Hundstage von Hotepneith (Kein Hund wie jeder andere) ================================================================================ Kapitel 12: Folgen ------------------ Izayoi erwachte erst unter einer ungewohnten Berührung. Jemand strich ihre Wange entlang. Fast erschreckt öffnete sie ihre Augen und starrte in goldfarbene. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie wecken musste,“ sagte der Herr der Hunde und es klang ehrlich. „Es wäre jedoch höchste Zeit aufzubrechen. Das Unwetter nähert sich.“ „Oh, ja, natürlich.“ Sie richtete sich auf. „Verzeihen Sie, dass ich Sie so lange belästigt habe.“ Diese Fellteile mussten wirklich zu seinem Körper gehören, dachte sie plötzlich. Es wäre viel einfacher gewesen sich eine Boa, oder was auch immer, abzunehmen und ihr zu überlassen, statt steif neben ihr zu sitzen. Es musste ihm unbequem gewesen sein. Körperteile? Sie hatte quasi in seinem Arm, nein, in seinem Fell geschlafen? Im Fell eines Youkai? Aber es war so warm und weich gewesen, so angenehm … Um sich daran zu hindern eine unziemliche Bemerkung zu machen, nahm sie die Wasserflasche und trank. Sie hatte so viel geschwitzt. So füllte sie sie nur wieder auf und schob sie in ihren Rucksack, ehe sie mühsam aufstand. „Sind Sie noch müde?“ Er war deutlich leichter auf den Beinen gewesen. „Nein, eher steif,“ gestand sie. „Ich fürchte, ich bin so etwas überhaupt nicht gewohnt.“ Mit Schrecken dachte sie an die bevorstehende Kletterpartie, eine nur zu berechtigte Unruhe, wie sie fand, als sie neben ihrem Ehemann am Steilhang ankam und hinunter starrte. Der Taishou warf ihr einen forschenden Blick zu. Sollte er oder sollte er nicht? Einerseits hatte er die gewisse Sorge sie würde ihr eindeutig gewachsenes Vertrauen in ihn verlieren – und dazu war es zu angenehm gewesen, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte – andererseits sollte sie ja auch nicht hinunterstürzen. „Ein Vorschlag, Izayoi, wenn Sie mir genug Vertrauen schenken können.“ Sie hatte auf seinem Fell geschlafen, dachte sie errötend. Was auch immer das für ein Körperteil war. „Ich denke schon.“ „Ich habe Sie von hier zu der Höhle getragen, ich würde Sie nun von hier dort hinunter tragen.“ Sie konnte nicht anders als ihn anzustarren. Wie sollte das denn gehen? Im nächsten Augenblick erkannte sie ihren Gedankenfehler. Er war kein Mensch. „Sie sind ein Daiyoukai.“ „Stimmt,“ bestätigte er. „Nun?“ „Ja, gern.“ Sie hätte keine Ahnung gehabt, wie sie allein hier hinunter gelangen sollte. Wie schon vor zwei Stunden fasste er sie unter Armen und Knien und hob sie mit nicht mehr Mühe auf als sei sie eine Puppe, blickte allerdings dann in die dunklen Augen, die ihn ansahen. „Vertrauen Sie mir einfach.“ „Das tue ich,“ gab sie zu. Aus irgendeinem Grund wurde ihr plötzlich klar, dass das auch für ihn eine ungewohnte Situation war, ja, der Herr über alle Youkai fast unsicher wirkte. Ihretwegen? So lächelte sie. „Sehen Sie, ich schließe sogar meine Augen.“ Ihr Körper in seinen Armen, ihr Geruch so nahe bei ihm, ihre Wärme, ihr Lächeln ... Nach den vergangenen zwei Stunden, die er mit überaus angenehmen Vorstellungen verbracht hatte, war das fast zu viel, erkannte der Taishou und machte lieber den Sprung die zweihundert Meter hinunter, als dass er seinem Wunsch nachgab sie zumindest zu küssen. Ein solches Ausnutzen der Situation wäre nicht nur unehrenhaft, sondern würde sie zurecht zurückschrecken lassen. Rücksicht war angesagt, damit war er bislang am Weitesten gekommen. „So, wir sind unten.“ Er wollte sie abstellen, ließ davon aber rasch ab, als sich ein Arm um seinen Nacken schlang. Die Berührung jagte unerwartet mehr als angenehme Hitze durch seinen Körper. Ohne die Augen zu öffnen meinte sie, bestrebt höflich zu wirken, da sie keine Ahnung hatte, ob das bei einem Youkaifürsten unverschämt wäre: „Ich wäre Ihnen wirklich verbunden, wenn Sie mich noch ein Stück tragen würden, wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht. Ich fürchte, ich bekomme in meinen Beinen Krämpfe.“ „Haben Sie etwa Schmerzen? Und nein, es bereitet mir keinerlei Mühe.“ Eher ein intensives Vergnügen, gemischt mit einer seltsamen Portion Schuldbewusstsein. Sie hatte Schmerzen und er war verantwortlich dafür. Punkt. Gut gemacht, Taishou, dachte er zynisch. Du wolltest dich ihr annähern, das hast du geschafft – nur, du wolltest eigentlich nicht als Krankenpfleger benötigt werden. Immerhin vertraute sie ihm. Und sie hatte freiwillig den Arm um seinen Nacken geschlungen. Nun ja, freiwillig, weil sie Schmerzen hatte und er ihr helfen sollte, das durfte er nicht vergessen. Da war sicher keine Hinwendung im Spiel. Er sollte sie so schnell wie möglich in das Schloss bringen. Zum Glück gab es dort eine dämonische Heilerin namens Hotaru, die alle Krieger als die „Katze mit den heilenden Pfoten“ kannten. Sie würde auch Izayoi sicher rasch helfen können. Überdies dräute das Unwetter. Aber er war selbst mit der für ihn kaum spürbaren Bürde schnell genug um das Schloss rechtzeitig zu erreichen.   Naraku reckte sich unwillkürlich, ehe er in sein Auto stieg. Was für eine lästige Wochenendbeschäftigung für einen vornehmen Mann wie ihn. Aber dieser Handwerkskurs war mehr als lehrreich gewesen. Natürlich war er vorsichtig genug gewesen, das am anderen Ende des Landes und unter falschem Namen zu buchen, aber es hatte sich gelohnt. Zu lernen wie man etwas repariert, bedeutete eben auch, zu lernen wie man etwas zerstört. Die Bank brauchte Geld, die Familie ebenso, wobei die Bank noch besser dastand. Immerhin konnten die Kundenlisten verkauft werden. Wie hatte sich sein sonst so kluger Vater nur in so etwas hinein manövrieren können? Er steckte sein Handy in die Freisprecheinrichtung und wählte, als er anfuhr. Die Stunden zurück könnte er auch sinnvoll nutzen. „Mein Name ist Naraku, ich möchte meine Schwester, Izayoi, sprechen.“ „Tut uns Leid, oyakata-sama und Izayoi-sama sind nicht im Hause.“ „Danke.“ Etwas überrascht tippte der Hanyou erneut auf die Taste. Der Taishou machte einen Wochenendausflug mit ihr? Oder handelte es sich um eine Youkaiangelegenheit? Auch da war es doch nur sinnvoll, wenn sie nichts weiter erfuhr, hätte er gedacht. Oder hatte es das dumme Schwesterchen gar vermocht dem sonst so unnahbaren Taishou den Kopf zu verdrehen? In diesem Fall sollte sie eine wertvolle Informationsquelle darstellen. Das musste er genau bedenken und vor allem sich gegenüber Izayoi weiterhin als der arme, missverstandene, Bruder darstellen, den Vater doch nur gelenkt hatte. Bislang schien sie ihm das ja abzunehmen. Jetzt aber war es zunächst einmal wichtig in der nächsten größeren Stadt eine Apotheke zu finden und sich zu erkundigen, welches Schlafmittel man bei hohem Stress einnehmen konnte. Ja, gab er zu, sein Plan war schändlich, aber von einer geradezu bewundernswerten Einfachheit und Logik. Er musste nur vorsichtig sein und erst einmal eine Tablette nehmen, um die Wirkung abschätzen zu können.   Zu Hause angekommen, wurde ihm unverzüglich mitgeteilt, dass sein Vater ihn sprechen wollte. Onigumo begrüßte seinen Sprössling mit: „Wo treibst du dich denn herum?“ „Ich war mit dem Auto unterwegs und ein wenig spazieren, um einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht wäre das auch etwas für Sie?“ Naraku nahm Platz. „Ich habe meinen Kopf frei. - Alle Raten, sei es unsere, sei es der Bank, werden übermorgen bezahlt werden, pünktlich. Und in drei Tagen werde ich eine Pressekonferenz anberaumen.“ Onigumo lächelte, als er den verblüfften Ausdruck im Gesicht seines Sohnes sah. „Ich verkünde, dass ich die „alte Kette“ verkaufen werde.“ Naraku überlegte, was das solle. „Das ist der Teil, der am wenigsten verschuldet ist,“ erkannte er dann. „Richtig. - Es ist der einzige Teil, dessen Bücher jederzeit von einem Kaufinteressenten überprüft werden können. Und er wird Millionen bringen.“ „Das brächte Handlungsfreiheit, das gebe ich zu, aber würde das nicht gerade die Gerüchte, dass Sie etwas ... knapp bei Kasse sind, beflügeln?“ „Es gibt keine solchen Berichte. Ich habe alle führenden Wirtschaftszeitungen durchgesehen.Und, damit die gar nicht entstehen, werde ich auch eine Begründung liefern.“ Auf die war der Sohn ehrlich neugierig. „Ich werde angeben, dass ich mich langsam, aber sicher, für das Finanzwesen zu alt fühle, und mich daher in den Ruhestand zurückziehen möchte. Überdies ist meine Tochter jetzt verheiratet und ich hoffe doch auf Enkelkinder und möchte mehr Zeit für die Familie haben … So in etwa.“ „Sie wollen in den Ruhestand?“ blieb Naraku bei dem, was ihn am Meisten interessierte. „Nur, warum sollten Sie dann die „alte Kette“ verkaufen wollen?“ „Nennen wir es wohlverdiente Rente oder so. Und, da du, mein Sohn, lieber Bankier als ein Finanzmakler bist, soll die Bank unangetastet bleiben.“ Naraku war etwas hin- und hergerissen. Finanzieller Spielraum für Monate, ja, aber es wäre auch der Teil der Firmen, der praktisch unverschuldet war und bislang alles andere mit Querfinanzierung über Wasser gehalten hatte. Andererseits, wenn Vater sich zurückziehen wollte, er endlich selbst freie Hand hätte – dann brauchte er womöglich auch seinen riskanten Plan gar nicht in die Tat umzusetzen. „Keine Sorge, mein Junge, natürlich ziehe ich mich nicht zurück, ich erkläre auch etwas von drei Jahren. Ich mache das schon.“   Schön, dann blieb nur der riskante Plan, dachte Naraku. Dann blieb die „alte Kette“ in ihrer, seiner, Hand. Und er musste dringend bis Dienstag mit Izayoi geredet haben, ob der Taishou nicht ihm ein wenig unter die Arme greifen wollte. Vorausgesetzt, Vater zog sich wirklich vom Geschäft zurück, würde der doch hoffentlich nicht ihn mit Vaters Erpressung gleich setzen, zumal wenn Schwesterchen für ihn sprach. Was allerdings zu etwas Anderem führte. Wenn er so an Izayois Geschick dachte: Vater war bereit gewesen sie für zwei Millionen einem ungewissen Schicksal auszuliefern. Wie viel würde er auf ihn, Naraku, setzen? Noch brauchte er ihn, das war wahr, schon um den Verkauf der alten Kette unter diesem Vorwand betreiben zu können. Aber – er wusste eine Menge, auch über die unsauberen Geschäfte, und er hielt seinen Vater nicht für so töricht, dass der nicht in Betracht zog, dass er ihn beseitigen wollte, um schneller an das Erbe zu gelangen. So gesehen wäre sein, Narakus, Tod für seinen Vater auch eine gewisse Beruhigung. Und der müsste das Geld, das er bislang in ihn gesteckt hatte, nicht mehr ausgeben. Hm. Er persönlich hatte ja schon länger den Verdacht gehegt, dass sein eigener Vater am Tod seiner Mutter nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Bei Hanyou starben, das hatte er recherchiert, durchaus oft die Mütter – die menschlichen. Bei Youkai hatte er nur seine Mutter finden können. Überdies war auch der Tod von Ito Gumo, Onigumos Vater, diesem sehr gelegen gekommen. Naraku hatte schon daran gedacht, ob der da auch seine Hand im Spiel gehabt hatte. So bei Licht betrachtet, war eigentlich nur davon auszugehen, dass entweder er seinen Vater umbrachte, damit die Bank und die Agenturen rettete, oder der sich immer weiter in den Ruin steuerte – und schließlich auch auf ihn verzichten konnte. Vielleicht sollte er seinen riskanten Plan doch durchziehen – aber, warum sollte nicht Vater auch einmal ein Risiko tragen? „Ja, natürlich, Vater.“   Onigumo betrachtete gedankenversunken seinen Sohn. Der hatte mit seiner Antwort gezögert. Besaß er etwa keine vollständige Macht mehr über ihn? Seit der Heirat Izayois schien Naraku sehr nachdenklich. Er sollte ihn wohl in ein kleines Familiengeheimnis einweihen, damit sich der Junge wieder sicherer fühlte, was auch immer der vermutete. Nun ja, es war eigentlich logisch. Gab er seine Tochter so bereitwillig auf, würde er auch seinen Sohn opfern wollen. „Hast du eigentlich mit Izayoi telefoniert?“ „Äh, ja. Aber sie ist sehr beschäftigt. Der Taishou hat ihr wohl die Schlossverwaltung gegeben, so eine Art größere Hausfrau.“ „Ob er das noch immer tun würde, wüsste er, was sie ist?“ Onigumo klang beiläufig, bemerkte jedoch vergnügt, dass sein Sohn aufmerksam wurde. Nein, dumm war der nicht, das hatte er doch von ihm. Er sollte ihm das anvertrauen, dann würde der auch wieder spuren. „Er hat sie geheiratet, damit er deine Aussage bekommt, richtig. Und natürlich auch wegen der Million, die er bekam. Aber natürlich auch, weil sie die Tochter einer Fürstentochter und eines Bankiers ist.“ Naraku rang nach Atem. Sollte das etwa heißen? „Du begreifst. Als ich Miharu heiratete, war sie bereits schwanger. Fürst Toko ließ sich mein Schweigen eine Menge kosten.“ „Ja, aber wer …?“ Nun gut, dachte Naraku, damit war schon einmal die Frage geklärt, warum Vater dermaßen desinteressiert an Izayoi gewesen war, wenn es um seinen eigenen Hals ging. „Das hat sie nie gesagt, und, glaube mir, sowohl ihr Vater als auch ich waren sehr nachdrücklich. Entweder fürchtete sie den potentiellen Vater mehr als die Schmerzen oder sie wollte ihn vor einem gewaltigen Skandal beschützen. Nun ja. Ich habe eine Zeit lang darauf geachtet, aber niemand sah Izayoi ähnlich. Außer ihrer eigenen Mutter. Und es kann kein Youkai gewesen sein, ihr Blut ist rein menschlich, das habe ich prüfen lassen.“ „Zu schade.“ Naraku lächelte etwas. „Das hätte in der Tat einen Skandal gegeben, hätte der Taishou aus Versehen seine eigene Tochter geheiratet.“ Onigumo gab das Lächeln zurück. „Hübsche Idee, aber eben falsch. Verstehst du nun, mein Sohn, warum mir dein Schicksal mehr am Herzen liegt als Izayois?“ „Ja, natürlich, verehrter Vater.“ Doch, das war dann klar. „Danke für die Erklärung.“ Nun gut, er sollte in den nächsten Tagen einmal die Strecke abfahren, und dann überprüfen, wo sich ein Unfall so günstig arrangieren ließ, dass er ihn überlebte. Danach würde er, vorgeblich, um die Unfallfolgen abdecken zu können, eben auf die Lebensversicherung zurückgreifen, damit aus der Rückzahlung erneut Geld hereinkam. Und das, ohne die Finanzagenturen verkaufen zu müssen.   Als Hotaru, die ältere Heilerin aus dem Volk der Katzen, aus dem Schlafzimmer Izayois kam, war sie nicht überrascht, im Wohnzimmer den Inu no Taishou vorzufinden. Er hatte besorgt gewirkt – nun, wenn man ihn kannte. „Es geht ihr besser, oyakata-sama,“ meldete sie. Ihre Meinung behielt sie ansonsten für sich. Moderne Zeiten hin oder her – einen Fürsten zu tadeln war lebensgefährlich. „Besuche sie morgen früh noch einmal. Wenn es ihr nicht wirklich gut geht, soll Akiko alle Termine absagen.“ Er bemerkte den Blick der Katzenyoukai, auch, wenn sie höfisch zu Boden sah. „Was ist noch?“ Hotaru wusste, dass sie sich auf heikles Terrain wagte, aber sie war Heilerin. Überdies war das ein klarer Befehl gewesen zu antworten. „Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte, oyakata-sama ...“ „Ich muss ihn ja nicht beachten.“ Sie wusste, dass er sich jeden Rat anhörte, wenn er von erfahrenen Leuten kam, allerdings dann stets selbst entschied. „Lassen Sie Izayoi-sama heute und auch morgen schlafen. Wenn es ihr besser geht, wird sie gewiss umso williger in Ihre Arme kommen.“ Die Katzenyoukai hielt den Blick krampfhaft zu Boden, aber sie konnte den abrupten Anstieg des Youki vor sich spüren. Ihre Ohren zuckten instinktiv. Kam jetzt eine Strafe? Würde seine Energie wie eine Peitsche durch die Luft flirren? Sie hatte früher schon Krieger erlebt, die zu vorlaut gewesen waren, und das mit aufgerissenen Rücken bezahlt hatten. Aber dann hatte sich der Herr wieder in der Gewalt, denn sein Youki sank und seine Stimme klang ruhig. „Ich vermute, du sprichst im Namen deiner Patientin.“ „Ich spreche für sie, ja, da Izayoi-sama unter meiner Massage eingeschlafen ist.“ Immerhin etwas, dachte der Taishou. „Gut, Hotaru. Du darfst gehen.“ Willig in seine Arme kommen? Ja, das hatte sie zuvor getan, weil sie Schmerzen hatte und Hilfe benötigte. Schmerzen, die er praktisch verursacht hatte. Er sollte morgen ebenfalls nach ihr sehen. Oder auch gleich? Die Heilerin war fast lautlos verschwunden und ebenso behutsam schob er die Schlafzimmertür beiseite. Ja, Izayoi war eingeschlafen. Unwillkürlich erweckte der Anblick, ihr Geruch, in ihm die Erinnerung, wie sie auf seinem Fell geruht hatte. Und es weckte erneut seinen Beschützerinstinkt. Möglichst leise schloss er die Tür und ging. Hotaru, die sich, besorgt um ihre Patientin, umgeblickt hatte, erkannte, dass er ihr folgte. Gut. Einer der Vorzüge des Inu no Taishou, die ihm oft den Erfolg gebracht hatte, war, dass er auch andere Meinungen hörte. Myouga war da das beste Beispiel dafür.   Izayoi erwachte erst gegen zehn Uhr. Sie fühlte sich noch immer wie zerschlagen, aber ihr war klar, dass die Massage, die ihr gestern diese Youkai, die Heilerin, verabreicht hatte, ihr sehr geholfen hatte. Sie musste aufpassen sich nie wieder so zu verausgaben. Hoffentlich würde ihr Ehemann darauf hören, wenn sie ihn bat solche Gewaltmärsche nicht mehr zu veranstalten. Sie öffnete die Augen – und erschrak. Er war da, lehnte nachlässig, die Arme verschränkt, an der Wand und beobachtete sie. Sie richtete sich etwas auf. „Haben Sie die ganze Nacht hier verbracht?“ wollte sie wissen. „Nein, erst eine Stunde. Ihre Zofe wollte Sie um neun wecken, wie es ihr gesagt worden war, aber ich hielt es für besser, wenn Sie sich erholen. Hotaru wird gleich kommen und Sie untersuchen.“ Er löste sich von der Wand und kam näher, bemerkte, wie sie unwillkürlich die Decke emporzog. „Ich wollte mich eigentlich entschuldigen. Ich bin den Umgang mit Menschen durchaus gewohnt, aber ich vergesse manchmal, wie groß der Unterschied selbst zu einem schwachen Youkai ist.“ Er entschuldigte sich? Er, der Fürst? Er tadelte sie nicht wegen ihrer Schwäche? Darüber mehr als erfreut lächelte sie etwas. „Sie vergleichen mich mit einem Wurmyoukai?“ Das sollte ein Scherz sein, erkannte er, und verbannte seine erste Erwiderung von seinen Lippen, dass er niemals einen Menschen und einen Youkai vergleichen würde. „Das würde ich nie wagen, meine Liebe. Wurmyoukai haben weder Ihr nettes Gesicht noch Ihre wundervollen Haare. Und auch beim Rest der Figur würde ich es strikt leugnen.“ „Sie machen mir Komplimente, obwohl ich Sie gestern doch so enttäuscht habe,“ murmelte sie verlegen. Das wurde nicht besser, als er sich auf ihre Bettkante setzte. Nun ja, dem eigenen Ehemann konnte man das kaum verbieten – und, dachte sie dann ehrlich, er sah auch nicht so aus, dass man ihn von der Bettkante schubsen musste. Er hatte sie gestern die ganze Strecke getragen, war besorgt um sie – zur Hölle, was wollte sie nur mehr von einem aufgezwungenen Ehemann? „Sie haben mich nicht enttäuscht, Izayoi. Im Gegenteil.“ Sie hatte praktisch bis zur Selbstaufgabe versucht seine Ansprüche zu erfüllen – dass die zu hoch gesteckt waren, war doch nicht ihre Schuld. „Wie erwähnt, Hotaru wird kommen. Und Sie ruhen sich heute aus.“ Sie erstarrte instinktiv, als er die Hand mit den Krallen daran hob, spürte dann, wie schon oben auf dem Aussichtspunkt, wie er zart über ihre Wange strich. So lächelte sie erneut und sah ihn an. „Danke, Taishou. - Was tun Sie?“ „Oh, ich werde mich um einige Angelegenheiten kümmern, die nicht mit der Holding zusammenhängen.“ Wozu erwähnen, dass er sich um ihres Vaters Finanzen kümmern wollte. Es mochte interessant sein, am Dienstag, wenn Onigumo alle Zinsen bezahlt hatte, den nächsten Schritt zu gehen. „Sie haben stets viel zu tun ...“ flüsterte sie. Ohne weiter nachzudenken, fasste sie nach den Fingern, die noch immer an ihrem Gesicht lagen und drehte sich etwas, barg ihre Wange in seiner Klaue. Der Taishou spürte es mit einer seltsamen Mischung aus Zufriedenheit, Beschützergefühl – und einem erwachenden Begehren. Das war das Bild, das Hotaru und Misako sahen, als die Zofe die Heilerin hereinführte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)