The whole Story von Melora (Fairytale gone bad) ================================================================================ Kapitel 2: Love runs out ------------------------ Sie hielt sich den Kopf und versuchte die Erinnerung zu verdrängen. Nie mehr wollte sie daran denken, aber dieser Kerl tauchte immer wieder in ihrem Leben auf – meistens dann wenn sie nicht mehr mit ihm rechnete… Sharon seufzte einmal. Was für eine grausige Nacht. Es hatte geregnet, nein gestürmt wie heute. Als sie dem Kerl eins übergezogen hatte. Sie könnte schwören, dass er bittere Rache schwor, weil sie es wagte… Sie hatte ihn am Kopf getroffen und der Scheißkerl war augenblicklich von ihr runtergerutscht und zu Boden gegangen, wo er liegen blieb… Ob er noch lebte, hatte sie zu dem Zeitpunkt recht wenig gekümmert, als sie mit ihrer blutenden Verletzung aus dem Raum getürmt und im Flur dem Hausmädchen in die Arme gelaufen war, die sie noch versucht  hatte zu beruhigen. In Trance hatte sie nur gehört >hab die Polizei gerufen<… Dann diese Lächerlichkeit, mit der er einfach so zurück in ihr Leben getreten war. Nach einem heftigen Streit ihrer Eltern, in dem ihr Vater, die Mutter rund machte, weil ihre hochmütige Tochter seinen Klienten so behandelt hatte. Sie wisse doch, dass DIE wichtig waren. Man musste ein bisschen respektvoller mit seiner Kundschaft sein. Nicht zu fassen. Da stellte er seine Geschäfte an erste Stelle und interessierte sich einen Dreck dafür, was dieser Kerl sich in diesem Haus erlaubt hatte, nur weil er ihn schon seit 20 Jahren kannte. Dem Typen war jedes Mittel recht, um sich in die Familie einzuschleichen, da nahm er ja sogar ihre jüngere Cousine, die ihm auch noch total verfallen war und SIE als Lügnerin hinstellte. Yohko wollte nicht glauben, dass dieser Mann sich Sharon auf ungebührliche Weise genähert hatte – nein, das hatte sie sich natürlich alles eingebildet. Die Stichverletzung auch – nicht wahr? Am Ende sagte sie ihr noch, dass sie sich selbst verletzt haben musste, nur weil sie die Wahrheit nicht verkraftete. Aber es gab eine einzige Person in diesem Haus, welche ihr Glauben geschenkt hatte. SIE, die den Jungen gerade ins Bett brachte und dann wenig später zurück zu der Jüngeren kam, die leicht mitgenommen aussah. „What are you thinking about, my dear?“ fragte sie, dabei zuckte die 26-jährige kaum merklich, doch entging Joanne dies nicht. Ihr Blick richtete sich auf die 42-jährige Ärztin, die ernstlich besorgt wirkte. „I wonder if it was HIM!  I know no one else who could want to do such a thing. Maybe I just give this person too much attention that he doesn’t deserve.” Aber die Beiden waren definitive Rivalen. Ihre dumme Cousine war schuld, weil sie den Kerl so etwas wie vergötterte, seit sie mit ihm geschlafen hatte, war ihr Gehirn benebelt. „Your daughter is stupid, to believe in him… ~HIM~“, sie blickte zu dem im Bett liegenden Mann, „she married him in despair after the other left her alone with her child. Even she reassures, it had been a love-marriage…“ Sie wollte diesen Gedanken nicht weiterhegen. „Why he should come here and beg for our help? That man is dangerous; he is the devil, which lives on earth.” Man hörte das Bekümmerte, aber auch beängstigende Sorge aus der Stimme der Jüngeren. „It’s useless to presume about it, as long as he doesn’t wake up. I am a little scared to know, what he will tell me about…” „Oh, my daughter can be very crazy sometimes. Falling in love with the wrong man, and even a pregnancy. She still swears, he is a good one.” Joanne setzte sich neben die junge Frau und legte ihr zunächst nur die Hand auf die Schulter. „He’s not stupid; Kenichi knows well, that his wife is telling him lies. Maybe that’s the reason, he came here. And he didn’t beg for our help, he wanted yours. Who know’s what happened? But soon, we will know. You look tired, you should go to bed. I will care for him the night, don’t worry.“ Er war ihr Schwiegersohn, sie wünschte, ihre Tochter würde ihn ein bisschen besser behandeln und endlich einsehen, dass er der Bessere von den Beiden war. Aber sie war grenzenlos stur und unbelehrbar. Weder auf Sharon wollte sie hören, noch auf die eigene Mutter. Sie machte grundsätzlich ihr eigenes Ding.  Sie war ihrem Vater auf groteske Weise ähnlich… Joanne wusste, dass ihr Ex-Mann schwierig war, aber sie hatte die Hoffnung bei ihm noch nicht aufgegeben. Womöglich waren sie zu gutmütig. Justine hatte ja auch bis zuletzt um ihre Ehe gekämpft, obwohl ihr Mann lieber seinen Geschäften nachgegangen war, als sich um seine Familie zu scheren… Dabei hatte er nur diese eine Tochter, wo man sich ernsthaft fragen musste, wie egal sie ihm sein musste, wenn er seinen Freund beschützte, anstelle von seiner Tochter, die damals wirklich einen Knacks abbekommen hatte, als der Kerl sie angefallen hatte. Jede Frau mit ein bisschen Gefühl würde es ihr ansehen… „You are maybe right“, sagte Sharon mit einem leichten Lächeln, was aber nur die Zerrissenheit vertuschte, die sie beim Gedanken an den Kerl empfand. Sie wollte unter keinen Umständen in Panik verfallen. Wenn sie herausbekam, dass er DAS HIER verantwortete, konnte der sich aber warm anziehen. Die Verletzung war nicht sonderlich schwer, es ging schlimmer, aber allein dass er vielleicht dafür gesorgt haben könnte… Dieser Kerl, er sollte sich gefälligst von ihrer Familie fernhalten. Denn sie war wirklich heilfroh, dass Yohko jetzt vernünftig war und sich einen anständigen Kerl gesucht hatte, um diesem Typ keine Träne nachzuweinen. Aber das alles war mehr schein als sein, das machte sie fast irre. Die Befürchtung, dass er Yohko zurückwollen könnte…   Joanne blieb, und sie blieb die ganze Nacht bei ihm. Sie wollte ihn im Auge behalten und unter keinen Umständen, dass er alleine war. Dann kam er noch auf die Idee, einfach so vom Bett aufzustehen. Die meisten Männer waren ja grundsätzlich Memmen, aber er war keine. Mit einer Decke hatte sie vor dem Bett gesessen und war irgendwann doch vor Erschöpfung eingeschlafen. Kurz nach Tagesanbruch hatte sich der schreckliche Sturm verzogen. Ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen kämpften sich durchs Fenster und ein kleines Keuchen durchbrach die Stille. Joanne war eingenickt, hörte also das Stöhnen und schrak auf. Beim Blick auf ihn bemerkte sie die kleinen Bewegungen und rückte näher an ihn heran. „Kenichi, kannst du mich hören?“ sprach sie ihn an und er blinzelte, dabei wirkte er, als könne er kaum die Augen offenhalten. „Joanne – was machst du hier? Wo ist Sharon?“ Das erste was ihm einfiel, war sie, so ganz nachvollziehen konnte sie das nicht und würde sie sich nun darüber den Kopf zerbrechen, würde sie nur Kopfschmerzen bekommen. Einfacher war, sie zu fragen. „In ihrem Bett!“ antwortete sie mit einem Lächeln. „Willst du mir nicht erzählen, was vorgefallen ist?“ Immerhin war er ihr Schwiegersohn, da erwartete sie schon etwas Vertrauen. „Nein! Ich will, dass du sie holst…“ Wäre sie ihre Tochter, würde sie nun wohl austicken. Dieses Kind würde sofort wieder irgendwelche Hypothesen aufstellen, was zwischen ihrer Cousine und ihrem Mann lief – so weit hergeholt war es bestimmt nicht. Wieso sonst sollte er spät abends mit Verletzung hier aufschlagen und einzig und alleine sie sprechen wollen? „Weiß Yohko davon?“ fragte Joanne skeptisch und bemerkte sofort das Erschrockene im Gesicht des 28-jährigen, der ihrem Blick sofort auszuweichen versuchte, als hätte er etwas zu verbergen. „Findest du nicht, dass es deine Frau etwas angeht?“ „Interessiert sie nicht“, kam knapp und er schloss die Augen, dabei keuchte er zweimal und versuchte offensichtlich sich zu beruhigen. Etwas schien ihn sehr aufzuwühlen. „Was hat meine Tochter wieder angestellt?“ wollte die Blondine von ihrem Schwiegersohn wissen, aber dieser schwieg. „Ich weiß, sie ist nicht immer einfach und-“ „Ich will nicht von ihr reden!“ Irgendetwas war also vorgefallen, aber er blockte total ab und sie musste sich dem fügen, schließlich konnte sie den Mann ihrer Tochter nicht zum reden zwingen. Außerdem war sie sicher, wenn er tatsächlich mit IHR reden wollte, dann würde sie schon erfahren, was passiert war. Das Kind erzählte ihr doch im Grunde alles – sie, der einzigen Person, der sie wohl noch vertraute, oder? „Wenn ich sie wachkriege, schicke ich sie zu dir“, sagte Joanne, während sie aufstand, „versuche doch noch etwas zu schlafen! Es ist kurz nach fünf.“ Mit den Worten war sie aus dem Raum verschwunden und hatte sich auf dem Weg zu ihrer Nichte gemacht, die noch im tiefsten Traumland lag. Es war nicht das erste Mal, dass sie die junge Frau weckte, obwohl sie in der Lage gewesen wäre, das ganz allein zu regeln. Sie fühlte sich schuldig, weil sie nicht schon viel früher eingeschritten war – jedes Mal, wenn ihre Schwester am Telefon geheult  hatte, um sich über ihren Mann aufzuregen…   Einen zufriedenen Schlaf konnte man es nicht nennen, denn die Jüngere wälzte sich im Bett und murmelte irgendwelche Sachen, wobei sie die Bettdecke fest umklammert hielt… „Sharon…“ Allein das Sagen ihres Namens reichte aus, damit sie die Augen aufriss. Tiefschlaf war das nun wirklich keiner. „Na, bist du wach?“ Die junge Blondine erhob sich schnell von ihrem Bett und starrte Joanne fragend an. „Was machst du hier? Ist es schon so spät?“ Es war kaum hell, was sie durchaus mitbekam. „Ist er wach?“ „Ja, er ist wach und will nicht mit mir reden!“ Man hörte die 42-jährige tief seufzen. „So ein sturer Mann…“ Sharon schwang die Beine aus dem Bett und streckte sich kurz. „Vergib ihm! Ich red mit ihm!“ Sie zog sich einen Morgenmantel über, denn ihre spärliche Bekleidung würde sie noch frösteln lassen. Joanne beobachtete die junge Frau, wie sie übereilt zum Mann ihrer Tochter rannte… Wirklich gefallen tat ihr nicht, was sich hier vor ihren Augen abspielte. Sie hoffte wirklich für beide, dass sie sich das nur einbildete… Dass sie gute Freunde waren und deshalb… Aber bei dem, was ihre Tochter immer mit diesem Mann machte, glaubte sie nicht daran. Sogar Joanne schämte sich für ihre Jüngste, wie sie sich benahm. Sie hatte ihr diese merkwürdigen Verhaltensweisen nicht beigebracht. Da kam man sich vor, als hätte man als Mutter komplett versagt. Sie wusste irgendwie, dass die beiden jetzt nicht ihre Gesellschaft wollten, außerdem wollte Joanne nur zu gerne erfahren, was gestern Nacht passiert war. Da war sie so vernünftig, nicht zu stören.   Kenichi war in der Tat noch einmal eingeschlafen, so dass die Blondine zwar ins Zimmer kam, jedoch keinen Laut von sich gab, um ihn nicht aufzuwecken. Aber sie ging auch nicht gleich wieder weg. Mittlerweile tagte es und sie beobachtete ihn, der flach atmete und wahrscheinlich auch noch Schmerzen hatte. Als er dann nach einer halben Stunde wieder die Augen aufschlug und sie erblickte, sah man sofort sichtliche Erleichterung. „Du bist hier…“ „Ja, bin ich. Wie fühlst du dich?“ Sharon fiel nicht gleich mit der Tür ins Haus und sah an seinem Gesicht, was sich bekümmert verzog sowieso, dass etwas im Busch war. Der 28-jährige griff sich an die Stelle, wo er die Verletzung hatte und war sehr positiv überrascht davon, dass sie weit weniger wehtat als gestern noch. „Gerade ganz gut“, antwortete er, dabei merkte man aber sofort, dass es nicht ganz den Tatsachen entsprach. Körperlich ging es ihm ganz gut… „Das soll ich glauben? Belügst du dich da nicht selbst?“ Nein, er fand nicht, dass er sich belog und drehte den Kopf etwas zur Seite, dabei sah er sie musternd an. „Ich wollte gestern unbedingt mit dir reden… Joanne… darf es aber nicht wissen…“ Dieser Mann konnte in Rätseln sprechen, dabei waren Frauen doch dafür bekannt, sie seien ein Mysterium, daher war die Blondine schon etwas überrascht. Er wollte ein Geheimnis mit ihr teilen – es wäre nicht das Erste, zugegeben, es machte sie ja schon irgendwie stolz, dass er ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte. Allerdings konnte man sich auch Schwachheiten einbilden. „Und nun willst du mir die Bürde aufhalsen, es ihr zu verschweigen? Herrgott! Was ist nur geschehen?“ Obwohl sie ihn nicht drängeln oder gar zwingen wollte, er hatte ja bereits gesagt, er wolle mit ihr reden. „Ist es so schlimm, dass Joanne entsetzt wäre?“ Nun schlugen sich die Augen des Älteren nieder und dabei verzog sich sein Gesicht voller Kummer. „Nicht nur das… Ich will einfach nicht, dass sie verletzt wird… Außerdem weiß ich, dass ein Geheimnis gerade bei dir in besten Händen ist.“ Irgendetwas an dieser Situation ließ die 26-jährige eine Beklemmung spüren. Welche schlimmen Sachen waren das, die seine Schwiegermutter nicht wissen sollte, weil sie sie verletzen würden? „Ohje“, sagte die Blondine, stand auf und öffnete das Fenster, um ein klein wenig von der klaren und frischen Luft hereinzulassen. Im Grunde wollte sie der Entscheidung nur ein bisschen entfliehen, immerhin handelte es sich um den Mann ihrer Cousine. Sie mochte ihn und hätte sich gewünscht, dass beide glücklich wurden. Angst, was Yohko getan haben könnte, beschlich sie. Es musste so schlimm sein, dass Joanne es nicht wissen sollte. Sie stützte sich am Fensterbrett ab, nachdem das Fenster offen war und der Vorhang sich sanft im Wind wiegte, dabei hatte sie ihm bewusst den Rücken zugewendet. Es war ganz schön frisch, aber sie atmete einmal die Luft ein. „Ich soll also Joanne verschweigen, was du mir sagst? Wie furchtbar kann eine Sache sein, dass man sie mit der eigenen Familie nicht teilen kann?“ Diese Frage war ernst gemeint, gerade konnte sie sich noch nichts vorstellen. Zu dem Zeitpunkt war sie sich noch nicht bewusst, dass es durchaus Dinge gab, die man für sich behalten sollte, gerade um andere zu beschützen. Kenichi fand Joanne äußerst sensibel und keine Mutter wollte derart furchtbare Dinge von ihrer Tochter erfahren. Er wollte der Frau nicht das Herz brechen, indem er ihr die grausame Wahrheit über das eigene Kind verriet. „Ich sag’s dir. Dann wirst du es schon verstehen“, kam nun von dem Schwarzhaarigen in einem traurigen Ton, der aber sehr viel Emotion noch vor ihr verbarg. Auch er war ein stolzer Mann, der nur ungern vor einer Frau als Schwächling dastehen wollte. „Ganz schön kalt…“ Der Wind wehte bis zu seinem Bett hinüber, er fand ihn wenig angenehm und verstand nicht wie sie so direkt vor dem Fenster stehen konnte. Die verdeckte Aufforderung ließ sie das Fenster schließen, daraufhin drehte sie sich zu ihm, lehnte sich aber an das Fensterbrett und kam nicht wieder zu ihm ans Bett. Sharon bemerkte durchaus seinen verwunderten Blick, weil sie so auf Abstand gegangen war. Wirklich verstehen tat er es nicht, aber er schwieg. Sie war immer so reserviert und auf Abstand bedacht, aber gerade besonders. Warum? Ihre Augen verrieten, dass sie darauf wartete, was er ihr zu sagen hatte. Er holte einmal Luft und griff sich die Bettdecke, obwohl er was ganz anderes greifen wollte. Irgendwas brauchte er zum festhalten. Sein Blick schweifte über die Bettdecke, während er sich sammelte. „Yohko trifft sich mit einem anderen“, fing er an, wobei er stockend atmete, als könne er nicht fassen, dass sie das tat. Die zweite Person im Raum, wunderte sich weit weniger, so schien es. Trotzdem entglitt ihr ein Seufzen, aber sie bewahrte ihre Fassung, da es sie rein gar nicht schockierte, auch wenn man die Hoffnung nicht aufgeben sollte. Die Sache ging ja nun schon acht Jahre gut. Trotzdem sollte man bei einer Frau wie Yohko keine großen Fortschritte erwarten, dann wurde man bitter enttäuscht. „Wer?“ Irgendwie hatte die Blondine Angst vor der Antwort, obwohl sie sich diese schon selbst zusammen gereimt hatte – da konnte man ja nur hoffen, sie irrte sich… Ihr Blick fiel auf die Bettdecke, zu der Stelle, die gestern so schrecklich geblutet hatte, nachdem er in ihre Arme gesackt war. Sie schluckte instinktiv. „Der Vater von Takeshi…“ Eine kleine Schnappatmung war das Mindeste, was über sie kommen musste. Das Grauen nahm Gestalt an. Aber sie versuchte die Gefühle nicht an die Oberfläche zu lassen. „Er will sein Kind…“ DAS schockierte Sharon weitaus mehr. „Er will was?“ platzte aus ihr heraus, am liebsten wollte sie schallend anfangen zu lachen. Heute noch erinnerte sie sich an dieses Drama, was sich vor knapp neun Jahren ereignet hatte. Ihre ach so glücklich verliebte Cousine mit ihrem Kind im Bauch, die so sehr geschworen hatte, der Vater des Kindes würde sich freuen. Die unzähligen Tränen, die sie vergoss, als sie ihrer Cousine mitteilte, er wollte kein Kind… „Du hast richtig gehört, er will seinen Sohn.“ Am liebsten wollte sie losstürmen und diese Person eigenhändig ermorden. Dafür, dass er wagte, wieder aufzukreuzen und dann noch derartige Dreistigkeiten zu fordern. Dieser Mann, der sich für junge Frauen begeisterte und die Konsequenzen nicht tragen wollte. Derjenige, der feige davon rannte. Der wollte jetzt seinen Sohn? Ernsthaft? Nach verfluchten neun Jahren hatte er sich also entschieden, seinen Sohn zu wollen? Es war ein verdammt schlechter Scherz. Vor allem, da Kenichi gutmütig genug gewesen war, das Kind seiner Frau als sein eigenes zu adoptieren und ihn wie das eigene Kind zu lieben. „Ich fasse es nicht!“ Die Frau war wirklich fassungslos, sie verstand nicht einmal, wieso dieser Sinneswandel. „Mit welchem Grund?“ Kein Grund dieser Welt wäre plausibel genug, um das zu rechtfertigen. „Es ist sein Kind, ja seins. Sein Fleisch und Blut, so sagte er es. Yohko ist vollkommen durcheinander, sie weiß ja nicht mehr, was sie da tut. Ihr ist vollkommen egal, ob dieser Mann ein guter Vater wäre oder nicht. Fakt ist, er will jetzt das Kind, was sie zusammen haben.“ In all den Jahren hatte dieser Mann dem Kind versucht ein guter Vater zu sein – hatte diesen Jungen aufgezogen; sie war einfach erschüttert. Diese Frage in ihrem Kopf. Sie wagte es kaum zu fragen, aber sie traute Keichiro zu, dass er sich mit Gewalt holte, was er gerade wollte. „D-u… Du hattest etwas dagegen, dass dieser Mann Takeshi bekommt.“ Man hörte sofort, dass sie sich die Frage nicht wirklich stellte, sondern sie bereits für sich selbst beantwortet hatte. „… Ist er auf dich losgegangen?“ Mit den Worten beseitigte sie die Distanz und ging auf das Bett zu, wo sie sich anschließend niedersetzte und ihm eindringlich in die Augen sah. „Sag es mir!“ forderte sie, sie wirkte verzweifelt, wollte einfach nicht einsehen, dass dieser Scheißkerl… „Natürlich hatte ich etwas dagegen! Dieser Mann wird dieses Kind ins Verderben stürzen. Du weißt so gut wie ich, dass nichts Gutes von ihm ausgeht. Ich kann doch nicht zulassen, dass…“ Ein bitteres Lächeln war ihm gegeben. „In einem Rechtstreit hätte ich schlechte Karten, immerhin ist er der leibliche Vater des Kindes… und meine Frau… Ja meine Frau…“ Nun nahm sein Gesicht verzweifelte Züge an. „Sie liebt ihn, Sharon… immer noch… Wer soll das ertragen? Sie wird zu ihm gehen und mich verlassen. Dieser arrogante, selbstherrliche Kerl sagte mir das noch frech ins Gesicht! Da bin ich ausfallend geworden… Er kann mir doch nicht erzählen, dass ihm dieses Kind nach so vielen Jahren plötzlich was bedeutet… Als ich mich weigerte, ihm das Kind zu überlassen, ist er ausgerastet und wollte mich allen ernstes niederstechen. Dieser Mann ist krank.“ „Kenichi!“ Sharon griff seine Schultern und sah ihm dabei bestärkend in die Augen. Er war verzweifelt und erschüttert, aber dieser Kerl – jemand musste endlich gegen ihn vorgehen. „Ganz ruhig! Du wirst mit mir zur Polizei gehen. Dann kann sich dieses Ekel frisch machen. Hörst du? Wir gehen da gemeinsam hin. Ich sage ihnen, dass er ein brutaler Scheißkerl ist, der mich mit 17 versucht hat zu vergewaltigen. Ich kenne den Captain! Er wird uns zuhören. Er ist ein Freund meines Vaters. Hast du verstanden? Wir werden das gemeinsam schaffen. Ich helfe dir.“ Sie war so wütend, dass sie das Gefühl hatte, sie explodierte gleich. Nein, da würde sie nicht zuschauen! Ihre dumme Cousine würde das nicht lustig finden, aber das war ihr egal. Mit einer Vorstrafe würde er kein Kind bekommen. Dumm von ihm, Yohkos Mann zu attackieren… Es klang wie ein schönes Märchen – wäre das so einfach möglich… „Kaum zu glauben, dass du denkst, das ginge so einfach. Wie du selbst gesagt hast, dieser Mann hat dich vor Jahren angefallen – Joanne hat mir davon erzählt, dass er dich niederstach und du ihm anschließend eine Platzwunde am Kopf beigebracht hast, um ihm zu entfliehen. Es kam ja nicht einmal zu einer Anzeige. Dein eigener Vater gab dir die Schuld daran… Sogar das Hausmädchen wurde derart eingeschüchtert, dass sie die Aussage verweigerte. Sie war eine wichtige Zeugin.“ Laut Joanne hätte nur noch gefehlt, dass er die eigene Tochter als schwachsinnig hingestellt hätte. „Auch bei mir gibt es eine Zeugin“, meinte er, wobei seine Stimme von Sarkasmus heftig durchzogen war. „Yohko. Sie wird nicht gegen ihn aussagen, sie wird ihm aus Liebe eher beistehen. Die Sache von damals kannst du nicht gegen ihn verwenden. Wenn es um ihn geht, ist meine Frau nicht bei Verstand. Nur weil er ihr Erster war… So erklärt sie es jedenfalls immer, weshalb sie ihn noch immer trifft.“ Dass ihn solch ein Verhalten verletzte, konnte man sich denken, man hörte es auch eindeutig heraus. „Ihrer Meinung nach habe ich mir die Verletzung auch selbst zuzuschreiben. Ich soll ihnen gefälligst nicht im Weg stehen…“ Ohne Worte – wie konnte eine Frau dumm und blind zur gleichen Zeit sein? Das grenzte nicht nur an Dummheit, sondern auch an Wahnsinn. Wie sollte man bei so viel Ungerechtigkeit bitte ruhig bleiben? Die Sache wurde auch dadurch nicht leichter, dass sie ihn so sehr mochte. Sie wusste ja schon seit Jahren, dass Yohko einen Schuss haben musste, aber erst jetzt wurde ihr ernsthaft bewusst, wie groß dieser Schuss war. Sie konnte vor lauter Entsetzen einfach nichts sagen. „Außerdem…“ Von noch mehr Problemen wollte die 26-jährige eigentlich nicht hören, aber anhand seines Wortes glaubte sie, dass da nun noch mehr kam. „Was denn noch?“ hakte sie nach. „Man hat mir erzählt, dass Keichiro Takagi mehr als nur empfindlich auf Polizei reagiert. Seine 3 Jahre jüngere Schwester soll wohl mit 15 von einem Polizist erschossen worden sein, als sie Geld gestohlen hatte. Er hasst die Polizei und würde sich noch nicht einmal scheuen einen nach dem anderen abzuknallen.“  Davon ließ sich die Blonde noch nicht beeindrucken, sie hörte es sich an, nichts weiter. Man durfte sich von solchen Individuen nicht erschrecken lassen, dann hatte man verloren. „Darüber hinaus würden Freunde deines Vaters nichts gegen ihn unternehmen. Die stehen nicht auf Seiten des Gesetzes. Sie vertuschen und manipulieren. Dann ist da noch Keichiros bester Freund vom FBI…“ Nun verzogen sich ihre Augen zu Schlitzen. „Sein bester Freund vom FBI! Der kann ja auch nicht ganz klar im Kopf sein, oder nicht?“ „Er würde seinen Freund natürlich beschützen. Es gibt einige Gründe, weshalb so ein geisteskranker Irrer auf freiem Fuß ist, Sharon. Einer davon ist seine Freundschaft zu diesem James Black. Dein Vater hatte auch nicht gerade Scheu sich mit Menschen zu verbinden, die alles andere als koscher sind. Deswegen werden so viele Fälle nie aufgeklärt… Da steckt etwas Größeres dahinter, vor dem man mich gewarnt hat. Ich soll die Finger davon lassen. Die hätten mit dem Tod von John F. Kennedy zu tun…“ „Ach du meine Güte.“ Es war durch die Medien gegangen, dieser Fall. Die Attentäter konnten nie geschnappt werden, ansonsten war auch relativ wenig über diesen Fall bekannt. „Ist ganze sieben Jahre schon her… Das FBI hatte sich diesem Fall angenommen. Der Tatverdächtige wurde sogar gefasst, dann aber im Polizeigewahrsam von so einem irren Nachtclubbesitzer erschossen. Man munkelt, es sei vorsätzlicher Mord gewesen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Der Täter wiederum schwor, er hätte die Tat alleine verübt. Es gäbe keine Verschwörung…“ Sharon schüttelte den Kopf, wirklich geklärt war die Sache auch jetzt nicht. „Ich hingegen glaube, dass da durchaus höhere Mächte am Werk waren, denn das FBI schien auch so einiges zu verbergen haben. Zum Beispiel, dass sie dem Täter auf der Spur waren – es aber trotzdem nicht verhindert hatten. Vom FBI ist also nicht sonderlich viel zu halten, die versuchen alles, um ihre Weste rein zu halten. Ist doch so.“ „Die CIA soll auch dran beteiligt gewesen sein“, sagte Kenichi. „Wer weiß schon, wer noch? Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht um Keichiro Takagi.“ „Ich weiß, ich wollte dir nur klarmachen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Er kennt Leute, die gefährlich sind. Dein Vater hatte auch nette Bekanntschaften – er investierte sein Geld gerne in merkwürdige, zweifelhafte Firmen. Ich bin nicht hergekommen, weil ich mich mit dir gegen den Kerl verschwören will, sondern weil ich mich nach einer Person sehnte, mit der ich meinen Kummer teilen kann. Ich weiß, dass ich es mit diesem Kerl nicht aufnehmen kann. Er zieht so ziemlich jeden auf seine Seite, der ihm etwas nutzt. Außerdem hat er dank der Firmeninvestition deines Vaters selbst dermaßen viel Geld, dass er jeden kaufen könnte. Geld regiert die Welt, wusstest du das denn nicht?“ All diese Dinge, es waren viele auf einmal und er verlangte auch noch Verschwiegenheit. In was für Sachen zog er sie da bitte rein? „Giving up was never your style, Kenichi…“ Dieser Mann, er konnte doch nicht hierher kommen, ihr was von Verschwörungen und Kriminalität erzählen und sie dann dazu verdammen, die Füße stillzuhalten. Das widersprach ihrer ganzen Natur… „Im Augenblick weiß ich noch nicht, was ich machen soll. Aber ich kann doch Joanne nicht erzählen, dass ihre Tochter einen Schwerverbrecher schützt.“ Darum ging es zunächst ausschließlich. Ihre Tochter spielte mit dem Gedanken, wieder mit diesem Mann zusammen zu sein. Nicht nur, dass sie ihn betrog, er musste damit rechnen, demnächst allein dazustehen. „Und das nach all den Jahren. Ich weiß überhaupt nicht, was ich dieser Frau Schlimmes getan habe, um so etwas zu verdienen.“ Konnte sie nicht verstehen, dass er gerade nicht die Kraft hatte, sich mit diesem Kerl anzulegen, von dem einer seiner Bekannten glaubte, er gehöre zu einer kriminellen Gemeinschaft, die sogar einen Politiker ermorden würden?! Mit welchem Grund auch immer. Es war ja nicht nur, dass er Angst um sein eigenes Leben hatte, er befürchtete auch, dass ihr Leben in Gefahr sein könnte. Wenn all das stimmte, was sein Freund da sagte, musste man sich nicht nur vor Keichiro Takagi in Acht nehmen, sondern noch vor ganz anderen Kalibern. Nur weil seine Frau so blöd war, diesem Kerl zu vertrauen, konnte man sie nicht schützen. Er war doch schon mittendrin sie in diese Sache hineinzuziehen. Sharon war ratlos – was verlangte er da von ihr? Sie konnte ihm doch nicht sagen, was er jetzt tun sollte. Sie hatte versucht, wenigstens zuzuhören, aber für ihn entscheiden konnte sie nicht. Er hatte die Entscheidung ja bereits getroffen – abzuwarten. Oder was zum Teufel wollte er sonst von ihr? Ihm ihr Ohr zu leihen, war etwas, was sie ihm nicht verweigern konnte, weil sie ihn mochte und Interesse an ihm hatte. An ihm als Mensch – so weit, sich einzugestehen, dass das nicht alles war, war sie noch nicht. „Natürlich werde ich die Geheimnisse, die du mir anvertraust, keinem anderen sagen. Damit meine ich aber nicht, dass ich es richtig finde. Sie ist besorgt um dich und wird auf jeden Fall nachhaken – diese Frau ist schlau genug, zu wissen, dass ich etwas weiß. Und dann? Soll ich sie anlügen? Glaubst du, das ist leicht für mich? Joanne war immer da, gerade dann, wenn sich keiner für mich interessiert hat.“ Es klang pure Traurigkeit aus ihren Worten heraus. Kenichi hatte es nie bemerkt, aber gerade wurde ihm klar, dass sie oft im Stich gelassen worden war. So, wie er jetzt gerade von seiner Frau einfach so hängengelassen wurde. „Joanne ist eine wichtige Person für dich und du willst sie nicht anlügen“, gab er seine Erkenntnis kund und schaute jetzt leicht bedrückt runter. „Aber gerade weil Joanne der Mensch ist, der sie ist, solltest du ihr nicht diese hässlichen Sachen sagen. Wenn sie fragt, dann sag ihr doch, dass ich einen Unfall hatte. Dass ich auf dem Weg war; ich sei in der Nähe gewesen. Ich wusste ja, dass hier eine Ärztin wohnt, also wieso sollte ich ins Krankenhaus?“ Klang das plausibel genug? Er fand schon, weshalb er sie jetzt bittend anblickte. „Sie wird sich nur über ihre Tochter ärgern. Am Ende fragt sie sich noch, was sie bei ihr falsch gemacht hat. Außerdem soll sie nicht in irgendetwas hineingeraten.“ „Manchmal ist die Wahrheit aber das Beste, findest du nicht?“ Es widerstrebte der Blondine einfach, Joanne Märchen zu erzählen. Sie erzählten sich ja sonst immer alles. Die Notwendigkeit zu Schweigen sah sie noch nicht. „Auch wenn sie wehtut.“ „Die Wahrheit ist, Keichiro Takagi ist wieder da. Kaum, dass er da ist, bin ich Luft für die Frau, die ich liebe. Als wäre das nicht schlimm genug, wollen sie auch noch zusammen glücklich sein. Das willst du Joanne sagen?“ Kenichi hatte bei den Worten etwas leicht Zynisches in der Stimme – er hatte die Fakten drastisch zur Geltung gebracht, denn genau vor dieser Tatsache stand er gerade. Und er stand alleine damit da. Frauen wie Yohko hatten das Glück an einen richtig guten Mann zu geraten – behandelten ihn dann erniedrigend – wieso waren es eigentlich immer solche Frauen, die alles bekamen, was sie wollten? Es grämte sie unendlich, wie ihre Cousine ihn behandelte. Kaum, dass Keichiro wieder da war, brauchte sie ihn nicht mehr. Gab es eigentlich etwas Schlimmeres, als Lückenbüßer sein, um dann wieder ausgetauscht zu werden, wenn man wieder das hatte, was man ursprünglich gewollt hatte. „Ich konnte sie schon damals nicht verstehen. Jetzt kann ich das noch weniger. Sie hat einen guten Mann an ihrer Seite, der für sie da ist, sie liebt und alles dafür tun würde, damit sie glücklich ist. Ich an ihrer Stelle, würde mich glücklich schätzen, wenn…“ Wenn sie so etwas hätte. Ja genau, das hatte sie sagen wollen… Ehe sie selbst bemerkt hatte, was sie im Begriff war da mitzuteilen, hatte sie bereits ziemlich viel von ihren Gedanken laut ausgesprochen. Mitten im Satz stoppte seine Freundin; wahrscheinlich wegen seinem erstaunten Gesicht, denn dieses war kaum vermeidlich, weil sie ihm nie mitgeteilt hatte, was sie von ihm hielt. „Was hast du da gerade gesagt?“ Es war etwas überraschend, so etwas von ihr zu hören. Sie, die ihre Gefühle oft hinter’m Berg hielt und tausend Schutz-Walls um sich herum zu errichten schien, in einem emotionalen Moment zu erwischen, war etwas, was er schon lange aufgegeben hatte. Und nun betraf es ihn auch noch. „Kannst du das noch einmal wiederholen?“ Seine Hand nahm ihre und entlockte ihr damit einen noch mehr erschrockenen Blick. Kein Wunder, wahrscheinlich waren ihr die Worte eher unglücklich rausgerutscht. Wäre sie jetzt ein abgebrühtes Miststück, was ihrer Cousine einen solchen Mann nicht gönnte – sie könnte – aber war sie ja nicht. Oder? „Sharon?“ „Sie benimmt sich wie ein Blutsauger, der einen bis auf den letzten Tropfen aussaugt. Wenn sie einen leer gemacht hat, geht sie zum nächsten. Es ist eine Schande, wie sie sich benimmt. Das geht mir nicht in den Kopf… Das ist alles. Es ärgert mich.“ Wirklich wiederholt hatte die 26-jährige ihre Worte nicht. Am liebsten wäre ihr wohl gewesen, wenn er sie schnell wieder verwarf und sich möglichst nicht mehr daran erinnerte, dass sie gesagt worden waren. „Aber, dass sie so viel Glück hat, stört dich. Du wünschst dir, dass du dieses Glück hättest. Das Leben ist manchmal echt unfair. Da hast du wohl Recht.“ Sie spürte, wie sein Handgriff stärker wurde. Unbehaglichkeit, nicht weil die Berührung seiner Hand ihr so zuwider war, es war mehr als nur okay – tausendmal mehr okay, als wenn Keichiro im gleichen Raum mir ihr war. Doch da war etwas in ihr, genannt Gewissen. Das, was Yohko anscheinend nicht besaß. Sonst hätte sie sich Gedanken darüber gemacht, was sie eigentlich anrichtete. „Mich stört am meisten, dass sie dich damit verletzt. Ich wünschte, ich könnte sie aus deinem Gedächtnis löschen. Dann kann sie mit diesem Kerl irgendwo versauern!“ Die Schauspielerin war richtig sauer, diesmal wirklich. Weil diese Frau einfach keinen Mann wie ihn verdiente. Yohko fiel alles in den Schoß – und die anderen strampelten sich ab und gingen leer aus. So war das Leben – C’est la vie. „Glaub mir, du hilfst sehr dabei, es erträglicher zu machen. Allein durch deine Fürsorge gibst du mir mehr, als sie mir in all den neun Jahren geben konnte. Sie ist ein kalter Mensch. Dass ich sie liebe, tja… Shit happens. Nicht? Manchmal kann man eben nichts dagegen tun. Oft passiert es in Sekunden, oder es dauert Ewigkeiten, dass man erkennt, wie wichtig eine Person für einen ist. Man weiß nie.“ Die klugen Sprüche, sie waren nichts weiter als ein kleiner Trost, der im Grunde auf einer Lüge basierte. In seinem Kopf waren noch ganz andere Sachen, aber die wären nicht fair gewesen, noch weniger fair, als das, was seine Frau da mit ihm machte. Trotzdem klammerte er sich vehement an die Hand der jungen Frau. Wenn man Gefühle steuern könnte, er würde sich dafür entscheiden, sich einfach neu zu verlieben, am besten in das Erstbeste, was sich ihm anbot. Wovon er glaubte, dass es ihm besser gehen würde. „Das stimmt. Und manchmal bleiben Gefühle ein Leben lang unausgesprochen“, murmelte sie, ehe sie ihm ihre Hand entzog, weil es besser so war. Diese Handlung wunderte ihn, obwohl es das nicht sollte, denn er kannte sie nicht anders. Kenichi war nicht dumm, er wusste ganz genau, was hier los war. Eifersucht, Neid – die unausgesprochenen Gefühle waren Schuld daran. Man sagte, dass extrovertierte Menschen, wie Yohko, sich einfach griffen, was sie kriegen konnten. Introvertierte zogen sich zurück und ließen es geschehen. Etwas Ähnliches musste zwischen ihnen geschehen sein. Während ihre Cousine, ihn sich gekrallt hatte, hatte sie stillschweigend zugesehen, bereute es jetzt, aber konnte auch nicht zurück. Doch den Mumm, sie direkt zu fragen, welche Art von Gefühlen unausgesprochen waren, hatte er in diesem Moment nicht. Befürchtungen, die hatte er allerdings schon. Dieser Keichiro – der war eigentlich seiner Frau ziemlich ähnlich – genau so ein vereinnahmender Mensch, der sich einfach nahm, was er wollte, ohne Rücksicht. Sie beide waren anders. Wäre er abgebrühter, hätte er entweder sie eingekesselt mit Fragen, oder er hätte es drauf ankommen lassen, ob seine Vermutung stimmte. Ein Seufzen klang in die Stille und sie stand auf. „Ruh dich noch ein bisschen aus, ich muss mich da noch um etwas kümmern…“ Mit den Worten war sie aus dem Raum verschwunden – vor ihm geflüchtet, er wusste es ganz genau. Kenichi griff sich an den Kopf. Jetzt hatte er sie vergrault… Und das nur, weil er noch mal nachgehakt hatte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)