Seelenpfade von Ayame-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es geschah im Jahre 582 der zweiten Ära. Eines jener Jahre, welche vom Krieg der drei Banner beherrscht und in denen der Boden von Cyrodiil so sehr mit Blut getränkt wurde, dass die Erde bald zu gesättigt war, um noch mehr davon aufzunehmen. Rote Seen entstanden rund um die Burgen und Außenposten und abgebrochene Lanzen, Schilde und Knochenstachen wie Mahnmahle aus ihnen hervor. Doch ihre Zahl war inzwischen so gewaltig, dass man ihnen kaum noch einen Blick schenkte. Beim nächsten Ansturm wurden sie von Hufen, Klauen und Stiefeln achtlos niedergetrampelt. Auch wenn für jeden Überrest, der dadurch im Boden versank, zwei neue hinzu kamen und die Leichenberge sich inzwischen so hoch türmten, dass man aus ihnen zahlreiche neue Burgen hätte errichten können. In den Ländern um das einstige Zentrum des Kaiserreiches herum, mochte es weniger nach einem Weltuntergang aussehen, was jedoch nicht bedeutete, dass in ihnen Frieden herrschte. Intrigen und Machtkämpfe erschütterten hier die Mauern der Festungen und Paläste. Sowohl gegen die feindlichen Allianzen, als auch untereinander. Es war die Zeit für Helden. Für die einsamen Streiter, die scheinbar aus dem Nichts erschienen, um die klaffenden Wunden der Welt wieder zu schließen. Doch wenn man nachkommende Generationen fragen würde, wer ihnen in der Not geholfen hatte, niemand von ihnen würde mehr sagen können, wer jener Held einst gewesen war. Alles was zurückbleiben würde, wäre ein Titel…Feindin Kalthafens, Sieger der Kriegergilde, Meisterangler… Traurig und unverzeihlich, so könnte man es wohl nennen…Oder hat es wohlmöglich doch etwas Gutes, wenn man sich nur an die Taten der Helden erinnert, anstatt ihnen Statuen und Gemälde zu widmen? Wenn man, wo auch immer man sich ihre Geschichten erzählt, den Helden jedes Mal ein anderes Gesicht verleiht? ********************* Zwei Reiter preschten die Handelsstraße entlang, welche in der wolkenverhangenen Nacht nicht mehr war, als ein schwarzer Fluss in einem noch schwärzeren Meer. Der hintereder beiden Reiter hatte sich so dicht an den Körper seines Pferdes geschmiegt, dass er gänzlich unter dem weiten Mantel, mit der ins Gesicht gezogenen Kapuze, verschwand. Er jagte sein vor ihm galoppierendes Ziel nun schon seit langem.Monate hatte er gebraucht, um es überhaupt erst aufzuspüren und nichts, auch keine Hatz durch die finsterste Nacht, würde ihn davon abhalten können seine Beute zu erlegen. Bei jener Beute handelte es sich um eine Frau, deren Kleidung und Ausrüstung wie die einer gewöhnlichen Reisenden wirkte. Blut floss aus einer Platzwunde an ihrer Schläfe, wo ihr Verfolger sie getroffen hatte und tränkte den Stoff ihres Hemdes. Sie musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass er noch immer hinter ihr war, auch wenn das Donnern der Pferdehufe jegliches andere Geräusch übertönte. Der Fremde war zu gut vorbereitet, um einfach so wieder von ihr abzulassen. Und wenn ihr nicht bald etwas einfiel, würde er sie kriegen, denn lange machte ihr Reittier die wilde Jagd nicht mehr mit. Das sagten ihr das laute Schnaufen sowie das schweißnasse Fell. Im Kopf der Reiterin herrschte ein Rauschen, ähnlich dem in einer überfüllten Halle, wo alle durcheinander sprachen. Schon lange hatte sie sich daran gewöhnt und versuchte auch nicht mehr es zu übertönen, sondern ließ sich von ihm mittreiben, folgte stets dem lautesten ihrer Signale. Als das Pferd drohte langsamer zu werden, zog die Reiterin ihren Dolch und stach dem Tier damit leicht in die Hinterhand, woraufhin es sein Tempo sofort wieder steigerte. Es tat ihr leid um das Tier, doch auf keinen Fall wollte sie ihrem Häscher in die Hände fallen. Wenn es ihr möglich wäre Magie anzuwenden, würde das die Sache einfacher machen, doch das hatte ihr Jäger verhindert. Er hat ein mit Widerhaken besetztes Drahtseil nach ihr geworfen und die an den Enden sitzenden Gewichte, hatten es sich mehrmals fest um ihren Hals schlingen lassen.Zudem trieb jeglicher Versuch, das Seil wieder zu lösen, die Widerhaken nur noch tiefer in die weiche Haut. Doch das eigentliche Problem war, dass auf dem Draht eine Verzauberung lag, die es seinem Träger unmöglich machte auch nur den winzigsten Hauch von Magicka zu fokussieren. Und so, blieb ihr fürs erste nichts anderes übrig, als so schnell zu reiten, wie sie nur konnte. Der schwarze Schatten eines Waldes hob sich rechts der Straße vom Himmel ab und kurzerhand riss die Reiterin die Zügel herum und lenkte das geschundene Tier zwischen die Bäume. Ein törichtes Unterfangen, denn auf dem unebenen Boden würde das Pferd alsbald stolpern und stürzen, doch wenn sie weiterhin auf der Straße blieb, würde sie niemals entkommen. Hart peitschten ihr Zweige und Blätter ins Gesicht, zogen Striemen und blutige Kratzer, doch es kümmerte sie kaum. Die Schmerzen an Hals und Schläfe übertönten die der hölzernen Peitschen und außerdem…, ihr Körper war mit so vielen Narben überzogen, dass es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr ankam. Sie selbst konnte längst nicht mehr sagen, wann sie sich wo welche Narbe zugezogen hatte. Manche davon waren schmal und kaum zu sehen, andere schlecht verheilt, wulstig oder deuteten auf Verletzungen hin, von denen man sich fragen konnte, wie ihre Trägerin sie überhaupt hatte überleben können. Endlich erfolgte das Signal, auf welches die Reiterin gewartet hatte, eine Stimme, lauter als die anderen und sie gab ihr ohne zu zögern nach. Geschickt, als wäre es die einfachste Übung, nahm sie die Füße aus den Steigbügeln und zog die Beine an, verlagerte ihr Gewicht, sodass sie die Füße auf die Sattelfläche stellen konnte und so nun sprungbereit in der Hocke weiterritt. Noch nie hatte dieser Körper eine derartige Akrobatik vollzogen und dennoch gelang es seiner Besitzerin problemlos das Gleichgewicht zu halten. Als das Tier schließlich stolperte und stürzte, stieß sie sich vom Sattel ab und rollte sich nach links ins Gebüsch ab. Der Lederharnisch fing dabei einen Großteil des Aufpralls ab und bewahrte sie vor weiteren Verletzungen. Im Schutz des Dickichts kauerte sich die Frau nun nieder und zog eine kleine Armbrust aus ihrem Gürtel, welche sie eilig mit geübten Griffen spannte und lud. Keinen Augenblick später tauchte ihr Verfolger auf. Zu ihrem Verdruss bemerkte e r das gestürzte Tier und riss an den Zügeln seines Pferdes, damit es nicht über das Hindernis stolperte. Der Rappe bäumte sich protestierend gegen die grobe Behandlung auf, hielt aber auf zittrigen Hufen an. Auch er war am Ende seiner Kräfte angekommen. /Ich schenke dir Erlösung./, sagte die Frau stumm, legte die Armbrust auf den Hals ihres Verfolges an und drückte ab. Leise klackend löste der Abzug aus und ließ den Bolzen nach vorne schnellen. Zielsicher drang das Geschoss durch den Stoff des Umhangs, doch dann geschah etwas gänzlich Unerwartetes. Anstatt den Jäger aus dem Sattel zu stoßen, löste sich das Pferd mit einem Mal in dunklen Schlieren auf und ließ Zaumzeug und Sattel klappernd zu Boden fallen. Der Mantel folgte dem Beispiel, welcher in sich zusammensackte, als hätte sich der Körper darunter aufgelöst. Er kam unweit des schmalen Pfades zum Liegen, angepinnt durch den Bolzen am nächsten Baum. Damit hatte die Gejagte nicht gerechnet und sie benötigte einen Moment zu lange, um auf die nächste Aktion ihres Jägers zu reagieren. „Ich dachte mir schon, dass du gewieft bist.“, hörte sie seine merkwürdig verzerrte Stimme hinter sich und spürte, wie sich magische Fesseln um ihre Hand- und Fußgelenke legten. Eine unsichtbare Kraft riss sie daran nach vorne, raus aus dem Gebüsch und neben ihr totes Reittier, wo sie sich langsam aufrichtete. Die nun Gefangene versuchte gar nicht erst zu fliehen, wissend, dass sie im Moment nicht weit kommen würde. Nicht mit den Fesseln und nicht solange das Seil um ihren Hals lag. Also blieb sie sitzen und wartete ab. Wartete auf eine Eingebung, darauf, dass sich wieder eine Stimme löste, doch das Rauschen tat ihr den Gefallen nicht. Es schwoll lediglich an, wie ein wütender Bienenschwarm und verursachte ihr Kopfschmerzen. Licht flammte in dem Wäldchen auf, als der Fremde neben sie trat und dabei magische blauschimmernde Kugeln beschwor. Nach wie vor zog er es vor sich zu verhüllen, wenn auch sein Umhang diesmal schwarz war. Vermutlich wollte er seine Identität verheimlichen oder aber er war nur ein Trick, wie in dem Moment, als er von dem Bolzen gespickt worden war. Leicht neigte sich die Kapuze, so als würde er sein Gesicht dem seiner Gefangenen zuwenden. Was er sah war verschrammt, blutig und unheimlich. Denn das Gesicht der Frau, besser gesagt ihre Mimik, veränderte sich in schneller Abfolge. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, so als würden die verschiedensten Personen nacheinander nach vorne treten, ehe sie wieder verschwanden. Ein Rascheln erfüllte die Luft, als sich der Mantel des Jägers kurz öffnete und Zettel aus der Lücke schossen, die sich auf dem Waldboden verteilten. Es waren Steckbriefe von gesuchten Personen. Größtenteils Frauen und größtenteils ähnelten sie einander sehr und waren doch wieder verschieden. „In welcher Stadt auch immer ich euch absetzen würde, ich bekäme ein Kopfgeld ausgezahlt.“, sagte der Mann mit seiner verzerrten Stimme. „Ob nun Henkerin, Meisterdieb, Schlachtfeldschlächter…all diese Personen passen auf euch. Oder seid ihr etwa all diese Personen?“ Der Mann ging in die Hocke, sodass er auf Augenhöhe mit seiner Beute war, die ihm zwar nicht antwortete, aber nach einem Gesicht unter der Kapuze suchte. Doch die beschworenen Lichter taten ihr nicht den Gefallen den Schatten zu durchdringen. „Es gibt noch mehr Namen, die auf euch passen, nicht wahr? Namen, für die man kein Kopfgeld auf sich ausgesetzt bekommt sondern Loblieder. Schlächter der Daedraherren zum Beispiel oder auch Siegerin der Mahlstromarena. Ihr kennt die Liste sicherlich selbst. Eine Liste, die zu lang für ein einziges Leben ist, nicht wahr?“ Als er keine Antwort erhielt, fuhr er fort. „Ich will euch nicht töten, falls ihr das fürchtet. Mich interessiert lediglich euer Geheimnis.“ Der Vermummte schob eine im Lederhandschuh steckende Hand nach vorne,löste damit die Verschnürungen des Harnisches und warf ihn beiseite. „Das Geheimnis wie ihr das hier...“, bei diesen Worten zog er an der Knopfleiste des Hemdes, sodass der Stoff auseinander klaffte, „…habt überleben können.“ Narben kamen daraufhin zum Vorschein, mehr, als man zählen konnte. Nicht nur, weil es so viele waren, sondern auch, weil es schwer war festzustellen, wo die eine endete und die nächste begann. Wieder schwieg die Frau, die vollkommen ruhig blieb.Nur ihr Mienenspiel wurde hektischer, so als bekäme ihr Innerstes Panik. Der Mann seufzte. „So viele Leute behaupten euch getötet zu haben…so viele. Und doch hockt ihr nun vor mir…und schweigst.“ Er zog die Hand zurück und erhob sich wieder, wandte sich dem toten Reittier zu. „Aber schweigt nur, ich bekomme schon noch mein Wissen von euch. Immerhin ist es mir ja auch gelungen euch zu fangen, nicht wahr?“ Ein leises belustigtes Lachen löste sich aus seiner Kehle, dann ließ er auf magische Weise die Satteltaschen sowie den Rucksack aufschnappen und den Inhalt sich auf dem Boden verteilen. Zum Vorschein kam nichts von Belang. Proviant, Decken, ein Messer, Karten, Wechselkleidung…und ein Notizbuch. Kaum, dass er dieses erblickte, ließ er es zu sich heranfliegen. Das kleine Büchlein wirbelte dabei mehrmals um sich selbst, ehe es vor der Kapuze des Mannes zum Stoppen kam und dort in der Luft schweben blieb. Dann klappte es sich wie von unsichtbarer Hand vorne auf und erlaubte dem Jäger somit die Seiten zu lesen. Abgelenkt von den Buchstaben, die in den verschiedensten Schreibweisen und Sprachen geschrieben waren, entging ihm völlig, wie sich die Aufmerksamkeit seiner Beute auf eine gänzlich andere Sorte von Gegenstand fokussierte. Genaugenommen waren es drei gleichartige Gegenstände, welche in ihrer Form länglichen Kristallen ähnelten..Einer von ihnen war in dumpfes violett getaucht und wirkten mehr wie ein blinder Spiegel. Die anderen beiden hingegen leuchtetenabwechselnd in sanften Blau-, Weiß- und Lilatönen – den Farben von Seelen. Es waren Seelensteine. Die Gefangene spürte unweigerlich die Gegenwart der darin Gefangenen. Im Laufe der Zeit hatte sie ein so starkes Gespür für jene unsichtbaren Energien entwickelt, dass sie genau sagen konnte, wie viele Menschen sich in ihrer unmittelbaren Umgebung befanden und welche davon sich für sie interessierten. Umso verwunderlicher war es, dass ihr Jäger es irgendwie geschafft hatte ihre Sinne zu umgehen. Doch für diesen Moment interessierte der Vermummte sie kein Bisschen. All ihre Aufmerksamkeit lag auf den blasseren der beiden leuchtenden Seelensteine. Die Seele darin war so schwach und zart, das ihr Wimmern kaum zu hören war und die Gefangene hatte schon völlig vergessen, dass sie diese Seele überhaupt noch besaß. Doch nun sorgte ihr bloßer Anblick dafür, dass sich eine der Stimmen hervordrängte. Jene Stimme, welche einst die Gewalt über all die anderen gehabt hatte. Jene, der dieser Körper eigentlich gehörte und die sich freiwillig von den anderen hatte zurückdrängen lassen, als sie in jener Nacht diese zarte Seele eingesperrt hatte, anstatt ihr einen friedvollen Tod zu gewähren. Verdrängte Erinnerungen fluteten ihren Verstand. Erinnerungen an ein Bett mit blutgetränkten Laken und an das erstickende Schreien eines Babys. Tränen lösten sich aus den Augen der Gefangenen, malten nasse Spuren über das Gesicht, ehe sie sich am Kinn sammelten und von dort auf den Boden tropften. Sie hob einen Arm, streckte ihn in Richtung des Seelensteins, um zu ihm zu gelangen, doch die magischen Fesseln erlaubten ihr nicht sich ihm zu nähern. Dem Vermummten entging die Bewegung nicht, der von dem Notizbuch aufblickte und den Kopf in die Richtung seiner Beute drehte. Ohne ein Wort zu sagen kam er herüber, hob den blass schimmernden Seelenstein auf und drehte ihn neugierig in seiner Hand. „Fass ihn nicht an!“, schrie die Frau und wehrte sich nun verbissener gegen die Fesseln. Das Rauschen in ihrem Kopf schwoll an, versuchte sie abzuhalten, zu beruhigen, doch das ließ sie nicht zu. Sorge und Angst gaben ihr genug Kraft, um zu verhindern, dass sie wieder zurückgedrängt wurde. Der Mann hob jedoch nur die Hand noch ein Stück höher, um sicherzugehen, dass sie den Seelenstein auch gut genug sah, dann drückte er zu. „Ich gestehe ich habe keine Ahnung, was euch dieser Seelenstein bedeutet.“, sagte er. „Doch ich kann euch versichern, dass es mich nur ein wenig mehr Kraft kostet, um ihn zerspringen zu lassen.“ Die Frau schwieg, blieb zitternd in ihren Fesseln sitzen, während ihre Augen weiterhin den Seelenstein fixierten. Ihre Mimik blieb nun schon seit Längerem unbewegt, sah man von der Verzweiflung darin ab. Doch es machte nicht mehr den Eindruck, als würden verschiedenste Personen im schnellen Wechsel vor eine Leinwand treten. „Beantwortet mir nur meine Fragen und der Stein bleibt ganz.“, fuhr der Mann fort. „Also? Wie lautet euer Name?“ Die Gefangene öffnete bereits den Mund um zu antworten, stockte dann aber. Nicht, dass ihr kein Name einfiel, im Gegenteil. Es fielen ihr viele Namen ein, doch keiner davon war der Ihrige, das wusste sie. Hastig begann sie in ihrem Gedächtnis zu kramen, durchwühlte zahlreiche Erinnerungen, die nicht zu ihr gehörten. Schließlich, nach einer gefüllten Ewigkeit, kristallisierten sich ein Name sowie die dazugehörige Erinnerungheraus. Eine alte Erinnerung und obwohl sie keine angenehme war, doch so vertraut, dass sich Wärme in ihrer Besitzerin ausbreitete. Gedanklich sah die Frau die gewölbte Steindecke einer hohen Halle über sich, von derdaedrische Gesänge, Trommeln und das Wimmern von Gefangenen widerhallten. Doch all das nahm sie nur als undeutliche Schemen war. Viel stärker trat ihr wild schlagendes Herz hervor, der vom warmen Blut bedeckte Steinaltar, auf dem sie lag sowie ein sie umkreisender Hochelf. Er war alt an Jahren, wie sein weißes Haar verriet. Die Augen geschlossen murmelte er unablässig Formeln vor sich hin. Dann, mit der Geschwindigkeit einer Schlange, stieß er mit einem Dolch zu und trieb ihn der Gefangengen direkt durchs Herz. Es riss ihre Seele fort, weg zu der monströsen Gestalt Molag Bals hin, während ihr Körper nach Kalthafen in die Ankerschmieden gezogen wurde. Es war die Erinnerung an ihren allerersten Tod. „Entseelte.“, sagte sie schließlich mit Überzeugung. Der Jäger reagierte auf diese Antwort, indem er den Griff seiner Faust verstärkte, was ein leises Knirschen seitens des Seelensteins verursachte und die Gefangene erneut an ihren Fesseln ziehen ließ. „Das ist nur ein weiterer eurer Titel. Ich will euren richtigen Namen wissen.“ „Dies ist mein richtiger Name!“, rief sie, ehe sie sich ergebend zurücksinken ließ. „Nein eigentlich…habe ich keine Ahnung mehr, welcher mein richtiger Name ist.“, gestand sie und es fiel ihr zunehmend schwerer dem Rauschen in ihrem Kopf stand zu halten. Nur zu gerne hätte sie sich wieder darin versinken lassen. Wollte sich dort vor der Verantwortung um die winzige Seele verstecken. „Zu viele Namen in meinem Kopf, zu viele Personen, zu viele Erinnerungen, die nicht mir gehören.“ „Warum sterbt ihr nicht?“, versuchte der Jäger es weiter, der sich geduldig gab, obwohl er am liebsten den Seeelenstein auf der Stelle zerstört hätte. Doch noch benötigte er sein Druckmittel. Diese Frage sorgte dafür, dass das Rauschen im Kopf der Gefangenen ruckartig anschwoll. Doch es war nicht das übliche Durcheinander, denn sämtliche Stimmen hatten einen einzigen Gedanken gefasst. Und nun standen sie hinter der, welcher sie ihr Dasein verdankten. Umschlossen sie, gaben ihr Trost, zeigten ihr einen Weg aus ihrer aussichtslosen Lage. Zum ersten Mal seit langem war die Gefangene wieder eins. Wenn auch nur für diesen kurzen Moment und wenn auch nur um des Überlebens willen. Kurz huschten die Augen der Gefangenen über den Boden, zu den beiden übrigen Seelensteinen. Einer gefüllt, der andere leer und ihre Tränen versiegten. „Ich bin durchaus gestorben.“, antwortete sie schließlich. „So oft, dass ich die Tode irgendwann aufhörte zu zählen. Sprich, jeder der behauptet hat mich getötet zu haben, der hat es auch tatsächlich geschafft.“ „Und dennoch steht ihr wieder hier.“, bemerkte der Jäger. Der sich fragte, ob ihr Körper nicht vielleicht einfach nur eine Hülle war. Eine Puppe, die von ihrem Meister gelenkt wurde. Doch das erklärte weder ihr seltsames Mienenspiel, noch warum sich die Puppe nicht aufgelöst hatte, nachdem sie von der Magieunterdrückung getroffen worden war. Sicherheitshalber blickte er noch mal zu dem Draht, doch das Metall lag nach wie vor mehrmals um ihren Hals, von dem dünne Blutlinien hinabrannen, dort wo sich die Dornen ins Fleisch gebohrt hatten. „Als ich das erste Mal starb, wurde mir die Seele genommen, während mein Körper in Kalthafen schuften musste.“, begann sie zu erklären, die Stimme zunehmend fester, nun wo sie von den Stimmen angefeuert wurde. Der Jäger sagte nichts, doch natürlich wusste er von den zahlreichen Sterblichen, die MolagBal für seine Ebenenverschmelzung geopfert worden waren. Doch nachdem ein unbekannter Held, der Retter Nirns, wie man ihn nur nannte, den Plan des Schreckensfürsten vereitelt hatte, waren sie alle nach Tamriel zurückgekehrt. „Durch einen Zufall bekam ich die Gelegenheit aus Kalthafen zu entfliehen und auf Tamriel zurückzukehren. Oder sagen wir eher, mein Körper bekam die Möglichkeit…“ „Wusstet ihr, dass es einem Sterblichen durchaus möglich ist ohne Seele ganz normal weiter zu existieren?“, fragte die Gefangene, doch wartete sie keine Antwort ab. „Das liegt daran, dass sich der Körper noch an die Seele erinnert und so handelt, wie es die Seele getan hätte. Doch je länger Körper und Seele voneinander getrennt sind, desto mehr verblasst die Erinnerung an die Seele. Bis der Körper schließlich nur noch eine leblose Hülle ist. Ihr Herz schlägt, ihre Lungen atmen, doch sämtliche andere Funktionen sind eingestellt.“ /Also doch ein Puppenspieler?/, fragte der Jäger sich und schüttelte dann aber innerlich über sich selbst den Kopf. Es erklärte nicht, wieso die Wunden verheilten. Auch ein seelenloser Körper musste nach Verletzungen wieder gesunden. Selbst Heilmagie half nicht bei tödlichen Verletzungen und dass seine Beute genügend davon besaß, das war offensichtlich. „Ich weiß nicht, wie es funktioniert. Diese Gabe ist mir mitgegeben worden, als ich Kalthafen verließ. Es könnte mit der Himmelsscherbe zu tun haben, mit der wieder eine Verbindung zwischen meinem Körper und Nirn hergestellt wurde, doch das weiß ich nicht. Alles was ich weiß ist, dass es einen gefüllten Seelenstein benötigt, damit ich mich nach meinem Tod wieder neu erhebe.“ Der Jäger betrachtete den Seelenstein in seiner Hand, dann die auf dem Boden hockende Gefangene. Er war schon immer der Meinung gewesen, dass Praxis besser war, als die Theorie. Und sollte es ein Trick sein, musste er sich keine Gedanken machen, er hatte sich zu Genüge abgesichert. Der Speer aus tödlicher Magie kam ohne Vorwarnung. Er drang auf Herzhöhe durch die Brust der Gefangenen, wo er ein faustgroßes Loch hinterließ. Eine Wunde, so gewaltig, dass selbst der beste Heilmagier sie nicht wieder würde flicken können. Die Gefangene war augenblicklich in sich zusammengesackt und hing nun leblos und mit geschlossenen Augen in ihren Fesseln, während der Jäger wartete. Viele Kilometer entfernt, saß in der Spitze eines einsamen Turmes, ein Mann. Die Asche im Kamin war schon lange erkaltet und die niedrigen Temperaturen verursachten eine Gänsehaut, auf der vor Anstrengung blassen Haut. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und dennoch behielt er die Konzentration aufrecht. Er hatte magisch konzentrierte Essenzen hinausgeschickt, um für ihn auf die Jagd zu gehen, deshalb war es seiner Beute nicht gelungen sich vor ihm zu verbergen. Und aus genau demselben Grund, würde ein Trick ihrerseits nicht funktionieren können. Im schlimmsten Fall würde er ihre Spur wieder verlieren, doch das machte nichts. Es würde ihm schon gelingen, sie wieder neu aufzuspüren. Ganz leicht krampften sich die Finger des Zauberers stärker um die Sessellehnen, als die unter dem dunklen Umhang versteckte Essenz ihm endlich zeigte, dass dort im Wald etwas geschah. Das Leuchten, des auf dem Boden liegenden gefüllten Seelensteins wurde schwächer. Magie zeigte sichtbar, wie sich Schlieren daraus lösten und sich zu einer unförmigen hellen Wolke formten. Er ließ die Essenz näher treten, damit ihm auch ja nichts entging, als die Wolke auf seine tote Beute zu schwebte. Langsam begann sie ihre Form zu verändern und nahm dadurch mehr und mehr die Gestalt eines Menschen an. Diese so durchscheinende Gestalt sank schließlich nach vorne, hinab auf den toten Körper und legte sich auf diesen, hüllte ihn in durchscheinendes Licht. Kurz blickte der Jäger zu dem am Boden liegenden Seelenstein, welcher nun genauso stumpf und glanzlos war, wie das Gegenstück neben ihm.Als er dann wieder zu seiner Beute sah, beobachtete er, wie das herausgetretene Blut sich von selbst in den Körper seiner Besitzerin zurückzog. Neues Fleisch wuchs in der faustgroßen Wunde, verband sich mit Muskelsträngen und ließ frische Haut entstehen, die nun nur noch durch eine handflächengroße helle Narbe an die Verletzung erinnerte. Badumm Mit einem kräftigen Schlag nahm das Herz wieder seinen Dienst auf und Luft wurde erneut in die Lungen gesogen. Badumm Als der Zauberer begriff, dass der nächste Herzschlag nicht im Wald, sondern in seinem Turm geschah, war es bereits zu spät. Der Sessel kippte hinten über, sodass der Zauberer rücklinks zu Boden stürzte und mit dem Kopf hart auf dem Stein aufschlug. Der Aufprall sorgte dafür, dass er die Konzentration über seine Essenzen verlor, welche auf der Waldlichtung einfach verpufften und den dunklen Umhang, den sie getragen hatten, dadurch zu Boden fallen ließen. Die Sicht auf die Bäume verschwamm augenblicklich und stattdessen nahm der Turm wieder Konturen vor seinen Augen an sowie – zu seiner Überraschung –das Gesicht der Gefangenen, die nun auf ihm hockte und ihn würgte. /So nicht./, dachte er und wollte einen Zauber formen, um die Frau von sich zu stoßen, doch zu seiner Überraschung gelang es ihm nicht die Magie zu fokussieren. Ein Stich in seinem Arm ließ ihn den Blick wenden und vor Schreck hätte er nach Luft geschnappt, wenn seine Luftröhre nicht zugedrückt werden würde. Um sein Handgelenk, hinaufgeschlungen bis zum Ellenbogen, lag der Draht und seine Dornen bohrten sich schmerzhaft in das weiche Fleisch. Irritiert sah er die Frau wieder an, deren Hals frei von jeglicher Fessel war. Leicht konnte man noch die roten Striemen erkennen, wo der Draht sie gewürgt hatte, sowie die hellen Punkte, wo einst die Dornen gesessen hatten. Er hatte keine Ahnung, wie seine Beute sich hatte befreien können. Zwar vermutete er, dass sie seine Essenz genutzt hatte, um sich zu ihm zu teleportieren, dennoch hätte sie niemals die Magieunterdrückung überwinden können. Seine Atmung wurde zu einem Röcheln, hilflos schrammte er mit den Fingern über die ihn würgenden Hände, doch der stahlharte Griff ließ sich nicht lockern. Irgendwann, er wusste nicht wie lange es gedauert hatte, überfiel ihn Erleichterung. Seine Lungen waren wieder frei und der Schmerz verschwunden. Was das bedeutete begriff er erst, als er sich selbst über seinem Körper schweben sah. Tod Langsam stieg er höher und obwohl er Panik verspüren sollte, fühlte er sich auf merkwürdige Weise friedlich und befreit. Er beobachtete, wie seine einstige Beute von seiner Leiche stieg, wie sie die blutzerkratzten Arme begutachtete und dann… Dann stoppte seine Reise plötzlich knapp unterhalb der Turmdecke. Noch ehe er sich fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, spürte er einen kräftigen Sog, der ihn wieder nach unten riss, hin zu etwas, was im Gürtel der Frau steckte – ein leerer Seelenstein. /Nein!/, dachte er mit Schrecken und versuchte sich zu winden, sich dem Sog zu widersetzen, doch es gelang ihm nicht. Sein neues Gefängnis umschloss ihn, kerkerte seine Seele ein, die sich eingezwängt und unwohl anfühlte. Er schrie, verlangte darum herausgelassen zu werden und schwieg erst wieder, als die Frau seinen Seelenstein in die Hand nahm. Er konnte ihr Gesicht wie durch eine Wand aus Eis hindurch sehen und er erschauerte angesichts ihres entrückten Lächelns dahinter. Zärtlich strich die Gefangene über den Seelenstein. Eine weitere Stimme war zu den vielen anderen hinzugekommen, eine mächtige Stimme. Eine die es ihr ermöglicht hatte trotz Magieunterdrückung die Kräfte ihres Gegners für sich zu nutzen. „Ich glaub, ich schule euch noch die Antwort auf eure Frage.“, säuselte sie liebevoll, während sie den Kristall weiterhin liebkoste. „Dabei müsstet ihr mit ein bisschen Nachdenken selbst auf die Lösung kommen…Seelen hinterlassen Spuren am Körper, vor allem an denen, die sie mit ihrer Energie wieder ins Leben zurückholen. Ja, Seelen können so mächtig sein, dass sie Tote erwecken.“ Sie ließ den Stein sinken und blickte sich in dem Turm um, indem es weder eine Tür nach Draußen noch eine Treppe nach unten gab. Lediglich drei mit Buntglas verzierte Fenster. „So viele Seelen haben diesen Körper berührt und haben ihm ihr Wissen mitgegeben, ihre Macht…und ihr dachtet ernsthaft mich austricksen zu können?“ Sie lachte mit einer Spur von Wahnsinn, während sie das mannshohe Fenster öffnete und auf den Sims stieg. Wind peitschte um den Turm, blähte die zerrissene Bluse nach hinten, sodass der Oberkörper mit all seinen Narben frei lag und sich präsentierte wie eine mit Orden geschmückte Rüstung, Nach wie vor den Seelenstein in der Hand haltend, breitete die Frau die Arme aus, während ihre Augen furchtlos in die scheinbar endlose Tiefe blickten. „Ich…bin eine Göttin.“, raunte sie, dann kippte ihr Körper nach vorne, dem Abgrund entgegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)