A Story about Christmas Snow von Keinseier ================================================================================ Kapitel 1: Weihnachten im KFC ----------------------------- „Mach dich nicht so fett, Bob.“ „Hör auf mir ständig deinen Ellenbogen in die Rippen zu stoßen, Ellie!“ „Oh mein Gott, ihr benehmt euch wie zwei 5 Jährige!“ „Halt dich da raus, Sarah!“, entgegneten die beiden jüngeren Geschwister ihrer älteren Schwester einstimmig. Angesprochene rollte die Augen und lenkte den Blick wieder aus dem Fenster in die Dämmerung. Bob schob den Ellenbogen seiner jüngeren Schwester ein weiteres mal fluchend von sich und warf ihr giftige Blicke zu, ehe er die dicken Kopfhörer auf seinem Kopf wieder richtete. So musste er ihr immerhin nicht weiter zuhören. Warum musste er noch mal in der Mitte sitzen? Durch den Rückspiegel, konnte er sehen, wie die kleine Ader an der Schläfe seines Vaters allmählich hervor trat. Daniel Correy war nicht der Typ, der schnell an die Decke ging, doch lagen die Nerven der gesamten Familie nach den stressigen vorangegangenen Stunden mittlerweile blank. Durch das über England tobende Unwetter, wurde ihr Flug von Birmingham nach London umgeleitet, so dass sie nun eine 3,5 Stunden lange Autofahrt bis zu Ihrem Ziel in Shrewsbury vor sich hatten. Immerhin eineinhalb davon waren schon um. Angefangen hatte die ganze Misere eigentlich schon in Australien, als sie nicht wie geplant vor drei Tagen fliegen konnten, sondern erst gestern die Reise angetreten waren, da die Fluglotsen gestreikt hatten. Alleine 21 Stunden war die fünfköpfige Familie schon mit dem Flugzeug, inklusive Zwischenlandung, unterwegs gewesen. Und das alles nur, weil seine Mutter unbedingt die Feiertage 2082 bei Ihrer Familie in Groß Britannien verbringen wollte. Viel lieber würde der 16-jährige jetzt zuhause in Perth bei 35 Grad mit seinem besten Freund Mikey im Pool abhängen, oder am North Beach Surfen. Doch stattdessen standen ihm nun 2 Wochen im verregneten England bevor. Byebye Sommerferien. Nach einer Weile, bemerkte er, wie seine im achten Monat schwangere Mutter auf etwas deutete. Er zog einer der Ohrmuscheln zur Seite, um wieder mit zu bekommen, um was es ging. „Da vorne ist ein Rastplatz. Ich glaube wir müssen eh tanken.“ „Gute Idee, ich muss hier dringend mal raus“, murrte Bob leise. Auch der Mietwagen war nicht wie geplant ein Minivan, sondern ein herkömmlicher Kombi, in den sie mit Ach und Krach samt Gepäck hinein passten. Schließlich hatten sie ursprünglich ab Birmingham gebucht. Nur wenige Minuten später verließen sie die Autobahn und machten schließlich Halt an der Tankstelle. „Ich geh zum Klo.“ „Warte Sarah, ich komm mit!“ Die beiden weiblichen Sprosse der Familie Correy waren in Windeseile verschwunden. Auch Bob kletterte gleich darauf aus dem Wagen und streckte sich. „Wie lange brauchen wir noch bis zu Granny und Gramps? Ich halte das nicht mehr lange aus mit den beiden.“ Er legte sich den Kopfhöhrer um den Nacken und neigte den Kopf hin und her, so dass es ein paar mal in seinem Nacken knackte. „Noch knapp zwei Stunden. Und Sohn?“, sprach sein Vater ruhig und begann damit den Wagen zu tanken. „Dad?“ „Reiß dich bitte so lange noch zusammen.“ Lautlos seufzte der Brünette auf und zog anschließend seine nach dem aussteigen übergeworfene Jacke enger. Die Temperaturen waren nur knapp über 0 und es schüttete nach wie vor wie aus Eimern. Wenn sie Pech hatten , würden sie noch Probleme mit glatten Straßen bekommen. Stellenweise war es tatsächlich schon glatt. Nur Schnee war ihnen offenbar nicht gegönnt und dabei war das wohl das einzige, was Bob tatsächlich cool an dieser Reise gefunden hätte. Unter dem Dach der Tankstelle waren sie recht gut geschützt, doch trugen die ständig auftretenden Windböen immer wieder Regen auch unter das Dach über den Zapfsäulen. „Ich geh auch noch mal pissen“, ließ er seine Eltern wissen. Für die Ausdrucksweise, warf ihm zumindest seine Mutter einen strengen Blick zu. Doch er kümmerte sich nicht weiter darum. Wer wusste schon, wann sie das nächste mal anhalten würden und ein bisschen herum laufen tat mehr als gut. „Was haben wir bei ihm falsch gemacht?“ hörte er sie seufzend zu seinem Vater sagen, während er sich langsam von dem Fahrzeug entfernte. Bob wusste, dass Pam Correy dies nicht aufgrund seiner Ausdrucksweise sagte. Er hatte die letzten Monate das ein oder andere mal etwas über die Stränge geschlagen. „Mach dir nicht zu viele Sorgen um ihn. Er kann nichts dafür. Er ist halt wie ich früher.“ hörte er noch leise seinen Vater hören und ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht des 16-jährigen. Auf seinen Dad konnte er sich wirklich immer verlassen, immerhin waren sie Geschlechter-mäßig in der Unterzahl Und würden es bald noch mehr sein und mussten zusammen halten. Was nicht hieß, dass er ihn nicht auch maßregelte. Nur eben auf seine eigene Art und Weise. Mit hochgeschlagener Kapuze, eilte er durch den anhaltenden Regen, zu dem Rasthäuschen herüber. Dieses warb unter anderem mit einem KFC, aber auch die Kasse für die Tankstelle sollte sich in diesem befinden. Allein bei dem Gedanken an das saftige Hühnerfleisch, knurrte dem 16-jährigen der Magen. Kaum hatte er die Tür aufgerissen, kam ihm bereit ein Schwall warmer und leicht abgestandener Luft entgegen. Neben der stickigen, warmen Luft, wurde er von dem leisen Dudeln diverser Weihnachtslieder begrüßt. Bob schlug die Kapuze zurück und sah sich um. Besonders viel war hier nicht mehr los, was nicht weiter verwunderlich war. Immerhin war es der Nachmittag des Heiligen Abend. Die meisten Menschen waren bereits bei Ihren Lieben zu hause im Warmen und schlugen sich die Bäuche voll. Nur er steckte hier mit seiner chaotischen Familie fest. Die Verkaufsständer beiläufig musternd, bahnte Bob sich seinen Weg durch den Laden, bis er schließlich zu den Toiletten gelangte. Kaum hatte er die Herrentoilette betreten, fiel sein Blick auf eine am Boden liegenden 20 Pfund Note. Prüfend sah sich der Brünette um, doch schien niemand mehr anwesend zu sein, der Anspruch auf das Geld erheben könnte. Es musste verloren gegangen sein. Schulterzuckend hob er den Schein auf und steckte ihn sich in die Hosentasche. Nachdem er wenige Minuten später wieder in den Verkaufsraum getreten war, entdeckte er seine beiden Schwestern bei den Zeitschriften. Er schlenderte zu ihnen herüber und legte der 14-jährigen Ellie brüderlich den Arm um die Schultern. „Na, ist wieder Schminke in der Wendy?“, foppte er sie sogleich. Die Brünette rollte mit den Augen. „Nerv mich nicht, Bob“, zischte sie und schüttelte ihn ab. „Zeig her“, er nahm ihr die Glamour Zeitschrift aus den Händen und blätterte eher desinteressiert aber provozierend darin herum. „Gib das her..“ , forderte sie ihn auf und versuchte ihrem Bruder die Zeitschrift wieder ab zu nehmen, doch er machte sich, wie so oft, einen Spaß draus und ließ sie nicht heran kommen. Da er einige Zentimeter größer war als sie, hatte sie keine Chance. Grinsend beobachtete er ihre Bemühungen. „Du bist so ein Idiot!“ „Müsst ihr euch immer streiten?“, mischte sich Sarah nun ein. „Jetzt kommt schon, wir sollten zurück gehen. Je früher wir weiter fahren, desto eher sind wir endlich da.“ Sie deutete nach draußen. Bob steckte die Zeitschrift zurück in die dafür vorgesehene Vorrichtung und nickte ihr zu. Er machte drei Kreuze, wenn dieser Höllentrip vorbei war. Die drei machten sich auf den Weg nach draußen. An der Zapfsäule konnte Bob den Leihwagen jedoch nicht mehr entdecken. „Sind bestimmt hier rum gefahren..“ er schlug die Kapuze wieder auf und auch seine Schwestern taten es ihm gleich. Sie steuerten den Parkplatz vor dem Rasthaus an, welcher durch die wenigen geparkten Fahrzeuge, wirklich übersichtlich gehalten war. Doch konnte er den blauen Kombi nirgends entdecken. Die hereinbrechende Dunkelheit machte es nicht unbedingt einfacher. „Wo sind sie denn, sie müssen doch hier irgendwo sein?“, meldete Ellie sich zu Wort und zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Anschlag nach oben. Auch Bob fröstelte aufgrund des noch immer anhaltenden Regen und Windes. Sie alle waren die Kälte nicht gewohnt und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit. In Australien war jetzt immerhin Sommer! Ein weiteres mal überquerten sie den fast leeren Parkplatz und nahmen jedes dort stehende Fahrzeug genau unter die Lupe. So langsam machte sich Unruhe unter den Geschwistern breit. „Sie.. oh Gott, sie wurden doch wohl nicht entführt?!“ stieß Ellie irgendwann schockiert und mit einem Hauch von Panik aus. „Das kann nicht sein...“ Auch Sarah war sichtlich verunsichert. „So ein Quatscht! Die nimmt doch keiner freiwillig mit. Sie.. sind ohne uns gefahren. Bloody Hell, sie haben uns ausgesetzt! Zu Weihnachten! In einem fremden Land! Ich dachte das macht man nur mit Haustieren!“ Nun hatte auch Bob die Unruhe gepackt. „Ich verstehe ja, dass sie dich los werden wollten, aber uns?“ Ellie warf ihrem großen Bruder provozierende Blicke zu. Die Älteste im Bunde schüttelte den Kopf. „Nein.. nein! Das würden sie nicht tun. Das.. ist nicht möglich.. außer...“ „Außer?“ „Sie haben uns hier vergessen!“ Sarah atmete tief durch und strich sich übers Gesicht. Ein weiterer, heftiger Windstoß, blies den dreien einen Schwall Regenwasser ins Gesicht. Bob prustete auf und kniff die Augen zusammen. So ein Mistwetter! „Dein Scheiß Ernst?!“ fluchte er los, wobei nicht ganz klar war, ob er das Wetter oder die Aussagen seiner älteren Schwester meinte. Für einen Moment standen die Drei eher ratlos da. Ein weiterer Windstoß ließ den 16-jährigen und seine Schwestern erneut frösteln. „Kommt, lasst uns rein gehen, die kommen schon zurück“, sprach Bob nüchtern aus, was sie wohl alle hofften. Ellie war indessen den Tränen nahe. „Sie können uns doch nicht einfach vergessen! Wir sind schließlich ihre Kinder! Und morgen ist Weihnachten! Wir haben die schlechtesten Eltern der Welt!“ „Jetzt heul nicht, sonst lassen sie uns doch noch endgültig hier.“ „Streiten hilft jetzt auch nicht. Lasst uns lieber rein gehen und dort warten“, warf Sarah ruhig ein und deutete zurück auf den Eingang. Bob zuckte kurz mit den Schultern, setzte sich dann aber in Bewegung. Sicher waren ihre Eltern jeden Moment zurück und würden dann hoffentlich so schlau sein und drinnen nach ihnen zu sehen. Wenig später fanden sich die drei an einem der vielen Tische des KFC wieder. Die nassen Jacken über die Stuhllehnen geworfen, waren sie im Moment fast die einzigen Gäste des Schnellrestaurants. „Ich kann einfach nicht glauben, dass sie uns vergessen haben“, schniefte die Jüngste in ihrer Runde. „Jetzt bleib ruhig, sie sind sicher jeden Moment wieder hier. Das muss ihnen doch wohl auffallen, dass es plötzlich so ruhig im Auto ist“, versuchte Sarah sie zu beruhigen. „Hat denn keiner von euch sein Handy dabei? Dann können wir sie anrufen.“ Ellie schüttelte den Kopf. „Liegt noch im Auto.“ „Hast du denn nicht?“, entgegnete Bob seiner älteren Schwester und kramte derweil seines aus der Hosentasche hervor. „Nein..“, Sarah seufzte, „oh super, gib her.“ Sie griff nach dem Telefon, doch Bob zog es ihr vor der Nase weg. „Gleich.. ich muss erst...“, er öffnete den Messanger, um Mike eine kurze Nachricht zu schreiben. Sarah schüttelte leicht den Kopf, ließ ihn aber machen. Oi! Unsere Alten haben uns im KFC ausgesetzt. An Heilig Abend! Mehr geht nicht! Er schickte vor sich hin grinsend die Nachricht ab, bis... „Oh...“ „Was? Rufen sie dich an?!“ hakte Sarah hoffnungsvoll nach. „Nein...“, er räusperte sich entschuldigend, „der Akku ist leer.“ „Ernsthaft jetzt, Bob? Kannst du da nicht vorher drauf gucken?!“, fauchte die 19-jährige ihn an. „Sorry, Mate! Nimm halt das nächste mal dein eigenes bloody Handy mit!“ „Wir werden hier verrotten. An Heilig Abend!“, warf Ellie wieder wehleidig ein. „Jetzt kriegt euch wieder ein. Sie tauchen sicher bald wieder auf. Vielleicht hat Moms Schwangerschaftshirn wieder zugeschlagen. Sie vergisst doch fast alles im Moment. Und Dad.. nun..“ Tatsächlich hatte der keine Entschuldigung. Schweigen machte sich zwischen den Geschwistern breit. Schweigen und ein Hauch von Ratlosigkeit. Weitere zehn Minuten vergingen und noch immer keine Spur von ihren Eltern. Ellie war mit den Nerven am Ende und Sarah redete die ganze Zeit davon jemanden im Rasthaus zu bitten von hier aus ihre Eltern anrufen zu dürfen, konnte aber die Handynummer nicht auswendig. Bob machte sich unterdessen nicht all zu viele Gedanken darum, wie es nun weitergehen sollte. Er hatte ein ganz anderes Problem. Und zwar hatte er verdammt noch mal Hunger! Er hatte wirklich warten wollen, immerhin gab es bei ihren Großeltern sicherlich noch genügend zu essen, doch jetzt wo ihre Zukunft völlig ungewiss war, sie nicht wussten, wann sie hier weg kamen, ging seine Geduld allmählich zu Ende. „Okay ich hab echt Hunger, wie stets mit euch?“ „Ich auch..“, deprimiert hob Ellie die Hand. „Schon.. aber hat denn einer Geld eingesteckt?“ Immerhin waren sie vorhin nur kurz zur Toilette. Grinsend zog Bob die 20 Pfund aus seiner Hosentasche hervor. „Wann hast du denn Geld gewechselt?“ Skeptisch zog Sarah eine Augenbraue in die Höhe. „Gar nicht, hab ich vorhin gefunden.“ „Gefunden? Das gehört jemanden, du kannst das nicht einfach einstecken!“, belehrte sie ihn. „Ja tut es. Und zwar jetzt mir. Bloody Hell Sarah, sei nicht immer so eine Moralapostel“, er rollte mit den Augen und wedelte mit dem Schein, „außerdem war da niemand mehr. Ich hol uns jetzt was zu essen. Ihr könnt mir später danken.“ Wenig später kehrte er mit einem großen Eimer Chickenwings und Getränken zu seinen Schwestern zurück. Noch bevor er dazu kam den Eimer auf dem Tisch ab zu stellen, hatte Ellie sich schon eines der Stücke aus dem Eimer gefischt und auch Sarah ließ sich nicht lange bitten. Kaum hatte Bob sich wieder gesetzt, tat er es seinen Schwestern gleich. Zufrieden seufzend ließ er sich den Stuhl ein Stück weiter hinunter rutschen. „Die sind echt bloody gut.“ „Ich kann nicht glauben, dass wir Heilig Abend im KFC verbringen...“ Ellie klang noch immer ein wenig niedergeschlagen. Nachdenklich kaute Bob weiter den Knochen ab, ehe er mit den Schultern zuckte. „Die tauchen schon wieder auf..“ Plötzlich blitzten seine Augen verschwörerisch auf, „aber wisst ihr was das bedeutet? Sie schulden uns was.“ Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er würde die Situation ganz sicher zu seinem Vorteil nutzen. „Ich könnte nen neuen Laptop gebrauchen. Schätze Santa muss die Geschenke jetzt updaten.“ Sarah rollte mit den Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Du bist wirklich unmöglich, Bob!“ „Was denn? Warum sich die Situation nicht zu nutze machen?“ Wieder schüttelte die Älteste den Kopf. „Ich glaube gerade du solltest den Ball flach halten. Nach allem was du dir die letzten Monate geleistet hast...“ Bob zuckte mit den Schultern und nahm sich ein weiteres Hühnerteil aus dem großen Eimer. „Diese Party war deine Idee, das kannst du mir nicht anhängen.“ „Ich meine auch eher die Sache mit dem geklauten Boot, das Besäufnis am Strand.. und vielleicht ein ganz klein bisschen die Party.“ Bob lachte leise auf. „Ich hab das Boot nicht geklaut! Das gehört uns immerhin.“ „Die Küstenwache hat das anders gesehen“, warf Ellie nun grinsend ein, wofür sie einen seichten Tritt gegen ihr Bein von ihrem Bruder kassierte. Tatsächlich hatte er sich das Boot nur geliehen – ohne Bescheid zu sagen natürlich, denn offiziell durfte er das motorisierte Segelboot auch gar nicht alleine fahren. Dass das Ganze so schnell aufgeflogen war, war einfach Pech gewesen. Vielen Dank auch an den viel zu gewissenhaften Mitarbeiter, der so spät noch einmal am Pier gewesen war und das Boot als gestohlen gemeldet hatte. Doch immerhin hatte er mit diese Aktion seinem besten Freund dabei geholfen ein Mädchen zu beeindrucken und somit seine erste Freundin für sich zu gewinnen. Das war es in jedem Fall wert gewesen. Mehr Zeit verstrich und auch der Eimer mit den Hähnchenstücken leerte sich allmählich. Doch von ihren Eltern noch immer keine Spur. Auch wenn sich die Stimmung etwas gelockert hatte, war eine gewisse Anspannung nicht weg zu diskutieren. Das Gesprächsthema war nach einer Weile – sie warteten jetzt sicher schon über eine Stunde - auf irgendein Mädchenthema um geschwungen, aus welchem Bob sich ausgeklinkt hatte. Nicht einmal Musik konnte er noch hören, jetzt wo sein Handyakku den Geist aufgegeben hatte. Den Oberkörper auf dem Tisch abgelegt, lenkte er mürbe seinen Blick nach draußen in die Dunkelheit. Im nächsten Moment, hielt er für einen kurzen Augenblick die Luft an. „Hey Girlz..“, unterbrach er das Geschnatter seiner Schwestern und richtete sich wieder vollends auf. Als er sich sicher war ihre Aufmerksamkeit zu haben, deutete er mit dem Finger nach draußen. „Es schneit!“ „Wahnsinn..!“ Auch Ellies Augen leuchteten in beinahe kindlicher Faszination auf, was nicht weiter verwunderlich war. Bob konnte sich zumindest nicht daran erinnern, dass es in Perth je geschneit hatte. Natürlich gab es auch in Australien Regionen in denen im Winter Schnee lag. Überwiegend in den südlichen Gebirgsregionen und doch war er selbst bisher noch nie dort gewesen. Und da auch England nicht unbedingt bekannt dafür war um die Weihnachtszeit Schnee zu bekommen, grenzten die dicken Flocken, die im dichten Treiben vor den großen Fenstern tanzten, schon beinahe an so etwas wie ein kleines Weihnachtswunder. „Kommt schon, das sehen wir uns genauer an!“ Noch während er den Satz sprach, war er bereits aufgesprungen und warf sich euphorisch die Jacke über. Seine Schwestern taten es ihm gleich und schon kurz darauf, fanden sich die drei Geschwister draußen im dichten Schneetreiben wieder. Fasziniert sah Bob auf in den dunklen Himmel. Ein Lächeln hatte sich auf sein Gesicht gelegt. „Wow...!“ hauchte Ellie verträumt und streckte die Hände aus, um einige der Flocken direkt auf zu fangen. Vergessen schien die Sorge um die anhaltende Abwesenheit ihrer Eltern. „Wer hätte das gedacht..“, murmelte Sarah leise. Auf dem Boden hatte sich gar schon eine dünne Schneeschicht gebildet. Wie lange es schon schneien mochte? Tatsächlich war Bob sich nicht so sicher, wann er das letzte mal nach draußen gesehen hatte und aus dem Dauerregen dichter Schneefall geworden war. Die Schicht auf dem Boden war zwar noch nicht besonders hoch, doch hoch genug, um genug Schnee zusammen zu kratzen, um... Keine Sekunde später flog bereits der erste Schneeball durch die Luft und direkt in Ellies Gesicht. Bobs amüsiertes Lachen und das empörte quieken der Jüngeren mischten sich in die kühle Nachtluft. „Na warte!“, nun machte auch Ellie sich daran Schnee zu einem Schneeball zu formen. „Hilf mir Sarah, wir machen ihn fertig!“ „Aber sowas von!“ „Versucht es doch!“ Bob duckte sich vor einem Schneeball weg und stürzte sich dann auf Sarah, um ihr den nächsten direkt ins Gesicht zu drücken. Lachend versuchte sie sich aus seinem Griff zu winden, was ihr erst gelang, als Ellie ihr zu Hilfe kam und Bob eine Ladung Schnee in den Nacken schob. Alle Sorgen waren für den Moment vergessen, nur das ausgelassene Gelächter der Geschwister erfüllte die Dunkelheit. Zumindest so lange, bis plötzlich ein blauer Kombi viel zu schnell auf den wie leer gefegten Rastplatz gefahren kam. Sofort hielten die drei in ihrem Tun inne. Der Wagen stoppte neben ihnen und das Fahrerfenster wurde hinunter gelassen. „Gott sei dank seid ihr noch hier. Warum geht auch keiner von euch an sein Handy?! Na los, springt rein!“ meldete sich ihr Vater sogleich hektisch zur Wort. Moment mal, waren sie jetzt Schuld? „Ihr habt uns doch hier vergessen!“, schnaubte Bob daher empört und verschränkte die Arme vor der Brust. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Beifahrersitz leer war. „Wo ist Mom?!“ „Alles gut, ich musste sie ins Krankenhaus fahren. Und jetzt steigt endlich ein!“ „Oh mein Gott, ist alles in Ordnung?“, hakte Sarah sofort besorgt nach. „Das Baby kommt etwas früher als geplant. Als uns in der Hektik aufgefallen ist, dass ihr fehlt, war es zu spät um sofort um zu drehen. Und jetzt steigt verdammt noch mal ein, oder ich komme morgen früh wieder!“ Bob fing die Blicke seiner Schwestern auf, ehe sich plötzlich eine hektische Aufbruchsstimmung breit machte. Ihre Schwester kam! An Weihnachten! Etwas über vier Wochen zu früh! „Ich sitze vorne!“ Ohne noch weiter Zeit zu verlieren, riss der Brünette die Beifahrertür auf und sprang ins Auto. „Fahr fahr fahr!“ Auffordernd klopfte er auf das Armaturenbrett, als auch Ellie und Sarah den Weg auf die Rückbank gefunden hatten. Gleich darauf setzte der Wagen sich in Bewegung. Vergessen war der neue Laptop oder irgendwelche anderen Geschenke. Alles was Bob sich jetzt wünschte war, dass seine Schwester gesund zur Welt kam. Denn auch, wenn ihn seine bereits vorhandenen Schwestern nicht selten in den Wahnsinn trieben, würde er sie nicht eintauschen wollen. Familie war nun einmal das wichtigste im Leben, da war sich der 16-jährige Correy absolut sicher. Ein cooleres Geschenk konnte man ihm am heutigen Abend eigentlich gar nicht machen. Denn ging es bei Weihnachten nicht genau darum? Um Familie? Merry Christmas! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)