Metamorphosis von hYdro_ ================================================================================ Kapitel 7: Conflict ------------------- o7. Conflict –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Konflikt. Ich ging Konflikten so gut wie nie aus dem Weg. Was nicht hieß, dass ich sie provozierte – ich mochte einfach nur ein geregeltes Leben. Ich packte die Dinge am Schopfe, löste Probleme möglichst schnell, um effizient weitermachen zu können. Ich war ganz einfach pragmatisch. Womit ich weniger gut klar kam, waren innere Konflikte. Diese schob ich oft und lange vor mich her. Vor allem dann, wenn sie emotionalen Ursprungs waren. Für Sentimentalitäten gab es in meinem Leben einfach keinen Platz mehr – warum sich also überhaupt erst damit auseinandersetzen? Zumal ich mich auch irgendwo davor fürchtete, was ich entdecken würde, sollte ich nur zu tief in meiner Seele graben. Deswegen ignorierte ich alle tiefergehenden Gefühle – diese standen mir sowieso nur im Weg. Ich drehte ihnen den Rücken zu, sperrte sie weg in die tiefsten aller Tiefen. An einen Ort, bei dem ich hoffte, dass nichtmal ich ihn würde wiederfinden können, auch wenn ich wollte. Auf ewig begraben. Doch wie konnte ich auch ahnen, dass sie unter der Oberfläche stärker wurden und wuchsen wie ein Schattengewächs. Und irgendwann schmerzhaft nach Aufmerksamkeit verlangen würde? Wie sollte ich wissen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der erste Sproß die Erde durchbrechen würde. Den anhaftenden Dreck abschüttelte und sich erhob, wie eine Pflanze gen Sonnenlicht? «Man, ist das lecker!» In dem Lokal herrschte üppiges Treiben. Es war gut gefüllt und überladen von den Geräuschen, die von allen Seiten herzukommen schienen. An den Nachbartischen wurde angeregt miteinander geredet, das Klirren von Gläsern war aus Richtung der Bar zu vernehmen, während man vom Billardzimmer weiter hinten, das Klackern von laut aneinander schlagenden Kugeln hören konnte. Hidan hatte sich schon freudig über sein Mahl hergemacht, während ich nur ein paar Bisse heruntergewürgt bekam und nun eher lustlos darin herumstocherte. Ich beobachtete meinen Partner eine Weile beim Essen, wie hungrig er zugriff, sich über die Lippen leckte, einen Schluck trank, nur um wieder beherzt in den großen Spieß zu beißen. Er tat das alles so unbekümmert, als würde er keine Ahnung haben, was er letzte Nacht in Gang gesetzt hatte. Geradezu heraufbeschworen hatte er das Chaos, das nun in meinem Kopf herrschte. Es fiel mir schwer mich davon abzulenken, noch schaffte ich es, es zu ordnen. Wie sollte es mir auch gelingen, wenn die Ursache meiner geistigen Verwirrung doch immer in meiner Nähe war und mir gerade direkt gegenübersaß? «Ich bin nicht derjenige, der unsicher ist oder sich zurückhält.» Ich wünschte, ich könnte es eine Lüge nennen. Doch da ich mir gestern schon eingestanden hatte, dass Hidan damit recht hatte, wäre es nun feige, das wieder zurückzunehmen. Doch egal wie es sein mochte, letztendlich spielte es keine Rolle. Lächerlich war ja, dass es doch tatsächlich danach aussah, als würde Hidan irgendetwas von meiner Seite erwarten. Seine Worte hatten geklungen wie eine Einladung, einen Anstoß, den er dachte mir geben zu müssen. Hidan wartete. Auf mich. Auf das, was er sich von mir erhoffte. Was auch immer das genau sein mochte – es würde nie passieren. Warum schob ich ihn dann nicht von mir? Warum ließ ich zu, dass er sich jede Nacht zu mir legte? Seine Nähe sogar erwartete? Anfangs hatte ich Hidans Annäherungen geduldet, da ich dachte, dass das seine Art wäre sich bei mir zu bedanken. Damals in der Höhle hätte man es auch auf meine Verfassung abwälzen können, dass ich nie etwas dagegen unternahm. Doch nun war ich schon lange wieder auf dem Damm und wies ihn trotzdem nicht zurück oder sagte etwas dagegen. Stattdessen buchte ich uns ein Zimmer mit Doppelbett – und warum? «Und eigentlich weiß ich, dass dir das hier auch gefällt.» Es fiel mir schwer das zuzugeben, aber ja. Ja, das tat es. Mit jedem mal mehr. So sehr, dass sich mir der Wunsch nach mehr schon ein paar mal aufgedrängt hatte. Woher kam das? War es womöglich Neugier? Wollte ich wissen, wie es mit einem anderen Mann wäre? Einen kleinen Vorgeschmack darauf hatte mir Hidan ja bereits gegeben. Auch wenn ich unsere nächtliche Aktivität damals eigentlich als einen Ausrutscher unter unglücklichen Umständen verbucht hatte – bestimmte Bedürfnisse hatten sich im falschen Zeitpunkt gemeldet – war es dennoch nicht nur schlecht gewesen. Sicher, wenn man es nüchtern betrachtete, konnte man über das, was wir da getrieben hatten, nur den Kopf schütteln. Und doch… «Hey Kakuzu, ist irgendwas?», riß mich Hidan aus den Gedanken. Ich blickte von meinem Teller auf und sah mich seinem skeptisch musternden Blick ausgesetzt. Doch auch das hinderte meine Gedanken nicht daran, sich weiter zu drehen. Der Vorstellung, die Nacht mit einem x-beliebigen Kerl zu verbringen, um meine Neugier zu stillen, empfand ich dann aber wenig bis gar nicht reizvoll. Bei Hidan hingegen sah die Sache schon anders aus. «Was soll sein?», antwortete ich kühl. Unbewusst neigte ich meinen Kopf, als ich mich tatsächlich dazu hinreißen ließ, die Pro und Kontras abzuwägen. Sollte ich mich auf Hidan einlassen? Es ist Hidan, brüllte sogleich eine Stimme in meinem Kopf, als müsse sie mich erst wieder zur Vernunft bringen. Und ich konnte ihr nur recht geben; es war absolut absurd und unvorteilhaft etwas mit Hidan anzufangen. Es war auf so vielen Ebenen falsch und würde bestimmt zu Problemen führen. Schließlich waren wir Teampartner. Dazu kam, dass, seit wir uns kannten, wir kaum ein nettes Wort für einander übrig gehabt hatten – wir feindeten uns stattdessen andauernd an. Und auch wenn mir nun klar geworden war, dass ich ihn nicht hasste und wir mittlerweile ein wenig besser miteinander zurechtkamen, war das noch lange kein Grund, auch nur in Erwägung zu ziehen, mich ihm (i)auf diese Art(i) anzunähern. «Sag du’s mir. Du bist den ganzen Tag schon so still und ziehst dieses zerknitterte Gesicht. Als müsstest du eine übelst schwere Rechenaufgabe lösen. Und dein Essen hast du auch kaum angerührt.» Ich schob ihm meinen Teller hin, worauf sich seine Brauen fragend hoben. «Iss wenn du willst, ich hab keinen Hunger mehr.» Egal aus welchem Blickwinkel man es betrachten wollte – eines stand fest. Ich hatte ein Problem. Und da meine Unruhe sogar schon Hidan aufzufallen schien, sollte ich bald etwas dagegen unternehmen. Großartige Lust, mir weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, hatte ich auch nicht, deshalb versuchte ich alles schnell objektiv zusammenzufassen und auf einen Punkt zu bringen. Da ich die Sache mit Hidan damals nicht als übermäßig spektakulär betiteln würde, schob ich es guten Gewissens darauf, dass mein Verlangen rein körperlicher Natur war. Was an sich auch Sinn ergab. Denn das letzte mal, dass ich mir bei jemanden Abhilfe verschafft hatte, lag schon eine Weile zurück. Über die Jahre hatte Sex für mich seinen Reiz verloren und irgendwann hatte ich es dann einfach ganz bleiben lassen. Natürlich waren die körperlichen Bedürfnisse, die sich ab und an meldeten, geblieben. Doch in der Regel sah ich keinen Grund, jemand anderes darin einzubinden. Doch vielleicht war ja genau daraus mein jetziges Problem entstanden? «Na gut», meinte der Silberhaarige verwundert und nahm sich meinen Teller. «Wenn ich deins immer ab kriege, dann unterstütz ich dich natürlich bei deinem Hungerstreik.» Er grinste mich an, doch als keinerlei Reaktion meinerseits folgte, ließ er es wieder. «Im Ernst, was los bei dir? Ich seh’ doch, dass dich irgendwas abfuckt.» «Ich wüsste nicht, was dich das angeht», erwiderte ich schroff, was mir einen säuerlichen Blick einbrachte. «Sorry, dass es mich interessiert, was bei dir ab geht, kommt nicht wieder vor.» Hidan schnaubte, widmete sich dann seiner zweiten Portion. Das Besteck kratzte über das Keramik, als der Jüngere noch gehässig anfügte: «Dann schweig halt und glotz mich weiter so an, als hätte ich irgendwas verbrochen.» Ich ließ mich nicht dazu herab, etwas darauf zu erwidern und so verblieben wir eine Weile schweigend. Irgendwann erhob ich mich jedoch abrupt vom Stuhl. Was weniger an Hidans bissigen Kommentaren, sondern vielmehr daran lag, dass mir etwas eingefallen war. Wie ich mein Problem würde lösen können – wenigstens vorübergehend, so hoffte ich. «Was jetzt los? Bist du deswegen jetzt sauer oder was?» «Nein. Ich muss nur noch was erledigen.» Ich schnappte mir meinen Mantel, zog ihn über und ignorierte Hidans fragenden Blick, der mich sogleich traf. «Iss ruhig auf und lass dir Zeit, ich zahle schonmal. Wir treffen uns dann nachher in der Unterkunft.» «Ja, aber–» Er sah mich verdutzt an, kam aber nicht dazu weiterzureden, da ich mich einfach von ihm abwandte und, nachdem ich die Rechnung beglichen hatte, das Lokal verließ. Als ich nach draußen trat, war die Straße hell erleuchtet vom Vollmond, der hoch am Himmel prangte. Der Wind frischte auf, brauste an mir vorbei, als ich mich in Bewegung setzte und östlich der Straße folgte. Dieser Weg würde mich am schnellsten aus dem Dorf, über einen Trampelpfad in das lebhaftere Nachbardorf bringen. Dieses war nicht allzu weit entfernt und doch würde ich ein Stück laufen müssen – was mir aber gerade gelegen kam. Der kleine Fußmarsch würde mir gut tun und war perfekt um meine Gedanken frei zu bekommen. Auf dem Weg dachte ich darüber nach, was ich für schlimmer befinden sollte. Wenn sich gleich herausstellte, dass mein Problem nicht verschwand, es zwangsläufig doch etwas komplizierter war und ich mich womöglich doch zu Hidan als Person und nicht nur körperlich hingezogen fühlte. Oder wenn es sich gleich in Luft auflöste, was jedoch nur bedeuten konnte, dass ich fast gestorben wäre für jemanden, der mir nichts bedeutete. Konnte mir mein Leben denn so wenig wert sein? Im Nachbardorf angekommen stellte ich ärgerlich fest, dass mich das ganze Chaos in meinem Kopf dann doch mehr belastete als angenommen. Denn als ich mich vor einem Etablissement wiederfand, das sich meiner annehmen würde, hatte sich eine Wut in mir geschürt, die mich das Ganze nur noch schnell hinter mich bringen lassen wollte. Die rote Leuchtschrift flackerte über dem Eingang, erleuchtete die dunkle Gasse, in der kaum noch einer unterwegs war. Auch wenn ich nicht sonderlich viel von Bordellen hielt, so war das doch die effektivste und schnellste Lösung für mein Problem. Der Sake, den ich mir vorher an der Bar gönnte, schmeckte billig und hinterließ einen fahlen Nachgeschmack. Das Weib, das ich mir aussuchte, sah, wenn man den hohen Preis für ihre Dienste bedachte, ein wenig verbraucht aus. Dazu roch sie für meinen Geschmack zu sehr nach Parfum und hatte zu viel Make up aufgetragen. Ich beschwerte mich jedoch nicht, zumal die anderen, die zur Auswahl gestanden hatten, noch weniger meinem Geschmack entsprachen. An der Bar versuchte mich die Rothaarige noch in ein lockeres Gespräch zu verwickeln. Nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich nicht zum Reden hier war, schien sie brüskiert. Ich folgte ihr nach oben in den zweiten Stock und die wenigen Anweisungen die ich ihr gab, was ich von ihr wollte, blieben die einzigen Worte, die noch zwischen uns fielen. Als ich später das Etablissement mehr oder weniger zufrieden wieder verließ, war die Nachtluft deutlich kühler geworden. Der Himmel war bewölkt und ein leichter Schauer hatte eingesetzt, weswegen ich mich auf dem Rückweg beeilte. Als ich, in der Unterkunft angekommen, die Tür zu Hidan und meinem Zimmer aufstieß, lag dieses im Dunklen. Weshalb ich zuerst vermutete, dass ich noch vor dem Jüngeren zurückgekehrt war. Doch ich wurde eines Besseren belehrt, als ich das in die Decke gewickelte Bündel auf dem Bett entdeckte. Leise schloß ich die Tür hinter mir und legte meinen halbnassen Mantel ab. Ich war gerade dabei, mich von meiner restlichen Kleidung zu befreien, da nahm ich eine Regung vom Bett her wahr. «Da bist du ja endlich», murmelte Hidan müde und rollte sich schwerfällig auf die Seite, um mich aus kleinen Augen anzusehen. «Dachte schon du wurdest aufgegriffen und steckst in Schwierigkeiten. Hatte die schwierige Aufgabe mich zu entscheiden: dir zu Hilfe eilen und deinen Arsch retten oder doch lieber liegen bleiben und weiterschlafen.» Sein mattes Grinsen konnte ich sogar in der Dunkelheit erkennen. «Wie ich sehe hast du dich für letzteres entschieden.» «Nope. Ich bin durch’s ganze, verdammte Dorf gelatscht und hab dich stundenlang gesucht. Fünf Minuten bevor du zur Tür rein bist, bin ich noch im Zimmer auf und ab gelaufen.» Er gähnte gedehnt, senkte die Lider und wirkte allgemein so, als würde er jeden Moment gleich wieder weg dämmern. «Der war schlecht.» «War er nicht, du hast bloß kein Humor. Und in Wahrheit wusste ich, dass du schon klar kommen würdest. Sonst hätte sich meine Intuition gemeldet.» «Wusste nicht, dass du dich für eine Frau hältst.» Als ich mich bis auf die Shorts ausgezogen hatte, dachte ich kurz darüber nach, ob ich vorher noch unter die Dusche springen sollte, ließ es dann aber bleiben. Dafür war ich zu müde. Mir war leicht schwummrig, der Alkohol machte mich träge und die Anstrengung der Versiegelung war noch immer nicht ganz aus meinen Knochen gewichen. «Bastard!», nuschelte Hidan etwas verzögert, da ihm wohl erst jetzt aufgegangen war, was ich damit gemeint hatte. «Du weißt schon, dass das nicht nur Frauen haben können, oder?» «Es heißt nicht umsonst weibliche Intuition.» «Man, sieh’ doch nicht immer alles so streng. Nur weil man es so nennt, heißt das noch lange nicht, dass das nicht auch Männer haben können.» Ich seufzte resigniert und war gleichzeitig doch amüsiert darüber, dass dieser Dickschädel sogar noch im Halbschlaf eine Diskussion vom Zaun brach und nicht von seinem Standpunkt ablassen wollte. «Genug davon. Rutsch lieber mal rüber.» Hidan lag mittig im Bett und nahm dieses fast ganz ein, auf meine Aufforderung hin machte er mir jedoch Platz. Ich zögerte, blieb einen Moment unschlüssig neben dem Bett stehen. Irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, mich jetzt zu ihm zu legen, wo ich doch vor knapp einer Stunde das Bett noch mit einer Frau geteilt hatte. Kopfschüttelnd verteufelte ich diesen absurden Gedanken, der zudem völlig unsinnig war, und ließ mich ins Bett sinken. Doch das drückende Gefühl verschwand nicht – wurde vielmehr schlimmer – als ich Hidan neben mir wahrnahm und kurz darauf spürte, wie er sich an mich schmiegte. Der Silberhaarige musste schon eine Weile geschlafen haben, denn er fühlte sich angenehm warm an. Beinahe heiß war er, doch vielleicht kam es mir nur so vor, weil mich die Nacht ausgekühlt hatte. Nachdem er mir ein Teil der Decke abgegeben hatte, sank sein Kopf auf meine Schulter. Seufzend legte er einen Arm um mich. Von seiner gestrigen Unsicherheit war offensichtlich nicht mehr viel übrig geblieben. Leider. Denn gerade jetzt wünschte ich, er würde sich nur weiterhin so zieren. «Hast du getrunken? Bastard, hättest mich ruhig mitnehmen können. Wolltest den ganzen Spaß wohl alleine haben, hm?» Er drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge und noch während er einatmete wurde mir klar, dass er vielleicht nicht nur das würde riechen können. «Wo hast du dich rumgetrieben? Du riechst irgendwie nach… Parfüm?», fragte er verwundert und schnupperte an mir, während ich mich gedanklich einen Narren schimpfte. Vielleicht wäre es doch klug gewesen, vorher noch duschen zu gehen. «Ja, Parfüm und noch was anderes. Du riechst nach… nach…» Er stockte und richtete sich etwas auf, um mich anzusehen. «Hast du… warst du… wo bist du gewesen?» Seine Stimme bebte leicht, als wäre er sich nicht sicher, ob er wirklich eine Antwort darauf haben wollte. «Ich war in einem Bordell», eröffnete ich nonchalant. Es blieb still, eine ganze Weile sagte er nichts, rührte sich nicht, starrte mich nur an. «Aha», murmelte er dann, scheinbar teilnahmslos. Anders als seine Stimme, war seine Mimik facettenreich – seine Gesichtsmuskeln sprangen von einer Emotion zur nächsten. Erst hoben sich erstaunt seine Brauen, dann verzogen sich angeekelt seine Lippen, sein Mund öffnete sich, nur um sich gleich wieder zu schließen. Es machte den Anschein, als würde er nicht wirklich wissen, wie er darauf reagieren sollte. Hatte ich ihn damit so kalt erwischt? Einige Sekunden später schien eine Emotion Überhand gewonnen zu haben – Wut. «Warum zum Teufel erzählst du mir das? Einfach so?» «Warum nicht?» «Du hättest wenigstens lügen können oder… keine Ahnung! Den Schnabel aufmachen und mit mir reden, anstatt abhauen und ne Nutte vögeln gehen.» «…» Hidan schnaubte abfällig und machte nicht den Anschein, als würde er weiter mit mir diskutieren wollen. Denn er löste sich endgültig von mir, wandte sich ab und rutschte zur Bettkante. Mit einem Arm um den Bauch fing ich ihn jedoch noch rechtzeitig ein, ehe er die Möglichkeit hatte aus dem Bett zu steigen. «Lass mich los», verlangte er, die Wut in seiner Stimme nun nicht mehr zu überhören. Seinen Wunsch ignorierend, fing ich nun doch an zu bereuen. Ich hätte es ihm nicht erzählen sollen. Denn so wie sich die Sache gerade entwickelte… so hatte ich das nicht gewollt. Aber eigentlich hätte ich mir doch denken können, dass er nicht sonderlich erfreut darüber sein würde. «Warum sollte ich?», antwortete ich, nun auch ein wenig gereizt, da mich sein abrupter Rückzug unzufrieden stimmte. «Normalerweise kannst du mir doch nicht nah genug sein, so wie du dich manchmal halb auf mich drauf legst. Ich dachte das ist es, was du willst.» Ich zog ihn so nah an mich heran, bis sein Rücken meine Brust berührte. Fest drückte ich mich an ihn, ließ keinen Raum zwischen unseren Körpern. «Dass ich dich anfasse. Das ist es doch, was du willst.» Zur Verdeutlichung ließ ich einmal meine Hand über seinen Oberkörper wandern. Aufdringlich. Und ohne seinem Sträuben Beachtung zu schenken. Hidan genoss doch jede noch so kleine Annäherung meinerseits. Sei es auch nur, dass ich ihm des nachts nicht gleich den Rücken zukehrte. Da sollte ihm das hier doch gefallen. Doch das tat es anscheinend nicht. Widerspenstig wand er sich in meinem Griff, versteifte sich wie ein Felsbrocken und zuckte vor meiner Berührung zurück, als ekelte er sich vor ihr. «Fick dich!», zischte er, während er mit seinen Nägeln über meinen Unterarm kratzte, diesem rote Striemen verpasste. Das scharfe Brennen auf meiner Haut brachte mich jedoch nicht von ihm los. Ich hielt ihn weiter fest, dachte nicht daran ihn loszulassen. «Ich schlafe nicht neben jemanden, der nach Sex und billiger Hure riecht. Du stinkst! Geh weg, das ist ja widerlich.» Verabscheuend spuckte er die Worte aus, während es ihm gelang, sich in meiner Umklammerung zu mir umzudrehen. Mit finsterem Blick stemmte er seine Hände gegen meine Brust, während sich seine angewinkelten Knie in meinen Magen bohrten. Mit allen vieren versuchte er sich von mir wegzudrücken, meinen Arm zum Nachgeben zu bewegen. Wir starrten einander in die Augen, lieferten uns ein Blickduell, welches mehrere Minuten anhielt. Als mein Arm langsam anfing zu schmerzen, ich allmählich wegzurutschen drohte, nahm ich den Linken zur Verstärkung dazu. Ich schob ihn unter Hidan hindurch und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. So festigte ich meine Umklammerung, was dem Jüngeren ein aufgebrachtes Knurren entlockte. Anscheinend hatte er genug, denn er verlor die Geduld und fing an mich gegen die Brust zu boxen. Er zappelte, schlug immer wilder und fester zu, was es mir schwer machte, ihn weiter unter Kontrolle zu behalten. Schließlich entstand eine kleine Rangelei, die ihren Höhepunkt darin fand, dass ich beinahe eines seiner Knie in meine Weichteile gerammt bekommen hätte, wäre ich nicht reflexartig zurückgewichen. «Den brauche ich noch!», grollte ich erzürnt und war mir dennoch nicht ganz sicher, ob er vielleicht nicht doch nur abgerutscht war und es nicht absichtlich getan hatte. «Nicht sehr sportlich von dir. Hast du eine Ahnung wie sehr das weh tut?» Grob wirbelte ich ihn herum und da es mir so langsam reichte, rollte ich mich auf ihn. Um Fluchtversuche direkt zu unterbinden und auch nicht Gefahr zu laufen, doch noch von ihm verletzt zu werden, begrub ich ihn unter mir, drückte ihn mit meinem Körpergewicht bäuchlings in die Matratze. Er sollte sich erst mal wieder einkriegen. «Ach ja? Mir doch egal! Heul jemand anderen voll, zum Beispiel deine kleine Nuttenfreundin!» Er keuchte, als ich den Druck verstärkte. «Warum macht dich das so wütend, Hidan?», wollte ich ehrlich wissen, doch die Frage schien ihn nur noch aggressiver werden zu lassen. «Hör auf! Lass mich los, verpiss dich endlich!» Er schrie und beschimpfte mich, verfiel immer mehr in Hysterie, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Ich wunderte mich – warum war er denn so außer sich? Zuvor war er wütend gewesen, doch das hier, wie er sich nun verhielt, nahm gerade ein völlig anders Ausmaß an. Als wäre bei ihm von der einen auf die andere Sekunde ein Schalter umgelegt worden. Sein Gebrüll drang mittlerweile nur noch gedämpft zu mir vor, da er mich ja geradezu dazu zwang, meinen Griff zu festigen und seinen Kopf runter in die Kissen zu drücken. Es vergingen einige Minuten, in denen er sich weiter fluchend und unter Leibeskräften gegen mich wehrte, strampelte, tobte und sich wand, als ginge es um sein Leben. Ich keuchte auf, als sein Ellenbogen meine Rippen erwischte und fing seine Arme sogleich ein, pinnte sie neben seinem Kopf fest. Diesen riss er plötzlich ruckartig zurück, wobei er mir fast eine blutige Nase verpasst hätte, wäre ich nicht schnell genug zurückgewichen. Er suchte weiter nach Möglichkeiten mir weh zu tun, fand irgendwann aber keine mehr, da ich ihn mittlerweile so sehr fixiert hatte, dass er kaum mehr einen Muskel rühren konnte. Er war bewegungsunfähig und ließ es dennoch nicht bleiben, sich immer wieder verzweifelt aufzubäumen – wie ein in die Enge gedrängtes Tier. Dabei sollte doch schon lange klar sein, dass er damit rein gar nichts bezweckte. Außer vielleicht, dass er noch mehr Bewegungsfreiheit einbüßte. Es dauerte, bis er sich verausgabt hatte und erst dann wurde er allmählich ruhiger. Schließlich gab er vollkommen auf und blieb regungslos liegen, ächzte nur noch schwer unter meinem Gewicht. Dann schlug das Ächzen in ein seltsames Geräusch um. Es hörte sich für mich beinahe wie ein Wimmern an. Mit gerunzelter Stirn wog ich ab, ob es tatsächlich möglich war, dass er heulte. Seine rechte Schulter zuckte plötzlich unkontrolliert zurück und erst da wurde mir bewusst, dass ich meine Kraft unterschätzt hatte. Hidan bekam keine Luft – ich war dabei ihn zu erdrücken. Sofort nahm ich den Druck von seinem Brustkorb und lockerte die Fixierung seines Kopfes, gab ihm so die Möglichkeit, diesen zur Seite zu drehen. Das tat er auch augenblicklich – er holte er keuchend Luft, tat dann eine ganze Weile lang nichts anderes, außer angestrengt durchzuatmen. Ich betrachtete sein Profil, die geschlossenen Augen und die geöffneten Lippen, die so gierig Sauerstoff einsogen. Er schwitzte, sein helles Haar war zerzaust und lag im starken Kontrast zu seiner Haut, die durch die Anstrengung und des Luftmangels einen satten Rotton angenommen hatte. Hidan schnaufte noch ein paar mal durch, ehe er die Augen öffnete. Seine Pupillen huschten unruhig umher, als würde er sich erst orientieren müssen. Als sein Blick schließlich klarer wurde und dem meinem begegnete, senkten sich seine Lider sogleich wieder. Er drehte den Kopf weg, vergrub sein Gesicht locker in den Kissen, als würde er nicht wollen, dass ich ihn ansah. «Wusste nicht, dass wir wieder so weit sind und du mich umbringst, sobald dir was nicht passt», murmelte er mit rauer Stimme, die den verbitterten Tonfall nur noch mehr zur Geltung brachte. «Ich hab da ein kleiner Tipp für dich: verbrennen ist viel qualvoller als ersticken. Wenn du mich also leiden sehen willst, dann fackle mich das nächste mal ab.» «Ich hab nicht bemerkt, dass du keine Luft bekommst.» Verteidigte ich mich und versuchte die Entschuldigung, die mir so plötzlich auf der Zunge brannte, unausgesprochen zu lassen. «Schön. Mir egal. Aber geh' jetzt endlich von mir runter.» «Zuerst erklärst du mir, was das gerade eben war.» Mochte sein, dass Hidan nicht sehr glücklich über die Sache mit dem Bordell war. Dass er deswegen auf Abstand gehen wollte war ja noch nachvollziehbar – aber gleich derart ausrasten? «Ich weiß nicht was du meinst.» «Verarsch mich nicht.» Hidan zögerte mehrere Sekunden, antwortete mir dann aber doch. «Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn ich mich nicht bewegen kann.» Wie auf Kommando bewegte er seine Arme ein Stück – so weit es ihm in meinem Griff eben möglich war. «Bei engen, dunklen Räumen ist es auch schlimm. Wenn ich keine Möglichkeit sehe, mich aus einer Situation zu befreien… da kriege ich Panik, okay? Da bekomme ich so schon schlecht Luft. Dass du mich unter dir begräbst, macht es das dann auch nicht gerade besser.» Er drehte seinen Kopf erneut zur Seite und schielte zu mir hoch. Ich runzelte nur die Stirn, da mir das suspekt vorkam. Ein Unsterblicher, der das Sterben und die höllischsten Schmerzen schon unzählige male durchlebt hatte, sich aber vor engen Räumen und eingeschränkter Bewegungsfähigkeit fürchtete? «Was?», fauchte Hidan gereizt, als er meinen Blick bemerkte. «Ich bin nicht Gott oder so. Dachtest du denn, dass es nichts gäbe, das mir irgendwie was ausmacht?» Ich hätte es zwar nicht so ausgedrückt – aber ja, das hatte ich tatsächlich geglaubt. Hidan tat immer so furchtlos und abgebrüht – ob in Kämpfen oder generell wie er sich gab. Anfangs hatte ich noch geglaubt, dass er einfach nur gut schauspielern konnte und dass er doch eine Schwäche haben müsste. Als ich ihn frisch als Teampartner zugeteilt bekommen hatte, hatte ich geradezu fieberhaft nach einer solchen gesucht. Etwas, das mir geholfen hätte ihn gefügig zu machen und womit ich ihn vielleicht auch etwas hätte quälen können. Doch ein brauchbares Druckmittel hatte sich mir nie offenbart. Dass es eine ganz simple Klaustrophobie sein würde – damit hätte ich nicht in tausend Jahren gerechnet. Umso mehr verblüffte es mich, dass Hidan mir das nun, gerade heraus, einfach so offen legte. Als würde der Jüngere meine Gedanken lesen, verzog er ertappt die Mundwinkel, ehe er eine gleichgültige Miene aufsetzte, die mich jedoch nicht täuschen konnte. Wahrscheinlich befürchtete er, dass ich immer noch vor hatte, diese Information gegen ihn zu verwenden. «Geh’ jetzt runter von mir», erklang es kalt. «Kriegst du dich dann ein und bleibst liegen?» Er schnaubte, ließ sich jedoch nicht zu einer Antwort herab – machmal erschien mir seine Sturheit grenzenlos. Doch ich konnte genauso stur sein, wenn ich wollte. «Was willst du eigentlich von mir?», fragte er mich dann schnaubend, als ihm wohl klar wurde, dass ich nicht vorhatte ihn lozulassen. Mir war direkt klar, dass sich die Frage nicht darauf bezog, was ich gerade jetzt im Augenblick wollte. Ja, was wollte ich eigentlich? Ich zögerte mit meiner Antwort. «Ich will, dass alles wieder normal wird.» Bockig sah er zu mir hoch und zog dann offensichtlich die falschen Schlüsse. «Ich beruhige mich nicht, nur, weil du das gerade so willst.» «Das meine ich nicht.» «Was dann?» «Unser Verhältnis.» Er lachte trocken auf, als hätte ich einen schlechten Witz gerissen. «Scheiße, das war doch noch nie normal, Kakuzu.» «Mag sein, aber darum geht's nicht. Ich will, dass es so wird wie vorher. Vor dieser Sache im Wald. Und ich dachte, dass ich dafür nur mal wieder eine Frau brauchen würde.» Es war alles noch so einfach gewesen als wir uns noch gehasst hatten – doch nun war so vieles anders, ungewohnt und einfach nur verwirrend. Das allein hätte ich ja noch akzeptieren können, doch dann pflanzte mir Hidan mit dieser einen, dämlichen nächtlichen Aktionen diese Gedanken in den Kopf, rief dieses absurde Verlangen in mir wach, das einfach nicht mehr verschwinden wollte. «Willst du mich verarschen?», lachte er höhnisch, ballte seine Hände zu Fäusten. «Wo zum Teufel soll das logisch sein? Aber gut, dann hoffe ich, dass du jetzt zufrieden bist.» Grollend spannte er sich unter mir an, als würde er sich gleich wieder aufbäumen wollen. Nein. Nein, bin ich nicht. Ich bin weit davon entfernt zufrieden zu sein. Der Bordellbesuch hatte gar nichts gebracht, ich hätte ihn mir genauso gut auch sparen können. Ich fühlte mich noch immer zu Hidan hingezogen. Sogar jetzt, wenn wir stritten, sogar in solchen Momenten, in denen er mir das Leben schwer machte und ich ihm am liebsten den Hals umdrehen würde. Diese Anziehung, sie mochte zum Teil schon immer da gewesen sein, doch richtig bewusst war sie mir erst seit kurzem. Und nun, wo sie so stark geworden war, gelang es mir einfach nicht mehr sie zu ignorieren. «Und jetzt lass mich endlich los!» Seine Stimme war scharf, schneidend und hatte einen drohenden Unterton angenommen, der mir unmissverständlich klar machte, dass es nun genug war. Kurz festigte sich mein Griff, ehe ich ihn widerwillig losließ. Ich gab ihn frei, rollte mich von ihm runter und nur Sekunden später war Hidan aus dem Bett geflohen. Unzufrieden blieb ich auf der Matratze zurück, beobachtete, wie er sich mit finsterer Miene eines der Kissen schnappte. «Was wird das?» «Wonach sieht’s denn aus?», giftete er zurück. «Ich sagte ja schon: du stinkst. Und lieber schlafe ich in der Badewanne als neben dir!» Ein verachtender Blick traf mich, der mein Blut nur noch weiter zum Kochen brachte. Frustriert darüber, wie das alles so aus dem Ruder hatte laufen können, verfluchte ich Hidan und die widersprüchlichen Gefühle, die er in mir hervorrief. Ich verfluchte mich selbst und die ganze Welt, die mich doch schon gehasst hatte, kaum dass ich auf der Welt war. «Ich wünschte ich hätte dich sterben lassen.» Es war nur ein flüchtiger Gedanke, der es dennoch geschafft hatte in Form von Worten meinen Mund zu verlassen. Hidan blieb auf halbem Weg stehen. Langsam wandte er sich mir zu, mit einem Ausdruck im Gesicht, den ich nicht zu deuten wusste. «Nicht das. Sag was immer du willst, aber nicht das. Was du getan hast, das… wag es nicht, das in den Dreck zu ziehen.» Es war als würde ich Hidan gar nicht hören, die Welt schien in Watte gepackt – das Einzige, das ich wahrnahm war das Rauschen meines eigenen Blutes in den Ohren. Ich dachte an die Zeit vor der Partnerschaft mit Hidan und daran, wie geordnet damals alles doch gewesen war. Probleme waren nicht existent gewesen, wie auf einem Laufband war ich geradlinig dem Pfad, der mein Leben darstellte, gefolgt, ohne mich auch nur einmal nach links oder rechts zu drehen oder ablenken zu lassen. Doch nun hatte ich mich verirrt, es fühlte sich so an, als würde ich nur noch im Kreis laufen. «Ich wünschte du wärst tot. Dann hätte ich meine Ruhe und könnte mein Leben friedlich weiterführen.» «Hör auf!» Sein Schrei kam so plötzlich und unerwartet, dass das Dröhnen in meinem Schädel von hier auf jetzt verschwand. «Du verdammter Mistkerl, das ist nicht fair!» Sein Gesicht verzog sich wütend, während sein Körper zu beben anfing als stünde er unter Strom. «Was ist eigentlich dein Problem, huh?! Warum gibst du so ne Scheiße von dir, nur, weil ich grad keinen Bock mehr auf dich hab!? Ich blick bei dir nicht mehr durch, weil, erst sagst du was, tust dann aber das Gegenteil und umgekehrt. Ich kapier da echt gar nichts mehr, aber gut, meinetwegen, mach wie du willst. Aber gib mir nicht die Schuld an deiner Verkorkstheit. Und fick mich nicht so blöd von der Seite an! Halt ganz einfach deine Schnauze, wenn eh nur Müll raus kommt!» Hidan hatte sich regelrecht in Rage geredet, schnaufte nun einmal durch, da er kaum zu Atem gekommen war. «Du tust immer so oberwichtig, als wüsstest du alles, aber in Wahrheit bist du einfach nur ein Kotzbrocken, der von nichts einen Plan hat. Du weisst ja nichtmal was du willst! Ich kann jetzt echt verstehen, warum dich dein Dorf damals in den Kerker geworfen hat. Du bist einfach unausstehlich, das hält man ja nicht aus!» Ungerührt hatte ich seinen Wortschwall über mich ergehen lassen, doch bei den letzten Worten versteifte sich jeder Muskel in mir. Unbewusst krallten sich meine Nägel in das Laken. Unbändiger Zorn flammte in mir auf, Angesicht dessen, dass Hidan es wagte Dinge aus meiner Vergangenheit für seinen Wutausbruch zu missbrauchen. Dinge, die hier absolut nicht hingehörten. Dinge, die – auch wenn noch so lange Zeit vergangen sein mag – noch immer an mir nagten. Der Jüngere konnte über alles schimpfen, mich beleidigen und anschreien so viel er wollte. Ich würde alles hinnehmen können – aber nicht das. Es machte mich rasend. «Sprich nicht über Dinge, von denen du einen Dreck weisst», warnte ich ihn mit drohender, dunkler Stimme. Die Augen zu Schlitzen verengt starrte ich ihn hasserfüllt an. Ich rang um Beherrschung und hatte alle Mühe damit, nicht gleich aufzuspringen und ihn meine Wut spüren zu lassen. «Ich werde diesen Ort morgen verlassen und solltest du auch nur darüber nachdenken mir zu folgen, werde ich dich in Stücke reißen und deine kümmerlichen Überreste irgendwo im Wald verscharren.» Hidan geriet für einen Moment ins Stocken, ein Schatten der Unsicherheit huschte über seine Mimik, ehe er meinen Blick trotzig erwiderte. «Du kannst mich nicht einfach so zurücklassen, wir sind ein Team. Was ist mit Akatsuki? Pain würde das sicher nicht erlauben und–» «Du glaubst ja nicht wie egal mir das ist. Und nun geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr sehen.» «Schön!», zischte er. «Dann verpiss dich halt! Ich bin froh wenn ich dich endlich los bin!» Wütend donnerte Hidan ins Bad und ließ die Tür mit Krach ins Schloss fallen. Der Lichtkegel, der unter dem Türschlitz hindurch fiel, erlosch nur Sekunden später. Es polterte noch einmal gedämpft, dann war es still. Langsam ließ ich mich zurück in die Matratze sinken. Mein Gemüt war noch immer erhitzt, die Wut floß brütend heiß durch meine Adern und würde mich gewiss für eine Zeit lang am Einschlafen hindern. Ich zog die Decke hoch, wälzte mich auf die Seite und starrte in die Dunkelheit, während ich versuchte an nichts zu denken. Irgendwann, als ich mich ein wenig beruhigt hatte, konnte ich, rückblickend betrachtet, das Ausmaß unseres Streits nur noch als lächerlich bezeichnen. Dennoch war es so typisch – unsere Meinungsverschiedenheiten schaukelten sich immer hoch. Manchmal ging es sogar so weit, dass selbst mir der ursprüngliche Grund für unseren Streit nicht mehr einfallen wollte. Für gewöhnlich ignorierte ich Hidan nach einem Streit ein paar Tage lang, schwieg ihn an, während er mich mit gehässigen Kommentaren strafte. Am Anfang hatte ich noch versucht ihn mit Gewalt in die Schranken zu weisen und war ihn oftmals körperlich angegangen. Ich hatte jedoch schnell einsehen müssen, dass das nicht viel brachte – er ließ sich damit einfach nicht einschüchtern. Auch wenn wir uns schon so oft gestritten hatten, dieses mal war etwas anders. Was daran liegen konnte, dass sich die Dinge, die wir uns normalerweise an den Kopf warfen, nur aus Lappalien bestanden. Doch in diesem Fall waren Worte gesagt worden, die schwerer wogen – über die konnte man nicht so einfach hinwegsehen. Und mein Gefühl sagte mir, dass es dieses mal nicht damit erledigt sein würde, indem wir uns für ein paar Tage aus dem Weg gingen. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war – eine Stunde, vielleicht auch zwei – als das Licht im Bad wieder anging. Die Tür wurde leise aufgeschoben und Hidan kam in dem entstandenen Spalt zum Vorschein. Seine Augen huschten durchs Zimmer, als würde er mich in der Dunkelheit erst ausmachen müssen. «Hey, bist du wach?», murmelte er dann, obwohl er sich die Frage auch selbst hätte beantworten können. Denn er sah direkt in meine Richtung und musste demnach auch bemerkt haben, dass ich nicht schlief. «Ich kann nicht schlafen, weil… die scheiß Wanne ist echt hart und… keine Ahnung.» Er massiert sich den Nacken, neigte den Kopf, als würde er selbst nicht wissen, was er sagen sollte. «Ich hätte das mit deinem Dorf nicht sagen sollen.» Was du nicht sagst, hatte ich ihm trocken antworten wollen, doch mein Stolz ließ es nicht zu. «Gut, na schön, es tut mir leid, okay? Aber ignorier mich nicht», meinte er dann energisch. «Außerdem bin ich nicht der einzige, der Scheiße gebaut hat.» «Und jetzt willst du eine Entschuldigung von mir oder was?» Es war schon an meinem Tonfall zu entnehmen, dass er vergebens darauf warten würde. «Was?», entkam es ihm leicht verwirrt. «Nein. Ich meine, wäre nett, wenn du das tun würdest, aber nein.» «Was wird das hier dann?» «Ich muss wissen, ob du das ernst gemeint hast. Es hat sich nämlich so angehört und… das würdest du nicht tun, oder? Abhauen, meine ich. Einfach so, ohne irgendwas? Wir sind schon so lange ein Team und haben so viel Mist erlebt und dann sind wir doch gerade erst… wir haben doch irgendwie… das… keine Ahnung. Und da haust du doch nicht ab und lässt mich einfach so zurück? Oder?» Ich war ein wenig verwundert darüber, dass es das war, was ihn so beschäftigte. Und nicht meine Aussage von vorhin, dass ich mir seinen Tod wünschen würde. «Das tust du nicht, oder?», hakte Hidan nach. «Warum beschäftigt dich das plötzlich? Wir streiten andauernd.» Und drohen uns gegenseitig mit Dingen, die wir dann doch nie wahr machen. «Ich weiß.» «Aber so bist du noch nie angekommen.» «Ich weiß.» «Warum also jetzt?» «Weil dieses mal etwas anders ist.» Dann hatte er es also auch gespürt? Vorsichtig, als würde er nicht wissen, ob ich ihn jede Sekunde wieder zum Teufel jagen würde, näherte er sich dem Bett. Die Tür vom Bad stand noch immer offen, das Licht brannte ungenutzt weiter, doch das schien den Jüngeren nicht weiter zu kümmern. Als er bei mir angelangt war, wartete er mit fragendem Blick einige Sekunden ab – als würde er mich um Erlaubnis bitten. Ich starrte nur stumm zurück, war emotional einfach zu erschöpft und wollte keinen Zündstoff für einen weiteren Streit liefern. Das Kissen musste noch immer in der Badewanne liegen, denn als er sich mit Abstand neben mich auf die rechte Betthälfte legte, sank sein Kopf direkt auf das Laken. Schweigend lag er da, starrte nur hoch zur fleckigen Decke. Nicht wissend, was ich davon halten sollte, tat ich es ihm nach einer Weile einfach gleich. «Vorhin sagtest du, du wünscht dir alles wäre wieder so wie früher. Aber weisst du was?» Etwas berührte mich am Arm. Ich starrte weiter auf einen imaginären Punkt an der Decke. «Ich finde, so wie es jetzt ist, ist es doch viel besser.» Kühle Finger legten sich zögerlich um meinen Unterarm, verharrten in locker aber beständigem Griff. Im ersten Moment wollte ich meinen Arm wegziehen, tat es dann aber doch nicht. «Was ist so schlimm daran, wenn wir uns ein wenig anfreunden?» «Das ist keine Freundschaft», widersprach ich sogleich. Ganz egal was das zwischen uns sein mochte, Freundschaft war es bestimmt nicht. «Ich weiß», hörte ich ihn leise sagen. Irgendwie wusste ich auch ohne hinzusehen, dass er gerade lächelte. «Ich wusste nur nicht wie ich es nennen sollte.» Seine Stimme hatte sich bis auf ein müdes Flüstern hinabgesenkt, so dass ich es beinahe nicht mehr verstanden hätte. Hidans gleichmäßige Atemzüge sollten schließlich die letzten Geräusche sein, die das Zimmer bis zum Morgen erfüllten. ∴ –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – I've been on the low I been taking my time I feel like I'm out of my mind It feel like my life ain't mine –    ∙   ◦  ☽  •  ☾  ◦   ∙    – ∵ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)