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Wolf im Schnee

von

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Hangover

`Fuuuck!´ schoss es Stiles am nächsten Morgen als erstes und ungefiltert durch den Kopf, als er im Erwachen realisierte, in welcher Lage er sich gerade befand.
 

Sein Kopf lag auf der Brust von Danny.

Auf der NACKTEN Brust von Danny!

Und auch Stiles selbst hatte sein T-Shirt nicht mehr an!

Anstatt dessen waren er und der andere Mann bis oben hin in Wolldecken eingewickelt.
 

Was zur Hölle war denn hier passiert?
 

Stiles langte vorsichtig nach unten, um Danny nicht zu wecken und stellte dann erleichtert fest, dass sie wenigstens beide noch Hosen trugen.

Gott sei Dank!
 

Als der Biologe nun versuchte, vorsichtig aufzustehen, geschahen zeitgleich zwei Dinge; erstens wachte nun auch Danny auf und zweitens brach sowohl in Stiles Kopf als auch in seinem Magen ein unglaubliches Inferno los. Er humpelte los und schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette.
 

Danny war ihm gefolgt und erkundigte sich:

„Und? Geht´s wieder, Kumpel?“
 

Der Naturbursche mit Modelqualitäten sah dabei natürlich aus, wie aus dem Ei gepellt, während Stiles selbst sich fühlte, wie von einem großen Tier erst tüchtig durchgekaut und am Ende dann doch wieder im hohen Bogen ausgespuckt:

„Mir geht’s spitze!“ behauptete der Biologe und umarmte die Kloschüssel wie einen guten Freund.
 

Danny lachte:

„Ich werde dir einen starken Kaffee machen. Hast du irgendwo Aspirin?“
 

Stiles nickte und beschrieb seinem Gast, wo er alles fand, bevor er seinen Mageninhalt ein weiteres Mal im Strahl in die Keramik kübelte.
 

„Ich hoffe, dass hier ist kein Kommentar zu dem, was gestern zwischen uns vorgefallen ist!“ erkundigte sich Danny und hielt Stiles zwei Schmerztabletten und ein Glas Wasser entgegen.
 

Stiles nahm die Tabletten, betätigte die Klospülung und rappelte sich mühsam hoch:

„Eigentlich ist es meine Antwort auf viel zu viel Wodka.“ erwiderte er Stiles, wusch sich das Gesicht und spülte seinen Mund gründlich aus:

„Aber wo du es schon ansprichst... was ist denn eigentlich ganz genau passiert?“
 

„Du erinnerst dich nicht mehr?“ wollte Danny wissen.
 

Stiles dachte eine Weile nach und erwiderte dann errötend:

„Also, ich erinnere mich noch daran, dass ich dir etwas von meiner Ehe vorgeheult habe, die ich vor die Wand gefahren habe und auch daran, dass wir uns dann irgendwie geküsst haben.“
 

„Na siehst du! Dann weißt du doch noch alles!“ erwiderte Danny schulterzuckend.
 

Stiles versuchte mithilfe eines Kamms und ein wenig Wasser seine wirren Haare zu so etwas Ähnlichem wie einer Frisur zu formen und fragte schüchtern:

„Das heißt, wir haben nicht... du weißt schon?“
 

Danny kicherte vergnügt:

„Fragst du mich gerade, ob wir gevögelt haben? Nein, Stiles! Haben wir nicht! Du kannst ganz entspannt sein. Wir haben bloß ein bisschen geknutscht, das war alles. Du kannst also immer noch behaupten, dass du ein aufrechter Hetero bist, dessen Lippen sich im Suff ein klein wenig verirrt haben.“
 

Stiles blinzelte seinen Gast skeptisch an und wollte dann wissen:

„Aber warum sind wir obenrum nackt?“
 

Dannys Grinsen wurde breiter:

„Du wolltest Bauchmuskeln vergleichen. Hast behauptet, deine wären besser als meine.“
 

Unwillkürlich schlang Stiles seine Arme um seinen mageren Oberkörper:

„Das habe ich behauptet?“ fragte er verlegen: „Dann war ich wohl wirklich ziemlich betrunken.“
 

„Warst du!“ bestätigte der Angesprochene gutmütig:
 

„Mir tut das alles wahnsinnig leid! Was musst du von mir denken?“ fragte Stiles unglücklich und zog sich obenherum rasch wieder etwas über.
 

Danny klopfte ihm auf die Schulter und versicherte:

„Zwischen uns beiden ist alles in bester Ordnung! Ich finde, du bist echt ein netter Kerl und die Liebe kann einen nun einmal beuteln. Und manchmal hilft da eben bloß noch Wodka! Das mit deiner Ehe scheint wirklich übel gewesen zu sein. Genau das ist auch der Grund, warum ich Single bleiben will. Eigentlich ist es sogar die Ursache dafür, dass es mich hierher nach Alaska verschlagen hat, aber das ist eine Geschichte, die ich dir heute nicht erzählen werde, sondern höchstens dann, wenn wir Zwei mal wieder viel zu betrunken sind. Ich will damit bloß sagen, ich verstehe dich, Stiles! Und übrigens: Für jemanden, der in seinem bisherigen Leben erst eine einzige Person geküsst hat, bist du eigentlich ganz gut!“

Stiles brach stöhnend in einem Stuhl zusammen und verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen und so fügte Danny hinzu:

„Ich kann auf der Stelle hier verschwinden, wenn du dich damit besser fühlst? Ich würde mich nur gern rasch noch ein bisschen frisch machen, wenn das in Ordnung ist?“
 

„Ach Quatsch! Bitte bleib, solange du willst!“ erwiderte Stiles schnell: „Es gibt keinen Grund zur Eile! Ich schäme mich doch bloß. Aber du bekommst erst einmal ein vernünftiges Frühstück von mir.“
 

„Du hast wirklich keinen Grund, dich zu schämen!“ bekräftigte Danny noch einmal: „Lass´ uns diese ganze Sache einfach vergessen. Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ehrlich“
 

Stiles nickte unsicher:

„Einverstanden! Und was willst du zum Frühstück, Danny. Ich hätte Lust auf Eier, Speck, Bohnen und Toast, auch wenn ich nicht sicher bin, was mein Magen dazu sagt.“
 

„Klingt großartig! Und ich wette, dass es dir guttun wird!“ erwiderte sein Gast und verschwand dann im Bad, während Stiles in der Küche werkelte.
 

Es funktionierte tatsächlich; die beiden Männer saßen eine Weile später am Esstisch, lachten und redeten, wie alte Freunde, ihre betrunkene Knutscherei der vergangenen Nacht spielte keine Rolle mehr und Stiles war überrascht, wie gut sein Magen das schwere, fettige Frühstück vertrug. Die Mahlzeit wirkte beinahe wie ein Lebenselixier für Körper und Seele.

Und überdies schmeckte es in netter Gesellschaft einfach auch viel besser.
 

Stiles wurde klar, dass er ein wenig einsam war.
 

Das Wetter hatte sich beruhigt und so machte Danny sich nach der Mahlzeit zum Aufbruch bereit. Er ließ Stiles seine Telefonnummer da, falls dieser einfach mal quatschen wollte, nahm die Einkaufsliste für das nächste Mal an sich, versprach in etwa zwei Wochen wieder da zu sein und nahm Stiles das Versprechen ab, gut auf sich aufzupassen. Dann fegte er den Neuschnee von seinem Schlitten und brauste los.
 

Stiles winkte und blickte Danny hinterher, bis dieser am Horizont verschwunden war und hatte dabei ein eigenartiges Gefühl im Bauch.
 

Wieder allein!
 

Gerade, als er ins Haus zurückkehren wollte, vernahm er von dessen Rückseite ein eigenartiges, schabendes, kratzendes Geräusch. Vorsichtig schlich der Biologe um das Gebäude herum, um nachzusehen. Wie viele Häuser in Alaska war auch die Forschungsstation auf Pfählen einige Zentimeter über dem Boden errichtet, als Schutz gegen die Kälte und das Schmelzwasser im Frühjahr. Und Stiles kam gerade rechtzeitig dazu, um zu erkennen, wie sein großer, schwarzer Lebensretter mit dem Hintern voran und wenig elegant unter dem Gebäude hervorgekrochen kam, unter welches er sich ganz offensichtlich von Stiles unbemerkt eine Schlafhöhle gegraben hatte:
 

„Hey, Miguel! Da bist du ja!“ begrüßte der Mensch ihn freudig.
 

Daraufhin drehte der Wolf sich nach ihm um und nahm ihn mit seinen grünen Augen genauestens ins Visiser, gab bloß ein verächtlich klingendes Schnauben von sich, wandte sich um und schritt dann mit würdevollen Schritten davon.
 

„Was ist denn mit dir los?“ fragte Stiles hinter ihm her: „Magst du mich nicht mehr? Ich dachte, wir wären Freunde? Jetzt warte doch mal!“

Er stolperte durch den hohen Schnee hinter dem Tier her, welches daraufhin sein Tempo beschleunigte und schon bald mit eleganten Sprüngen in einem nahegelegenen Wäldchen verschwunden war:
 

„Dann eben nicht, du blöder Köter!“ rief der Biologe ihm ein wenig gekränkt hinterher und kehrte ins warme, gemütliche Haus zurück, um seinen Fuß hochzulegen, welchem die kleine, morgendliche Wolfsjagd nicht allzu gut getan hatte.
 

Angesichts seines schmerzenden Fußes und seines immer noch spürbaren Katers beschloss Stiles, sich selbst heute einmal komplett freizugeben. Und so brachte er den halben Tag vor dem Fernseher zu, verleibte sich die Schokolade ein, welche Danny gestern geliefert hatte und fühlte sich wie damals als Teenager, an einem faulen, gemütlichen Sonntag.

Zwischendurch bereitete Stiles sich ein schnelles Mittagessen, sang dazu in bester Katy-Perry-Marnier `I kissed a boy and I liked it...´ und hörte in seinem Geiste die Stimme von Scott, die ihm mitteilte: „Bro, du bist SOO PEINLICH!“

Am Nachmittag betrat Stiles den Kraftraum, um zum ersten Mal seit seiner Ankunft ernsthaft darin zu trainieren. Der Anblick von Dannys Waschbrettbauch hatte ihn irgendwie angespornt, auch mal ein bisschen mehr für sich zu tun.

Abends ging Stiles dann früh zu Bett, mit dem festen Vorsatz, dass ab morgen Schluss wäre mit dem Lotterleben!

Dann würde hier endlich mal wieder richtig gearbeitet werden!
 

Und so geschah es dann auch. Der Bluterguss am Fuß des Wissenschaftlers hatte die Farbe gewechselt von einem beinahe schwarzen violett als die Verletzung noch ganz frisch war, über ein schimmeliges grün, bis hin zu einem vielversprechend-blassen, fleckigen gelb-braun am heutigen Morgen. Stiles stand aus dem Bett auf und stellte erfreut fest, dass er beim Laufen kaum noch Ähnlichkeit hatte mit dem Glöckner von Notre Dame, welcher Esmeralda den Glockenturm hinauf zu jagen versuchte. Das Wetter war ebenfalls gut und so gab es wirklich keine Ausrede für ihn, nicht hinauszufahren und da draußen seine Arbeit zu verrichten, für die er die weite Reise auf sich genommen hatte.
 

Die nächsten Tage verliefen relativ ereignislos. Der Biologe startete morgens zu seinen Expeditionen und hatte mittlerweile eine recht genaue Vorstellung von den Reviergrenzen der verschiedenen Rudel in der Gegend; kannte ihre Jagdgebiete und ihre Rastplätze und wie es schien, hatten sich die Tiere mittlerweile an den neugierigen menschlichen Spion in ihrer Nähe gewöhnt, denn sie beachteten in überhaupt nicht mehr.

Stiles hatte inzwischen noch ein paar weitere Kameras aufgestellt und wertete in den Abendstunden das Bildmaterial aus, oder schrieb seine Berichte, um diese dann an seine Kollegen in der Universität zu verschicken.
 

Den schwarzen Wolf hatte Stiles allerdings überhaupt nicht mehr gesehen. Der Wissenschaftler checkte sogar mehrmals täglich die Schlafhöhle unter seinem Haus, doch Miguel blieb bedauerlicherweise verschwunden.
 

Und Stiles vermisste ihn.

Er vermisste ihn sogar mehr, als er selbst für gesund und angemessen hielt.
 

Des nachts vernahm er zwar immer wieder Wolfsrufe, doch irgendwie wusste er genau, dass `sein´ Wolf nicht unter ihnen war und so nahm er an, dass dieser sich wohl irgendwo ein neues Revier anderswo gesucht haben musste. Vielleicht hatte er ja sogar eine Gefährtin gefunden, mit der er im Frühjahr eine Familie gründen würde?

Stiles wünschte es ihm!
 

Die Wirklichkeit sah jedoch leider völlig anders aus, wie der Biologe an diesem Vormittag feststellen musste. Er war einmal mehr draußen in der Wildnis unterwegs und hatte grrade den Schlitten angehalten, um ein paar Proben einzusammeln, als er plötzlich ein leises Seufzen und Jaulen vernahm.

Er griff also nach seinem Betäubungsgewehr und machte sich auf die Suche nach der Ursache. In einer verschneiten Senke wurde er schließlich fündig, denn dort lag Miguel und versuchte verzweifelt und kraftlos, sich zu erheben.
 

Stiles dachte natürlich sofort an einer der Tierfallen, doch da war nichts.
 

Dann erst erblickte er das viele Blut, welches den Schnee um das Tier herum rot färbte.



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