My Love Is Your Love von May_Be (- Blind Date -) ================================================================================ Kapitel 13: Nachts schlagen die Herzen schneller - Teil 2 --------------------------------------------------------- Hitomi stand am Rande der Tanzfläche und beobachtete die wenigen Leute, die sich bereits auf der Tanzfläche befanden und tanzten. Sie hielt ein Glas mit einem Getränk in ihrer Hand und nippte daran. Die Vorfreude, selbst die Tanzfläche zu stürmen, war groß. Die Musik drängte sie bereits dazu, ihren Körper im Takt mit der Melodie zu bewegen. Hitomi wartete nur noch auf die beiden Mädchen, Hachi und Aya, die sie vorhin kennengelernt hatte und die, kurz nachdem sie den Club betreten haben, auf der Toilette verschwunden waren. Ebenso hatte sich Ryoske entschuldigt und war verschwunden. „Du siehst bezaubernd aus.“ Die Stimme meldete sich unerwartet an ihrem Ohr. Erschrocken fuhr Hitomi herum und sah Sou vor sich stehen. Schlank und groß ragte er vor ihr auf und schaute lächelnd auf sie herab. „Ah, Ohba! Danke schön.“ Hitomi strich sich lächelnd eine Strähne hinters Ohr und sah verlegen zur Seite. Heute hatte sie ganz schön viele Komplimente bekommen. So viele Komplimente und so viel Aufmerksamkeit war sie gar nicht gewöhnt. „Willst du tanzen?“, fragte er sie. „Ja, gern. Aber ich wollte noch auf Hachi und Aya warten...“ „Oh, ihr seid schon beim Vornamen“, nahm er erstaunt zur Kenntnis, „wenn das so ist, kannst du mich auch ruhig Sou nennen.“ Hitomi schien langsam zu begreifen, warum Aya so von Sou geschwärmt hatte. Sein Lächeln hatte etwas Anziehendes, das einen praktisch in seinen Bann zog, und doch berührte es sie persönlich nicht. „Danke! Du kannst auch Hitomi zu mir sagen.“ Sou lächelte zufrieden. „Gut, Hitomi. Dann lass uns jetzt tanzen.“ Er entwand ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf einem Tisch in der Nähe ab. „Aber die beiden...“ „Die werden uns schon auf der Tanzfläche finden“, fiel Sou ihr ins Wort und führte sie auf die Tanzfläche. Hitomi sah sich kurz um, ob Aya, Hachi oder Ryoske nicht doch schon zurück seien. Doch leider konnte sie keinen von den dreien entdecken. Also fing sie an zu tanzen und sich zum Rhythmus der Musik zu bewegen. Es war ganz einfach. Man durfte sich nur nicht zu viele Gedanken über seine Bewegungen machen, sondern musste sich regelrecht von der Melodie leiten lassen. Unerwartet ergriff Sou ihre Hand und veranlasste sie dazu, sich um die eigene Achse zu drehen. Da nicht so viel los war, hatte sie genug Platz, um dies zu tun. Nach ihrer Drehung zog Sou sie plötzlich an sich, legte seine freie Hand an ihren Rücken und tanzte unbeirrt weiter. Hitomi sah etwas unsicher drein, doch sein freundlicher Gesichtsausdruck veranlasste sie dazu, sich ihm anzuschließen und mit ihm zu tanzen. Es dauerte nicht lange, bis auch sie sich wieder entspannt und sich an seine Tanzschritte angepasst hatte. Nach und nach versammelten sich immer mehr Leute auf der Tanzfläche und nach einer Weile stießen Aya und Hachi sowie weitere Freunde, die mit ihnen gekommen waren, hinzu. Mittlerweile tanzten Sou und Hitomi nicht mehr eng miteinander. Nur Ryoske saß allein an der Bar und sah ab und zu in ihre Richtung, wie Hitomi nach einiger Zeit feststellte. Als er das nächste Mal zu ihnen sah, winkte sie ihn zu sich, doch er schüttelte lediglich den Kopf und wandte sich ab. Grade dann als Hitomi nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte, wurde sie von jemandem geschubst, sodass sie nach vorne taumelte. Glücklicherweise konnte sie noch rechtzeitig ihr Gleichgewicht halten. „Oh sorry“, meinte Aya, „hab nicht aufgepasst.“ „Nicht schlimm. Ist ja nichts passiert“, erwiderte Hitomi lächelnd, doch stutzte innerlich, als sie in Ayas Gesicht sah. Etwas darin hatte sich verändert, trotz ihres Lächelns. Hitomi deutete zur Bar. „Ich frag ihn mal, ob er nicht auch tanzen mag“, sagte sie und kämpfte sich durch die Menge, während sie sich fragte, was auf einmal mit Aya los war. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Oder getan? Hitomi fiel auf Anhieb nichts ein. Vielleicht hatte sie sich auch geirrt und es war gar nichts. Aber Ayas Blick war… so kalt und das Lächeln wirkte aufgesetzt. Hitomi ließ ihren Gedanken fallen, als sie bei ihren Überlegungen nicht weiterkam. „Warum so einsam?“ Hitomi setzte sich auf den Barhocker neben Iji und legte ihren Kopf schief, um ihn lächelnd zu betrachten. „Komm mit uns tanzen“, forderte sie ihn auf. „Vielleicht später“, versuchte Iji sich zu drücken und nahm einen Schluck von seinem Bier. Er hatte vorhin versucht seinen Bruder anzurufen, aber er war nicht ans Telefon gegangen. Iji wollte sich nur nach ihm erkundigen. Als er ihm nämlich von dieser Party erzählt hatte, schien er nicht gerade begeistert zu sein, verständlicherweise. Obwohl Ryoske es nicht offen ausgesprochen hatte, ahnte Iji, dass es seinem Bruder in vielerlei Hinsicht missfiel. Iji kannte seinen Bruder wie seine Westentasche, sodass dieser seine Gefühle und Gedanken nicht vor ihm verbergen konnte. „Nein, jetzt.“ Hitomi entwand ihm die Flasche aus der Hand und stellte sie zurück auf den Tresen. Er schien über irgendetwas zu grübeln genau wie sie und gar nicht richtig bei der Sache zu sein, also wollte sie ihn aufmuntern und sich selbst auch. „Komm.“ Sie ergriff seine Hände, um ihn vom Stuhl zu ziehen. Iji seufzte innerlich über ihre Beharrlichkeit, ließ sich dennoch mitziehen. Und wieder tat er etwas, was er gar nicht tun wollte. Nur ihr zu Liebe. Auf der Tanzfläche war schon der Bär los und es war praktisch unmöglich zu Sou und den anderen vorzudringen. Hitomi wollte sich erneut durchkämpfen, aber Iji hielt sie zurück, da er keine Lust hatte, sich durch die Menge zu boxen. Also blieben sie am Rande und tanzten zusammen. Er hatte sie vorhin beobachtet, wie sie mit Sou getanzt hatte. Wäre sie seine Freundin, hätte er bisschen Stress gemacht. Aber so konnte er nicht viel dagegen unternehmen außer es zu akzeptieren. Er mochte es auch nicht, wenn Maki mit anderen Typen tanzte. Aber da sie es offensichtlich wusste, tat sie es extra, um ihn eifersüchtig zu machen. Seit ihrem letzten Streit hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, geschweige denn sich gesehen. Er musste das wieder in Ordnung bringen. Irgendwie. Dass sie eifersüchtig geworden war, konnte er nachvollziehen, er war ja kein Idiot. Iji verdrängte seine Gedanken an Maki und konzentrierte sich auf seine Tanzpartnerin, die einen tollen Hüftschwung draufhatte, wie er gestehen musste. Wo hatte sie so zu tanzen gelernt? Soweit er wusste, war sie noch nie in einem Club gewesen. Vielleicht lag es ihr auch einfach im Blut. Sie tanzte als gebe es keinen Morgen und bis jetzt beklagte sie sich nicht einmal über ihre hohen Schuhe. Dabei strahlte ihr Gesicht die ganze Zeit so viel Freude aus, die ihn in kürzester Zeit unvermeidlich ansteckte. Er merkte recht spät, dass sie von allen Seiten näher aneinandergedrängt wurden. Bis er den Abstand nicht mehr aufrechterhalten konnte und sie sich einige Male zufällig streiften. Hitomi hob ihren Blick und sah ihn lächelnd an. Ihre Wangen waren gerötet und auch er spürte die Hitze, die ihm zu Kopf stieg. „Bist du gar nicht erschöpft?“, fragte er sie laut, doch Hitomi machte ein fragendes Gesicht, zeigte auf ihre Ohren und schüttelte den Kopf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu ihr herabzubeugen. Iji strich einige ihrer Haarsträhnen zur Seite und meinte nah an ihrem Ohr: „Ich habe gefragt, ob du nicht erschöpft bist.“ Sein heißer Atem berührte ihre Haut und bereitete ihr Gänsehaut. Hitomi drehte ein wenig ihren Kopf, um ihn anzusehen, wobei ihre Wange ungewollt die seine streifte. Sie blickten sich gefühlt eine Ewigkeit lang in die Augen, ohne etwas zu sagen, bis Hitomi ihre Hand in seinen Nacken legte. Iji blieb fast das Herz stehen. Was zum... - dachte er panisch bei sich, als sie ihn etwas mehr zu sich herabzog. Doch dann wurde ihm schnell klar, dass sie ihm nur etwas ins Ohr sagen wollte. „Ja, ein wenig. Wollen wir an die frische Luft?“ Das war eine sehr gute Idee. Das war genau das, was Iji jetzt brauchte. Unfähig etwas zu sagen, nickte er. Ihre Hand strich kurz über seinen Nacken, bevor sie sie wieder zurückzog. Iji ging voraus, dicht gefolgt von Hitomi. Es war bereits so voll, dass man sich den Weg nach draußen erkämpfen musste. Man konnte sich in der Menge leicht verlieren, also griff Hitomi instinktiv nach seinem Ärmel, damit sie nicht getrennt wurden. Sie dachte sich nichts dabei. Iji spürte, wie sie an seinem Ärmel zog und sah kurz über seine Schulter zu ihr. Sie lächelte ihn nur an, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt, den Ärmel eines anderen zu greifen. Die kühle Nachtluft trat ihnen entgegen und Iji sog gierig die frische Luft in seine Lungen. Es war wie eine Erlösung. Unbewusst legte er sich die Hand in den Nacken und berührte die Stelle, die ihre Hand vor wenigen Augenblicken berührt hatte. Er hatte gedacht, dass sie… Bei dem Gedanken schüttelte er schnell seinen Kopf, als könnte er so diese verrückte Überlegung aus seinem Gehirn auslöschen. Sein Blick wanderte hastig hin und her, bis er einen Kerl rauchen sah. Er trat zu ihm, fragte nach einer Zigarette und zündete sich sofort eine an. Der erste Zug war der beste und nahm ihm einen Teil seiner Anspannung. Iji merkte gar nicht, wie er die ganze Zeit von Hitomi beobachtete wurde. Hitomi trat an seine Seite und legte ihre Hand an seinen Arm. „Alles ok mit dir?“ Sie hatte ihn noch nie rauchen sehen und dieses Verhalten sah ihm gar nicht ähnlich, sodass es sie ein wenig irritierte. Ijis Blick wanderte zu ihrer Hand, die auf seinem Arm lag. Er musste sich zusammenreißen und dem Drang widerstehen, ihre Hand abzuschütteln. Nicht weil es ihm unangenehm, sondern weil genau das Gegenteil der Fall war. „Alles bestens“, sagte er und führte die Zigarette erneut an seinen Mund. Doch bevor er den nächsten Zug machen konnte, entwand Hitomi ihm die Zigarette. „Ist das etwa so gut?“ Sie nahm einen Zug und hustete. „Teufelszeug“, murmelte sie und reichte sie ihm wieder, „schmeckt es dir?“ Iji verzog grinsend das Gesicht und sah sich die Zigarette in seiner Hand an. Er nannte die Dinger genauso wie sie. „Nein, eigentlich nicht.“ Das Verlangen zu rauchen hatte sich genauso schnell verflüchtigt wie es gekommen war und Iji ließ die Zigarette achtlos auf den Boden fallen, die er mit seinem Schuh zertrat. „Warum rauchst du dann?“ Es war eine berechtigte Frage, die Iji jedoch mit einem ungerührten Schulterzucken beantwortete. „Tu ich eigentlich nicht mehr. Aber…“ Er sah in ihr neugieriges Gesicht, sein Blick verweilte kurz an ihren Lippen und begegnete wieder ihren Augen. „Manchmal brauch ich's halt. Frag mich nicht wieso.“ Hitomi nickte. Sie lebte ganz nach dem Vorsatz niemanden mit ihren neugierigen Fragen zu belästigen, wenn derjenige nicht darüber sprechen wollte. „Wollen wir wieder rein?“   Es war bereits kurz nach drei, als sie sich von den anderen verabschiedet hatten. Draußen war es noch kühler geworden und Hitomi war dankbar für ihre Jacke. Die letzte U-Bahn war bereits gefahren und sie mussten sich ein Taxi nehmen. „Ein Taxi würde erst in 20 Minuten da sein“, meinte er zu ihr, nachdem er mit einer Taxigesellschaft telefoniert hatte, „anscheinend wollen jetzt alle nach Hause.“ Hitomi steckte die Nachricht mit einem Lächeln weg. „Dann können wir ja ein Stückchen laufen und es später noch einmal versuchen“, schlug sie vor. Den ganzen Weg nach Hause zu laufen wäre wohl zu weit, aber gegen einen kleinen Spaziergang hatte Hitomi nichts einzuwenden. Iji musterte sie skeptisch. „Tun deine Füße gar nicht weh?“ Nun musste Hitomi verlegen lächeln. „Eh… ja. Doch, schon ein bisschen…“, gestand sie, verzog aber keine schmerzvolle Miene. Iji tippte mit seinem Zeigefinger gegen ihre Stirn. „Warum sagst du denn nichts, kleiner Dummkopf“, meinte er lieb und seufzte, „und dann willst du auch noch spazieren.“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. Iji drehte sich um und ging vor ihr in die Hocke. „Steig auf.“ Hitomis Augen weitete sich und sie zögerte. Iji sah über die Schulter zu ihr. „Na los.“ Hitomi tat wie ihr geheißen. Sie stieg auf seinen Rücken huckepack und legte ihre Arme um seinen Hals, während er seine Arme unter ihren Beinen einhackte. „Das ist lieb von dir“, meinte sie zu ihm, „ich hatte noch nie ein Pferdchen.“ Ihre Aussage brachte ihn zum Lachen. „Zum Glück bist du nicht so schwer“, erwiderte er grinsend, „sonst hätte das Pferdchen dich von seinem Rücken geworfen.“ Natürlich hätte er es nicht getan, selbst wenn sie schwerer gewesen wäre als erwartet. „Das Pferdchen ist frech“, entgegnete Hitomi und knuffte ihn sachte in die Wange, „aber ich verzeihe dir.“ Auf den Straßen war um diese Uhrzeit noch ziemlich viel los, aber diese lichteten sich, sobald sie die Innenstadt verließen. Die nächtliche Ruhe breitete sich aus und legte sich über die Stadt. „Weißt du, ich war noch nie so spät auf den Straßen von Tokyo unterwegs“, erzählte sie ihm nach einer Weile des Schweigens. „Es ist ganz anders als tagsüber. Die Welt scheint zu schlafen und wir streunen herum.“ Iji lächelte still in sich hinein. Ihre Worte berührten ihn auf einer ihm unerklärlichen Ebene. Sie sagte manchmal solche poetischen Sachen, die selbstverständliche Dinge in ein neues Licht tauchten. „Wie zwei streunende Katzen“, fügte Iji hinzu und hörte ihr klangvolles Lachen. „Ja, genau. Als gebe es nur uns auf dieser großen weiten Welt.“ Iji verstand immer mehr, warum sich Ryoske in dieses Mädchen verliebt hatte. Man konnte sie nur liebhaben. An einer großen Brücke machten sie eine kleine Verschnaufpause. Hitomi war zwar nicht schwer, aber auf Dauer war es anstrengend sie zu tragen, vor allem wenn man die letzten Stunden durchgetanzt hatte. Die beiden stellten sich an das Geländer und betrachteten das dunkle Wasser, in dem sich die Lichter der Laternen spiegelten. Man konnte die Tiefe gar nicht einschätzen. Es könnte unendlich tief sein oder auch nicht. Hitomi beschäftigte sich kurz mit dieser Frage, ehe sie ihr Augenmerk auf den Himmel richtete. Die Halbsichel leuchtete hell über ihnen auf. Hitomi legte ihren Kopf schief und betrachtete weiterhin den Mond. „Was machst du da?“, fragte Iji sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Wenn du den Kopf so hältst, sieht es wie ein Lächeln aus.“ „Was?“ Hitomi zog an seinem Hemd und bedeutete ihm, es ihr gleich zu tun. „Der Mond lächelt uns an.“ Iji legte etwas den Kopf schief und folgte ihrem Blick. Tatsächlich. Er musste plötzlich lachen. „Du bist verrückt.“ Hitomi sah ihn schmollend an, war aber nicht wirklich beleidigt. „Ich nenne es kreativ!“ Sie zeigte ihm das Peace-Zeichen und grinste breit. Iji legte, immer noch lachend, seine Hand auf ihren Kopf und fuhr darüber, wie man es bei einem kleinen Kind tun würde. „So eine wie dich muss man erst mal finden.“ „Hey, ist das ein Kompliment?“ „Vielleicht.“ Sie grinsten sich an. „Ich versuche mal ein Taxi zu rufen. Ich glaube, das reicht für heute mit Spazieren.“   Beim zweiten Anlauf kam das Taxi recht schnell. Iji lehnte sich zurück in den Sitz und spürte erst jetzt die Erschöpfung über sich einbrechen. Er würde am liebsten sofort ins Bett fallen und den ganzen Sonntag durchschlafen. Hitomi hingegen war noch hell wach. Sie war ihm so dankbar für diesen Abend und überhaupt für den gesamten Tag, der im Rückblick gesehen ganz schön lang gewesen war. Sie waren Eisessen, Fotos machen, Shoppen und Tanzen. Doch trotz der ganzen Aktivitäten verspürte Hitomi keine Müdigkeit. Wahrscheinlich weil sie innerlich immer noch ein bisschen von den ganzen Eindrücken überwältigt war. Iji schloss für einen Moment seine schweren Lider, die er nicht länger offenlassen konnte. Er ermahnte sich nicht einzuschlafen, er wollte sich nur kurz ausruhen. Nur ganz kurz. Etwas berührte seine Hand und Iji sah zu Hitomi, die ihre Hand auf die seine gelegt hatte. Er schluckte, unfähig sich zu rühren. Heute hatten sie sich ganz schön oft berührt. „Es war schön heute“, sagte sie zu ihm, während sie ihre Finger mit den seinen verflocht. Iji starrte ungläubig auf ihre beiden Hände und fragte sich, was hier zur Hölle los war. Hitomi rückte näher, so nah, dass beinahe kein Lüftchen zwischen sie passte. „Hito...“, fing er an, doch sie legte ihm bereits ihren Zeigefinger auf die Lippen und lächelte dieses hinreißende, unschuldige Lächeln. Und im nächsten Augenblick spürte er ihre weichen, warmen Lippen auf den seinen. Er wusste, es war falsch. So falsch, aber er konnte sich nicht länger zurückhalten. Er erwiderte ihren Kuss, erst langsam, dann leidenschaftlicher. Seine freie Hand vergrub sich in ihrem Haar und drängte sie dem Kuss entgegen. Etwas rüttelte sanft an seiner Schulter. „Wir dürfen nicht...“, murmelte Iji. Das Rütteln wurde etwas stärker. „...da“, drang es langsam in sein Bewusstsein, „wach auf, Dornröschen, wir sind da.“ Als Iji erwachte, sah er sich benommen um. „Was?“, fragte er verwirrt und rieb sich kurz die müden Augen, um klarer zu sehen. Hitomi lachte leise über seine Begriffsstutzigkeit. „Wir sind da, hab ich gesagt.“ Iji wurde allmählich bewusst, dass er nur geträumt hatte. Er war wohl doch eingeschlafen. Der Traum hatte sich mit der Wirklichkeit vermischt, sodass Iji zunächst Schwierigkeiten hatte, eine klare Grenze zwischen Realität und Fantasie zu ziehen. „Du hast im Schlaf geredet“, meinte Hitomi, „sagtest so was wie: wir dürfen nicht... Was hast du denn geträumt?“ Iji schüttelte verschlafen den Kopf. „Keine Ahnung.“ Hitomi lächelte mitfühlend, da man ihm nun ansah, wie kaputt er war. Sie verabschiedete ihn mit einer Umarmung und stieg aus dem Auto aus. Da das Taxi direkt gegenüber vom Hauseingang parkte, sah Iji ihr durch das Fenster des Autos hinterher, bis sie das Haus betrat. Danach veranlasste er den Taxifahrer weiterzufahren. War das grade wirklich nur ein Traum? Es hatte sich so real angefühlt, als könnte er ihre Lippen immer noch schmecken. Iji raufte sich das Haar und gab ein lautes Stöhnen von sich, sodass der Taxifahrer ihm einen neugierigen Blick durch den Rückspiegel zuwarf, jedoch nichts sagte. „Verdammte scheiße“, fluchte Iji. Jetzt träumte er auch noch von der Freundin seines Bruders. Nur ein Traum. Es war nur ein Traum. Alles gut – dachte er bei sich und wusste gleichzeitig, dass er sich selbst belog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)