quartier in den nun verlassenen Höhlen direkt am See zu beziehen. Nicos zwei Gefolgsleute nehmen sie als Unterstützung mit. Da es Winter geworden ist, haben sie Schwierigkeiten nach dem Schatz zu tauchen, denn auch wenn die Luft nicht wirklich kalt ist, hat sich das Wasser unangenehm abgekühlt. Eria, die gern selbst taucht, hält es nur höchstes eine viertel Stunde darin aus. Dabei geht sie gerne über ihre körperlichen Grenzen und kommt nur mit Hilfe wieder, völlig durchgefroren schlotternd, in das kleine Holzruderboot zurück gekrabbelt, gefolgt von Tin, der etwas mehr Kälte vertragen kann. Der See ist klar wie selten, was Nico hoffen lässt sie könnten bald fündig werden, doch ohne Anhaltspunkt ist es sehr schwierig den riesigen See abzusuchen. Er, der im Boot wartete, hilft der eiskalten Eria hinein, nimmt ihr das Sicherheitsseil ab, legt ihr eine Decke um den Körper und lehnt sie an sich heran, um sie zu wärmen. Manchmal geht er selbst tauchen, manchmal einer seiner Leute, doch Eria lässt es sich nicht nehmen jedes Mal dabei zu sein. "Wieder nichts.“ sagt sie schlotternd. Tin, der sich gerade abtrocknet, ergänzt: „Das wievielte Mal war das jetzt?“ Er versucht es zu verbergen, dass auch er friert, doch das zittern seiner blau angelaufenen Lippen ist trotzdem zu sehen. Nico lässt seinen Blick über den riesigen See schweifen und fragt sich wie lange es dauern soll ihn vollständig abzusuchen. Dabei sieht er eine kleine Gestalt am felsigem Ufer unweit ihrer Höhle herumklettern. Er sieht sie nicht zum ersten mal und glaubt nicht der einzige zu sein, der nach dem Schatz sucht. Die drei rudern zurück an Land, wo Mudi, ihr vierter Mann, schon auf sie wartet. „Hast du dich wieder so verausgabt? Komm, ich wärme dich!“ sind seine Worte, die er zur Roten Rose spricht, doch Tin kommt, immer noch halbnackt, auf seinen Kameraden zu gerannt. „Ja, wärme mich, mein Liebster!“ ruft er ihm freundschaftlich sarkastisch zu, kurz bevor er einen schwarzen, sehr stark abfärbenden Stein, geworfen von Mudi, ins Gesicht bekommt. „Aua!“ ruft Tin nur, der nun einen schwarzen Fleck quer über dem Gesicht hat, was Nico süffisant lächeln lässt. Der Offizier hilft der noch immer unterkühlten Eria aus dem Boot und bringt sie zum vorbereiteten Lagerfeuer. Es brennt sehr heiß. Da hat Mudi ganze Arbeit geleistet, als er das schwarze, bröselige Material als Brennmittel verwendete, das er in der Höhle fand. „Danke“, sagt sie beiläufig in die Runde, als sie sich setzt. „Sehr gern geschehen, Schönheit“, antwortet Mudi, auf das direkt von Tin grinsend: „Alter Schwerenöter“ geflogen kommt. „Klappe!“, zischt der junge Soldat zu seinem Kumpel zurück, der sich im Anschluss direkt freundlich erkundigt: „Und? Heute erfolgreicher als die letzten Tage?“ „Unverändert“, antwortet Tin, der gerade dabei ist sich ein Hemd überzustreifen. „Morgen fahren wir mit zwei Booten nach draußen und suchen gemeinsam, damit es schneller geht!“, befiehlt Nico. „Ich kann nicht jeden Tag da rein, Nico, ehrlich nicht. Ich hol mir noch die Krätze.“ ruft Tin unglücklich aus, worauf Mudi verbessert: "Du meist wohl eine Erkältung". „Klappe!“ schnauzt dieser erneut und spricht weiter zu Nico, der keine Miene verzogen hat: „Verstanden, Kommandant. Ab sofort jeden Tag Saukälte.“ Die vier sitzen noch am Feuer bis es dunkel wird, doch die Stimmung ist gedrückt. Die Soldaten ziehen sich etwas missmutig in die Höhlen zurück. Da sich Eria heute schlechter aufwärmt als sonst, bleiben sie und Nico noch am Feuer in der sternenklaren Nacht sitzen. Inzwischen warm bekleidet, kuschelt sie sich noch immer an den Wärme spendenden Mann. „Wie lange willst du noch bei mir bleiben, Eria? Alle denken wir seien ein Liebespaar…naja, alle außer Tin und Mudi“, fragt Nico, der sich über Erias beharrliche Annäherung wundert. Die Fronten sind geklärt, doch sie sucht noch immer stets seine Nähe. „Ist doch nicht schlimm, oder?“, antwortet sie. „Mir kann es egal sein, aber so bekommt du nie einen Mann ab“, erläutert er seine Gedanken, worauf sie deutlich macht: „Vielleicht will ich ja auch gar keinen...“ und dann leiser „…anderen“, was er vernehmen kann, doch es lockert seinen Griff nicht. Trotzdem empfiehlt er ihr kalt: „Such dir einen Mann, bevor deine Schönheit verblüht!“ Worauf sie schweigt. Seine Aussage war dreist, doch er hatte Eria schon Monate zuvor klar und deutlich gebeten ihn in Ruhe zu lassen. Erst nach ein paar Minuten fragt sie ihn etwas herausfordernd: „Warum weiten wir unsere Beziehung nicht ein bisschen aus? Ich wäre dir gern körperlich noch etwas näher.“ Nun atmet er leicht genervt aus und löst seinen Griff von ihr. „Hast du es so nötig, Eria? Da dir Liebe egal zu sein scheint, warum gehst du nicht zu Mudi? Der hilft dir sicher gern deinen Trieb zu befriedigen“, empfiehlt er verärgert und nun fährt sie aus der Haut. „Du kannst mir nicht erzählen, dass da nichts zwischen uns sei, Nico. Ich sorge für dich wie eine Ehefrau und du nimmst das gern von mir an. Du wünschst dir doch die Wärme einer Frau, oder nicht?“ "Egal wie oft du es auch versuchen magst. Es bringt nichts. Versteh das doch endlich!", antwortet er gereizt, was sie noch verletzter als zuvor fauchen lässt: "Du Sturkopf! Dann geh ich eben zu Mudi." Sie steht auf und setzt sich in Bewegung. Die verzweifelte Schönheit geht in die Höhle hinein, wobei Nico ihr, verärgert wie er ist, keines Blickes würdigt. Er versteht einfach nicht warum es ein Problem für sie ist einfach nur befreundet zu sein. Genervt fährt er sich durch die Haare, denn er hat keine richtige Vorstellung davon wie es weiter gehen soll. Als es im dunklen Geäst des Baumes hinter ihm auf einmal beginnt auffällig laut zu rascheln, fährt Nico geschockt in sich zusammen. Er steht rasch von seinem Platz auf und fragt bedrohlich in die Schwärze blickend: "Wer ist da? Zeig dich!" Unruhig nähert er sich dem Baum behutsam, bis er eine Antwort von einer dünnen Frauenstimme mit einem ihm unbekannten Dialekt erhält: "Sieht gar nicht so gut aus für dein Vorhaben." "Zeig dich!" ruft er erneut ungeduldig und die Unbekannte klettert behände von dem düsteren Baum herab. Sie schreitet näher an das Licht des Feuers und Nico erkennt eine kleine, sehr junge und zierliche Frau mit golden schimmernden, langen, welligen Haaren und dunklen Augen vor sich. Sie ist mit einem dunklen, lockeren Oberteil, das sie in ihre blaue Pumphose gesteckt hat, bekleidet. Vermutlich ist sie es, die er vom See aus am Ufer gesehen hat. "G-guten Abend. Mein Name ist I-Falana pol Dactiz. Ich, naja ich beobachte euch schon seit ein paar Tagen. Ich habe schon nach dem Schatz gesucht, bevor ihr hier ankamt", erläutert sie zurückhaltend mit leiser Stimme. "Bist du hier um uns zu helfen oder uns zu sagen, dass er dir gehört?", hinterfragt Nico ihre Aussage, worauf sie ein wenig lächelt und ihr Gesicht dabei scheu zur Seite dreht. "Wie man's nimmt, würde ich sagen." Nico schaut ihr misstrauisch in die dunklen, im Feuer funkelnden Augen. "Wenn du mir Hilfe anbieten möchtest, dann tu das, aber nur weil du ein paar Tage eher da warst, hast du kein größeres Anrecht darauf als wir. Hunderte waren schon vor uns hier und haben nach dem Schatz gesucht." Das Mädchen geht einen ganz kleinen Schritt auf ihn zu und erklärt schüchtern: "Das weiß ich doch. Ich will nur einen Gegenstand aus dem Schatz und ich weiß wo er liegt. Ohne mich findest du ihn nie", worauf sie beginnt erleichtert stolz zu lächeln, als habe sie ihm richtig die Meinung gesagt. Auch sein Gesicht erhellt sich, denn sie hat ihm damit etwas Preis gegeben. "Ich glaube eher du findest ihn nicht ohne mich. Wieso hätte sich ein scheues Mädchen wie du mir sonst gezeigt?" Sie weicht ein Stück zurück, denn sie glaubte völlig souverän gewirkt zu haben, doch anscheinend war dem nicht so. "U-und wen schon? Schick die zwei Soldaten und die Frau weg, dann sind wir im Geschäft! Ich will wirklich nur den einen Gegenstand. Den Rest kannst du behalten." Nico hat bemerkt, dass es nicht einfach für sie war sich ihm zu zeigen, aber auch, dass der Gegenstand auf den sie es abgesehen hat, etwas besonderes zu sein scheint, der ihn nun um so mehr interessiert. "So scheu, dass du die anderen drei nicht ertragen kannst? Na gut. Ich gebe dir drei Tage", entgegnet er, "ich schicke meine Helfer in einen drei-tägigen Urlaub. Wenn du wirklich weißt wo sich der Schatz befindet, sollte das ausreichen." "Sollte es, ja." Die beiden geben sich die Hand, denn sie haben eine Übereinkunft getroffen und Nico gibt den Soldaten am darauffolgenden Morgen drei Tage Urlaub, was kein Problem darstellt. Nur Eria macht ihm Schwierigkeiten, denn sie ist noch immer gekränkt und wünscht eine Unterredung mit ihm unter vier Augen, was er nach der Abreise von Mudi und Tin in Angriff nimmt. Die beiden stehen gemeinsam in der Höhle, denn heute weht ein strenger Wind draußen am Ufer. "Gibst du auf?", fragt Eria enttäuscht und er antwortet unterkühlt: "Nein, wir machen nur eine Pause. Geh du dich auch mal wieder richtig aufwärmen! Nimm ein heißes Bad, oder zwei!" "Warum der Sinneswandel? Das passt nicht zu dir", bemerkt sie, als sie sich ihm weiter annähert, woraufhin er zurück weicht und hinter ihm das goldene Mädchen auftaucht. Eria hatte sie überhaupt nicht kommen sehen und schreckt zusammen, ganz so wie Nico in der Nacht zuvor, als er dem Mädchen begegnete. Sie versteckt sich hinter seinem Rücken und schaut mit dem Kopf an ihm vorbei. Als sei sie vertraut mit ihm, krallt sie sich von hinten an seinem Shirt fest ohne etwas zu sagen. "Wer ist das denn jetzt?", faucht Eria und empört sich weiter: "Ach, weißt du Nico, mach doch was du willst!" Sie fühlt sich abgelehnt, da er ja offensichtlich die Hilfe einer Fremden bevorzugt. Sie geht an den beiden vorbei und verschwindet. "Endlich allein", haucht Fala erleichtert, woraufhin Nico sich nervös durchs Haar fährt. Er hofft Eria nicht zu stark verletzt zu haben, denn immerhin ist sie eine gute Freundin. Ganz nüchtern betrachtet hat sie ihre Aufgabe erfüllt und im Grunde benötigt er sie nicht mehr, aber es wäre ihm schon lieber, wenn sie freundschaftlich auseinander gingen, wo sie ihm doch erst vor kurzem dieses unbezahlbare Schwert geschenkt hat. Er wendet sich dem scheuen Mädchen zu und fragt: "Also, raus mit der Sprache! Wozu brauchst du mich wirklich? Wenn du weißt wo der Schatz liegt, warum hebst du ihn dann nicht selbst?" Mit gesenktem Kopf geht sie um ihn herum, sodass sie nun vor ihm steht, ohne ihn anzusehen. "Ich kann nicht so tief tauchen und ich mag die Gesellschaft der Rae nicht so gern. Ich habe versucht alleine so weit zu kommen wie möglich, aber nun geht es nicht mehr weiter." Nico runzelt die Stirn. Auf den Begriff "Rae" ist er in Lamingers Unterlagen und antiken Aufzeichnungen gestoßen und er übersetzt es ganz banal als "Volk der Menschen". "Aber meine Anwesenheit ist in Ordnung für dich." Als sie nickt, fragt Nico weiter: "Und was ist das für ein Gegenstand, den du so sehr begehrst?" "Noch zu früh...das siehst du schon, wenn wir die Truhe gefunden haben", antwortet sie ausweichend. Dann führt sie ihn hinaus aus der Höhle in den mit dunklen Wolken verhangenen, verregneten Tag. I-Falana zeigt ihm die Stelle, an der Nico sie einen Tag zuvor an einem sehr steilen, felsigen Ufer gesehen hat. Oben steht ein einzelner, aber kräftig aussehender Olivenbaum, an dem eine Seilwinde befestigt ist, welche im Wind stumm hin und her schwingt. Das Mädchen erläutert, dass der Schatz genau hier unten im Wasser liege und sie ihn mit der Seilwinde hochziehen wolle, doch ihr fehlt einiges. Sie hat kein so langes Seil, kann nicht tief tauchen und hat auch nicht die Kraft den Schatz alleine zu heben, doch immerhin hat sie einen Plan, was Nico nicht vorweisen konnte und zudem ergänzen Sie sich hervorragend. Von hier aus kann er das bescheidene Lager des Mädchens sehen. Ein Stück den Hügel auf der anderen Seite hinunter hat sie ein kleines Zelt aufgebaut. Als es beginnt zu regnen, nehmen sie ihre wichtigsten Sachen mit und kehren durch den peitschenden Sturm hinweg zur Höhle zurück. Sie beschließen noch einen Tag abzuwarten, in der Hoffnung, dass sich der Wind etwas legt. Beide sind nass bis auf die Knochen, doch I-Falanas gesamte Wechselkleidung ist nass geworden. Nico beschießt ihr zu erlauben eines von Erias Kleidungsstücken zu nehmen, die sie hier ließ. Auch wenn die elegante Frau nur funktionale Kleidung mitgebracht hat, sind diese in höchster Qualität und trotzdem schön anzusehen. Das Mädchen entscheidet sich für ein hübsches, pupurnes, knielanges Seidenkleid mit Schlitzen auf beiden Seiten und einem tiefen Dekolteé mit Spitze, bei dem sich Nico wundert warum Eria es überhaupt eingepackt hat. Allerdings zieht I-Falana eine lange Hose darunter und legt sich eines von Erias schicken Tüchern um die Schultern. Da ihr das Kleid nicht richtig passt, lässt es zumindest oben tief blicken. Etwas schüchtern zu Nico blickend, haucht sie: "sowas hab ich noch nie angehabt." Sie setzt sich neben Nico an einen langen Tisch, den die Räuberbande hier zurück gelassen hat. Nico hatte genügend Zeit ihn zu decken, als das Mädchen sich im einzigen Zimmer in der Höhle umzog. Er hat Teller, Besteck, Brot, Käse, ein kleines Stück gepökeltes Fleisch und Wasser bereit gestellt. Neben dem Tisch befindet sich eine kleine entzündete Feuerstelle über der ein Gitterrost liegt. Als der junge Mann das verändert wirkende Mädchen betrachtet, kommentiert er: "Hübsch. Bisschen groß, aber es steht dir gut. Fast etwas besser, als seiner Besitzerin." Sie sieht an sich herunter und stammelt zur Antwort: "Wirklich? Das sagst du doch jetzt nur so, oder?" während sie leicht rot anläuft. "Erzählst du mir wo du her kommst?", fragt er freundlich, während er zwei schmale Stücke vom Käse und vom Fleisch abschneidet. "Du bist echt nett. Das hätte ich nicht erwartet, nachdem du deine Begleiterin so zurechtgewiesen hast. Ich komme aus Salaji Hanar, der Hafenstadt ganz im Süden.", antwortet sie immer weniger scheu, während sie seine Tätigkeit beobachtet. Er schneidet nun auch zwei Schreiben vom inzwischen etwas hart gewordenen Brot ab und legt das Pökelfleisch und den Käse auf die Schreiben, die er im Anschluss auf den Rost über dem Feuerchen legt. "Da war ich noch nie." "Es ist eine sehr schöne Stadt! Nicht so groß und wirr wie Aranor und sie ist viel grüner als viele denken. Die Pflanzen dort haben sich an das Salzwasser gewöhnt, mit denen wir sie bewässern. Ich zeig sie dir, wenn du willst, gleich wenn wir den Schatz gehoben haben." I-Falana redet sich in Euphorie und wird immer fröhlicher, doch Nico muss sie bremsen. "Ich habe erstmal andere Pläne." "Achso", entgegnet sie wieder leiser und offensichtlich enttäuscht, was sie sich erneut in sich zurück ziehen lässt. Während die beiden beobachten wie sich der Käse auf dem Brot langsam beginnt unter der Hitze des Feuers zu heben und zu senken, tritt ein betretenes Schweigen ein, weil keiner von ihnen etwas über sich Preis geben oder den anderen ausfragen möchte. Nico ist das durchaus sympathisch, denn Erias interessierte Art ging im oft gegen den Strich. Allerdings will er schon wissen auf was es das goldene Mädchen abgesehen hat. "Der Gegenstand, den du haben willst ist mehr wert als alles andere in der Truhe zusammen, hab ich recht?", fragt er nach einer Weile. Ertappt atmet sie scharf ein und nimmt eine aufrechtere Sitzposition ein als zuvor. "Öhm, ja, naja...könnte schon sein. Kommt darauf an", stammelt sie, woraufhin der junge Offizier sie fixiert. "Worauf kommt es an?" "Ob er weiß was es ist. Die Meisten können damit gar nichts anfangen, deshalb ist es für sie wertlos", antwortet sie ehrlich. Sie beginnt sich unruhig auf der Lippe herum zu kauen, als er sie verschmitzt anlächelt. "Aber du kannst damit etwas anfangen, ja?" Sie nickt ihm nervös zu. Sie befürchtet, dass er ihr den Gegenstand nicht mehr aushändigen will, wenn er zu viel darüber weiß. Langsam beginnt Hitze in ihr aufzusteigen. "Ist schon gut", erlöst er sie. "Aber zeig ihn mir wenigstens, bevor du damit abhaust, in Ordnung?", ergänzt er, bevor er sich erhebt, um die Käsebrote mit zwei dünnen Metallspießen vom Rost zu nehmen. Der Käse ist auf dem knusprigen Brot inzwischen zerlaufen, hat eine bräunliche Färbung angenommen und begonnen herunter zu tropfen. Der Duft von geschmolzenem Käse erfüllt inzwischen die Höhle. Nico legt eine Scheibe auf ihren Teller, dann die andere auf seinen. "Das sieht total lecker aus", freut sie sich, während die Anspannung aus ihrem Körper entweicht. Das freut auch den Grillmeister, der sein dampfendes Brot nun längs auf eines der Metallspieße steckt, pustet und beginnen will zu essen. "Wa-warte!", ruft sie halb empört, halb ängstlich. "Wir haben den Vieren noch nicht für das Essen gedankt." "Den Vieren?", wiederholt Nico ungeduldig, denn er hat Hunger. "Leg es bitte wieder hin und heb deinen Kopf nach oben!" fordert sie freundlich, wenn auch etwas unsicher. Nico atmet aus, legt seinen köstlich duftenden Spieß auf den Teller zurück und sieht, wie gefordert, hinauf zur Decke der heute sehr düsteren Höhle. "Fuathel, wir danken dir für die frische Luft, die wir atmen. Ahanani, wir danken dir für das Getreide und die Tiere, von denen wir essen. Phantakare, wir danken dir für das Feuer auf dem wir unsere Speisen geröstet haben. Kawanata, wir danken dir für das Wasser, das wir trinken", trägt sie bedächtig vor, während Nico gedanklich schon seinen leckeren Spieß verspeist. Kaum hat sie ihr Gebet abgeschlossen, nimmt er das Brot wieder vom Teller und beißt genüsslich hinein. Immerhin ist es nun auf eine gute Temperatur abgekühlt. Es interessiert ihn schon warum sie zu allen vier Göttern betet, doch dass Essen geht zunächst einmal vor. Als er gerade erst bei der Hälfte angelangt ist, hat sie ihres jedoch schon komplett verputzt und beginnt ihn gierig beim Essen zu beobachten. "Hier, nimm!", sagt er schließlich, ihr den Rest seines Spießes vor die Nase haltend. "Wirklich?" Ihre Augen beginnen zu funkeln und ohne Umschweife nimmt sie sein Angebot an. Seit Tagen hat sie sich von nichts mehr als getrocknetem Fisch und Kräutertee ernährt. Erst als sie auch den Rest seines Brotes herunter geschlungen hat, wird ihr bewusst wie ausgehungert sie auf den jungen Mann wirken muss, was sich in erneut aufsteigender Hitze, gefolgt von einem hochroten Gesicht äußert. Unwillkürlich steigt ein amüsiertes Grinsen in seinem Gesicht auf. "Tut mir Leid", presst sie heraus, doch er schüttelt den Kopf. "Ist schon gut. Ich mag Menschen, die mich zum Lachen bringen." "Ja?", haucht sie, scheu zu ihm hinüber schielend, ohne den Kopf zu ihm zu drehen. Worauf er wieder zu dem Thema kommt, das sein Interesse geweckt hat. "Du betest zu allen Göttern?" "Ja und nein. Ich bete zu den bekannten Göttern und schließe die Unbekannten in das ein, was ich nicht sage. Es geht um einen ganzheitlichen Glauben. Wir picken uns keinen Gott heraus, wie es die Kalaßer tun, oder die Yokener. Alles ist eins und doch ist alles getrennt. Wir nennen es 'Ialanis Mande', den heiligen Gottglauben. Ich bin damit aufgewachsen. Dieser Glaube ist sehr verbreitet in Salaji Hanar", erklärt sie, als ob sie nie etwas anderes machen würde und das fällt ihm auf. "Kann es sein, dass du eine Priesterin bist, Fala?" "Merkt man das so schnell? Oje...", flüstert sie überrascht. Das bringt ihm wieder etwas zum Lachen. Aus seiner Sicht macht sie sich viel zu viele Gedanken um das was er über sie denken könnte. Er glaubt sie sei aus genau diesem Grund so scheu. "Ein hübsches und kluges Mädchen wie du sollte kein so geringes Selbstbewusstsein haben", urteilt er verschmitzt lächelnd, was ihr gleichermaßen schmeichelt und sie beleidigt. "Ich bin eben wie ich bin...", entgegnet sie verstimmt in sich hinein sagend, während sie den Kopf senkt, der ihr immer schwerer zu werden scheint. "Eben, deshalb solltest du auch zu dir stehen!" Völlig erledigt vom Tag wird ihr diese Unterhaltung einfach zu anstrengend. Dieser junge Mann, der ihr von Anfang an sympathisch war, vor dem sie ausnahmsweise keine Scheu hatte, gibt sich so große Mühe sie aufzubauen. Sie rutscht etwas an ihn heran und legt ihren Kopf an seine Schulter. Dort verweilt sie ohne ein weiteres Wort. Nico kann nur wenig Verständnis für ein, aus seiner Sicht, unnötig geringes Selbstvertrauen aufbringen. Er hatte im Grunde gar nicht vor das Mädchen zu stärken, denn seine Aussage sollte sie als Kritik verstehen, um sich im Anschluss an seine Meinung anzupassen und sie zu übernehmen. Immerhin argumentierte er mit einer bestechenden Logik. Als sie an seinen Arm gelehnt einschläft, beschließt er sie ins Bett zu tragen. Sie ist, auf sich allein gestellt, anscheinend bis an ihre Grenzen gegangen, bevor sie sich entschloss ihn um Hilfe zu bitten. Er nimmt sie behutsam auf die Arme, trägt sie bis zu dem Bett, in dem er sonst schläft. Während er das tut murmelt sie sehr leise schläfrig: "Danke, Nico". Er selbst legt sich nun, aus Rücksicht nur nahezu fast entkleidet, in Erias Bett, welches sich auf der anderen Seite des Raumes befindet. Von hier aus kann er zur bereits fest schlafenden I-Falana hinüber sehen. Dieses Mädchen hat tagelang oder vielleicht auch wochenlang völlig allein in der Wildnis gelebt und war auf sich gestellt und jetzt wo er da ist, benimmt sie sich wie ein Kind. Dieser Widerspruch beschäftigt den jungen Offizier, denn er fasziniert ihn. Die zierliche, kleine Fala, welche nur ihm Vertrauen zu schenken scheint, erinnert ihn an früher, an das Mädchen mit der er seine Kindheit und Jugend verbracht hat, Kara. Wie oft hat er sich schon gefragt, ob er hätte bei ihr bleiben sollen? Er sorgt sich, dass sie ihn vielleicht schon vergessen haben könnte, wo er sie doch schon im zarten Alter von Zehn verlassen hat. Diese Gedanken helfen ihm seine Gefühle für dieses fremde Mädchen zu ordnen. Sogar der Spitzname Fala, den er I-Falana verpasste, erinnert stark an den Namen Kara. Das führt ihm nun noch mehr vor Augen wie sehr ihn dieses Mädchen an seine geliebte Kindheitsfreundin aus Kalaß erinnert. Er darf sich nicht auf sie einlassen, denn er redet sich ein er brauche keinen Lückenbüßer, der ihn von seiner wahren Sehnsucht ablenkt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)