Füreinander bestimmt? von LadyKaiba ================================================================================ Kapitel 1: Der Zauber --------------------- Füreinander bestimmt? Teil 1: Der Zauber Gemütlich saß die Clique in ihrem Stammcafé in Doby Village. Zeki war besiegt. Wie es nun mit dem Turnier weiter gehen würde, wusste niemand. Auch zwei Monate nach dem entscheidenden Kampf gegen Yohs Vorfahren und Zwillingsbruder hatte sich der König der Geister noch nicht wieder gemeldet. Daher hatten Yoh und seine Freunde, genau wie viele ihrer Konkurrenten, beschlossen, in Doby Village zu bleiben, bis das Turnier fortgeführt und der Sieger zum König der Schamanen gekrönt wurde. Silver hatte die Getränke gebracht und die Stimmung war ausgelassen. Während Ryu Joco gewaltsam daran hinderte, zum hundertsten Mal den gleichen dämlichen Witz über Cola zu machen, Manta sich über die zwei kaputt lachte, und Ren stillschweigend seine Suppe aß, schlangen Yoh und Trey ihr Essen nur so herunter. „Wenn ihr weiter alles gleichzeitig in den Mund stopft erstickt ihr gleich!“, wies Anna die beiden genervt zurecht. Alles war wie immer. „Puuh...Bin ich voll!“, rief Trey, rieb seinen prall gefüllten, kugelrunden Bauch und legte seinen Kopf zufrieden auf Rens Schulter. „Lass mich in Ruhe essen“, fauchte dieser. „Ich fütter' dich!“, schrie der Blauhaarige fröhlich, schnappte sich Reisschüssel und Stäbchen aus Rens Händen und hielt diesem die Essstäbchen vor die Nase. „Sag: 'Ahhh'“ Die Wangen des Chinesen färbten sich rot. „Lass den Mist! Ich kann alleine essen!“, erwiderte er gereizt. „Ach komm schon, Ren...bittee...“, flehte Trey und setzte das zuckersüßeste Lächeln auf, das er zu bieten hatte. „Wenn's sein muss...“, knurrte Ren und schaute verlegen zur Seite, während Trey ihm eine Ladung Reis in den Mund steckte. Stimmt. Nicht alles war wie immer. Etwas hatte sich innerhalb der Clique geändert. „Ihr zwei jungen Turteltäubchen erwärmt mein Herz...Ich frage mich, wann ich endlich meine lang ersehnte Schamanenkönigin treffen werde“, kommentierte Ryu und bedeckte in gewohnt theatralischer Manier sein Gesicht mit seinem Unterarm. „Fragt sich nur, wer von beiden die Königin ist“, warf Yoh breit grinsend ein. Alle lachten. Alle außer Ren. „Das hör' ich mir nicht länger an“, sagte er schnippisch, stand auf und verließ schnurstracks das Café, gefolgt von seinem Schutzgeist. „Bleib doch hier, Ren...“, rief Trey ihm mit einem Schmollmund auf den Lippen, hinterher. „Ach, Ren ist nur schüchtern...“, vernahm der junge Chinese noch Mantas Stimme beim Rausgehen. „Tze.“ „Es ist dir unangenehm, auf deine Beziehung mit Meister Trey angesprochen zu werden, oder, Meister Ren?“, fragte Bason. „Hmm...“, war Rens einzige Erwiderung. Bason hatte recht. Es war ihm unangenehm. Der Gelbäugige schämte sich nicht dafür, mit Trey zusammen zu sein. Im Gegenteil. Er war wirklich glücklich mit dem Blauhaarigen. Jedoch wurde Ren sein ganzes Leben lang dazu gedrillt, seine Gefühle zu unterdrücken, niemandem zu vertrauen und in jedem Menschen einen Feind zu sehen. Sein Vater hatte ihn zu einer machtversessenen, erbarmungslosen Tötungsmaschine erzogen. Erst seine Freundschaft mit Yoh, und später auch mit Trey und den anderen, hatte die Tonnen schwere Mauer durchbrochen, die der junge Schamane um sein Herz aufgebaut hatte. Doch noch immer fiel es ihm schwer, seine Gefühle zu zeigen. Sowohl seinen Freunden, als auch seinem Freund gegenüber. Er konnte noch nicht wirklich damit umgehen. Aber er arbeitete daran. Wenn er mit Trey allein war, fiel es ihm schon leichter sich zu entspannen und auch mal seine weiche Seite zu zeigen. Er spazierte durch das Dorf und schaute sich den, von der einsetzenden Dämmerung, leicht rötlichen Himmel an, als er sich, wie so oft, an den Tag zurück erinnerte, an dem er und Trey zusammen gekommen waren. Es war vor zwei Monaten, an dem Tag, an dem sie Zeki endgültig besiegt hatten... Flashback Spät in der Nacht betrat Ren das kleine, steinerne Haus, in welchem er und sein Team hier in Doby Village wohnten. Die Anderen waren noch im Café, welches angesichts des großen Sieges über das Böse für die heutige Nacht zum Partytempel umfunktioniert worden war. Alle Schamanen feierten ausgiebig den Sieg über Zeki und dessen Gefolgschaft. Doch gegen 1:30 Uhr wurde Ren der ganze Trubel zu viel. Er mochte es nicht, mit so vielen Menschen auf engstem Raum zu sein, und ein Partymensch war er auch nicht. Das wusste jeder, deshalb wunderte es auch niemanden, dass der Chinese einer der ersten war, welcher die Party verließ. Er zog sein rotes Hemd aus und öffnete die Schublade an der Kommode im Schlafzimmer, um sich einen Pyjama herauszuholen. „Du kannst dich zurückziehen, Bason. Ich gehe jetzt schlafen.“ … „Bason?!“ „Ren...“ hörte der Gelbäugige plötzlich eine Stimme hinter sich und drehte sich erschrocken um. „Trey?! Was machst du denn hier? Wo ist Bason?“, fragte er verdutzt und schaute sich im Raum um. Er konnte seinen Schutzgeist nirgends entdecken. Der Blauhaarige zeigte auf Basons Totentafel, welche neben Rens Schafplatz stand. „Ich habe ihn darein geschickt“, antwortete er monoton. Die Augen des Chinesen verzogen sich zu Schlitzen, als er fauchte: „Wie kannst du es wagen MEINEN Schutzgeist-“, stoppte er plötzlich, als er sah, wie Trey, ohne ein Wort zu sagen, mit gesenktem Kopf, langsam auf ihn zukam. Irgendetwas stimmte mit dem Blauhaarigen nicht. Er wirkte so ernst, so völlig anders, als sonst. Ren war irritiert. „Was...ist denn mit dir los, Trey?“, fragte er verwirrt und wich instinktiv einen Schritt zurück, wobei er mit dem Rücken gegen die hölzerne Kommode stieß. Der Größere blieb wenige Zentimeter vor Ren stehen. Er starrte auf den entblößten Oberkörper des Chinesen und sagte nichts. Noch immer irritiert über Treys seltsames Verhalten blickte Ren ihm ins Gesicht. Es sah...traurig aus? „Hey...Was hast du denn?“ Der Andere antwortete nicht. Er hob seinen linken Arm, streckte ihn nach seinem Gegenüber aus und legte sie auf die Brust des Gelbäugigen. Dieser wollte weiter zurückweichen, konnte er jedoch nicht, da die Kommode bereits genau hinter ihm stand. „Was soll das denn? Rühr' mich nicht an!“, brüllte er wütend und wollte zur Seite fliehen, als Trey seinen rechten Arm fest um seine Taille schlang und ihn so daran hinderte. Der Blauhaarige machte einen weiteren Schritt nach vorne, um auch die letzten Zentimeter der Distanz zu überwinden und Ren zwischen der Kommode und sich selbst zu fixieren. Seine linke Hand lag noch immer ruhend auf der Brust des Kleineren, sein rechter Arm hielt dessen Oberkörper fest. Einen Moment lang konnte Ren den Älteren nur anstarren. Dessen Mimik hatte sich nicht verändert. Sein trauriger Blick lag nach wie vor auf seiner Brust. Ren war so verwirrt. Was war nur los mit Trey? Wieso hielt er ihn fest? Wieso sprach er nicht? Wieso schaute er ihn so traurig an? Vorhin auf der Party war er noch normal gewesen. Das machte den Chinesen nervös. Nicht nur, dass sein Freund sich so komisch verhielt, auch diese körperliche Nähe war etwas völlig Neues für ihn. Er konnte damit nicht umgehen. Er legte seine Hände an die Schultern des Blauhaarigen und versuchte, diesen von sich weg zu drücken. „Jetzt lass den Quatsch, Trey! Lass mich los!“ Doch der Andere rührte sich nicht. Mit eisernem Griff hielt er Ren fest. Diesem reichte es nun endgültig. „Lass mich endlich los!“, schrie er Trey entgegen und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige. Doch auch das brachte diesen nicht dazu, irgendetwas an ihrer Position zu verändern. Langsam drehte Trey seinen Kopf wieder nach vorn. Ren riss seine Augen auf, als er sah, wie sich die Augen des Größeren plötzlich mit Tränen füllten. „T-Trey...?!“, stotterte er, als der Blauhaarige mit den Fingerspitzen seiner linken Hand langsam die große Narbe auf Rens Oberkörper hinabfuhr. Er hatte sie aus dem Kampf gegen Zekis Gefolgsleute davongetragen, als er von ihnen seine Klinge genau durch Rens Brust bohrte. In letzter Sekunde hatten seine Freunde es geschafft, Ren mit Hilfe ihrer Schamanenkräfte zu reanimieren. Eine Träne kullerte Treys Wange hinab, als er flüsterte: „Es tut mir so Leid, Ren...“ „Huh?! Was denn?“, fragte Ren, mittlerweile noch verwirrter als zuvor. Der Ältere fuhr die Narbe wieder hinauf, als er leise antwortete: „Es ist meine Schuld...Wenn ich besser aufgepasst hätte, wärst du nicht...“, er sprach nicht weiter. Jedoch sah Ren, das eine weitere Träne ihren Weg über die Wangen des Größeren fand. Achso. Darum ging es hier also. Endlich verstand der Chinese, was mit seinem Freund los war. „Trey...“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Es war nicht deine Sch-“, wurde der Gelbäugige unterbrochen, als der Blauhaarige ihn plötzlich mit beiden Armen umschlang und ihn fest an sich drückte. Sofort fühlte Ren, dass der Andere am ganzen Leib zitterte. „Ich hatte solche Angst um dich...“, flüsterte Trey in das Ohr des Kleineren. „Trey...“ „Da war so viel Blut...Und du hast dich nicht mehr gerührt...Du hast nicht mehr geatmet...“ „Trey...“ „Ich dachte wirklich, ich würde dich verlieren...“ „TREY!“, brüllte Ren, nahm mit beiden Händen den blauen Schopf und hielt dessen Gesicht genau vor sein eigenes. Mit ernster Mimik sah er dem Größeren in die verweinten Augen. „Du hast mich nicht verloren...Ich stehe vor dir, oder etwa nicht? Es geht mir gut...Also hör auf, dir um so einen Mist Gedanken zu machen“, sprach Ren mit sanfter Stimme und wischte mit seinem Daumen ein paar Tränen von der Wange des Anderen. „Hast du dich wieder beruhigt?“, fragte der Chinese und lächelte leicht. „Es gibt da etwas...das ich dir sagen muss, Ren...“ „Und was?“ „Als ich dich dort liegen sah...Und wir alle dachten, dass du...Naja, du weißt schon...Ist mir...Mir ist etwas klar geworden...“ „Was denn?“ Sanft legte Trey eine Hand an die Wange des Jüngeren und streichelte darüber. Dieser zuckte überrascht zusammen. Er fühlte, wie seine Wangen warm wurden. Beide sahen sich tief in die Augen. „Ich liebe dich, Ren.“ Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Rens Herz setzte einen Schlag aus. Fassungslos starrte er den Blauhaarigen an. Hatte er sich gerade verhört? Bestimmt. „Was?“, flüsterte er ungläubig. „Ich liebe dich“, wiederholte Trey seine Worte ohne Umschweife. „A-Aber...“, stotterte der Gelbäugige. Das musste doch ein Scherz sein, oder? Mit weit aufgerissenen Augen blickte er sein Gegenüber an. Er schien es ernst zu meinen. „Ich habe für dich von Anfang an anders empfunden, als für Yoh und die anderen...Ich bin sicher, dass ich mich auf den ersten Blick in dich verliebt habe, Ren...Ich wollte es nur nicht wahrhaben...Doch als du dort auf dem Boden lagst, blutüberströmt, und ich dachte, dass du deine Augen nie wieder öffnen würdest, habe ich meine Gefühle verstanden...'Ich liebe ihn...Er darf nicht sterben...Ich muss es ihm sagen...' Diese Gedanken fuhren mir die ganze Zeit durch den Kopf“, erklärte Trey und lehnte seinen Kopf dabei unbewusst nach unten, immer näher an das Gesicht des Chinesen. Dieser konnte nichts erwidern. Er war vollkommen überrumpelt von diesem Geständnis. Noch immer versuchte er in den Augen seines Freundes die Lüge zu finden. Den Witz. Er wartete auf das plötzliche Lachen, auf den amüsierten Ausruf: „Haha! War nur ein Scherz!“ Doch nichts davon passierte. Bevor er sich versah, spürte er die warmen Lippen des Blauschopfes auf seinen eigenen. Sie begannen, sich gegen seine zu bewegen. Treys Hand, welche auf seiner Wange lag, wanderte zu seinem Nacken und streichelte diesen sanft, während er den Gelbäugigen mit seinem anderen Arm noch näher an sich zog. Rens Körper war wie gelähmt. Er war viel zu überrascht, viel zu verwirrt, als das er hätte reagieren können. Doch als die Zunge des Größeren über seine Lippen glitt, versuchte er sich loszureißen. „T-Trey...hör...a-mh!“ Der Blauhaarige hatte die Umstände sofort ausgenutzt, Ren noch fester an sich gepresst und ihm seine Zunge in den Mund geschoben, wo er mit ebendieser fest über die des Chinesen glitt. Plötzlich riss Trey sein Gesicht zurück. „Bitte, Ren...Bitte, weiß mich nicht zurück...“, flehte er schon beinahe, bevor er Rens Lippen erneut umschloss und seine Zunge zwischen dessen Lippen schob. Pure Verzweiflung hatte er sowohl im Gesicht, als auch in der Stimme seines Teamkollegen wahrnehmen können. Rens Herz schlug schnell. Er legte seine Hände auf Treys Brust und wollte gerade gegen diese drücken, um ihn wegzuschieben, als er plötzlich den unglaublich schnellen Herzschlag seines Freundes spüren konnte. „Durch sein T-Shirt...“, dachte er nur. Er wusste zwar nicht warum, aber irgendwie schien Treys Herzschlag, so schnell er auch war, eine beruhigende Wirkung auf ihn zu haben. Er schloss seine gelben Augen und nahm zum ersten Mal den Geschmack des Anderen wahr. Es war ein angenehmer Geschmack. Auch seine Körperwärme und die dicken, blauen Strähnen, welche seine Nase kitzelten, spürte er nun richtig. Ohne es bewusst zu steuern, begann Ren damit, seine Zunge gegen die des Blauhaarigen zu bewegen. Er legte seine Arme um den Hals des Anderen und ging leicht auf die Zehenspitzen. Auf einmal wurde er von starken Armen angehoben und auf die Kommode hinter sich gesetzt. Ohne den leidenschaftlichen Kuss zu unterbrechen, hatte Trey sich zwischen seine Beine gestellt. Zärtlich fuhr er mit seinen Händen über die Seiten des Gelbäugigen. Was diesem zu gefallen schien, denn er begann damit, immer wieder leicht in den Kuss zu seufzen. Auch Trey stöhnte leise in den Kuss hinein, als Ren mit seinen Händen unter sein Shirt fuhr und sanft seinen Rücken streichelte. Der Blauhaarige konnte sein Glück kaum fassen. Von Ren berührt zu werden, und dann auch noch so zärtlich, IHN berühren zu dürfen, ihn zu spüren, zu schmecken, zu riechen...Es fühlte sich einfach himmlisch an. „SHH!“ Sofort rissen die beiden die Augen auf. Sie lösten sich voneinander und sahen gleichzeitig zum Fenster, von wo aus sie das Geräusch gehört hatten. Und beide starrten mit aufgerissen Augen in die Augen ihrer Freunde, dessen Köpfe alle nebeneinander durch das Fenster lugten. „Mist, sie haben uns gesehen!“, seufzte Manta. „Sorry Jungs, wir wollten euch echt nicht stören...“, grinste Yoh breit. „Tja, ich würde sagen, ich habe gewonnen!“, stellte der Brünette freudig fest, als Manta, Ryu, Joco und Lyserg ihm jeweils eine Münze in die Hand drückten. „Ich habe doch gesagt, dass aus den beiden ein Paar wird!“, sagte er stolz. „Ich bin wie immer tief beeindruckt von deiner ausgezeichneten Menschenkenntnis, Meister Yoh!“, sagte Ryu anerkennend. „Und ich habe dich für verrückt erklärt, als du das gesagt hast...Das hätte ich wirklich nicht gedacht...“, gab Lyserg lächelnd zu. „Ja...Ich meine, dass Trey auf Ren steht, war ja klar, aber das er Ren tatsächlich rumbekommt, hätte ich auch nicht für möglich gehalten“, gab Manta seinen Senf dazu. „WAS MACHT IHR DENN HIER?!“, schrie Trey verärgert. „Die viel wichtigere Frage ist doch: Wieso treibt ihr zwei es auf der Kommode, wenn direkt neben euch ein gemütliches Bett steht?“, stellte Joco als Gegenfrage. „WIE LANGE BEOBACHTET IHR UNS SCHON?“, brüllte der Blauhaarige wütend. „Wir sind gerade dazu gekommen, als du Ren so leidenschaftlich auf die Kommode gehoben hast, Romeo“, antwortete Ryu mit einem neckischen Grinsen, welches die anderen Jungs ebenfalls auflegten. „Wir haben uns gewundert, dass du nach Ren auch direkt abgehauen bist...Da haben wir uns Sorgen gemacht und wollten nur sehen, ob alles okay ist...“, erklärte Yoh lachend. Ren konnte nicht sprechen. Er saß einfach nur da und starrte entsetzt vor sich hin... Flashback Ende Der Chinese musste grinsen, als er sich daran zurück erinnerte. Mittlerweile konnte er darüber lachen, auch, wenn es ihm nach wie vor peinlich war. Doch lange konnte er nicht mehr darüber nachdenken, denn auf einmal hörte er einen lauten Knall. Es hörte sich an wie eine Explosion. Sie musste ganz in der Nähe gewesen sein. „Meister Ren! Sieh nur!“, rief Bason und zeigte in eine Richtung, wo man immer wieder helle Lichter sah. Gefolgt von weiteren Explosionen und Rauch. Dort musste ein Kampf stattfinden. Sofort rannte der Gelbäugige zu Ort des Geschehens. Es war ein einziges Chaos. Mehrere Schamanen schienen in den Kampf verwickelt zu sein, doch es war schwierig zu erkennen, wer hier gegen wen kämpfte. Wieder ein helles, lilafarbenes Licht. Und auf einmal waren mehrere große, uralte Eichen verschwunden. Sie waren einfach weg. „Was ist hier los?!“, rief Ren in die Menge und machte sich augenblicklich kampfbereit. „Das ist so ein seltsames Wesen!“, schrie ihm eine Frau entgegen, die offenbar gerade genau nach diesem Wesen Ausschau hielt. Und dann sah Ren es: Es war ein Kleines, vielleicht einen halben Meter großes, Koboldartiges Geschöpf. Es sah ein bisschen aus, wie eine Mischung aus Tinkerbell und Miss Piggy; es hatte große Augen, kleine, weiße Flügel und flog im Zick Zack durch die Luft. Es schien kein Geist zu sein. „Was ist das denn?!“, fragte Ren. „Ich habe keine Ahnung, Meister Ren; ich habe so etwas auch noch nie gesehen!“, antwortete Bason. Dieses Ding schoss immer wieder willkürlich mit lila-leuchtenden Lichtkugeln um sich und kicherte dabei ununterbrochen. Es hörte sich fast so an, wie das Kichern eines Kleinkindes. Ein Schamane nach dem anderen versuchte mit seinen Attacken das seltsame Wesen außer Gefecht zu setzen. Doch es war flink. Niemand erwischte es. Ren zückte sein Kwan Dao, schaffte Geistkontrolle, rannte los, machte einen hohen Sprung, bis genau vor dem Wesen in der Luft seinen Angriff ansetzte. „Überschallgeschwindigkeitsa-ahh!“ Doch plötzlich schoss das kleine Flügelwesen eine lilane Lichtkugel genau auf Ren. „REN!“, hörte er seine Freunde noch kollektiv schreien, bevor alles schwarz wurde. Die Clique sah, wie Ren, umgeben von violettem Licht, zu Boden fiel. „REN!“, schrien sie erneut und rannten auf ihren Freund zu. Doch sofort sahen die, dass etwas nicht stimmte. Rens Kleidung lag auf dem Boden, doch den Chinesen selbst konnten sie nicht sehen, während sie auf ihn zurannten. Doch plötzlich schien die Kleidung sich zu bewegen; bzw., UNTER der Kleidung, bewegte sich etwas. „Huh?“ Die Jungen traten näher heran. Und auf einmal lugten zwei große, runde, gold-gelbe Augen unter der Kleidung hervor. „W-Was ist denn hier...Ren?!“ Ein kleines Köpfchen wurde herausgestreckt. Es war ein Kind. Ein Kind, das genauso aussah wie Ren. Ungläubig hockte die Clique sich hin. „R-Ren?“, fragte Trey vorsichtig. Der Kleine Junge lächelte und antwortete: „Hallo!“ Er winkte fröhlich. „Oh mein Gott...Es ist wirklich Ren...“, stellte Yoh fest. „Aber wieso ist er denn ein kleines Kind?“, fragte Joco entsetzt. „Dieses komische Ding muss ihn verzaubert und wieder in ein Kind zurück verwandelt haben“, schlussfolgerte Lyserg. „Ren...Wie alt bist du?“, fragte Manta den Kleinen. Dieser hob seine Hand, zählte seine Finger ab und antwortete fröhlich: „Ich bin drei!“ „Meine Güte...Ich glaube, ich habe noch nie ein so niedliches Kind gesehen“, sagte Ryu. „Aber wir müssen ihn wieder zurück verwandeln!“, schrie Trey außer sich, worauf der kleine Ren verängstigt zusammenzuckte. „Beruhige dich Trey! Du machst ihm ja Angst!“, wies Ryu den Blauhaarigen zurecht, wickelte den Kleinen in Rens Hemd und nahm ihn auf den Arm. „Keine Angst mein Kleiner; wir tun dir nichts; ich bin Ryu“, stellte er sich dem Kleinen freundlich vor. „Onkel Ryu“, erwiderte der Junge lächelnd, woraufhin Ryu sich nicht mehr zusammenreißen konnte. „Aww! Ich liebe es, Onkel Ryu genannt zu werden!“ „Seht mal, was ich gefunden habe“, sagte der Engländer und zeigte den Anderen einen kleinen Korn. „Was soll das sein?“, fragte Yoh verwirrt. „Das ist ein Samenkorn; ich habe ihn dort drüben in der Erde gefunden, da, wo woher die alte Eiche stand...“, erklärte der Pendler. „Also ist es tatsächlich ein Verjüngungs-Zauber“, sagte Joco. Lyserg nickte. „Gut, dann lasst uns mal herausfinden, wie wir unseren Freund wieder zurück verwanden können“, sagte Yoh lächelnd. Die Übrigen nickten. Doch auch vier Wochen später war Ren noch immer ein dreijähriges Kind. Das seltsame Ding, das ihn verzaubert hatte, war genauso schnell wieder verschwunden, wie es aufgetaucht war. Es war weg. Die Schamanen hatten nicht einmal den Ansatz einer Spur, was dieses Wesen war, um was für eine Art Zauber es sich handelte, und am allerwenigsten hatten sie einen Schimmer, wie sie diesen Zauber wieder rückgängig machen konnten. Es schien auf der ganzen Welt niemanden zu geben, der ihnen helfen konnte. Alle hatten sich mittlerweile an den dreijährigen Ren gewöhnt, und sie liebten den Kleinen von Tag zu Tag mehr. Er war so unglaublich süß, so fröhlich und offen, so...glücklich...so...unschuldig. Ganz anders, als der Ren, den sie kannten. „Es ist wirklich bemerkenswert, was die falsche Erziehung aus so einem niedlichen Knirps machen kann“, sagte Ryu, während er dem kleinen Ren dabei zusah, wie dieser friedlich in Treys Armen schlief. „Ja...“, pflichtete er dem Biker nur geistesabwesend bei. Auch Trey fand den Kleinen unglaublich niedlich. Doch er vermisste den fünfzehnjährigen Ren. Er vermisste seinen Freund. Trotzdem hatte er in den letzten Wochen viel nachgedacht. Und einen Entschluss gefasst. „Ich werde ihn aufnehmen“, sagte der Blauhaarige in die Runde. „Was?“, fragten diese synchron. „Wir können ihn nicht zurück verwandeln, also werde ich ihn aufnehmen und großziehen.“ „Aber Trey...Was ist mit den Taos?“ „Ich werde ihn garantiert nicht wieder in die Hände dieser Monster geben!“, rief er wütend. „Ihr wisst doch selbst, was für eine Familie die Taos sind! Wie grausam sie mit ihren eigenen Kindern umgehen!“ „Shh! Du weckst ihn noch auf...“ „Wir werden bestimmt einen Weg finden, den Zauber rückgängig zu machen“, sagte Yoh zuversichtlich. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf Treys Gesicht, als er erwiderte: „Vielleicht...Ist es besser, wenn wir ihn nicht rückgängig machen...“ Alle starrten den Blauhaarigen schockiert an. „A-Aber Trey-“ „-Denkt doch mal nach, Jungs...Ihr wisst doch alle, was für eine schreckliche Kindheit Ren hatte...Und jetzt, seht ihn euch an“, sprach Trey und streichelte sanft über die weichen Haare des schlafenden Kindes. Er sah wieder zu seinen Freunden. „Wer bekommt schon die Chance auf eine zweite Kindheit? Eine glücklichere, friedlichere, und liebevollere Kindheit?“ Sanft lächelnd sah er wieder zu dem Kleinen. „Ich werde ihm diese zweite Kindheit schenken...“ Ein trauriges Lächeln war auf den Gesichtern der Schamanen zu sehen. Sie alle vermissten ihren Freund Ren, doch sie wussten, dass Trey recht hatte. Und sie wussten ebenfalls, dass Treys Entschluss feststand. Sie konnten ihn nun sowieso nicht mehr davon abhalten, selbst, wenn sie es gewollt hätten. „Aber...Sag mal Trey...“, begann Yoh vorsichtig. „Hmm?“ „Bist du sicher, dass du damit klar kommen wirst?“ Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)