SKAM Season 3 "ISAK" (Special Extended) von -Sian- ((S 1 und 2 sind NICHT notwendig für die Story)) ================================================================================ Kapitel 2: 03x02 - DU BIST ÜBER 18, RICHTIG? - (Du er over 18, sant?) --------------------------------------------------------------------- Samstag, 08.10.2016 – 16:20 Uhr Hab deine Revue-Sache leider nicht mehr geschafft, Isak, las ich am Nachmittag eine Nachricht von Jonas in der Chatgruppe. Japp, das habe ich wohl vernommen... Er hatte zwar schon mittags geschrieben, jedoch hatte ich bis eben andere Sachen zu erledigen. Hab mein Zimmer aufgeräumt und Wäsche gewaschen, bevor Eskild wieder nervt. Weshalb ich auch jetzt erst antwortete: Das war nicht meine Revue-Sache. Weil, erstens: Interessiert mich dieser kitschige Kram, den Vilde vorhat nicht und zweitens: War ich nur wegen dem Stoff der Jungs da. Also definitiv nicht 'meine' Revue-Sache! Und ich bin eigentlich immer noch ziemlich angepisst, weil keiner von denen aufgekreuzt ist! Is it to late to say sorry, schrieb Jonas kurz darauf und auch Magnus klinkte sich ein: Cause I'm missing more than just your body. Ich finde das echt nicht so witzig, wie es die Beiden hier scheinbar tun. Und schon gar nicht mit gottverdammten Justin Bieber Songs! Ich überlegte, wie ich die Zwei zur Sau machen könnte, als ich Jonas' nächste Frage las: War es denn gut? Da ich mich hierbei lediglich auf das Geschehen während des Treffens und dem Nichterscheinen der Jungs dort bezog, schrieb ich also zurück: Nein, man. Die Sache mit Even wollte ich lieber gleich aus dem Spiel lassen. Da weiß ich ja selbst noch nicht so richtig was abgeht. Auch Mahdi war mit der üblichen Frage nach dem Stoff am Start. Wenn ihm der Scheiß so wichtig ist, wieso taucht er dann nicht auf und kümmert sich auch mal mit drum? Ich hab's versemmelt, Okay. Aber das heißt nicht, dass ich den Mist alleine ausbaden will. Auch wenn ich gesagt hab, dass ich mich drum kümmere. Da ich Sana gestern Abend noch wegen dem Zeug anschrieb, aber keine Rückmeldung von ihr kam, teilte ich ihm eben dies mit und dass ich weiter dran bleibe. Er gab sich zufrieden damit und fragte: Was geht heute Abend noch? Der Katzenknutscher Magnus kam mit der Idee sich zu betrinken und Jonas schlug vor was Essen zu gehen. Auf die Frage, wo wir hin wollen, kam keine Antwort. Ein wirklich aussagekräftiger Vorschlag folgte auch später nicht mehr und daher wird es wohl wie immer eine Entscheidung vor Ort werden. Wahrscheinlich eh wieder Burger oder Pommes-Bude. Mir soll's recht sein. Wenige Stunden später machte ich mich also deswegen auf den Weg, auch um einfach mal wieder einen normalen Abend zu erleben, ohne irgendwelchen Stress oder anderen Bullshit. Wir wollten uns gegen 19:30 Uhr in der Stadt treffen. In der Nähe der Osloer Shopping-Meile gibt es gefühlt tausend und eine Fressbude, Restaurants, Bars und andere solcher Läden. Da lässt sich sicher was finden. Jonas kam mir auf halber Strecke entgegen und wir trafen uns an der Straßenbahnhaltestelle, um das kurze Stück zur Meile möglichst schnell hinter uns zu bringen. Doch wir kamen nach dem Aussteigen nicht weit, denn man sah schon von hier aus, dass sich Mahdi und Magnus gleich die erste Möglichkeit ausgesucht hatten, wo man relativ preisgünstig essen konnte. Ein kleiner Fastfood-Schuppen gegenüber eines BBQ-Restaurants, dass es noch nicht so lange gibt, aber echt leckeres Essen hat. War da vor einigen Wochen mal mit meinem Vater. Leider ein wenig teuer für meinen eigenen Geldbeutel. Das Fastfood in dem Laden, welchen sich die zwei ausgesucht hatten, lag aber durchaus in meinem Budget. Wie erwartet, fiel die Wahl auf Pommes und Burger. Kaum eine viertel Stunde später hatten wir alle, außer der Cat-Boy, unsere Cheeseburger verdrückt und nur noch die Pommes vor uns, als da mit einem Mal zwei mir unbekannte Mädels an unserem Tisch standen und Magnus interessiert fragte: „Können wir irgendwie helfen?“ Ich hätte es ja nicht geglaubt, aber sie erkannten ihn aufgrund meines Instagram-Posts. Wie sie den wiederum gefunden hatten, verschwiegen sie allerdings. Die eine setzte sich zum Katzenknutscher in die Ecke, während die andere ein Bild davon machte. Beide kicherten, als hätten sie einen Hollywoodstar vor sich. Ich konnte es ja selbst kaum glauben, dass der Mist tatsächlich irgendwie funktioniert, wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde. Also beschloss ich, dass auch ich ein Foto von diesem denkwürdigen Augenblick haben musste. Ich kramte mein Handy hervor und die Andere, die noch neben uns stand, bot an: „Gib her, ich mach's dir.“ Die Zweideutigkeit in diesem Satz sorgte natürlich für allgemeine Belustigung. Mit aufgesetztem Lächeln gab ich ihr mein Telefon und nahm es gleich nach dem Foto mit einem simplen: „Danke“, wieder an mich. Die Mädchen teilten uns dann mit, nicht mehr lange hier zu bleiben, denn sie hatten wohl eine Party geplant und fragten daher, ob wir nicht auch kommen könnten. Wir müssten nur Alkohol mitbringen, wenn wir was trinken wollen. Selbstverständlich sagten die Jungs sofort zu und auch ich nickte zustimmend, erwähnte aber, dass ich nichts an Bier oder anderen Alk zu Hause hätte. Und jetzt um die Zeit würde man eh nichts mehr kriegen. Selbst wenn ich jemanden auftreiben könnte, der alt genug ist, um was zu kaufen.* „Ich hab noch was in meinem Zimmer, müsste es nur holen“, sprach Jonas, während eines der Mädels ihre Adresse in Magnus' Handy eingab und sie anschließend das Lokal verließen. „Waren die nicht heiß?“, fragte der Cat-Boy in die Runde und Jonas entgegnete dem: „Sieht aus als wüssten wir, was wir heute Abend noch machen!“ „Du sagst es, Bruder!“, stimmte Mahdi ihm zu und ich nickte: „Ja,ja... toll.“ Man kann echt nicht sagen, dass ich absolut begeistert war darüber, denn mittlerweile läuft irgendwie ständig irgendwas auf Partys schief und ich wollte zudem nicht wieder in so einer Situation landen wie letztens bei Evas Party. Ich kenne die Weiber nicht, will ich auch eigentlich gar nicht und außerdem habe ich keine Ahnung was bei denen abgeht oder nicht. Aber ich kenne mich selbst schließlich inzwischen gut genug, um zurecht zu befürchten, dass eine Menge äußerst ungünstiger Dinge passieren können. Magnus wurde vor lauter Vorfreude einfach nicht fertig, weder mit der Vorstellung, was da wunderbares geschehen kann, noch mit dem Essen. Weshalb ich spontan das eben gemachte Bild bearbeitete und dem einen Mädchen, was auf dem Foto neben ihm saß, ein Emoticon übers Gesicht setzte. Ein Katzenkopf mit Kussmund. Perfekt. Auch dieses Kunstwerk landete auf meinem Instagram. Nachdem es nun auch der Letzte geschafft hat aufzuessen und wir gehen konnten, trennten wir uns auch gleich vor dem Lokal. Magnus und ich machten uns auf den Weg zu dieser Feier. Die anderen Beiden sind zurück nach Hause, um Bier von Jonas zu holen und auch Mahdi hatte wohl noch eine Flasche Sprit von seinem Bruder, die er holen wollte. „Wo is'n das?“, wollte der neben mir Gehende wissen und reichte mir sein Handy mit der Adresse. „Mhm... ich glaube wir sind hier richtig, Mags“, antwortete ich und kramte mein eigenes Smartphone hervor. Dort hatte Eskild mir mal eine Art Routenplaner-App installiert, nachdem er mich mal nachts betrunken eingesammelt hat. Und diese App ist echt Idioten-sicher, dass man auch da ankommt, wo man hin will. Noch eh ich was eintippen konnte, entriss mir Magnus mein Telefon: „Das kenne ich, das benutzt meine Mutter auch manchmal.“ „Gib das verdammte Handy her!“, zischte ich und der Katzenknutscher witzelte: „Chill mal, Bro. Was du für Pornos auf dem Ding guckst, interessiert mich eh nicht.“ Was war das jetzt für eine Bemerkung? „Was soll denn das heißen?“, fragte ich sogleich angespannt und er zuckte mit den Schultern: „Deine Kamera ist besser als meine, also beruhige dich... und freu dich mal! Es geht zu 'ner Paaartyyy!“ Er hat ja recht. Als würde sich jemand dafür interessieren, welche Pornos ich mir reinziehe... Und die Party überstehe ich auch irgendwie. Also einfach lächeln und winken. „Ab geht’s!“, kam es begeistert von Magnus, dann startete er eine Aufnahme. Das Licht, dass das Gerät bei laufender Kamera macht, verriet mir dies. Er mutierte in all seiner Partystimmung mal wieder zur wandelnden Beatbox. Was er erstaunlich gut kann. Immerhin. Irgendwas muss auch er können. Da ich mich sonst gern mal hin und wieder im Rappen versuche, wenn auch eher mit mäßigem Erfolg, ließ ich mich mitreißen in seine Darbietung einzustimmen. Was nach wenigen Sekunden die Aufmerksamkeit anderer Passanten auf sich zog. Da das Pärchen vor uns dachte, wir würden es filmen, beendete er die Aufnahme gleich darauf und gab mir das Handy wieder. Damit konnte ich endlich diese Adresse in die App eingeben und uns leiten lassen. Magnus nahm auch sein Telefon wieder an sich und simste Jonas die Adresse zu, als wir das Ziel erreichten. Es würde wohl eine Weile dauern, bis die anderen beiden dazustoßen und so sahen wir uns vor Ort angekommen erst mal um. Wobei Magnus nach den Mädels von vorhin und ich eher nach einsamen Getränken, bekannten Gesichtern und Fluchtmöglichkeiten Ausschau hielt. Bei allen drei Sachen, sah es jedoch eher mau aus. Warum auch immer, aber irgendwie hatte ich gehofft, vielleicht würde Even mich auch hier retten. So, wie er es gestern beim Gruppentreffen mehr oder weniger getan hatte. Was weiß ich eigentlich über ihn? Außer seinen Namen und welche Klasse. Okay, er ist in der dritten Stufe und damit höchstwahrscheinlich mindestens ein Jahr älter als ich. Aber sonst... Ich muss ihn morgen mal im Facebook suchen oder wo auch immer. Ich brauche mehr Infos! Da ich hier keine Sau kannte und der Katzenknutscher alle Hände voll damit zu tun hatte, seine mögliche neue Freundin von vorhin zu beeindrucken und von sich zu überzeugen, stand ich ziemlich abseits und hoffte Jonas würde hier bald eintreffen. Mein Blick ging ständig durch den Raum. Zum Einen, auf der Suche nach irgendetwas Interessantem, denn selbst Cat-Boys Flirtversuche wurden mit der Zeit immer langweiliger, als dass man sich das den ganzen Abend reinziehen will, aber auch die leise Hoffnung jemand bestimmtes zu sehen. Ich weiß ja nicht wo Even herkommt und mit welchen Leuten er abhängt, also besteht immerhin die Möglichkeit, dass er hier sein könnte... Wenn nicht, tut es auch mein bester Freund, der so eben mit Mahdi und einem Sixpack Bier auf der Party erschien. Ich kämpfte mich durch die Leute zu ihm durch und er begrüßte mich gleich mit einer üblichen Frage: „Was geht?“ „Nicht viel“, entgegnete ich ihm darauf hin und teilte ihm mit, was ich so beim Rumstehen nebenbei erfuhr: „Die Mädels wohnen hier zusammen. Sieht aus, als wäre es eine Einweihungsfeier.“ „Na, dann... weihen wir die Bude mal ein!“, verkündete Mahdi und öffnete seine mitgebrachte Flasche, mischte sich unters Volk und verschwand damit aus meiner Sichtlinie. Mahdi hat keine Probleme damit, sich alleine völlig fremden Menschen anzuschließen. So ist er auch bei uns gelandet. Ich könnte das nicht, einfach so auf irgendwen zugehen. Gibt einfach zu viele Arschgeigen auf der Welt. Das ist wie lachend in die Kreissäge rennen, für mich. Jonas bot mir an von seinem Bier zu nehmen, was ich mehr als dankbar annahm, denn irgendwie brauchte ich das jetzt dringend, damit ich die Langeweile hier aushalten würde. Ist eigentlich schon mal irgendwer an Langeweile verreckt? Wenn nicht, ich glaube ich bin ein guter Kandidat für so was. „Bist du mit dem Sixpack unterm Arm hier aufgeschlagen?“, wollte ich mit steigender Stimmung von Jonas wissen und er erklärte: „Nee, das hatte ich auf dem Weg hier her im Rucksack. Aber vor der Tür standen ein paar Typen rum, die wollten uns nicht reinlassen, eh wir nicht beweisen, dass wir eigenen Alk dabei haben. Also... musste ich es auspacken.“ Wir stießen an und tranken einen Schluck. „Und wie seid ihr reingekommen?“, fragte er und ich grinste: „Mein unermesslicher Charme?“ Er lachte und sagte: „Gut zu wissen.“ Das Bier machte die Sache erträglicher, aber nicht wirklich besser. So wie Even die Sache mit der Kosegruppe erträglicher machte. Was im Endeffekt dazu führte, dass ich wesentlich schneller beim zweiten und dritten Bier war, als Jonas. Denn auch er hatte inzwischen relativ schnell Anschluss gefunden, während ich mehr daneben stand und ziemlich bald wusste, dass ich hier nicht bis spät in die Nacht bleiben könnte. „Hey, Ina will dich kennenlernen, geh doch mal hin!“, vernahm ich es von Magnus, der sich nun neben mich stellte und auf diejenige zeigte, die vorhin beim Essen, ein Foto mit meinem Handy machte. Och, bitte nicht... „Nee, lass mal... Ich bin noch an Emma dran“, zauberte ich eine Ausrede aus dem Ärmel und Magnus nickte verständnisvoll. „Was ist denn mit deiner Freundin?“, lenkte ich das Thema schnell von mir ab und er zuckte mit den Schultern: „Sie hat einen Freund. Fand das wohl nur niedlich, dass ich auf Katzen stehe...“ Er klang schon fast niedergeschlagen und so klopfte ich ihm auf den Rücken: „Mein Beileid. Wird wo nichts mit der Muschi, hm.“ Das vierte Bier tat inzwischen seine Wirkung, denn ganz langsam fand ich es fast schon amüsant, wie Magnus sich nun bei dieser Ina aus heulte und im Zuge dessen versuchte bei ihr zu landen. Der Junge hat echt Notstand... Nachdem aber dann eine gefühlte Ewigkeit nichts, aber auch gar nichts passierte, was meine Stimmung hätte weiter heben können, sondern eher für erheblichen Sinkflug sorgte, beschloss ich mich vom Acker zu machen. Ich hatte zwischendurch mehrfach gefragt, ob noch jemand gehen will, doch scheinbar hatte hier jeder seinen Spaß, außer ich. Vielleicht hab ich hinsichtlich Partys und deren Leute dort, meine Ansprüche höher geschraubt, aber mich ließ das Gefühl nicht los, was wichtigeres... befriedigerendes tun zu können, als hier sinnlos rumzuhängen und mich zu betrinken. Schön, wenn die Jungs ihren Fun haben, mir reichte es. „Ich verzieh mich“, wandte ich mich an meinen besten Freund, drückte ihm das eben angefangene fünfte Bier in die Hand, sah noch wie er es hoch hob und mich fragte: „Hast du das ganze Bier ausgetrunken?“, während ich schon im Gehen war. „Da ist noch was drin“, rief ich ihm zu und verließ ein wenig betrunken die Wohnung. Ich weiß echt nicht mehr wie ich das früher überstanden habe. Damals war alles viel einfacher. Es lauerten keine Probleme hinter jeder Ecke und wenn mal irgend ein blöder Spruch kam, war der auch zu verkraften. Die Sorgen hielten sich einfach in Grenzen. Heute platzt mir der Schädel. Partys sollten Spaß machen, aber das stresst mich alles nur noch. Mein Abend endete darin, dass ich frustriert zu Hause ankam und mich genervt ins Bett fallen ließ. Bin den ganzen Weg zu Fuß gegangen, weshalb ich nun ziemlich müde war und schnell einschlief. Sonntag, 09.10.2016 – 10:40 Uhr Nachdem ich an diesem Vormittag relativ gut aus dem Bett kam und in der Küche nach Kaffee suchte, traf ich dort Eskild an, welcher mich begrüßte: „Morgen, Issy.“ Ich nickte und brummte: „Morgen...“ Mein Mitbewohner hielt einen USB-Stick in der Hand und wollte wissen: „Bock, gleich Musik zu hören?“ Ich raufte mir die Haare und nickte abermals: „Mhm.“ Man will ja seine Mitmenschen nicht gänzlich vergraulen, wenn man nur finster drauf ist. Aber erst mal Kaffee. Dann sehen wir weiter. Wenig später waren wir in meinem Zimmer, die Musik lief auf Nooras alter Anlage und sowohl Eskild als auch ich lagen entspannt auf dem Bett. Er tippte auf seinem Smartphone rum. Ich konnte nicht sehen was und interessiert hat's mich eigentlich auch nicht. Mich interessiert jetzt nur eins. Wer zur Hölle ist eigentlich dieser Even. Man muss doch irgendwas über ihn im Netz finden. Oder irgendwen, der ihn kennt und den ich auch kenne. Mein Vorhaben sollte jedoch in jeglicher Hinsicht in eine Sackgasse führen, meine Suche nach 'even' führte zu allem, aber nicht zum Ziel. Kein Bild, kein Hinweis, keine Ahnung. Verdammt ey.. „Guck dir den mal an“, wandte Eskild sich nach einiger Zeit an mich, kroch vom unteren Ende des Betts hinauf zu mir ans Kopfteil und lehnte sich ebenfalls mit dem Rücken an die Wand, während er mich fragte: „Findest du, der sieht gut aus? Der hier.“ Ich zog skeptisch die Augenbrauen hoch. Normalerweise fragt er mich nie so was. Ich warf einen flüchtigen Blick auf das Bild. Nun ja.. meinen persönlichen Geschmack trifft's jetzt nicht... „Was weiß ich schon, verdammt...“, antwortete ich also, doch ihm schien das nicht wirklich zu genügen: „Guck doch mal hin!“ Mir war das Gespräch nicht geheuer. „Ist bestimmt gutaussehend...“, versuchte ich es nach einem erneuten kurzen Blick drauf also nochmal. Ich wollte mich dazu einfach nicht äußern. Zum Einen, wäre mir der ein bisschen zu alt und zum Anderen gibt es genug Kerle, die ich wirklich als gutaussehend beschreiben würde. „Isak, du kannst auch sagen, dass ein Typ gut aussieht, ohne schwul zu sein.“ What the fuck! „Ich sagte doch, der sieht bestimmt gut aus!“, bekräftigte ich meine Aussage von zuvor also noch einmal. Echt, manchmal frage ich mich was er hören will... „Ich treff mich nämlich gleich mit ihm, weißt du“, erklärte er mir und ich entgegnete ihm daraufhin: „Okay, und du brauchst jetzt meine Bestätigung, dass er gut aussieht, bevor du ihn triffst?“ Eskild lachte nur. Ich versteh nicht was nun so witzig ist. „Er schreibt, er ist nicht schwul, aber er lutscht Schwänze for fun“, ließ er mich wissen und ich wusste noch immer nicht so recht was ich jetzt dazu beitragen sollte oder warum er mir das erzählt. „Mein Junge, ich geb dir ein Jahr, dann hast du dein Coming Out“, setzte er sein einseitiges Gespräch mit dem Kerl auf seinem Handy fort, was mich grübeln ließ. Wenn der Typ sagt, er sei's nicht, wieso kann man da nicht einfach Ruhe geben? „Eskild, wieso glaubst du, dass alle Jungs schwul ist?“, fragte ich ihn also. Mich nervte es irgendwie, dass er mich in sein Sexleben mit reinzieht, aber andererseits stellten sich dadurch auch ein paar Fragen in den Raum. „Ich denke nicht, dass alle Jungs schwul sind, Isak. Aber ich habe ein ganz gutes Gaydar, weißt du?“, war seine Antwort darauf und ich fragte mich ganz kurz, ob dieses Gaydar bei mir piept. Aber nein, dass kann es nicht. Ich bin nicht wie Eskild. Also: „Wie funktioniert dieses Gaydar? Woran erkennt man, ob einer schwul ist?“ Das muss ich jetzt wissen. Er schnaufte genervt. Kann mir vorstellen, dass die Frage wahrscheinlich bekloppt ist, aus seiner Sicht, aber das interessiert mich nun. „Okay. Ich denke, wenn man zum Beispiel mit einem komplett fremden Typen übers Schwänze lutschen redet. Richtig?“ Also, so wie ich mit Eskild gerade? Moment! Even hat das auch getan. Ich habe noch nie vorher mit ihm geredet und er brachte aus dem Nichts diesen Schwanz-Joke. Was zum... „Es ist außerdem ein wenig verdächtig, wenn man ein Profil auf Grindr hat“, setzte er seine Ausführung fort, bevor sein Handy wegen eines Anrufs zu vibrieren begann. Meine Gedanken ratterten. Eigentlich wollte ich noch mehr fragen, aber andererseits war es sicher ganz gut, wenn ich nicht zu viele Fragen stelle, eh völlig falsche dabei raus kommen. Oder er mich verdächtigt. Eskild ging an sein Handy und ließ mich wissen, dass Noora am anderen Ende ist. Er rutschte dann zum Rand des Bettes, bevor er telefonierend mein Zimmer gänzlich verließ. Okay, ob Even so ein Grindr-Profil hat lässt sich schlecht sagen. Shit. Und was mach ich jetzt? Kann ja nicht beim nächsten Treffen einfach hingehen und fragen: Hey, bist du zufällig schwul? Und wenn er's nicht ist, nimmt er mich vielleicht auseinander. Jungs ticken manchmal echt ganz komisch bei solchen Sachen, da will ich mich selbst gar nicht mal ausnehmen. Würde man mich das fragen, würd ich demjenigen auch ganz gerne eine reinhauen... Was ich aber machen kann, ist Vilde nach dem nächsten Meeting fragen. Apropos. Vilde hat doch sicher irgendwo 'ne Sign-Up Liste am schwarzen Brett in der Schule hängen, wo sich die ganzen Deppen vom Treffen eintragen. Vielleicht finde ich ja da Evens Nachnamen raus. Linn hatte wenig später für die ganze WG Essen gekocht. Nicht unbedingt aus Nächstenliebe, vermutlich eher weil sie keine Lust hatte ihr Drei-Personen-Rezept auf nur eine Person runter zu rechnen. Und vermutlich auch, weil es ihre Art zu 'feiern' ist, da sie eine Prüfung bestanden hatte. Wovon sie mir erzählte, als ich in die Küche kam. Da Eskild inzwischen bei seinem 'bestimmt gutaussehenden Typen' war und man nie weiß, wann er nach so was wieder einfliegt, blieben also vorerst nur sie und ich. Wir saßen nun am Esstisch und aßen schweigsam, während ich über das Gespräch mit meinem anderen Mitbewohner grübelte und natürlich darüber, ob Evens Joke vielleicht einfach nur ein Zufall war. Möglicherweise ist er ja tatsächlich nur der Typ der gerne Scherze unterhalb der Gürtellinie macht. Ich meine, mich stört das nicht, die Jungs sind in unseren Gesprächen ständig bei solchen Themen, Eskild genauso, also warum nicht auch Even? Linn saß mir gegenüber und kommentierte mein angestrengtes Denken mit: „Hast du dir schon mal jemanden angesehen und dich gefragt: Was geht da in seinem Kopf ab?“ Ich fühlte mich ertappt und stammelte: „I-ich hab nur... nur... drüber nachgedacht, welche Gewürze du verwendet hast.“ „Chili“, kam es knapp von ihr und ich nickte: „Chili!“ Sie stand auf und nahm ihren Teller mit in Richtung Wohnzimmer: „Meine Sendung fängt gleich an.“ Ich atmete tief durch und blieb sitzen. Okay, ich mag Chili... und Even... Ist beides hot. Wie sagte Eskild gleich: Man muss ja nicht unbedingt schwul sein, wenn man 'nen Kerl heiß findet. Wobei, ist das das gleiche wie 'gutaussehend' finden? Ach, fuck it... Als ich mit dem Essen fertig war, führte mich mein Weg in den Waschkeller. In dem Raum, wo auch die Heizungsanlage steht, werden Klamotten relativ schnell trocken. Wurde auch Zeit. Meine Haare waren eine Katastrophe nach dem Aufstehen, da stand alles in jede erdenkliche Richtung ab und ich hatte nur noch das alte Superman-Cap, dass ich seit Ewigkeiten auch nur noch zu Hause trage, und das zudem nur in Notfällen wie heute. Ich warte halt irgendwie immer bis auf den letzten Drücker, eh ich doch mal meinen Scheiß waschen gehe. Wird sich wohl nie ändern... Montag, 10.10.2016 – 8:10 Uhr Die erste Doppelstunde an diesem Montag war recht entspannt. Wir hatten einen Vertretungslehrer, der uns vorzeitig in die Pause schickte, weshalb ich noch massig Zeit hatte vor der nächsten Bio-Doppelstunde Vildes Liste mit Namen zu studieren. Ich begab mich dafür extra in einen ganz anderen Teil des Gebäudes, als ich eigentlich jetzt hin müsste, nur um zu diesem Aushang zu kommen. Yes! Da hing auch Vildes Liste neben den anderen. Akribisch las ich mir die Namen durch und wurde fündig: Even Bech Næsheim. Der einzige Even auf dieser Liste. Okay. Merken! Bis hinüber zum Biologie-Raum wiederholte ich den Namen immer wieder in meinem Kopf, um ihn ja nicht doch noch zu vergessen. Dort angekommen, saß lediglich eine Person im Raum, die schien aber mit ihrem Buch und Schreibkram beschäftigt zu sein. Ich setzte mich an meinen Platz ganz hinten, am Fenster und hatte somit einen guten Überblick darüber, wer sonst noch vorzeitig hier aufschlägt. Mein Laptop war schnell hervor geholt und startbereit, da ich ihn eben schon hochgefahren hatte, mich aber zu beobachtet fühlte, als das Klassenzimmer des anderen Kurses noch voller Leute war. Man muss ja nicht unbedingt dabei observiert werden, wenn man gerade selbst jemanden stalkt. In Facebook begann ich meine erste Suche, gab nach und nach den kompletten Namen ein, doch nichts. Nicht ein Treffer! Wer bist du, Even Bech Næsheim? Bist du ein verdammter Geist oder was? Ein Phantom, dass ich mir einbilde? Gut, dann direkt in Google suchen. Er kann ja nicht einfach nicht-existieren. Jeder existiert irgendwo, irgendwie im World Wide Web. Ich fand nun ein Interview mit ihm, von einem gewissen Mikael.* Scheinbar aus seiner Zeit in Elvebakken. Ein Video. Was gibt’s besseres? Ich sah dort als erstes einen Typen, von eher südländischer Erscheinung, mit halblangen dunklen Haaren. Das ist definitiv nicht Even. Dann ist das wohl Mikael. Sobald dieser seinen 'best Buddy Even' erwähnte und da auch wirklich der richtige im Bild auftauchte, hätte ich innerlich Luftsprünge machen können. Im Video stand Even vor so einem komischen Kasten voll Spielkram und erzählte worüber sein Film handelt. Er macht Filme? Interessant. Noch interessanter war allerdings der Inhalt seines Films. Denn da waren Captain America und Vladimir Putin in einander verliebt. Zwei Männer. Und die können nicht zusammen sein, weil Sarah Palin die zwei verhext hat und jedes mal wenn sie sich küssen ein Kätzchen an Aids stirbt. Kuriose Idee, Even. Sehr kurios. Als die Kamera kurz heranzoomte und ich Evens Lächeln sah, musste auch ich grinsen. Eine nackte Barbie-Puppe war auch im Video zu sehen und dieser Mikael fragte ihn, ob das Sarah Palin ist. Er verneinte dies lachend und erklärte, dass in jeden Film eine schöne Frau gehöre. Okay, also Frauen sind ihm scheinbar nicht völlig wurscht, denn er hält Sarah Palin für eine schöne Frau. Wenn er meint... Außerdem wurde er noch nach seinem Lieblingsregisseur gefragt, woraufhin Even mit: 'Baz Luhrman' antwortete. Wer zur Hölle ist das schon wieder? Scheinbar wusste aber dieser Mikael wer das ist und befand, dass Baz Luhrman nur schmalzige Klischee-Filme macht, wo die Hauptdarsteller sterben. Doch Even war der Meinung, dass er epische Liebesgeschichten macht, und dass die Hauptperson nun mal sterben muss, sonst wäre es keine epische Liebesgeschichte. Stil strange. Very strange. Ich sah außerdem, wie Even das Licht und seine Hauptfiguren ständig zurecht rückte, dass sein Kumpel ihm für das Projekt aber lediglich eine 5* geben würde und es konstruktive Kritik nannte. Dann platzte mit einem mal meine neue Bio-Partnerin Sana ins Bild: „Hallo.“ Ich klappte schnell den Laptop zu, als hätte man mich in der Öffentlichkeit beim Pornogucken erwischt. Sie schaute mich auch etwas irritiert an und so ließ ich ihr keine Chance dazu Fragen zu stellen, und wollte daher gleich von ihr wissen: „Hast du mein Zeug dabei?“ „Welches Zeug?“, hakte sie nach und ich schüttelte ungläubig den Kopf: „Welches Zeug?!“ Sie weiß genau, welches Zeug ich meine! „Ich dachte, das wäre nicht deines?“, kam es gewitzt von ihr und so langsam verging mir die Lust auf dieses Spielchen: „Kannst du es mir nicht einfach geben?“ Nicht mit Sana... Sie reizte die Sache lieber noch etwas aus: „Ich habe deine Freunde nicht beim Gruppen-Treffen gesehen.“ „Ich kann sie ja wohl nicht zwingen zu kommen, oder?“, entgegnete ich ihr und sie grinste zufrieden: „Control ya Hoes, würde ich mal sagen.“ Mir reichte es: „Ich hab keinen Bock mehr auf den Scheiß.“ Wirklich nicht. Ich will da endlich einen Strich drunter haben und gut. „Ich auch nicht“, kam es nun von ihr, was mich ein bisschen konfus machte. Doch dies klärte sich nun auf, als sie mich fragte: „Wo willst du es hin haben?“ „Hast du es dabei?“, wollte ich noch ungläubig wissen und sie nickte. Ohne weiteres rückte ich meinen Rucksack näher zu ihrem und sie holte das Päckchen hervor. Sana wollte es erst in ein kleineres Fach tun, aber da fällt mir ständig irgendwelcher Mist raus, weshalb ich sie stoppte und flüsterte: „Nein, ins große Fach.“ Außerdem hatte der Raum sich indes mit Leuten gefüllt, weshalb mir ein weiteres Drama doch lieber erspart bleiben würde. „Sana, Isak... Was macht ihr da?“, sprach uns die Lehrerin an und schien auf eine Antwort zu warten. Die bekam sie natürlich nicht und Sana versteckte den Stoff schnell unter ihrem Kopftuch. Was zuweilen dazu führte, dass unsere Bio-Lehrerin näher trat und sie fragte: „Was hast du da gerade eben unter deine Burka getan?“ Sanas Gesicht verzog sich: „Meine Burka?“ „Dann halt Niqab“, verbesserte sich die vor uns Stehende und so langsam wollte auch ich mich einmischen. „Niqab? Wissen sie nicht, wie man das Tuch nennt, dass 10% ihrer Schüler tragen? Sind sie Rassistin?“ Okay, 10% waren grob geschätzt, aber ich meine eine solche Zahl für die Hartvig Nissen Schule mal irgendwo gelesen zu haben. Dass ich wusste wie die ganzen Dinger heißen, hab ich eher dem Trivial Pursuit zu verdanken, dass ich damals mit Jonas und Eva oft gespielt habe, bis es Eva zum Hals raus hing. Sonst wüsste ich das wahrscheinlich auch nicht im Kopf haben. Und einem nicht-gläubigen Menschen wie unserer Lehrerin wird das auch geflissentlich egal sein. Jemanden als Rassist zu bezeichnen ist sicher eine gewagte Nummer und andernorts hätte es vielleicht auch mehr Unmut erzeugt, doch in diesem Falle war es die Rettung. „Wie heißt es dann?“, fragte sie mich, wahrscheinlich um zu testen, ob ich bloß das große Maul habe oder es wirklich weiß. „Das ist ein Hijab!“, antwortete ich und so winkte die vor uns Stehende ab: „Gut, Hijab. Aber ihr Zwei solltet aufpassen, was hier vorne passiert. Der Unterricht hat bereits begonnen.“ Ein prüfender Blick auf die Stelle, unter der Sana den Stoff gesteckt hatte und eine Menge Stolz, über meine mutige Rettungsaktion, gaben mir ein verdammt gutes Gefühl. Wir sprachen zwar den Rest der Stunde nicht, oder nur das nötigste miteinander, um nicht noch mal Aufmerksamkeit zu erregen, doch am Ende gab sie mir endlich das Marihuana wieder. In einer Pause drückte ich Mahdi den Mist in die Hand und wollte es am liebsten nie wieder sehen, oder irgendwas damit zu tun haben. Mir egal wie und wo er den Shit jetzt versteckt. Hoffentlich fallen ihm die fehlenden 10% nicht auf, die Sana sich bereits gesichert hatte. Frage mich immer noch was sie damit will. Aber gut, dann ist das wenigstens abgehakt und ich kann mich anderen Dingen widmen, ohne das mir Jemand im Nacken sitzt. Noora meldete sich im WG-Chat und wollte wissen wie es bei uns zu Hause so läuft. Und sie berichtete davon, was sie so vor hat, nachdem meine Mitbewohner sie mit Herzchen und allem begrüßten. Einen Blog: Londonfrau, will sie machen. Ich schrieb zwar zur Begrüßung, hielt mich aber lieber zurück, als Eskild ihr vom Stand der Dinge berichtete. Dass Linn ihre Englisch-Prüfung bestanden hatte, deshalb ein wenig gefeiert wurde und dass er was mit diesem 'bestimmt gut aussehenden Kerl' hatte. War wohl ein 28-jähriger Künstler und der stammt auch aus London, weshalb Eskild der Meinung war, die zwei könnten sich ja anfreunden, weil sie da ja so alleine ist. Ich denke, dass das wieder so ein Scherz von ihm ist. Aber Noora schien auf seine Freundschaftswerbung nicht angewiesen zu sein. Sie hätte jemanden kennen gelernt, der in einem Café arbeitet, in dem sie öfter abhängt. Ob das das Wahre ist? Eskild teilte ihr außerdem mit, dass er derzeit öfter mit Eva unterwegs ist und sie wiederum öfter mit dem 'Hottie Chris' schläft. Der Chris? Würde mich nicht wirklich wundern, aber ob das was ernstes ist? Eher nicht... Mein Mitbewohner befand die beiden jedenfalls für ein heißes Paar und auch Noora weiß offenbar von der Sache: Die sind nicht zusammen. Obwohl da offenbar schon länger was läuft. Sie wandte sich nun auch direkt an mich, als sie fragte, was an der Nissen so abgeht. Was soll an unserer Schule schon abgehen? Alles wie immer, antwortete ich ihr und zog mich aus dem nicht allzu spannenden Gespräch zurück. Ich hatte noch etwas vorzubereiten für ein Fach und Hausaufgaben zu machen. Damit hatte ich eine ganze Weile zu tun. Ich wusste zwar schon anderthalb Wochen davon, aber auch hier bin ich eher der Typ für den berühmten letzten Drücker. Kurz vor 23 Uhr hatte ich den ganzen Mist soweit fertig und warf einen Blick aufs Handy. Emma hat mir geschrieben? Hey. - War da eine Party dir am Samstag?, las ich ihre Frage und war verwirrt: Party? Sie sah offenbar meinen Instagram-Post und den hatte ich schon fast wieder vergessen. Achja, ist ja immer irgendwie Party, schrieb ich zurück, woraufhin sie mich und die Jungs für Freitag zum Vorfeiern bei ihr einlud. Och, nee... Kein Bock. Das endet nur wieder da, wo es das letzte mal schon geendet hat. Ich ignorierte daher ihre letzten Nachrichten und hoffte, dass sich die Sache bis dahin von allein verliert. Sie kann ja meine Freunde selbst fragen, wenn sie die dabei haben will. Ich weiß von nichts! Mittwoch, 12.10.2016 – 11:16 Uhr Auf dem Weg in die Kantine, wo ich mich mit den Anderen treffen wollte, erspähte ich Vilde auf dem Hof und beschloss sie bei der Gelegenheit gleich mal nach dem nächsten Gruppen-Treffen zu fragen. Wohl die beste Möglichkeit, um an Even ranzukommen. Sicher könnte ich mich auch hier jede Pause auf die Lauer legen und hoffen, dass er sich irgendwann mal blicken lässt. Jedoch wüsste ich nicht wie ich das Gespräch suchen sollte. Und über was man reden könnte. Ohne einen Haufen bescheuerten Unsinn raus zu hauen... Bei diesem Kosegruppen-Mist wären wir ja quasi 'gezwungen' als Team miteinander zu reden, ne? Und wenn es nur simple Fragen zum Kochen sind, oder was immer mich da erwarten würde. „Ähm, Vilde?“, sprach ich sie an, sie blieb stehen und drehte sich zu mir um: „Hi!“ „Ich hab gerade drüber nachgedacht, ob es noch weitere Treffen der Kosegruppe gibt?“, versuchte ich mich so vorsichtig wie möglich auszudrücken, ohne zu viel Enthusiasmus hinein zu stecken. Doch Vilde war förmlich entflammt für mein Interesse: „Das ist ja unglaublich toll, wie du dich engagieren willst!“ Sooo würd ich das jetzt nicht sagen... „Wir haben diese Woche kein Gruppenmeeting, aber nächste Woche ist eine Revue-Party. Also werden wir ein Gruppen-Vorglühen haben“, erklärte sie und mir schwante böses. „Vielleicht können wir das bei dir machen?“, fragte sie und weckte damit nicht gerade Begeisterung bei mir: „Eh, warum?“ „Weil meine Mutter einen Wein-Abend macht, Evas Haus wurde komplett verwüstet und Sanas Eltern sind Muslime. Aber bei dir würde es doch gehen!“, war ihre Ausführung, die mich nicht wirklich überzeugte: „Ähm.. vielleicht...“ In dem Moment tauchten die Jungs auf und Jonas fragte: „Was geht ab?“ Noch eh ich die Situation zu meinen Gunsten hätte erklären können, weshalb ich mich für ein neues Treffen interessiere, fiel mir Vilde ins Wort: „Isak will das Gruppen-Vorglühen nächsten Freitag bei sich machen. Vielleicht wollt ihr auch kommen?“ Also... erstens hab ich nicht zugesagt und zweitens, bin ich nicht wegen der Gruppe scharf auf ein neues Treffen! Als wäre das alles nicht schon peinlich genug, standen meine Freunde nun um mich herum und fragten mit abwertendem Ton: „Gruppen-Vorglühen?“ Und auch Jonas schien amüsiert: „Warum zur Hölle würdest du das tun?“ Mein Hirn lief auf Hochtouren, um die Situation irgendwie zu retten und mich nicht ganz blöd dastehen zu lassen, doch eh ich mir was halbwegs vernünftiges habe einfallen lassen können, nahm Vilde das selbst in die Hand: „Warum lacht ihr? Findet ihr die Revue bescheuert?“ Sie war sichtlich angepisst darüber und holte noch etwas weiter aus, um den Jungs die Leviten zu lesen: „Die Revue schafft eine soziale Grundlage, solange man zur Schule geht...“ Sie führte die Sache noch weiter aus, aber ich habe ihre Stimme einfach komplett ausgeblendet, als mein Augenmerk in dem Moment auf Even fiel. Er war wie ein Magnet. Und sah im Tageslicht beleuchtet einfach noch ein Stück anziehender aus, als so schon. Ich starrte in seine Richtung und war total eingenommen. Even lief in einigen Metern Entfernung an mir vorüber und ließ alles und jeden um ihn herum verblassen. Er sah zu mir. Ich konnte diesmal nicht wegsehen. Wollte ich auch gar nicht. Ich war zu fasziniert und zu weit weg von ihm, als dass mir in dem Augenblick bewusst gewesen wäre, dass man mich beim Starren ertappen könnte. Mein Kopf war leer. Alles was ich sah und sehen wollte war Even. Ich wollte irgendwo anders sein, nur um ihn unverhohlen ansehen zu können. Er ging hinüber zu einigen anderen Typen, die wahrscheinlich aus seiner Klasse waren. Er holte eine Sonnenbrille hervor und setzte sie auf. Ich könnte ihm den ganzen Tag dabei zusehen, wir er irgendwas macht. Völlig egal was... Als er sich dort mit seinen Freunden unterhielt, verdunkelte sich nach und nach förmlich mein Blickfeld und... Emma tauchte in meiner Schusslinie auf...: „Hi! Hast du meine Nachricht bekommen?“ Als ich so unsanft aus meiner Träumerei gerissen wurde, musste ich erst mal meine Gedanken sammeln und blinzelte benommen: „Eh... Entschuldige. Nein, hab ich nicht.“ Bekommen hab ich die schon... Aber auch gleich beschlossen, davon nichts zu wissen. „Es ging darum, dass wir am Freitag für eine Party vorfeiern, also wollten wir wissen, ob ihr kommen wollt“, wiederholte Emma im Grunde noch einmal ihre Fragen von gestern und somit war ich wohl gezwungen mich irgendwie dazu zu äußern: „Eh, Freitag? Ähm... ich weiß nicht... Ich denke...“ „Isak hat einen Hirnschaden. Wir kommen“, mischte sich Mahdi ein und schob mich dabei aus dem Weg. Emma schien sich damit zufrieden zu geben: „Okay, ja. Cool.“ Im Gehen wandte sie sich noch einmal an mich: „Ich schreib dir.“ Ach verdammt... „Was zu Hölle geht mit dir? Bist du jetzt total schwul oder was?“, wollte man von mir wissen und ich versuchte mein Handeln schnell zu rechtfertigen: „Ich spüre diese Phsycho-Vibes von ihr...“ „Wen interessiert's, ob sie ein Psycho ist?“, fragte Mahdi, und nun, wo Emma außer Reichweite war, legte auch Vilde los: „Woher nehmen diese Mädchen aus der ersten Stufe ihr Selbstvertrauen? Warum laden sie Jungs aus dem zweiten Jahr zu ihren Partys ein? Sind die komplette Noobs? Die sollten euch nicht nachlaufen.“ Wow. Wo kommt das jetzt her, Vilde? Offenbar war ich nicht der einzige, der ein wenig erstaunt über ihre Rede war, denn Jonas fragte sie: „Was hast du für ein Problem damit?“ „Das Problem ist, dass da ein System ist! Wenn Mädels aus der ersten Stufe anfangen mit Jungs aus der dritten und zweiten Stufe zu schlafen... Mit wem sollen wir dann schlafen?“ Eh... What the fuck? Hat sie es so nötig, sich deswegen so einen Kopf zu machen? Scheinbar war nicht nur ich sprachlos. Kurz herrschte Ratlosigkeit was Man(n) an so einer Stelle sagen sollte. Doch Magnus, der ewig Verzweifelte, nahm sich ihrer an: „Also... ich bin zu haben, wenn du vögeln willst..?“ Charmant, wie eine Kiste rostiger Nägel. Vilde schaute ihn an, wie meine Mutter damals unseren Nachbarn, als dessen Hund in unseren Garten geschifft hat. Magnus war sich offenbar nicht wirklich irgendeiner Schuld bewusst, als sie sagte: „Nicht frech werden!“ Sie ließ ihn stehen und ging, während Jonas ihn auf seine Verfehlung hinwies: „Oh, Dude... Du bist so ein Idiot.“ Das muss man erst mal schaffen, Cat-Boy... Ich folgte den anderen nun in die Kantine, während Mags uns noch immer irritiert hinterher lief: „Was zum Henker hat sie damit gemeint? Spielt sie mit mir, Jungs?“ Da fragt man sich, von wem er das gelernt hat... Magnus' Epic-Fail war natürlich Hauptthema des ganzen restlichen Tages. Nicht zu beneiden, aber immerhin war es ausnahmsweise mal nicht mein Fauxpas, der die Gespräche monopolisierte. Als der Unterricht auch für heute geschafft war und ich vor dem Schulgebäude noch ein Bild von den Jungs machte, um den denkwürdigen Tag in Magnus' jungen Leben festzuhalten, traten wir anschließend den Heimweg an. Zwar hatten wir darüber gesprochen irgendwas zu unternehmen, und wenn es die Rettung der Ehre vom Katzenknutscher ist, doch war dieser Plan aufgrund von Undurchführbarkeit schnell wieder auf Eis gelegt. Immerhin hatte Magnus es eingesehen, vergeigt zu haben. Mir soll es recht sein, denn mir ging der Anblick von Even heute auf dem Schulhof nicht mehr aus dem Kopf. Ständig drifteten meine Gedanken während der letzten Stunden zu dieser Szene ab. Hab ihn danach nicht mehr gesehen, was ich ziemlich schade fand, aber nachrennen werde ich ihm nicht. Spätestens bei irgendeinem bekloppten Treffen wird er wieder aufkreuzen, da bin ich mir sicher! Na ja, fast sicher... Selbstredend hatte sich das neue Gesprächsthema um Vilde am nächsten Tag noch nicht erledigt, aber Magnus ist jemand, der sich auch mal selbst auf die Schippe nehmen kann und am frühen Abend in der Chatgruppe schrieb, dass wir als Clowns zu Emmas Veranstaltung gehen sollten. Ich war mir nicht sicher wie er ausgerechnet darauf kam, vielleicht weil er sich eh schon zum Affen gemacht hat oder er hat was geraucht... Es folgten auch einige Videos von Youtube im Chat, die in irgendeiner Form etwas mit Clowns zu tun hatten. Auch Eminem, was ich ja gar nicht mal blöd fand. Mahdi scherzte, dass ich noch ein paar Ibux besorgen soll und.. weiß der Geier weshalb er nun 'Issy' als meinen Spitznamen verwendete. Aber Mags und ich werden es überleben... Ich war mir nur nicht sicher wie ich Emma am Wochenende überleben soll, denn die schrieb mich am späten Donnerstag Abend noch an: So cool, dass ihr am Freitag kommt. - Ich wohne in Ullern. Mit Smiley. Und dass sie glaubt, dass es richtig gut werden wird. Mit Antworten hielt ich mich eher bedeckt. Sie fielen meist auch einsilbig aus: Cool. Kurz war ich entsetzt, als die Frage kam: Bist du Single? Es stellte sich aber heraus, dass nicht Emma selbst es war, sondern eine Freundin bei ihr ist, die das fragte und dass es ein Scherz sei. Man, ich dachte für einen Moment, dass ich mal wieder in der Zwickmühle stecke. Sag ich ihr, ich wäre vergeben, hätte ich vielleicht vorerst meine Ruhe, aber das kommt sicher raus und was dann wieder los wäre, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Hätte ich nein gesagt, hätte ich ihr vermutlich das Go gegeben, mir noch mehr hinter zu steigen. Kann ich beides gerade echt nicht gebrauchen. Was ich aber durchaus gebrauchen kann ist mehr von Even. Freitag, 14.10.2016 – 1:01 Uhr Ich hab den Abend damit verbracht, mir das Interview von diesem Mikael mit Even gefühlt ein dutzend mal reinzuziehen. Habe hoch und runter überlegt, wie ich das Gesagte bewerten soll. Wer Sarah Palin ist wusste ich grob aus den Nachrichten, Doch hatte ich keine Ahnung wer Baz Luhrman ist. Ich stoppte also das Video an der Stelle, als der Name fiel und googelte danach. Wikipedia offenbarte mir, dass er der Typ ist, der den Film 'William Shakespeares Romeo und Julia' von 1996 gemacht hat, also noch vor meiner Zeit. Selbst bevor Even geboren wurde. Wenn das sein 13. Schuljahr ist dann, müsste er 98er Jahrgang sein. 'Moulin Rouge' und 'Der Große Gatsby' sind auch Filme von Luhrman und die einzigen anderen, von denen ich überhaupt mal was gehört habe. Der Rest sagte mir rein gar nichts. Von Romeo und Julia hatten wir mal in der 9. oder 10. Klasse gehört, bzw. ein Buch gelesen. Den Film kenne ich nicht. Beim Durchklicken der Bilder zu diesem Streifen stieß ich auf eine Seite, wo man ihn sich ansehen konnte. Was ich dann auch tat. Immerhin hatte ich dann ein Thema, worüber ich mit ihm reden könnte, sollten wir es mal zu einem Gespräch schaffen. Während der Film lief, fiel mir eine Szene am Anfang auf, in der Romeo diesen verwegenen Blick über die Schulter in die Kamera hatte. Wie Even heute Mittag auf dem Schulhof, als er zu mir sah. Die Art und Weise wie gesprochen wurde, war anstrengend zu hören, aber wundert mich auch nicht, dass man sich hinsichtlich dessen an das Original hielt. Je mehr ich in den Film vertieft war, umso mehr verstand ich, was Even daran so faszinierte. Was mich am Ende sicher auch hat eine Träne vergießen lassen, als die Charaktere starben. Als es gänzlich vorbei war, lag ich nervlich fertig auf dem Bett. Keine Ahnung, ob es am Film selbst lag oder was ich hinsichtlich dessen mit Even in Verbindung brachte. Ich war geflasht. Shit. Ich hätte mir das nicht ansehen sollen. Jetzt hab ich nur umso mehr das Gefühl... regelrecht süchtig zu sein, nach etwas, was ich noch nicht mal hatte, oder wusste was genau es sein könnte. Sicher eine Ewigkeit lag ich auf dem Bett und starrte an die Decke, während meine Gedanken sich im Kreis drehten. Sogar meine bloße Existenz stellte ich kurzzeitig in Frage, weil mich das was ich fühlte so komplett verwirrte. Ich musste irgendwas unternehmen. Nur was? Keine Ahnung warum, aber ich versuchte ihn noch einmal auf sämtlichen Social Media Seiten zu finden. Kann ja sein, dass er in der letzten Stunde beschlossen hat, doch irgendwo vertreten zu sein, auch wenn's unwahrscheinlich ist... Doch nichts. Natürlich nicht. Warum sollte er? Wegen mir...? Pff... Okay, gesetzt des Falls, er steht irgendwie doch auf Jungs, vielleicht ist er ja bei diesem Grindr-Ding. Blöderweise muss man sich erst bei Grindr registrieren, um sich mehr Profile ansehen zu können. Von mir aus, wenn's sein muss. Was kann schon passieren? Zwar ging das relativ schnell, jedoch trudelten auch schon erste Benachrichtigungen ein, kaum dass ich mein Profil erstellt hatte. Geil? - Top oder btm? - Ist dein Schwanz dick?, waren nur ein paar und auch nur der Anfang. Geht man nach den Nicknames und Bildern sind sicher haufenweise alte Säcke dabei, die offenbar nur scharf auf 'nen 17-Jährigen sind. Der sich für 18 ausgibt... Nach: Du kannst mir in den Arsch spritzen, war mir das endgültig zu viel. Keine Ahnung wie Eskild sich an so was aufgeilen kann, der ist ständig in solchen Apps unterwegs. Genervt schaltete ich das Handy aus und wollte davon nichts mehr wissen. Also das führt nicht zum Ziel. Jedenfalls nicht zu meinem. Und wenn man mal drüber nachdenkt, würde sich Even, wenn er denn da wäre, sicher nicht mit richtigem Namen dort anmelden. Hab ich schließlich eben auch nicht. Verdammt, Isak... Wenn Idiotie jemals neu benannt wird, ist dein Name hoch im Kurs... Eigentlich sollte ich pennen, und zwar dringend. Es ist inzwischen halb 4 Uhr morgens. In der Theorie ein durch aus guter Plan, scheiterte es jedoch schon am Anfang der Umsetzung. Ich lag noch eine halbe Stunde im Bett und starrte an die Decke, ohne mich groß zu bewegen. Toll, meine Obsession entwickelt sich auch langsam zu einem Problem, oder? Ich sollte wieder mehr trainieren, um mich mehr auszupowern und den Kopf frei zu kriegen. Soll beim Einschlafen helfen hab ich gelesen. Zumindest besser als warme Milch... Wenigstens ein paar Stunden Schlaf schien mir mein Hirn dann doch noch zuzugestehen. Ich dusche morgens eigentlich total ungern, um nicht zu sagen, ich hasse es. Doch an diesem frühen Freitag ließ sich das nicht vermeiden. Ich musste irgendwie schnell wachwerden und mit Kaffee alleine wurde das nichts. Ob Even gerne morgens duscht? Shit, Isak! Völlig egal wer wann duscht! Fuck my god damn life! Freitag, 14.10.2016 – 16:40 Uhr Ich war nun einigermaßen wieder auf der Höhe. Die stetige Koffein Auffüllung zwischen den Stunden tat ihr Übriges, sodass ich jetzt am Nachmittag ein vollwertiger Mensch war. Die Jungs und ich waren gerade auf dem Heimweg und hatten uns eben eine Portion Pommes gegönnt. Mahdi wohnt gleich hier um die Ecke, der hatte vorher seinen Rucksack mit dem Schulkram zu Hause gelassen, eh wir uns zur Pommesbude aufgemacht hatten. Der letzte war wie immer Magnus, der vor lauter Labern mal wieder länger brauchte beim Essen, weshalb er auch der letzte war, der seine Schale in den Müll warf und uns hinter her rannte. Natürlich mit seinem Lieblingsthema auf den Lippen: „Jungs! Ich werde heute ein Mädchen vögeln. Ich werde bei dem Chick unten ran gehen!“ Ja ne, is klar.. Mags. Ich musste bei seiner Ankündigung lachen. Ist ja nicht so als würden sie ihn reihenweise darum anbetteln. In seinem Überschwang klatschte er uns demonstrativ auf den Arsch. Ich meine, man ist ja einiges von ihm gewöhnt, aber heute sprühte er vor Enthusiasmus: „Wenigstens ein Chick! Und ihr werdet mir helfen!“ „Gut, ich setz mich dann neben dich und gebe dir Anweisungen: Okay, jetzt musst du dies und das tun...“, stieg ich drauf ein und sowohl Jonas als auch Mahdi waren heiß drauf sich das anzusehen. „Achja, verdammt, du schuldest mir Alk!“, wandte sich mein bester Freund an mich und mir war nichts dergleichen bewusst: „Huh?“ „Ja, die Party, die Ina und Hedda zusammen hatten. Ich hab dir fast mein ganzes Six-Pack gegeben.“ Ach das... ja. Aber: „Nein, du schuldest mir was. Erinnerst du dich, im Mai? Ich hab dir drei mal Bier auf einer Party ausgegeben.“ „Och Mai, das ist eine Ewigkeit her!“, entgegnete mir Jonas, während Magnus beinahe ein Verkaufsschild umrannte, in seiner Fixierung auf die Party heute Abend. Ich begann zwar etwas auf die Vorwürfe antworten zu wollen, doch Jonas blieb stur und zählte weiter auf: „Und dann, eine andere Party, da hattest du auch nichts und ich hatte ein verdammtes Six-Pack. Ich hab dir mehr zurück gegeben als du mir.“ Okay, okay. Vielleicht war da mehr als nur eine Party, wo mich Jonas an seinem Bier beteiligt hat. Mahdi gab ihm außerdem recht, weshalb ich fragte: „Wieso stimmst du ihm zu? Du warst nicht mal da!“ Das war noch bevor er mit uns abhing, also wieso mischte er sich da ein? Doch Jonas verteidigte ihn: „Er versteht das halt.“ Wieder war Mahdi mit Jonas einer Meinung. Magnus hielt sich ganz raus, also gab ich nach: „Ich mach das schon. Eskild kriegt bestimmt was.“ Der ist alt genug und ich müsste ihn nur fragen. „Eksild?“, versprach sich Jonas beim Namen meines Mitbewohners, was in etwa klang wie Axel in englischer Aussprache. Ich musste lachen, weil ich mir unweigerlich Typen wie Axel Rose oder sowas vorstellte und Jonas wiederholte belustigt: „Eksild besorgt was!“ Wir verabschiedeten uns zum Abschied lässig per Handschlag: „Bis dann, Jungs!“ „Schreib mir, wann wir da sein sollen“, hörte ich es von Jonas und ich versprach: „Werde ich raus finden!“ Damit trennten wir uns endgültig. Während ich also den Auftrag hatte Bier zu organisieren, wollten die anderen Drei bis zum Abend die Zeit mit Zocken verbringen. Von hier aus waren es nur ein paar Schritte bis zur nächsten Haltestelle. Als ich dort auf die Bahn wartete, tippte ich schnell eine Nachricht an meinen Mitbewohner und fragte: Bist du zu Hause und kannst Bier für mich kaufen? Am Geld sollte es diesmal nicht scheitern. Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, sah ich die Straßenbahn heran nahen und stieg ein. Mit dem Blick auf das Display, denn ich vernahm, dass Eskild gerade zurück schrieb. Jedoch kam nicht wirklich die Antwort, die ich mir erhofft hatte: Sorry, arbeite bis 21 Uhr. Fuck... Moment... den Geruch kenne ich. Und die Stimme erst: „Hallo.“ Even. Shit. Er steht direkt neben mir! Sag was, verdammt! Und ja nichts dämliches! „Hallo.“ Okay, gut soweit. Bloß nicht hinsehen! Mein Herz begann so heftig zu schlagen, dass ich merkte wie mein Kopf binnen Sekunden heiß wurde. „Geht's nach Hause?“, fragte er mich nun und ich hatte das Gefühl das Wummern in meinem Brustkorb wäre so laut, dass ich ihn kaum verstehen würde, er das Pochen aber hören könnte. „Ja“, antwortete ich knapp und tierisch nervös. Los, schnell irgendwas sagen, dass dich nicht wie den letzten Deppen dastehen lässt. „Du auch?“, konterte ich also und wagte es noch immer nicht ihn anzusehen. Meine Nerven lagen in dem Moment total blank und ich hatte echt zu tun damit, nicht vor lauter Panik aus dem Abteil zu springen. Er nickte nur kurz, als ich für den Bruchteil einer Sekunde zu ihm sah. Fuck, was mach ich denn hier? Das ist so unsäglich peinlich, man. Da spielt man tausend Szenarien immer wieder im Schädel durch, was man wie sagen könnte und jetzt, schaff ich's nicht cool zu bleiben. Das hier hatte mich so was von kalt erwischt. Ich war schlichtweg nicht vorbereitet. Und selbst nicht hinzusehen genügte kaum, um runter zu fahren und wieder normal zu denken, denn ich konnte diesen Duft noch immer wahrnehmen. Fuck, Isak! Reiß dich zusammen, man! Ich fühlte mich beobachtet, was mich dazu veranlasste einen ganz kurzen Blick zu wagen. Er sah mich tatsächlich an, wirkte dabei jedoch ruhig und lächelte. Ich musste auch grinsen. Konnte nicht anders. Aber ich sah sofort wieder weg. „Krasses Gespräch“, hörte ich ihn scherzen und ich musste unwillkürlich wieder lachen. Noch einmal sah ich zu ihm auf und noch immer lächelte er. Verdammt, Even! Ich kann mich nicht normal verhalten, wenn du mich so ansiehst! Als hätte er meine Gedanken gehört, schaute er in diesem Moment seitlich aus dem Fenster. Eine Ansage der Straßenbahn erklang nun und machte mir bewusst: Wir würden hier keine Ewigkeit stehen können und dieses Spielchen spielen, bis ich mich vielleicht mal irgendwann eingekriegt hätte. Ich musste mir was einfallen lassen. Irgendwas! Wenn möglich was unverfängliches, neutrales. Ich weiß! „Du bist 18, richtig?“ Ich schaffte es sogar ihm dabei in die Augen zu sehen und er nickte auf meine Frage, weshalb ich fortsetzte: „Kannst du mir vielleicht Bier kaufen?“ Wieder dieses Lächeln. Das Lächeln, was mich erneut schwach werden ließ, weshalb ich wieder auf den Boden der Bahn sehen musste. „Kann ich“, hörte ich seine Antwort auf meine letzte Frage und so nickte ich nur. Mehr als hin und wieder einen scheuen Blick auf seine unter Hälfte und auch nur aus dem Augenwinkel heraus, wagte ich nicht. „Komm“, hörte ich Even dicht neben mir flüstern, als die Bahn anhielt und er sich anschließend in Bewegung setzte. Meine Füße fühlten sich im ersten Moment an wie am Boden festgewachsen. Ein Wunder, dass ich mich nicht vor allen Leuten auf die Fresse gepackt hab. Es war wie ein Bann. Er schritt zunächst voran, was mir außerordentlich recht war. So konnte ich mir seine Kehrseite ansehen, ohne dass er es mitbekommen würde. Doch viel Zeit hatte ich dazu nicht, denn nun blieb er kurz stehen und lief dann neben mir weiter. Keiner von uns sagte einen Ton, bis wir vor einem Laden anhielten und Even sprach: „Warte hier. Gleich wieder da.“ Als er außer Sicht war, atmete ich mehrmals tief durch. Was um alles in er Welt, ist mit mir los? Ich bin doch sonst nicht schüchtern. Even muss mich doch für bekloppt halten, dass man kein normales Gespräch mit mir führen kann. Die paar Minuten, die ich für mich alleine hatte, nutzte ich um aus dem Schockzustand zu befreien, in welchem ich ohne Zweifel war. Ich musste mir selbst gut zureden, dass Even zwar das heißeste ist was derzeit auf Erden rumläuft, aber auch nur ein Mensch wie alle anderen ist und mit dem kann man auch reden, wie mit allen anderen. Das wird doch so schwer nicht sein. Ich zückte mein Handy, um mich abzulenken und zu checken, ob sich irgendwas bezüglich der Party heute Abend getan hat. Aber da war noch nichts, also könnte ich vielleicht noch etwas Zeit mit Even raus kitzeln, sofern mein Herz nicht beschließt spontan auszusetzen, sobald er da wieder raus kommt. Oh Gott, meine Nerven! So eben trat er aus dem Geschäft und stand vor mir, jedoch ohne Bier. „Hab meinen Perso vergessen. Muss nach Hause und ihn holen. Kommst du mit?“ erklärte er, lief anschließend auch gleich los und ich sah ihm verdutzt hinterher. Zu ihm nach Hause? Zu ihm nach Hause! Setzt dich in Bewegung, Isak! Schnellen Schrittes lief ich hinter her. Er wartete sogar kurz, damit ich aufholen konnte und so gingen wir wieder schweigsam nebeneinander. Even blieb ziemlich bald vor einem Haus stehen, öffnete die Tür und ließ mich ins Treppenhaus: „Ich weiß nicht, ob jemand zu Hause ist, aber meistens hab ich Freitagnachmittag sturmfrei.“ „Okay“, murmelte ich und folgte ihm die Stufen hinauf. Vor der Wohnung angekommen öffnete er die Tür, trat ein und rief: „Hallo?“, niemand antwortete ihm, was wohl seine Vermutung von eben bestätigte: „Geil.“ Er zog sich die Schuhe aus und ich tat es ihm gleich, nachdem ich die Tür hinter uns schloss. So, und jetzt die Nerven behalten. Auf dem Weg hier her hat das super geklappt. Einfach cool bleiben und nichts derart dämliches anstellen, dass man weiter an deiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln könnte. Even hatte beim Ausziehen seiner Schuhe einige rumliegende Klamotten berührt, welche er nun wieder auf der Ablage zurecht schob. Dabei fiel mir auf, dass hier eine Menge davon rum lagen und dass die wahrscheinlich nicht alle seine sind. Ich folgte ihm bis in sein Zimmer und er begann auch gleich mit seiner Suche. Etwas verloren stand ich nun im Raum und sah mich um. Das erste was mir ins Auge fiel war das Bett. Warum auch immer. Es war ein Hochbett, auf welchem er ebenfalls nach sah und darunter stand ein kleines weißes Sofa. „Keine Ahnung, wo ich den hingelegt hab“, sprach er und durchwühlte weiter seine Sachen. Ich wusste nicht was ich hätte drauf antworten sollen, also sagte ich lieber gar nichts und schaute mich weiter um. Er hatte Gitarren, wovon die eine mich sehr an die von Jonas erinnert. Sachte strich ich über die Saiten und drehte mich zu dem Kleiderschrank um, an welchem viele Bilder, Texte und Zeichnungen hingen. Ich sah sie mir genauer an. Da ich mich mittlerweile halbwegs beruhigt hatte, was Evens Nähe betrifft, konnte ich sogar eine Konversation wagen: „Hast du die gezeichnet?“ Er lief an mir vorüber und antwortete: „Ja.“ Sie gefielen mir und manche sahen lustig aus, also teilte ich ihm das mit: „Die sind gut.“ „Danke“, hörte ich es von ihm und führte das Gespräch mutig fort: „Wirklich witzig.“ „Findest du?“, wollte er wissen und ich nickte: „Mhm.“ Als ich mir die kleinen Texte dazu durchlesen wollte, vernahm ich von ihm: „Da ist er ja.“ Ich drehte mich aber nicht um und fragte nur: „Gefunden?“ Even trat neben mich und antwortete: „Nein, aber...“ Da er den Satz nicht beendete und auch den Ausweis scheinbar nicht hatte, wagte ich einen Blick zu ihm und er hielt einen Joint hoch. „Heeey!“, begrüßte ich wohlwollend seinen unverhofften Fund und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mir scheint, dass Even öfter mal kifft. Vielleicht kommen ihm gerade dabei diese kuriosen Ideen, wie die mit Captain America und Vladimir Putin. Even zog seine Jacke aus und begann dann das Fensterbrett leerzuräumen, da er offenbar vorhatte das Ding gleich hier zu rauchen. „Du kannst deine Jacke auch da vorn an die Tür hängen“, sprach er mich an, als er den Globus herunter nahm, der im ziemlich breiten Fenster stand und er dieses öffnete. Ich gebe zu, die Aufforderung Kleidung abzulegen, so unschuldig wie sie gemeint gewesen sein mag, warf mich wieder ein Stück zurück in Sachen Selbstbewusstsein gegenüber Even. Dennoch kam ich dem nach und wartete ab, was genau er nun vor haben würde. Während er eine Metalldose voll Büroklammern auf seinem Tisch auskippte, sprach er: „Ich war vorhin im Kino und gerade auf dem Heimweg, als wir uns getroffen haben.“ Er stellte die Dose mittig auf das Fensterbrett und setzte sich links auf eben dieses. Ich tat es ihm auf der rechten Seite nach und fragte: „Allein?“ „Wieso nicht?“, stellte er eine Gegenfrage und ich zuckte mit den Schultern, bevor ich ihn beobachtete wie er den Joint anzündete. So ein Film dauert ja eine Weile und der Weg dahin ist auch nicht gerade um die Ecke, also wollte ich wissen: „Hast du etwa schon Schule geschwänzt?“ Die Leute aus dem dritten Jahr sind selten früher fertig als wir, also war das naheliegend. „Ich bin nur eher gegangen“, kam es von ihm und ich konnte in seinem Grinsen förmlich heraushören, wie er sich ein wenig ertappt fühlte. Ich musste deswegen lachen, weshalb er fragte: „Warum, wieso?“ „Du kennst das System noch nicht? Ach, scheiß drauf. Ich hab auch schon Stunden sausen lassen“, erzählte ich und Even hakte nach: „Wo ist die Grenze?“ „Die Grenze sind 10%. Aber wenn die Rektorin* dich mag, eher 15%“, teilte ich mein unschätzbares Wissen mit ihm und in diesen Genuss kommt nun echt nicht jeder. „Wirklich?“, kam es amüsiert von ihm und ich bestätigte lachend: „Ja. Aber ich denke nicht, dass die Rektorin mich mag.“ Even lachte. Ich mag es wie er lacht. Ich konnte vielleicht auch deshalb selbst kaum aufhören zu grinsen. „Was hörst du so? Hörst du überhaupt Musik?“, fragte er mich und brachte mich damit ganz kurz ins Grübeln. Was sagt man an so einer entscheidenden Stelle? Eigentlich höre ich mir vieles an, aber ich kann ihm ja wohl kaum stecken, dass ich gern mal Sachen wie 'I'm Yours' höre und so, da schubst er mich ja gleich direkt aus dem Fenster. Irgendwas, was ich gut genug kenne und die meisten Leute cool finden: „Ich bin ein ziemlich großer N.W.A.-Fan, aber...“, und eigentlich wollte ich noch mehr hinzufügen, doch Even fiel mir ins Wort: „Das ist das, was dich in Fahrt bringt, vor der Schule?“ Morgens bringt mich nichts in Fahrt, außer Kaffee und Stress. Ich wäre viel zu unmotiviert, auch noch extra Musik anzumachen, wenn ich so schon keinen Bock habe aufzustehen. Daher erklärte ich ihm, wann und warum ich Musik höre: „Das hört man, wenn man so rumläuft und sich tough fühlen will.“ Manchmal brauche ich das wirklich, mich stark fühlen... Irgendwie, zu irgendwas zugehörig. Und wenn es Musik ist. „Fuck the police“, brummte ich, als mir ein Song von N.W.A. einfiel, der vor zwei Wochen so gut zu Evas Party passte, als die Bullen diese gesprengt haben. „Hörst was von Nas?“, wollte Even wissen, noch während ich an diese Party dachte und so hakte ich nach: „Nas?“ Nein, sollte ich? Ich sollte definitiv, wenn Even drauf steht. Da von mir keine wirkliche Antwort kam, fragte er mich: „Verarscht du mich?“ „Hm?“ Mir war nicht bewusst, dass ich was falsches gesagt hätte, doch Even lächelte und klärte mich auf: „Du hast das dir noch nicht reingezogen?“ „Ich hab mir das schon reingezogen“, entgegnete ich ihm eilig. Auch wenn ich ehrlich gesagt nichts zuordnen konnte, was von Nas stammen soll, aber ich wollte Even nicht enttäuschen, indem ich sage, ich hätte null Plan. „Nas“, wiederholte er mitten in meiner dürftigen Verteidigung, die Musik doch zu kennen und natürlich hatte ich den Namen beim nächsten Versuch nicht richtig ausgesprochen, weshalb er mich grinsend fragte: „Hast du überhaupt schon mal von ihm gehört?“ „Ich hab das schon gehört!“, bekräftigte ich schnell noch ein mal, auch wenn Even es mir nicht abkaufte: „Das klingt aber nicht so“, lachte er und schien kein bisschen enttäuscht oder beleidigt. Eher amüsiert davon, wie ich abermals versuchte ihm weiß zu machen, dass ich Ahnung hätte: „Ich hab davon gehört...“ Zuletzt nur noch kleinlaut. Ich wusste, dass ich keine Chance mehr hatte, damit durch zu kommen. Aber weder ihm noch mir schien das in diesem Augenblick wichtig zu sein, mit irgendwas durch zu kommen. Als müsste ich mich mal nicht dafür rechtfertigen oder entschuldigen, wer ich bin oder was ich mag. Es war hierbei einfach nicht entscheidend. Er wollte mir lediglich etwas über sich vermitteln und nicht über mich richten, wenn ich nicht der gleichen Meinung wäre. Oder keinen Plan hätte. Glaube ich zumindest. Und das fühlte sich verdammt befreiend an. Als würde mir in diesem Moment eine Last von den Schultern genommen werden. Er beugte sich mir etwas entgegen, um den Joint in der leeren Dose abzuaschen. Die Nähe zu Even, die sich mit dieser Bewegung kurzzeitig verringerte, ließ mich dadurch wieder zurückhaltender zu ihm schauen. „Wir werden nachher was von ihm hören“, sagte er dabei und seine Stimme allein klang schon wie Musik in meinen Ohren. Ich schaffte es aber diesmal seinem Blick ganze zwei Sekunden standzuhalten. Das ist vier mal solange wie noch vorhin in der Bahn. Er reichte mir den Joint und ich zog dran. Darauf hoffend, dass mich der Stoff noch ein wenig ausgeglichener machen würde. Wir redeten noch viel. Wirklich viel und ich kann mich nicht entsinnen, wenn ich das letzte mal so unverkrampft reden konnte. Even gab mir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl irgendwas beweisen zu müssen, auch wenn ich mich am Anfang noch selbst unter Druck gesetzt hatte, ja nichts falsches zu tun oder zu sagen. Hier gab es einfach nichts falsches. Naja... fast nicht. Dennoch war ich versucht mich nicht allzu sehr gehen zu lassen, auch wenn ich glaube, dass Even es fast drauf anlegte. Je mehr ich Ich-selbst sein konnte, desto mehr sah ich ihn lachen und fühlte mich selbst auch gleich viel wohler. Als würde ich die Show nicht brauchen, die ich sonst um mich herum laufen habe, damit mir niemand zu nahe kommt. Wie macht er das? Und vor allem: Wie kriegt er das hin, ohne dass ich mich irgendwie nackt oder schlecht oder beurteilt fühle? Ich nutzte nahezu jede Gelegenheit die sich bot, um ihn anzusehen, wenn er nicht hinsah. Wenn er es doch tat, schaute ich aber noch immer weg. Obwohl ich jedes einzelne mal versuchte seinem Blick so lange ich es ertrug standzuhalten. Als Even verwegen aus dem Fenster in die Ferne sah, trat wieder Stille ein. Man hörte nur die Geräusche von draußen. Es war kein unangenehmes Schweigen, ich wollte aber dennoch irgendwie seine Stimme hören, egal was er sagt. Selbst Mamas Bibelverse wären mir recht, solange er es ist, der sie spricht. Also überlegte ich, wie ich das anstellen könnte. Gerade als ich am Grübeln war und wieder einen Moment erwischte, in dem ich ihn anstarren konnte, richtete er sein Augenmerk plötzlich gezielt auf mich und schien abzuwarten. Ich gab ihm den Joint zurück und stammelte verlegen: „Ähm... i-ich... wollte dir schreiben. Wegen der Sache mit der Kosegruppe... Aber ich hab dich nirgends gefunden. Hast du kein Facebook oder so?“ Er sah mich noch immer direkt an und schüttelte wortlos den Kopf, als ich ihm dabei ebenfalls ins Gesicht schaute. Sollte ich fragen wieso nicht? Er streckte die Hand aus und ich schaute irritiert auf jene, dann wieder in seine Augen, bevor er sprach: „Gib mir dein Handy, ich gebe dir meine Nummer.“ Wer könnte bei dem Lächeln nein sagen? Ich kramte mein Handy aus der Tasche meines Hoodies hervor und gab es ihm vertrauensvoll. Der Rest vom Joint klemmte zwischen seinen Fingern, als er auf meinem Telefon herum tippte. Er nahm noch einen Zug davon und übergab mir diesen abermals, während er leise sprach: „Hab auch so ein iPhone.“ Ich zog derweil noch einmal am guten Stoff, drückte dann den glimmenden Rest in der Dose aus und bekam mein Handy anschließend wieder. Ich warf einen prüfenden Blick in seinen Eintrag und las vor: „Even Kosegruppe?“, während er vom Fensterbrett rutschte, sein eigenes Handy aus seiner Jeansjacke holte und es an Boxen anschloss. Ich beobachtete ihn unwillkürlich dabei. „Ja, nicht, dass du mich mit jemanden verwechselst“, erklärte er grinsend und so musste auch ich grinsen, als ich murmelte: „Ich kenne nur einen Even.“ Den Even. Mehr brauche ich auch gar nicht. Musik begann zu spielen und normalerweise braucht es ein Weilchen, eh mich neue Songs ansprechen, doch dieser melodische HipHop war so anders, als... andere. So anders, wie Even selbst anders ist. „Das ist 'The Message' von Nas, hör dir die Lyrics an. Der Typ ist fucking genial.“ Even lehnte inzwischen an der Wand neben dem Fenster und schaute an die Decke. Er war so vertieft in die Musik und ich vertieft darin ihn anzustarren. Tonlos begann er mitzusingen und wurde bei einer Zeile hörbar: „..and best friends become strangers...“ Danach senkte er den Blick auf den Boden und sang nicht mehr mit. Ich wüsste zu gern, was in seinem Kopf vor sich geht. Der nächste Song hatte begonnen und um die leicht bedrückt wirkende Stimmung zu wechseln merkte ich an: „Er benutzt ziemlich viele böse Worte.“ Even sah zu mir und lächelte wieder, als er sprach: „Das machen wir doch alle, oder?“ „Fuck, ja...“, entgegnete ich dem und lachte ertappt. „Gute Musik“, gab ich also zu und er sah erneut zu mir: „Geniale Musik.“ Wie könnte man da widersprechen? „Ich geb dir 'Illmatic' mit“, ließ er mich wissen und ich machte ein fragendes Gesicht: „Mhm?“ „Sein erstes Album. Und wenn du mich fragst, eines der besten überhaupt. Das hab ich auf CD. Ein paar Songs kann ich dir auch aufs Handy schicken, wenn du magst“, hörte ich ihn schwärmen und ich nickte nur: „Ja ja.. ja!“ Immer her damit. Wenn Even es mag, kann's nur gut sein. „Er hat vor ein paar Jahren mal was mit Amy Winehouse gemacht, 'Cherry Wine'. Falls du die eher kennst.“ Kennen ja, hören nein. 'A Girl From Ipanema', nachts um 4 Uhr, hat damals seine Spuren bei mir hinterlassen, glaube ich. Da ich nicht wusste, ob Even auf Amy Winehouse steht, ließ ich seinen letzten Satz lieber unkommentiert, als dass ich mich ins Fettnäpfchen setze. Dennoch schien er irgendeine Reaktion meinerseits zu erwarten, doch wie immer war bei mir kaum mehr zu holen, als verschämt grinsen und weg gucken. „Ich hab Bock auf Käse-Toast. Du auch?“, fragte Even und war schon im Gehen, weshalb ich einfach vom Fensterbrett rutschte und ihm in die Küche folgte. Ich blieb einen Moment im Türrahmen stehen und sah dabei zu wie Even sogleich zur Tat schritt. Auf einem Brett legte er vier Scheiben Toastbrot und wandte sich dann zu mir: „Du musst da nicht stehen.“ Ich schaute zu ihm und sah ihn breit grinsen: „Komm rein. Setz dich. Nimm dir 'n Keks.“ Nun musste auch ich lachen und lief hinter ihm durch zum Küchenfenster. Dort stand zwar ein Stuhl, aber ich setzte mich auf ein Stück Arbeitsplatte und stellte meine Füße auf diesem Stuhl ab. Wenigstens ein bisschen cool dasitzen sollte machbar sein. Even holte den Käse hervor und einen entsprechenden Hobel dafür, um den merkwürdigen Klumpen zu bearbeiten. Der Käse hatte sicher auch schon bessere Tage erlebt, denn er war ein wenig unförmig geschmolzen, was bei dieser Sorte scheinbar schnell passiert. Meine Eltern hatten den auch oft. Es war regelrecht ein Gemetzel, was er da mit dem Käse und dem Hobel veranstaltete, eh alle Toastscheiben belegt waren, weshalb ich mir einen Kommentar nicht verkneifen konnte: „Der Käse schwitzt ziemlich.“ „Ich weiß, ich hab den heute morgen vergessen, bevor ich zur Schule bin. Also lag er den ganzen Tag draußen und ist geschmolzen. Ist dir das schon mal passiert?“, entgegnete er mir und ich antwortete auf seine Frage: „Ja, ich vergesse Käse immer.“ Okay, immer ist übertrieben, aber oft, und nicht nur Käse. Meine Mitbewohner meckern deswegen auch gern mal. Vor allem wenn das im Sommer passiert. „Echt, du auch?“, hakte er belustigt nach und ich bestätigte: „Ja.“ „Fuck, das ist ein Erste Welt Problem“, war sein Statement dazu. Habe selbst nie wirklich über derartige Luxusprobleme nachgedacht, aber mit dem dezenten Hinweis, fällt einem erst auf, wie oft irgendwas in den Müll fliegt. Egal ob es vergammelt ist oder nicht. „Käse und Schlüssel. Vor allem Kümmelkäse.* Das vergesse ich am meisten“, scherzte ich weiter und Even wiederholte belustigt was ich sagte. Ich freute mich darüber, dass er über etwas, was ich gesagt habe, lachen konnte. Es machte mich auf gewisse Art... glücklich. Bei mir flogen nun ständig irgendwelche Nachrichten auf dem Handy ein, welche ich jedoch vorerst ignorierte. Even baute einige Gewürze und Kräuter, sowie zwei Teller vor sich auf und begab sich anschließend zum Kühlschrank. Alles unter genauster Beobachtung meinerseits. „Bier?“, bot er an und ich nickte zustimmend. Interessanter Weise öffnete er die Flaschen nicht mit einem Flaschenöffner, sondern mit einer kleinen Dose. Handcreme? Hustenbonbon? Kau-Tabak? Keine Ahnung. Er reichte mir eine der Flaschen: „Bitte schön.“ Ich nahm sie an mich und Even stieß an: „Prost“ „Prost“, erwiderte ich und trank, bevor er wissen wollte: „So, auf welche Gewürze der Saison hast du Bock? Beginnen wir mit... Caribbean Jerk Barbecue?“ „Caribbean Jerk? Klingt perfekt! Hau rauf!“, stimmte ich zu und Even lachte, bevor er die Toasts damit zu würzen begann. „Chili?“, fragte er, schnappte sich das scharfe Pulver und legte so gleich los, während ich noch antwortete: „Chili? Always Chili!“ Chilli ist schließlich hot! Wie Even... „Rosmarin?“, kam es von ihm und hatte er schon die nächsten Kräuter in den Fingern, als mein Handy mal wieder piepte. „Rosmarin? Ja. Massenweise“, sprach ich und Even zuckte mit den Augenbrauen: „Massenweise Rosmarin? Okay, dann mal los.“ Während Even eifrig am Streuen war, genoss ich den Umstand, dass er zwar sehr dicht bei mir stand, ich aber ungestörte Sicht auf ihn hatte und er dabei nur gelegentlich zu mir sah. Wenn, dann nur um etwas zu fragen: „Noch mehr?“ Aus meiner leichten Trance gerissen, warf ich einen Blick auf die Toastscheiben und befand: „Nein, das ist gut so!“ So nützlich, wie so ein Telefon auch sein mag, doch jetzt nervten mich der Benachrichtigungston, der in einer Tour zu hören war. „Pottagaldrar?“, fragte er mit skeptischen Gesichtsausdruck. Aber ob er den aufgesetzt hatte, weil er wusste wie es schmeckt oder nicht wusste, ob er es richtig ausspricht, ließ sich schlecht sagen. Ich für meinen Teil hab es nie probiert. Alles was ich weiß ist, dass das eine isländische Firma ist. Aber warum nicht jetzt probieren? „Pottagaldrar? Ehh...ja!“ Keine Ahnung wieso ich alles wiederholen musste was er nannte, vielleicht wollte ich es am liebsten einfach nur noch mal von ihm hören. Vor allem wenn er so exotische Worte ausspricht... Nachdem mein Handy so oft gepiept hatte, dass ich es hätte an die Wand werfen können, zückte ich es nun doch und las die Flut an Nachrichten. Jonas fragte: Wann sollen wir bei Emma sein? - Hast du Bier bekommen? Und die Aufforderung: Antworte. Shit. Emma... Bier... Da war ja noch was. Auch Emma hatte mir geschrieben. Sowohl die Uhrzeit, als auch die genaue Adresse ihrer Freundin, bei der die Party anscheinend stattfand und dass wir nur anrufen sollen, wenn wir vor der Tür stehen. In dem Augenblick traf noch eine weitere Nachricht von ihr ein. Sie wollte auch gleich wissen, ob ich noch was von dem 'Stoff' mitbringen kann, was ich ihr letztens in dem Bad gegeben habe. „Zimt?“, sprach mich Even an und grinste dabei erwartungsvoll. Zimt? Aufm Käsetoast? „Ähm, ja... fuck it!“ Abermals lachten wir und er schritt zur Tat: „Ich glaube, das wird echt beschissen schmecken.“ Das glaube ich auch... Ich schüttelte den Kopf und konnte dennoch drüber lachen, genauso wie Even: „Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ „Nee, jetzt gibt's kein Zurück mehr“, bestätigte ich, als das hellbraune Pülverchen auf den Käse rieselte und schaute dann wieder in die Nachrichten auf dem Handy. Verdammt, ey... Ich habe so gar keinen Bock darauf. Hier, mit Even, ist es viel schöner. Sollte ich fragen, ob er mitkommen möchte? Aber dann wären wir nicht mehr alleine und all die Leute, die Jungs und Emma würden nerven. Nee, ich bleibe hier. Scheiß auf den Mist da. Ich schrieb zuerst Jonas zurück, dass Emma die Feier abgesagt hat und ich deswegen zu Hause chille. Während ich schrieb, teilte der neben mir Stehende mit: „Ich mach noch ein wenig mehr Pfeffer drauf.“ Ich hörte zwar hin, ließ ihn aber kommentarlos alles machen, was immer er da tun wollte. Im Anschluss an der ersten Nachricht sendete ich auch Emma eine Mitteilung, dass die Jungs und ich vergessen hätten, dass wir heute anderes vor hatten, aber wir beim nächsten mal sicher kommen würden. Das Telefon landete wieder in der Tasche meines Hoodies und meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die interessanten Dinge: Even, und dem was er da trieb. Inzwischen hatte er die Gewürze weggeräumt und auch noch Ketchup auf den Toast gemacht, als er wissen wollte: „Sollen wir das in den Ofen tun?“ Warum nicht? „Ab geht's“, nickte ich und er stimmte zu, bevor die Dinger eben dort landeten. Als Even sich dafür nach vorn beugte, fiel mein Augenmerk unweigerlich auf seinen Hintern. Okay. Das ist der Moment, wo man aufhören sollte zu starren, eh noch irgendwas peinliches passiert. Die Blumen auf der Fensterbank waren ein sehr gutes Ziel, da sie neutral wirken und vor allem in entgegengesetzter Richtung standen. „So, ich denke 15 bis 20 Minuten reichen“, sprach er und stellte den Timer an. Ich nickte schnell, trank einen großen Schluck Bier aus der Flasche und sah mich weiter in der Küche um, damit ich ja nicht wieder in Versuchung gerate, den neben mir Stehenden anzuglotzen. Even tat es mir gleich und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Arbeitsplatte. Schweigen. Und das einige Minuten lang. Ich kaute verbissen auf meinen Lippen herum, weil mir nichts einfallen wollte, worüber man unverfänglich reden könnte. Mein Blick wanderte durch den Raum, wobei mir Dinge auffielen, die höchstwahrscheinlich eher Frauen zuzuordnen sind, weshalb ich fragte: „Mit wem lebst du hier?“ Even sah zu mir und antwortete etwas zögerlich, als müsse er erst mal überlegen wie er seine Wohnsituation erklären sollte: „Meiner Mutter gehört die Wohnung und meinen leiblichen Vater kenne ich nicht, aber sie hat schon lange einen Lebensgefährten, der meistens hier ist, aber auch eine eigene Wohnung am Stadtrand hat. Wegen der Arbeit. Schätze, er ist gewissermaßen so was wie mein Vater.“ Ich nickte und hakte weiter nach: „Und Geschwister?“ Er schüttelte den Kopf und fragte nun seinerseits: „Hast du Geschwister?“ „Nein“, antwortete ich, „aber ich wollte früher mal einen älteren Bruder. Schätze, dafür ist es ein bisschen spät.“ „Früher? Jetzt nicht mehr?“, fragte Even und ich zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Es war damals langweilig... als Einzelkind. Aber so musste ich wenigstens nichts teilen.“ Er lachte leise: „Irgendwie hätte ich 'ne kleine Schwester ganz cool gefunden.“ „Kleine Schwestern nerven!“, war mein Statement dazu, denn ich kenne ja Jonas' kleine Schwester und die nervt tierisch! Abermals lachte Even, bevor er sich dem Toast im Ofen entgegen beugte und mal wieder seinen Arsch in meine Richtung drehte. God damn... „Ich denke, das ist heiß genug“, murmelte er und ich seufzte: „Da bin ich mir sicher...“ Even kramte indes einen Pfannenwender hervor und stellte die Teller bereit. Wenige Augenblicke später öffnete er den Ofen. Und ja, auch jetzt ragte seine Hinterteil in meine Richtung. Dies, und die Hitze aus der Röhre veranlasste mich dazu mein Cap vom Kopf zu nehmen und mir damit Luft zuzuwedeln. Als Even die Käse-Toasts auf den Tellern hatte und damit in sein Zimmer zurück ging, folgte ich ihm mit den Bierflaschen und setzte mich zu ihm auf den Boden. Während ihm offenbar etwas frisch war, nachdem das Fenster vorhin so lange offen stand und er nun seine Kapuze wieder über den Kopf gezogen hatte, kämpfte ich noch mit dem plötzlichen Temperaturanstieg von eben in der Küche. Ein Schluck vom kalten Bier half dabei, mich wieder abzukühlen. „Okay, dann mal los!“, gab Even den Startschuss und wir bissen gleichzeitig von unseren Toasts ab. Schon allein dabei bestätigte sich die Befürchtung, dass die Dinger nicht genießbar sind. Auch Even verzog das Gesicht: „Irgendwas passt da nicht rein.“ „Es ist absolut schrecklich“, stimmte ich ihm zu, er lachte und fragte: „Ist es so schlecht, dass es schon wieder gut ist?“ „Nein, das ist so schlecht, dass es kaum schlechter geht“, war mein Befund über dieses gescheiterte Experiment. „Du warst es, der die ganzen Gewürze drauf haben wollte“, stellte Even klar, während ich den Toast wieder in die Hand nahm, den ich zuvor angeekelt auf den Teller fallen ließ. Man muss eben zu den Dingen stehen, die man so verbockt. Und so wollte ich auch mit dem Käsetoast verfahren. Ich denke, das könnte womöglich der Zimt gewesen sein, der den Geschmack der Komposition an wahllosen Kräutern am meisten beeinträchtigt. Hab die Hälfte von dem ganzen Zeug hier drauf noch nie wissentlich gegessen. Das schmeckte, als hätte jemand in den Glühwein gekotzt... Vielleicht fehlte aber auch nur noch das ein oder andere Gewürz, um die Sache etwas mehr abzurunden. „Es ist nur wichtig viel Kardamom zu verwenden“, warf ich in dem Raum und biss mutig abermals von dem Teil ab. Kardamom ist meistens in Glühwein drin. Wie Anis, Zimt... und noch mehr Zeug. Ähnlich wie der Toast hier. „Mhm, ist das der Trick?“, lachte Even und ich nickte: „Kardamom!“, in flektierter Form. „Damit wird es gut?“, giggelte der vor mir Sitzende und ich stimmte abermals zu. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt, aber es machte Spaß mit ihm über solchen Blödsinn zu labern. Das mit dem Weiteressen hab ich dann doch lieber sein lassen, es ging einfach nicht wirklich gut runter. Wie es aussah, war ich damit aber nicht alleine. Auch Even hob mehrmals den Toast an und setzte ihn gleich wieder ab. Okay, ich glaube das 'Rezept' streichen wir. „Eigentlich koche ich ganz gern, aber das schmeckt dann auch nach was. Zumindest hab ich Gerüchte darüber gehört, dass ich gut kochen kann“, ließ er mich wissen und ich schaute zu ihm auf: „Echt jetzt?“ Nicht gerade üblich, dass sich jemand in unserem Alter fürs Kochen erwärmen kann. Vielleicht ist Even ja deswegen bei diesem Kosegruppen-Mist. Ich nahm meine Bierflasche zur Hand, spülte damit den scheußlichen Geschmack im Mund weg und fragte: „Hast du von den Gerüchten über meine Rapkünste gehört?“ „Das habe ich tatsächlich“, entgegnete er mir, weshalb ich mich schon ein wenig fragte woher. Wird doch nicht das alte Video gesehen haben, das ich vor einer Ewigkeit mit Jonas gemacht hatte? Und wenn ja, wieso? Eigentlich wollte ich mit was coolem überraschen, vor allem wenn er auf Rap steht. Immerhin steht er ja auf Nas. Obwohl ich glaube ich bin die Art Person, die glaubt rappen zu können, es aber einfach nicht kann... Was mich aber in den seltensten Fällen davon abhält! Also gut, dann: „Dann gib mir den Beat vor.“ Mal sehen, ob das mit ihm genauso klappt wie mit Magnus. „Okay, ja“, kam es von Even, welcher sich am Hinterkopf kratzte und ich mich nun räusperte: „E-Box! Gimme the beat!“ Und er spielte im wahrsten Sinne des Wortes mit. Eigentlich wollte ich erst mal lauschen wie der Beat sich anhören würde, zu welchem ich mir irgendeinen Text ausdenken soll, z.B. über echt beschissene Käse-Toasts oder so, doch Even hielt nicht lange durch, dann konnte er sich vor Lachen nicht mehr halten. „Komm schon! Konzentration!“, rief ich und er lachte weiter: „Okay!“ Gerade als er Luft holte, klingelte es an der Tür: „Oh, f....“, sah er zu mir und fragte: „Wie spät ist es?“ Ich sah aufs Handy: „Mhm, Zehn vor Acht.“ Even stand auf und sprach dabei: „Ich hab ein paar Freunde eingeladen zum Feiern. Aber bleib ruhig. Wir haben massig Bier.“ Klasse... „Ja...“, kam es nicht gerade begeistert von mir, aber vielleicht wird’s ja ganz nett. Über seine Freunde kann man ja auch vieles über jemanden erfahren oder? Even war auf dem Weg zur Tür, während ich ihm noch kurz hinterher sah und wieder mal seinen leicht schlaksig wirkenden Gang beobachtete. Er öffnete die Tür und ließ seinen Besuch hinein. Ich verstand nicht viel von dem was vorne gesprochen wurde, nur dass Even scheinbar noch kein konkreter Plan für heute bekannt war. Geht mir und meinen Freunden ja auch öfter so, dass sich Sachen eher spontan als geplant ergeben. Und das hier sind nur ein paar Freunde von ihm, kein Grund deswegen unruhig zu werden. Nachdem sich mir die zwei Mädels und ein Typ näherten, erhob ich mich, um möglichst keinen schlechten ersten Eindruck zu hinterlassen. „Hi“, sprach mich die Erste an und blieb vor mir stehen. Gleich darauf stellte sich die Zweite vor: „Hey, Elise.“ Ich nannte meinen Namen ebenfalls und anschließend war auch der Typ an der Reihe: „Eskild.“ Okay, noch ein Eskild, beliebter Name, oder? Irgendwie bereitete mir die Anwesenheit der drei Unbehagen. Even legte seinen Arm um die Hüfte des ersten Mädels, welches noch immer vor mir stand: „Und das ist Sonja. Meine Freundin“, und zerschmetterte mit einem Satz aus zwei Worten meine Hoffnung. Sie reichte mir, wie es auch die anderen Beiden zuvor taten, die Hand: „Sonja. Freut mich.“ Mich ganz und gar nicht... „Isak“, brachte ich möglichst gefasst heraus und versuchte mir meinen inneren Zustand nicht anmerken zu lassen. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Ist doch klar, dass ein Typ wie Even jemanden hat, und mit Sicherheit eher 'ne hübsche Freundin als einen Kerl. Die zwei unterhielten sich sofort, darüber was bei seiner Freundin im Arbeitsleben so los war und es war wohl kaum zu übersehen wie stolz Even auf seine 'Verkäuferin des Monats' war. Eine Flasche Wein hatte sie aus diesem Anlass auch von irgendwem besorgt, auf den Even scheinbar eifersüchtig war und was sie damit vor haben könnten, spielte sich nun in einer seichteren Variante direkt vor meinen Augen ab. Sie knutschten herum... Fuck... Das tat weh. Ich weiß nicht wieso, aber es das hatte gesessen... Als wäre ich nicht schon genug gestraft, flog eine Nachricht von Mahdi ein: Warum lügst du? - Hab mit Emma und ihren Freunden gesprochen. Okay, tiefdurchatmen und über den Dingen stehen, Isak. Ich schnappte mein Bier vom Boden und musste mich erst mal setzen, wählte das Sofa dafür und ließ mich eben darauf fallen. Shit, ey... Irgendeine verdammte kosmische Macht will mich offenbar gefickt sehen. Die anderen beiden, diese Elise und Eskild 2.0, unterhielten sich in einer anderen Ecke des Raumes, begutachteten den mitgebrachten Alkohol und Bilder auf einer Digicam. Ich trank, das Bier nun in einigen Schlücken leer. Mir war eigentlich danach mich schnellstens ins Delirium zu trinken, um mir das Schauspiel vor meiner Nase nicht antun zu müssen. Als sich nun herausstellte, dass nicht nur die zwei vor mir, sondern auch die anderen beiden neben mir ein Pärchen waren, reichte es mir und ich stand wieder auf. „Muss dringend weg...“, knurrte ich, während ich an Even und Sonja vorbei rauschte, meine Jacke griff und ihn rufen hörte: „Du kannst wirklich noch bleiben!“ „Nee, das ist dringend. Man sieht sich“, rief ich zurück und verließ schnellen Schrittes die Wohnung. Ich musste da echt schleunigst weg. Das hätte ich mir garantiert nicht den ganzen Abend geben können. Ich kann nicht glauben, dass mir das schon wieder passiert. Dass ich jemanden interessant finde und er natürlich 'ne Freundin hat... Meinen Weg nach Hause setzte ich zu Fuß fort. Ich brauchte es jetzt einfach mich dabei abreagieren zu können. Es war nicht allzu weit und mit dem Fahrrad wäre man sicher in wenigen Minuten bei mir zu Hause. Jedoch kam ich an einer Straße vorbei, die zu der Bar führte, in der mich mein Mitbewohner Eskild vor ein paar Monaten aufgelesen hatte. Da war ich auch so derbe betrunken, dass ich keinen Schritt mehr laufen konnte. Ich wusste nicht mal wirklich wo ich da war. Alles was ich damals wollte war den Mist mit meinen Eltern zu vergessen. Und nun steh ich wieder hier und will den Mist von eben vergessen. Warum passiert so was immer wenn ich glaube, es könnte mal irgendwas gut werden? *Alkohol, kann man in Norwegen erst ab 18 Jahren und nur zu bestimmten Tageszeiten / Wochentagen in speziellen Läden kaufen, sind also begrenzte Möglichkeiten und teurer als hier in Deutschland. *https://www.youtube.com/watch?v=Il8EViNJo20 Skam Sesong 3 Intervju med: Even Bech Næsheim. (Im Video-Interview gibt Mikael im Orginalton Even eine 2 für sein Projekt, jedoch ist in Norwegen die Benotung umgekehrt zur deutschen. 6 = sehr gut, 1 = ungenügend. Daher habe ich gleich 5 statt 2 verwendet.) *Im Norwegischen ist 'rektor' das Wort für männliche und weibliche Personen. Ich wählte die weibl. Form, da die Hartvig Nissen Skole tatsächlich eine Rektorin hat. *Wortspiel, aus im norw. ähnlichen Worten (nøkler = Schlüssel) ergibt auf Deutsch ('Schlüsselkäse') aber nur wenig Sinn, gemeint ist jedoch Kümmel. __________________________________________________________________________ Mir ist bewusst, dass es viele und zudem hier zulande unübliche Namen sind, oder Gepflogenheiten. Ich tu mein bestes und weiß selbst, wie schwer es ist, sich auf was neues und anderes einzulassen, aber die Story hier um Isak und Even ist (bzw. wird im Laufe der Geschichte) verdammt wichtig. Nicht nur für mich persönlich, aber das zumindest so wichtig, dass ich ~14.000 Worte-Kapitel in nur wenigen Tagen schreiben kann - das heißt in meinem Falle echt viel. Bei Fragen, Verwirrung und Unklarheiten steh ich zur Verfügung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)