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Wolf im Schnee

von

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Auf Leben und Tod

„Neinneinneinnein...!“ rief Stiles entsetzt aus, ging an der Seite seines vierbeinigen Freundes in die Knie und krallte hilflos die behandschuhten Finger in dessen Fell.

Es war einer dieser Momente, die sich unendlich auszudehnen schienen, während man selbst sich vorkam, als sei man gelähmt und handlungsunfähig. Stiles wusste, dass er etwas unternehmen musste; irgendetwas, doch sein Verstand verweigerte ihm ganz einfach seinen Dienst.
 

Er war hier draußen vollkommen allein.

Da war niemand, der ihm helfen konnte.

Er würde es sicher nicht schaffen!
 

Für einen Moment erschien Stiles die Weite weiter, die Kälte kälter und der Wind noch viel schneidender als für gewöhnlich.
 

Aber da hob der Wolf schwerfällig seinen Kopf und blickte dem Menschen geradewegs in die Augen.

Da war Schmerz.

Da war auch Angst.

Doch es lag noch etwas anderes im Blick des Tieres und es war genau das, was Stiles schließlich aus seiner Erstarrung riss. Es war Hoffnungslosigkeit! Dieser Ausdruck besagte `Mein Kampf ist vorüber und meine Reise endet hier´, aber das würde Stiles nicht zulassen, oh nein!
 

„Bleib bei mir!“ forderte er: „Wir schaffen das! Ich habe dich hier gegen jede Wahrscheinlichkeit gefunden und nun rette ich dich auch! Bleib einfach bei mir, ja mein Freund?“
 

Der Wolf gab ein müdes Seufzen von sich und ließ den Kopf auf die Vorderpfoten sinken. Der Mensch streichelte ihm sanft den Nacken, küsste die pelzige Stirn und flüsterte:

„Warte hier, mein Großer! Ich bin gleich wieder da! Ich habe eine Idee und ich rette dich, hörst du? Ich kann das!“
 

Der Biologe sprang auf und rannte hinüber zu seinem Schlitten, um diesen so nah wie möglich an das verletzte Tier heran zu steuern. Jetzt jedoch kam der eigentlich schwere Teil. Wie sollte er denn bloß dieses hundert Kilo schwere Geschöpf auf sein Fahrzeug wuchten?
 

Er schnappte sich eine Wolldecke vom Schlitten, breitete diese neben Miguel aus und wälzte den Wolf darauf. Dann griff der Wissenschaftler nach zwei Enden dieser Decke und zerrte seinen pelzigen Freund auf diese Weise mühsam durch den Schnee aus der Senke hinaus bis direkt vor das Gefährt. Dort hob er den Wolf an, indem er unter die Achseln der Vorderläufe griff und zerrte ihn nun hinten auf das Schneefahrzeug hinauf. Es ging quälend langsam und er kam lediglich zentimeterweise voran, doch aufgeben war eben einfach keine Option.

Der Wolf hatte ihm das Leben gerettet und Stiles würde sich nun revanchieren!
 

Als es endlich geschafft war, war Stiles vollkommen verschwitzt und atemlos, doch seine Arbeit war noch lange nicht vollbracht. Der Wolf blutete noch immer schwer und der Biologe musste herausfinden, wo die Verletzung genau lag um, weiteren Blutverlust zu verhindern.

Schließlich entdeckte Stiles eine Wunde unterhalb der Schulterblätter, welche sowohl von einer Stichwaffe, aber ebenso gut auch von einer Kugel stammen konnte. Er improvisierte mithilfe der Wolldecke zunächst einmal einen Druckverband und würde die Sache später genauer in Augenschein nehmen.
 

Der tapfere Wolf war noch immer bei Bewusstsein. Stiles legte ihm beruhigend die Hand auf den Kopf und flüsterte in sein Ohr:

„Jetzt bringe ich dich nachhause, Miguel! Ich werde dich schon in Ordnung bringen, abgemacht?“

Er startete den Schlitten und holte aus dem Motor heraus, was er konnte.
 

In der Forschungsstation angekommen holte Stiles als Erstes eine große Schubkarre, auf welche er den Wolf lud, um ihn damit ins Innere zu befördern. Dies war einmal mehr ein gewaltiger Kraftakt. Als es gelungen war, zitterten die Muskeln des Wissenschaftler, sein Atem ging keuchend und er wünschte von Herzen, er wäre besser in Form.
 

Er hatte das Tier in sein Labor geschoben, doch ihn auf einen der Untersuchungstische zu heben war ein aussichtsloses Unterfangen und so bereite er für Miguel ein Lager am Boden aus Kissen und Decken, auf welches er ihn dann vorsichtig gleiten ließ.
 

Nun endlich durfte Stiles seine warme und völlig blutverschmierte Thermokleidung ausziehen, unter welcher er bereits klatschnass geschwitzt war. Er trocknete sich selbst halbherzig mit einem Handtuch ab, schlüpfte in trockene Kleider und kehrte dann rasch zu seinem Wolf zurück. Er zog ein kombiniertes Schmerz- und Beruhigungsmittel auf eine Spritze, um den Stress des Tieres zu reduzieren, damit er es anschließend in aller Ruhe würde untersuchen und verarzten können, doch irgendwie musste der Wissenschaftler feststellen, dass beides leider nicht im Geringsten anzuschlagen schien; nicht einmal, als er die Dosis erhöhte.
 

Er musste dennoch etwas unternehmen, also versuchte Stiles dem Wolf durch Worte und Berührungen die Angst zu nehmen, ehe er den provisorischen Druckverband vorsichtige löste. Die Blutung war glücklicherweise mittlerweile beinahe zum Stillstand gekommen. Der Biologe hatte sich Untersuchungshandschuhe übergezogen, entfernte nun mittels Schere und Rasierer das Fell rund um die Wunde und erkannte jetzt, da er bessere Sicht hatte, dass nicht bloß Blut aus der Verletzung hervorgequollen war, sondern mit ihm auch eine unbekannte grün-bläuliche Substanz, welche aussah, als sei sie pflanzlichen Ursprungs- zweifelsohne ein Gift!

Als ob diese ganze Angelegenheit nicht ohnehin schon schlimm genug war, dachte er verzweifelt.
 

Nachdem Stiles die Wunde genauer untersucht hatte war ihm klar, dass sie von einer Kugel stammen musste.

Und diese Kugel steckte noch immer im Fleisch des Tieres!

Doch das war noch nicht alles, denn ganz offensichtlich war das Rückenmark des Wolfes verletzt. Der Biologe hatte beobachtet, dass Miguel zwar Kopf und Vorderläufe bewegen konnte, die Hinterpfoten jedoch ganz still dalagen.

Sein vierbeiniger Freund würde vermutlich nie wieder richtig laufen können!
 

Doch darüber durfte Stiles jetzt einfach nicht nachdenken! Jetzt ging es erst einmal darum, die Kugel zu entfernen, dafür zu sorgen, dass das Gift sich nicht weiter im Körper ausbreiten konnte und letztlich darum, Miguels Leben zu retten.
 

Der Wissenschaftler sorgte darum als Erstes für bestmögliche Beleuchtung indem er einige Lampen entsprechend arrangierte. Dann verabreichte er dem Wolf ein Narkosemittel, welches natürlich ebenso wenig anschlug, wie die Spritze zuvor. Warum sollte es auch EINMAL einfach sein?

Es war einfach wie verhext, dachte Stiles zornig!
 

Um die Kugel herauszubekommen, war es natürlich notwendig, dass der Wolf stillhielt, doch das würde er mit Sicherheit nicht tun, wenn die Prozedur Schmerzen bereite.

Weil Stiles nicht wusste, was er sonst tun sollte, flüsterte er dem Tier ins Ohr:

„Ich bin dein Freund, verstehst du? Was ich nun tun muss, wird dir wehtun, aber es geht leider nicht anders, sonst stirbst du. Bitte, bitte, bitte vertrau´ mir!“

Der Mensch war sich trotz seines aufgewühlten Gemütszustandes halbwegs bewusst, dass es völlig gleichgültig war, was er zu dem Wolf sagte und wie sehr er ihn anflehte, denn dieser würde ihn nicht verstehen und letztlich würde er seinen Instinkten folgen und nach Stiles schnappen oder ganz einfach versuchen, von ihm wegzukommen, sobald er anfing, ihn zu operieren.
 

Da hob der Wolf unvermittelt den Kopf, blickte den Menschen gequält an und dann folgte so etwas wie ein Nicken.

Das musste ein seltsamer Zufall sein, sagte sich Stiles und er murmelte:

„Alles wäre so viel leichter, wenn du meine Worte wirklich begreifen könntest, mein Großer!“

Dann nahm er all´ seinen Mut zusammen und machte sich ans Werk, denn er hatte nun einmal keine anderen Optionen.
 

Und Miguel ließ ihn unfassbarerweise gewähren. Er hielt ganz still und fiepte und winselte lediglich gelegentlich leise.

Es musste sein Tonfall gewesen sein, sagte sich der Wissenschaftler verblüfft. Er musste dem Tier vermittelt haben, dass er es gut mit ihm meinte und so flüsterte er ihm weiterhin beruhigende, liebevolle Worte zu, sagte ihm, wie großartig und tapfer er war, wie wunderschön und besonders und wie lieb er ihn hätte.

Zum Glück beobachtete ihn niemand dabei, denn egal wer, JEDER würde ihn mit Sicherheit für verrückt erklären.
 

Andererseits wäre es fantastisch, wenn jetzt jemand hier wäre, der ihm assistieren könnte, denn zwei Hände waren einfach nicht genug, um die Wunde mittels eines Spreizers offen zu halten, während er, durch ein an der Stirn befestigtes Vergrößerungsglas schauend mit einer langen, sterilen Pinzette versuchte, ein Projektil aus dem Fleisch zu ziehen, welches er kaum erkennen konnte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er die Kugel so gut im Griff, dass er vorsichtig damit beginnen konnte, sie hinauszuziehen.
 

Der Wolf knurrte leise und sein Körper war gespannt vor Schmerz, doch unfassbarer Weise hielt er beinahe vollkommen still und ließ den Menschen sein Werk vollenden.

Zweimal verlor Stiles die Kugel aus dem Griff seiner Pinzette und musste von Neuem ansetzen, doch dann hatte er es endlich geschafft und das Geschoss war draußen. Als er es sich näher betrachtete, stellte er fest, dass darauf irgendein Symbol eingraviert war. Beinahe so, als würden diese Mörder ihr unmenschliches Werk signieren.

Stiles schüttelte sich angewidert.
 

Dem Biologen fiel auf, dass sein Wolf schwächer zu werden schien. Es musste dieses Gift sein!

Stiles versuchte sein Bestes, die Wunde davon zu reinigen doch letztlich war ihm klar, dass er die Verletzung verschließen musste, damit kein weiteres Gift in den Organismus des Tieres eindringen konnte.

Und um dies zu erreichen, kam ihm nur eine furchtbare Möglichkeit in den Sinn.
 

Wenn Scott jetzt hier wäre, würde er ihm vermutlich allein dafür einen Schlag ins Genick verpassen, dass ihm überhaupt der Gedanke an diese barbarische Wildwestmethode kam, doch Scott WAR nicht hier! Niemand war hier und Stiles war vollkommen auf sich allein gestellt:

„Ich bin leider noch nicht ganz fertig und ich muss dir noch einmal sehr, sehr wehtun, Miguel! Es tut mir unglaublich leid!“ flüstere der Biologe, küsste dem tapferen Wolf mehrfach die Stirn und erhob sich dann, um den Bunsenbrenner an seinem Arbeitsplatz anzustellen. Er suchte und fand ein passendes Arbeitsinstrument; einen dünnen Stab aus Stahl und begann dann damit ihn zu erhitzen, bis dieser rot glühte.
 

Der Wolf beobachtete Stiles ängstlich, beinahe als wisse er bereits, was ihm nun bevorstand.
 

Auf Stiles Gesicht mischten sich Tränen und Angstschweiß, als er mit zitternden Fingern den Stab ansetzte:

„Bitte verzeih´ mir Miguel!“ flüsterte er, fasste Mut und dann brannte er die Wunde aus.
 

Der Wolf heulte einmal laut auf, ehe er leblos in sich zusammensackte.
 

Stiles starrte auf das Tier hinab. Hatte er ihn etwa am Ende nun doch noch umgebracht?

Das durfte einfach nicht wahr sein!

Panisch suchte er am Hals des Wolfes nach einem Puls und fand ihn nicht. Er zitterte am ganzen Körper und starrte auf den großen, regungslosen, pelzigen Leib hinab.
 

Dann zwang der Wissenschaftler sich selbst zur Ordnung.

Durchatmen!

Ruhig werden!

Neuer Versuch!
 

Seine Finger suchten sich einen Weg durch das dichte Fell bis hin zur Halsschlagader des Tieres und da war ein Puls!

Er ging schwach, doch der Wolf lebte!

Der Scherz hatte ihn lediglich das Bewusstsein verlieren lassen.
 

Schluchzend schlang der Mensch die Arme um den Hals des Tieres und murmelte immer wieder:

„Danke, danke, danke...“
 

Stiles schaffte es nun gerade noch, dem Wolf einen frischen Verband anzulegen und wollte dann einfach nur noch schlafen, denn er war unglaublich erschöpft.

Er begab sich auf den Weg zu seinem Bett, als ihm klar wurde, dass er kein Auge würde zumachen würde, wenn er nicht genau wüsste, dass es Miguel gut ginge. Und so holte er lediglich seine Decke und sein Kissen und kehrte ins Labor zurück, wo er behutsam an den Körper des verwundeten Wolfes heran robbte, ihm einen Arm um den Hals legte, sein Gesicht in das dichte schwarze Fell vergrub und endlich einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  CharlieBlade1901
2018-01-06T00:05:57+00:00 06.01.2018 01:05
Charlie: „Wenn ich diesen verfickten bastard erwische, der auf meinen Wolf geschossen hat, Reis ich ihm beide Arme aus.“
Stiles: „Dein Wolf?“
Charlie: „Ja mein Wolf. Meiner ganz allein.“
Stiles: „...“
Derek: „Sieh mich nicht so an. Das ist allein seine Aussage.“
Stiles: „Aber du sagst nichts dagegen.“
Charlie: „Er weiß, dass ich recht habe.“
Derek: „Nein nur, dass du ziemlich stur bist, auf dein Recht baust bis der andere nachgibt.“
Charlie: „Angeborenes Talent. Was glaubst du mit welchen Mitteln ich erst flottenadmiral von Whitebeard geworden bin.“
Derek: „siehst du?“
Stiles: „Kein Kommentar.“
Charlie: „Braver Junge.“
Antwort von:  GingerSnaps
06.01.2018 08:47
Sorry, Charlie! Dieser Wolf ist bereits mit Haut und Haaren und Herz und Seele anderweitig vergeben. :-)
Antwort von:  CharlieBlade1901
06.01.2018 14:19
Dafür gibt es keinen Beweis. 😏
Antwort von:  GingerSnaps
06.01.2018 15:55
Meine Story, meine Welt! Sorry! ;-)
Von:  Zebran20121
2018-01-05T12:58:41+00:00 05.01.2018 13:58
Das war wohl ziemlich knapp, ein Wunder dass er ihn überhaupt hochgekriegt hat. Und dafür dass er sowas sicher nie gemacht hat war dass ziemlich gut. dass mit der Wunder ausbrennen ist natürlich eine sehr alte Methode, aber in solch einer Situation die beste Möglichkeit eine wunde zu desinfizieren und zu verschließen. Wer wettet mit mir dass am nächsten Morgen kein Wolf sondern ein Mensch an Stiles gekuschelt liegen wird?.

LG Zebran
Antwort von:  GingerSnaps
05.01.2018 14:24
Wette lieber nicht mit mir! Ich lenke die Geschicke, schon vergessen? ;-) Aber die Idee ist hübsch!
Das Wundenausbrennen habe ich aus der Serie entliehen. Ich dachte mir, wenn ich es einfach so mit Wolfswurzvergiftung heilen lasse, müsste der Wolf entweder sterben, oder man könnte mir vorwerfen, ich halte mich nicht ans Original. Schauen wir mal, wie es nun weitergeht.
Liebe Grüße,
Ginger
Antwort von:  Zebran20121
05.01.2018 14:34
Verdammt! Unfairer Vorteil! Ach was ich vergaß: wieso sollte mann seine Kugeln Gravieren? ist doch sinnlose mühe und arbeit.
Antwort von:  GingerSnaps
05.01.2018 14:36
Das habe ich auch aus der Serie. Und wenn du da gut aufgepasst hast, dann weißt du auch schon, wer diese "Wilderer" sind. :-)


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