Der Sündenbock von -AkatsukiHime (und warum ich ihn nicht gehen lassen konnte) ================================================================================ Kapitel 4: Mancher Schmerz lässt sich nicht betäuben ---------------------------------------------------- „Mein Name ist Deidara, aber vielleicht heiße ich auch Israel.“, erklärte er schließlich und grinste daraufhin verlegen. Der Rothaarige nickte verstehend, musterte Deidara dann eingehend, welcher begann das Skalpell nervös zwischen den Fingern zu drehen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, mit wem er es hier zu tun hatte, ob dieser Mann Freund, oder Feind war, tippte aber auf Letzteres. Immerhin waren alle in Deutschland, irgendwo, doch seine Feinde. Oder war tatsächlich er selbst, der „schlimmste Feind“? Und zugegebenermaßen, musste er feststellen, dass, wer auch immer der Rotschopf nun war, er nicht erfreut schien, ihn in seinem Keller vorgefunden zu haben. Oder seine „Werkstatt“, wie er es nannte. „Und du bist ein Jude?“, löcherte der Fremde ihn schließlich weiter, wobei sein Blick auf dem großen Davidsstern, auf Deidaras Jacke, ruhte. Der Blonde zuckte nur mit den Schultern, ehe er ebenfalls hinab auf seine Brust lugte. „Anscheinend.“, murrte er, ohne auf zu schauen. „Eigentlich dachte ich immer, ich wäre Christ, aber offensichtlich hab ich mich da vertan.“, säuselte er dann und augenblicklich verhärtete sich der Griff, um das Skalpell. Der Fremde lachte trocken. „Das kann schon mal passieren.“, hauchte er dann und für den Bruchteil einer Sekunde, schien es Deidara, als wäre sein gegenüber mit den Gedanken auf einmal woanders. Wieder legte sich Stille über sie, ehe Deidara das Schweigen unsicher brach. „Und jetzt...?“, fragte er schüchtern und fühlte sich mit einem Mal wieder ganz klein. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, was hinter der hübschen Stirn des Anderen vor sich ging, dabei verfügte er normalerweise über eine außerordentlich gute Menschenkenntnis, doch dieser Mann war anders. Es schien ihm nicht egal zu sein, wer, oder was Deidara war, allerdings schien es ihn auch sonst nicht großartig zu kümmern. Er hatte ihn gedeckt, aus unerklärlichen Gründen, aber nicht, weil er augenscheinlich ein Freund der Aussätzigen war, oder aus Hass auf das Regime... so wirkte er nicht. Eher, wie ein Saubermann. Er schien einfach grundlegend nach seinen eigenen Regeln zu spielen und das machte es dem Blonden schwer, ihn richtig einzuschätzen. Der Rothaarige hob fragend eine Braue, um zu verstehen zu geben, dass er nicht genau wusste, worauf Deidara hinauswollte. „Naja...“, begann der Blonde schließlich kleinlaut und warf einen flehenden Blick nach oben, „Werden Sie mich verraten?“ Er schluckte. Doch der Fremde überraschte ihn erneut:“ Das hast du doch schon selbst getan.“, war alles, was er darauf zu erwidern konnte. Deidara unterdrückte einen genervten Seufzer, biss sich dann allerdings instinktiv auf die Zunge, immerhin wollte er die Situation nicht weiter ausreizen. Denn im Moment, saß er wahrlich am kürzen Hebel. Er musterte den Rothaarigen, mit der Krücke, welcher ihn beinah amüsiert beobachtete. Für ihn schien das Ganze vielmehr ein lustiger Zeitvertreib zu sein, er spielte mit Deidara, während dieser um sein Leben bangte. „Ich meine an die...“, er brach kurz ab, ehe er leise weitersprach:“ Na, an die Schutzstaffel.“ Trauer überschattete seinen Blick und deprimiert ließ er das Skalpell schließlich aus den Finger und auf den steinernen Boden gleiten. Selbst wenn er es schaffen würde, diesen einbeinigen Kerl zu überwältigen, so würde er nicht all zu große Zeit später sowieso den SS-Leuten in die Finger geraten. Diese Ratten lauerten überall. Und ehe er sich versah, würde er sich trotzdem auf der Ladefläche, von einem der Transporter wiederfinden, welcher ihn direkt zum Bahnhof befördern würden. Und von da aus, … in eines ihrer Sammellager. Und was auch immer hinter den Maschendrahtzäunen dort vor sich ging, er wollte es nicht sehen. Er wollte nicht an diesen furchtbaren Ort. Zwar behauptete das Regime stur, es wäre lediglich eine Sammelstelle, wo Juden ungestört unter Juden sein könnten, mit Gemeinschaftssport, Freizeitaktivitäten und sonstigem Kram, doch hinterrücks erzählte man ganz andere Dinge. Jeder wusste über sie. Doch niemand sprach sie aus. Warum nicht? Wieso in aller Welt, machte keiner den Mund auf?! Geknickt schaute er auf, funkelte den Rotschopf, welcher sich leicht zu ihm hinunter gebeugt hatte und ihn nach wie vor schweigend betrachtete, einen traurigen Blick zu, ehe er die Arme um die Beine schlang, diese erneut an die Brust zog und bekümmert das Kinn auf den Knien ablegte. „Na, los...“, flüsterte er dann kaum hörbar und fixierte mit den Augen, einen unbestimmten Punkt auf dem Boden, „Ruf sie.“ Der Mann mit der Krücke schwieg einen Augenblick, ehe er ganz langsam näher an ihn herantrat und ihm sachte mit dem Ende der Gehhilfe, gegen das Schienenbein tippte. Verwundert schaute Deidara auf. „Wenn du da so rum' hockst holst du dir noch eine Erkältung.“, murrte er genervt und warf dem Blonden schließlich einen ungeduldigen Blick zu. „Und sowas könnten wir jetzt am aller Wenigsten gebrauchen.“ Deidara blinzelte verwirrt. „Wir?“, wiederholte er irritiert, doch der Mann hatte ihm bereits den Rücken gekehrt und hinkte zur Tür, welche sich neben der Werkbank, von welcher er das Skalpell entwendet hatte, befand. Er öffnete diese und Deidara erhaschte einen flüchtigen Blick auf das dahinterliegende Treppenhaus. Verwirrt blickte er dem Rothaarigen hinterher, ließ sich mit den Knien nach vorne auf den Boden sacken und erhob sich dann in die Hocke. Als sein Blick und der, des Fremden sich schnitten, hielt er augenblicklich inne. Hielt sogar den Atem an. „Wir.“, wiederholte der Rotschopf schließlich und warf ihm einen kühlen Blick über die Schulter zu, ehe er dem Jüngeren mit einem Kopfnicken bedeutete, ihm zu folgen. Deidara verengte misstrauisch die Augen zu Schlitzen, er vertraute dem Kerl kein bisschen, auf der anderen Seite, hatte er keine Alternative. Entweder er hing sich vorerst an ihn und hatte somit den Hauch einer Chance, den Klauen der SS zu entkommen, oder aber... Er schluckte. An alles Andere wollte er lieber nicht denken, so viel stand fest. Mit etwas Sicherheitsabstand folgte er dem Älteren schließlich, schloss die Tür zur Werkstatt leise und stieg dann, schweigend hinter ihm, die schmale Treppe hinauf. Sie passierten einen großen Raum, dessen riesige Fenster allesamt zugezogen waren, teilweise sogar vernagelt. Deidara konnte schemenhaft in der Dunkelheit einen Tresen erkennen, mehrere Vitrinen und da drin befanden sich... Menschen?! Kurz stockte ihm der Atem und instinktiv stoppte er, blinzelte ein paar mal verwirrt, ehe er erleichtert feststellte, dass sich in den Vitrinen und Regalen keine Kinderleichen, sondern Puppen befanden. Marionetten, teilweise lebensgroß. Eine kalter Schauer lief ihm über den Rücken, denn das ganze erinnerte an die Szenerie eines schlecht inszenierten Horrorfilmes. Wirklich gruselig. Was für sonderbare Geheimnisse dieser schräge Kauz wohl noch in seinen vier Wänden beherbergte? „Schlag keine Wurzeln.“, riss ihn die Stimme des Rothaarigen schließlich aus den Gedanken, welcher bereits den oberen Teil, der nächsten Treppe erreicht hatte und ungeduldig, mit dem gesunden Fuß auf und ab tippte. Deidara nickte hastig, riss den Blick schließlich von dem Puppenfriedhof los und kletterte die nächste,schmale Treppe empor, welche derartig steil ging, dass er sich beinah mit den Händen, an den höheren Stufen hätte hochziehen können, ohne dafür den Rücken krümmen zu müssen. Oben angekommen, blieb er fragend neben dem Rothaarigen stehen, welcher nur entnervt mit den Augen rollte, ehe er weiter, durch den kleinen Flur und durch die zweite Tür, in einen der Räume schlurfte. Deidara folgte gehorsam und fand sich in der Küche wieder. Augenblicklich musste er die Lider zusammen kneifen, das grelle Licht, welches durch das Fenster hineinschien, blendete ihn, brannte sogar etwas in den Augen und kurz fragte er sich, warum ihn die Helligkeit so irritierte, ehe er feststellte, das im gesamten, restlichen Haus die Fenster abgedunkelt waren. Verwundert blickte er sich um, schritt dann weiter über den sauberen, glänzenden Fließenboden, in den Raum hinein und ließ den Blick schweifen. Eine geräumige Küche, welche durch eine Art Bogendurchgang, wder von mehreren Stützpfeilern gehalten wurde, in die Wohnstube führte. Er ging weiter, bis zum Fenster, stemmte sich mit den Händen von der Arbeitsplatte ab und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen besseren Blick, über die Stadt erhaschen zu können. „Man kann ja bis Unter den Linden gucken!“, bemerkte er überrascht und reckte den Kopf noch etwas weiter. Der Rotschopf hob rasch den Blick, seine Augen weiteten sich vor Schreck, ehe er zwei hastige Schritte auf ihn zu machte und die Krücke direkt vor ihn, auf die Arbeitsplatte donnerte. Es knallte laut und Deidara machte erschrocken einen Satz zurück, starrte auf das lange Holzstück, welches nun dort ruhte, wo bis vor wenigen Sekunden noch seine Finger gewesen waren. Entsetzt schaute er den Rothaarigen an, welcher ihm einen gefährliche wirkenden Blick zu warf. „Bist du noch beisammen?!“, fuhr er ihn an und Deidara schüttelte aus Reflex einfach nur den Kopf, hatte er doch nicht die geringste Ahnung, was er nun schon wieder angestellt hatte. „Bleib vom Fenster weg, oder willst du, dass dich jemand entdeckt?“, murrte er, ehe er ihm einen letzten, vernichtenden Blick schenkte, die Krücke dann von der Küchenzeile zog und sich schließlich an der Herdplatte zu schaffen machte. Deidaras Blick huschte irritiert zwischen dem Rothaarigen und dem Fenster hin und her und langsam dämmerte es ihm. Natürlich, man hätte ihn von draußen entdecken können, wachsame Nachbarn, doch in Zeiten wie diesen, waren sie alle wachsam. Man hatte Angst davor entdeckt zu werden, obgleich man nichts versteckte und jeder, noch so enge Vertraute, konnte einem der schlimmste Feind werden, nur um den Verdacht, von sich selbst ab zu bringen. Er schaute zu dem Rotschopf, welcher der Weilen Wasser auf dem Kochfeld erhitzte, vermutlich Tee aufsetzte. Wahrscheinlich, wollte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Aber wieso, behandelte er ihn eigentlich so... normal? Immerhin wusste er um Deidaras Abstammung, der Stern auf der Jacke war ja kaum zu übersehen und intelligent genug, um zu wissen, was mit „Judenfreunden“ passierte, schätze Deidara ihn auch ein. Also, wozu das Ganze? Sie schwiegen eine Weile, die Stille wurde nur von dem Ticken der Wanduhr und dem Brodeln des Wassertopfes durchbrochen und immer noch stand Deidara völlig ziellos in der Mitte, der Küche herum. „Schuldigung...“, flüsterte er schließlich heißer, als sich der Rothaarige ihm wieder zu wand, sich dann unter leisem Ächzen auf einen der Stühle sinken ließ, Deidara mit einem Kopfnicken bedeutete, es ihm gleich zu tun. Gehorsam setzte der Blonde sich, allerdings nicht auf den Stuhl, der neben diesem Kerl stand, sondern einen weiter. Sicher war sicher. Der Rotschopf quittierte dies stillschweigend, hob kurz fragend die Braue, ehe der Ansatz eines Schmunzelns über seine Lippen huschte, jedoch sofort wieder verstand. Misstrauisch legte Deidara den Kopf schief, irgendwie wurde er aus diesem Sonderling nicht schlau. Eine Weile betrachteten sie sich einfach nur aufmerksam gegenseitig, wie Tiere, die abwägten, wie ratsam ein Revierkampf war, ehe der Mann das Schweigen schließlich brach. „Also Deidara, oder vielleicht auch Israel, verrate mir doch mal, was du dort in meiner Werkstatt zu suchen hattest.“, wollte er schließlich wissen, was Deidara verwirrt aufschauen ließ. Lag das nicht auf der Hand? Er hatte sich halt versteckt. Versteckt vor der Welt, weil er der Feind der Welt zu sein schien. Oder vielleicht war die Welt auch sein Feind, das konnte er nicht so genau sagen. Der Rothaarige musterte ihn interessiert, ehe er schließlich seufzend hinter sich griff und eine kleine Schachtel, aus einer Schublade zog, aus welcher er wiederum, eine Tablette hervor holte. Fragend legte Deidara den Kopf schief. „Was ist das?“, platzte es aus ihm heraus, begutachtete das kleine, weiße Medikament, ehe der Rotschopf es mit einem Schluck Wasser seine Kehle hinunterspülte. Er schüttelte sich kurz, sah aus, als wäre es nicht unbedingt wohlschmeckend. Der Mann warf ihm einen flüchtigen Blick zu, ehe er trocken hustete, sich dann aber gesammelt zu haben schien: „Ein Opiat.“, erklärte er dann knapp. Deidara nickte langsam, woraufhin der Rotschopf kurz schmunzelte. „Ein Schmerzmitte...“ „Ich weiß, was das ist.“, fiel Deidara ihm ins Wort, lehnte sich etwas nach vorne, so dass er sich mit den Ellbogen auf der Tischplatte abstützen konnte, legte den Kopf, auf den Händen auf und blinzelte dem Mann dann selbstbewusst entgegen. Dieser hob überrascht eine Braue. „Ich bin nicht doof.“, murrte Deidara schließlich. Das Blonde beschränkte sich immerhin auf seine Haarfarbe, auch wenn es Viele im ersten Moment nicht glauben wollten, aber in der Schule, war er damals sogar Klassenbester gewesen. Hatte nur gute Zensuren mit nach Hause gebracht. Seine Eltern waren reichlich stolz auf ihn gewesen. „Wie alt bist du, Deidara?“, wechselte der Rothaarige plötzlich schlagartig das Thema. „19.“ „19.“, wiederholte der Mann und schien kurz über etwas nach zu denken. Deidara beobachtete ihn dabei, schwieg allerdings und begann schließlich nervös an seinen Fingernägeln herum zu knabbern. Ihm brannte es auf der Zunge, zu fragen, ob der Rotschopf ihn verraten würde, oder ob er ihn einfach laufen ließe. Anderseits, schien der Kerl mehr als undurchsichtig und Deidara konnte sich gut vorstellen, dass er ihn möglicherweise auch einfach selbst töten wollte. Immerhin müsste er mit keiner Strafe rechnen, denn ein Juden zu töten, war nichts Anderes, als beim laufen, versehentlich eine Ameise unter seinen Fußsohlen zu zerquetschen. Niemand scherte sich drum, vor allem aber dann nicht, wenn der Jude Hausfriedensbruch begangen und es somit augenscheinlich „verdient“ hatte, bestraft zu werden. Deidara schüttelte es und er kniff misstrauische die Augen zusammen. Der Rotschopf schien immer noch, seinen eigenen Gedanken nach zu hängen und Deidara bemühte sich sichtlich, in Erfahrung zu bringen, woran er bei dem Fremden war. Doch er hatte keine Ahnung. Absolut keinen Schimmer, wie er diesen unnahbaren Mann ein zu schätzen hatte. Er rechnete mit Allem, vielleicht würde er im nächsten Moment einen Revolver hervor ziehen und ihn abknallen, vielleicht würde er aber auch fragen, ob er zum Essen bleiben wolle. Ungeduldig ließ der Blonde schließlich einen gedehnten Seufzer vernehmen, was auch seinen Gegenüber zurück in die Realität zu holen schien. „Und sie wollten dich deportieren?“, kam mit einem Mal die Frage. Die blauen Augen Deidaras weiteten sich überrascht, dann nickte er. „Woher, wissen Sie...“, begann er, doch der Rothaarige fiel ihm ins Wort. „Ich kenne Shisui, genau so wie die Uchihas.“, erklärte er sich dann. Er wartete kurz, ehe er weiter sprach. „Die drei Männer, mit dem Hund, die dich verfolgt haben.“, murrte er dann, auf Deidaras fragenden Blick hin, „Du musst ganz schön gerissen sein, wenn du ihnen entkommen bist.“ Deidara zuckte nur mit den Schultern. „Schon möglich.“, nuschelte er, versuchte sich unbeeindruckt zu geben, doch ein wenig schmeichelte es ihn doch. Er seufzte leise, ehe vor seinem inneren Auge kurz die Bilder der vergangenen Stunden aufflackerten. Die Menschen, diese Angst, die in der Luft lag. Die Rufe, das Wimmern, die Schüsse, die Hunde... Wenn er sich jetzt daran erinnerte, schien das alles mit einem Mal so weit weg und unwirklich, beinah, wie ein böser Traum, den man sich, nach dem Erwachen wieder ins Gedächtnis ruft. Die Details schwanden langsam, doch das Gefühl blieb. Dieses beklemmende, undefinierbare Gefühl, welches auf ihm -schwerte, wie Blei. „Trotzdem sind meine Tage gezählt...“, murmelte er schließlich traurig. Er war auch traurig. Und ein bisschen wütend. Und verzweifelt. Und enttäuscht. Die Liste war lang. „Gewiss das.“, entgegnete der Rothaarige ungerührt und Deidara biss sich, mit einem Mal, eine Ecke seines Nagels ab. „Du wirst definitiv jung sterben.“, sagte er dann beiläufig, beinah so, als würde er über das Wetter, oder andere Belanglosigkeiten sprechen. Deidara schaute auf. „Sie meinen, weil ich Jude bin?“, fragte er und mit einem Mal spürte er den Zorn, wieder in sich aufsteigen, eben jenen, welchen er bereits während der Deportation verspürte hatte. Doch den Rotschopf schien auch das kalt zu lassen, generell zeigte sich auf dessen Gesicht nicht die geringste Form eine Regung. Wahrscheinlich hätte Deidara aufspringen und ihn würgen können und er hätte bis zu Letzt jedes Muskelzucken unter Kontrolle gehabt. Noch nie, hatte der Blonde, eine, sich so in Beherrschung habende, Person getroffen. Zumindest wüsste er nicht drum und verstehen konnte er es ohnehin nicht, immerhin war er so ziemlich das genaue Gegenteil davon. Laut, impulsiv und er trug sein Herz auf der Zunge. Und der Mund, war leider meistens, wenn nicht sogar, so gut wie immer, schneller als der Kopf. Das hatte ihm bereits die ein oder andere Schelle, seiner Mutter eingehandelt und das war noch untertrieben. Der Rothaarige lachte leise und warf ihm dann einen belustigten Blick zu. „Nein.“, sagte er und auf den schmalen Lippen, bildetet sich ein flüchtiges Lächeln, „Einfach so.“ Er erhob sich, griff nach seiner Krücke und humpelte dann zurück, zu den Herdplatten um das heiße Wasser, in die Tassen zu gießen. „Du gehörst einfach zu der Sorte Mensch, die jung stirbt.“, erklärte er sich dann schließlich. Verärgert zog Deidara die Brauen zusammen. War das denn ein schlechter Scherz? Machte der Heini, sich da etwa über ihn lustig? Sah wohl so aus... „Entschuldigen Sie, Herr Freud.“, murrte der Blonde genervt, woraufhin der Rothaarige trocken lachte, während er zwei Teebeutel aus einem Kästchen zog und ins dampfende Wasser tunkte. „Freud“, er schaute über die Schulter zu ihm und schnaubte dann belustigt, „Du kennst Freud?“ „Ich hab doch gesagt, ich bin nicht dumm! Zuhören.“, gab Deidara patzig zurück und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Ihm doch egal, ob der Kerl ihn abmurkste, wenn's er nicht täte, dann wären es die SSler. Er war sowieso dran, da musste er sich vorher nicht auch noch das letzte bisschen Ehre ab schwatzen lassen. „Du hast eine ganz schön große Klappe, dafür, dass du mich um Schutz bittest.“, wusste der Mann und mit einem Mal schwand sein Lächeln. Er ging zurück zum Küchentisch und ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder, eine Tasse in der Hand, die Andere nach wie vor auf der Fläche der Küchenzeile. „Bedienen tue ich dich nicht, du hast, im Gegensatz zu mir, zwei gesunde Beine.“, murrte er dann. Deidara verstand, nickte hastig und schob sich dann an ihm vorbei, um die Tasse annehmen zu können. „Ich habe Sie um gar nichts gebeten.“ , bemerkte er dann und versuchte genau so gelassen und beiläufig zu klingen, wie der Rotschopf, doch es gelang ihm nur geringfügig. Die Hände um das warme Keramik geschlungen, schlurfte er schließlich wieder zurück zu seinem Platz, setzte sich hin, schob dabei den rechten Fuß unter seinen linken Oberschenkel und nippte vorsichtig an dem Heißgetränk. Der Rothaarige nickte, setzte dann seine Tasse ab und warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Nicht aktiv, nein.“, sagte er dann. Deidara ließ ebenfalls seinen Tee sinken. „Passiv auch nicht.“, verteidigte er sich. „Doch.“ „Nein!“ Missbilligend schnaubte der Blonde und nahm dann beleidigt noch einen weiteren, großen Schluck Tee, verschluckte sich dabei leicht und hustete ein paar Mal verzweifelt, ehe er mit tränenden Augen den Blick hob und den Rothaarigen anschaute, welcher ihn belustigt musterte. Toll. Danke Bronchien, ihr habt alles kaputt gemacht, schoss es Deidara kurz durch den Kopf und warf dem Mann dann einen bitteren Blick zu, so als träge er alleine Schuld, an der Funktionalität des menschlichen Körpers. „Ich hab Sie um nichts gebeten.“, knurrte er heißer und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Gut, dann glaub das halt.“, entgegnete der Andere gelangweilt und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ich glaub das nicht, es ist so.“, beharrte Deidara stur, woraufhin der Ältere genervt aufseufzte: “Meine Güte, bist du anstrengend Junge...“ Er leerte seine Tasse in einem Zug und stellte sie dann mit Wucht, auf der Tischplatte ab, als sein Blick plötzlich an Deidaras Oberarm hängen blieb. „Tut weh, ja?“ Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Streifschuss-Verletzung. Deidara blinzelte verwirrt, folgte dann dem Blick des Mannes und starrte verwundert an seiner Schulter vorbei, auf die klaffende, nach wie vor blutende Wunde. An manchen Stellen hatte die Gerinnung schon eingesetzt, der Stoff seiner Jacke hatte sich mit dem roten Lebenssaft bereits vollgesaugt und der Geruch von Eisen stieg ihm in die Nase, als er sich die Wunde näher betrachtete. Die Verletzung hatte er in der Aufregung ganz vergessen, doch jetzt, wo sie ihm wieder einfiel, brannte sie mit einem Mal wie Feuer und es wurde ihm leicht schwindelig. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht, biss die Zähne aufeinander und versuchte den Gedanken an die pulsierende, heiße Stelle, erneut zu verdrängen, doch dieses Mal, wollte es ihm nicht gelingen. „Lass mal sehen.“, murrte der Rothaarige, stand auf, packte Deidara am Handgelenk, bestimmt, jedoch nicht so, dass es ihm zusätzliche Schmerzen bereiten hätte können und zog den Arm dann an sich ran. Die braun-goldenen Irden fixierten den triefenden Einschnitt, ehe der Rotschopf kurz die Nase rümpfte und Deidaras Arm schließlich los ließ. „Wir müssen sie säubern und dann verbinden, sonst wird sie sich noch entzünden.“, wusste er und drehte dann um, wohl in der Annahme, Deidara würde ihm folgen. Verdattert blieb dieser jedoch, im ersten Moment auf seinem Stuhl sitzen. Mit der einen Hand fasste er sich sanft um den Rumpf, des schmerzenden Oberarms und musste sich eingestehen, dass das Brennen und Pochen von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde. Unsicher schaute er dem Rothaarigen hinterher, der ins Zimmer schräg gegenüber gegangen war, welches, dem hallenden Geräusch der Gehhilfe nach zu urteilen, das Badezimmer sein musste. Mit wackligen Beinen erhob sie Deidara schließlich, stapfte langsam durch den Flur, hinter dem Anderen her und öffnete dann die Tür, welche unter leichtem Knarzen nach hinten schwang. Es war tatsächlich das Badezimmer, groß und geräumig, Dusche, sowie Badewanne, waren vorhanden, ein Waschbecken, eine Toilette und auf dem Boden waren weiche Teppiche ausgelegt. Sein Blick fiel zu dem Rothaarigen, welcher in einem großen, länglichen Schrank, der in der hinteren Ecke, neben dem Klo, stand, etwas zu suchen schien. Als er Deidara bemerkte, drehte er sich um. „Setz dich auf den Boden, vor die Kloschüssel.“, befahl er dann und das Gesagte hatte einen scharfen Unterton, welchen der Blonde nicht ganz zu deuten wusste. Schien so, als duldete er keine Wiederworte und gehorsam ließ Deidara sich also auf einem, der weichen Teppiche nieder und schaute dann erwartungsvoll zu dem Älteren empor. Dieser, schien inzwischen gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte, ließ sich breitbeinig auf den Klodeckel sinken und wartete dann ungeduldig, bis der Blonde den Oberkörper frei gemacht hatte. Deidara zuckte leicht zusammen, als der Rothaarige mit einem feuchten Waschlappen sanft über die Wunde fuhr, das getrocknete, rot-braune Blut vorsichtig von der, sie umgebende, Haut schrubbte und dann behutsam begann, die betroffene Stelle ein zu cremen. Aufmerksam beobachtete der Blonde, wie der Ältere geschickt ein paar Tupfer platzierte, die das überschüssige Jod aufsaugen konnten, damit es nicht all zu sehr schmierte und dann ordentlich einen Verband um seinen Arm wickelte. Dabei schwiegen sie, ab und an trafen sich kurz ihre Blicke, doch Deidara schaute jedes mal als Erster weg, er wusste nicht wieso, aber dieser Kerl schüchterte ihn tatsächlich ziemlich ein. „So...“, murmelte der Rothaarige nach einer Weile, ließ das Verbandszeug sinken und betrachtete sich zufrieden sein Werk. Auch Deidara ließ den Blick anerkennend über seinen linken Oberarm huschen, ehe er interessiert zu dem Älteren aufschaute. „Woher können Sie das so gut?“, flüsterte er schüchtern, war sichtlich beeindruckt. So gut hatten das nicht einmal die Nachbarn im Ghetto hinbekommen und von denen waren viele früher einmal Ärzte gewesen. „Ich habe zwischenzeitlich mal als Mediziner amtiert.“, erklärte der Rothaarige knapp, stand auf und räumte die Sachen weg, woraufhin auch Deidara sich erhob, allerdings sofort wieder zusammen zuckte, da der Arm nach wie vor schmerzte, durch den, nun leicht Druck ausübenden, Verband, sogar noch eine Spur stärker als zuvor. Aufmerksam wand der Rothaarige den Blick, musterte ihn kurz, ehe er ihn auch schon aus dem Badezimmer, ins Wohnzimmer scheuchte. „Hier.“, murmelte er, hielt Deidara eine kleine, weiße Tablette unter die Nase, welcher es sich der Weilen auf dem großen Sofa bequem gemacht hatte. Misstrauisch beäugte der Blonde die Pille und warf dem Rotschopf dann einen missmutigen Blick zu. „Wollen Sie mich vergiften?“, fragte er patzig, woraufhin der Ältere nur genervt mit den Augen rollte. „Ich habe es selber vorhin genommen.“; erklärte er dann genervt, legte die Tablette auf dem Tisch ab, neben einem Glas Wasser und ließ sich ächzend in dem Ohrensessel am Fenster sinken. Nach wie vor ungläubig, beugte sich Deidara leicht nach vorne, griff nach dem Medikament und drehte es prüfend in den Fingern. Er warf einen flüchtigen Blick gen Ohrensessel, ehe er schulterzuckend die Tablette zwischen die Lippen schob, nach dem Wasserglas griff und es in wenigen Zügen leerte. Der Rothaarige nickte zufrieden, lehnte sich dann in seinem Sessel zurück, schaltete davor allerdings noch das Radio ein, ehe er aus der Schublade, des kleinen Tischchens, welches neben dem Sessel stand, ein Stück Holz und ein Skalpell heraus zog. Eine Weile beobachtete Deidara interessiert, wie der Mann das scharfe Metall flink über die Kanten des Holzklotzes fahren ließ und ihm somit die erwünschte Form zu geben. Er lauschte der leise klingenden Musik, hatte das Radiohören vermisst, denn seit nun beinah 2 ½ Jahren, war es ihm als Jude nicht mehr gestatte, einen eigenen Apparat zu besitzen und da sie vor knapp drei Jahren, ihr altes zu Hause hatten räumen müssen um ins Ghetto um zu siedeln, hatte er seit dem auch bei keinem Nachbarn, oder Freund mehr der Musik lauschen können. Ebenso wenig dem aktuellen Stand der Dinge. Was beinah eine noch größere Pein war. Denn niemand hielt es wohl für wichtig, sie auf zu klären und da sie einen Großteil der Geschäfte Berlins nicht betreten durften, ihr Schild, hing direkt neben dem für die Hunde, war es auch schwer, Informationen anderswo zu sammeln. Denn viele Sachen, unter anderem Zeitungen, wurden ihnen oft verwehrt. Bei dem Gedanken an die großen Pappschilder, mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“, schnürte es ihm die Kehle zu und wieder fragte er sich, was in aller Welt er eigentlich gemacht hatte. Er war doch nicht einmal Jude. Er war sein Leben lang Christ gewesen, hatte mit seiner Familie Ostern und Weihnachten gefeiert, die Kirche besucht und auf einmal kam so ein Kerl daher und nahm ihm das alles weg. Maste sich an, darüber zu urteilen, was er war und was er nicht war und wie er dementsprechend zu leben hatte. Es war nicht fair. Es war schlicht und ergreifend nicht fair. Er hatte nie etwas Verwerfliches getan und wurde trotzdem bestraft. Deidaras Atem ging leicht keuchend und ein heiseres Schluchzen stahl sich über seine Lippen. Er blinzelte verwirrt, um eine bessere Sicht zu bekommen, mit einem Mal wurde es ihm ganz flau in der Magengegend und etwas schwindelig auch. Aus den Augenwinkeln registrierte er, wie sich der Rotschopf kurz nach vorne beugte und ihm dann ein Stofftaschentuch direkt unter die Nase hielt. Dankbar nahm er es an, schnäuzte sich die Nase und tupfte sich die Tränen von den Wangen, ehe er begann nervös die Fingerspitzen in das bläuliche Tüchlein zu drücken. Sein Herz hatte begonnen schneller zu schlagen, ihm wurde es immer schummriger, dafür ließ der Schmerz an seinem Arm langsam nach. Mit diesem allerdings auch seine restliche Wahrnehmung. „Dein erstes Mal Opium?“, riss ihn die Stimme des Rothaarigen schließlich aus den Gedanken und er zuckte instinktiv zusammen, ehe er nickte. Er hörte ihn leise seufzen. „Hoffen wir, dass es gleichzeitig das letzte Mal sein wird.“, murrte der Mann und warf ihm einen flüchtigen Blick zu, „Glaub mir Junge, das Laster willst du nicht.“ Deidara nickte. Verstand er nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)