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Don´t fuck the Company

von

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Urlaubsparadies


 

Tryna play it cool,

Tryna make it disappear.

But just like the battle of choice

There´s nothing subtle here

Selena Gomez – Bad Liar
 

Von seiner sonnigen Dachterrasse aus hätte Sasuke die beste Aussicht auf das im jungen Morgen glitzernde Meer, doch sein Blick war starr auf den Bildschirm seines Laptops gerichtet. Er blickte kaum auf, wenn er nach seiner Kaffeetasse griff.

Grund für seine geistige Abwesenheit war die Tatsache, dass er während des nahenden Wochenendes tatsächlich körperlich abwesend sein würde. Die Konferenz zum Saisonbeginn stand vor der Tür, und Sasuke, der diese Veranstaltung nie herbeisehnte, war dieses Jahr besonders genervt von ihr. Davon abgesehen, dass er sein Hotel ungern länger verließ – obwohl er telefonisch und per Mail erreichbar sein würde – wurde bei der Konferenz eigentlich nur Showlaufen betrieben, alles unter dem Deckmantel, „neue Trends zu besprechen und Kontakte zu knüpfen“. Doch leider konnte er sich nicht davor drücken, da es tatsächlich wichtig war, mit den Kollegen zu sprechen und sich zu zeigen.

Dabei war es üblich, einen Assistenten mitzunehmen. Sasuke wurde jede Jahr von seinem Mitarbeitervertreter begleitet, um eine andere Perspektive auf das Gehörte zu erhalten, sich die Arbeit einer Zusammenfassung zu ersparen und die anderen Angestellten zu informieren. Am liebsten hätte Sasuke diese Konvention über den Haufen geworfen, und jeden Tag war er ein paar Mal kurz davor, in dem Tagungshotel anzurufen und die Reservierung auf ´Naruto Uzumaki` zu stornieren.

Denn je länger er den Animateur beobachtete, desto unangenehmer erschien er ihm. Sicherlich war er perfekt für seinen Job; wo Naruto hinkam, herrschte gute Laune und Trubel. Shikamaru hatte nicht übertrieben, die anderen Angestellten fraßen dem Blonden praktisch aus der Hand, und er schien sich dafür nicht mal anstrengen zu müssen. Vielmehr machte es den Eindruck, dass er diese Ergebenheit kaum bemerkte. Ähnlich ging es ihm mit den Gästen, die sich ausnahmslos lobend über ihn äußerten – was jedoch kein Wunder war, da er nach wie vor viele von ihnen auf ihre Zimmer begleitete.

Die Vorstellung, dass Naruto sein Hotel als Sexpension benutzte, widerte Sasuke an, doch solange sich keiner seiner Kunden beschwerte oder überhaupt zugab, an diesen Spielchen beteiligt zu sein, konnte er nichts tun. Und natürlich lag dem Hotelbesitzer nichts daran, jemanden nach seinem Sexleben zu befragen… Außer vielleicht Naruto, denn im Stillen fragte Sasuke sich schon, was dieser blonde Volltrottel mit all diesen Leuten anstellte, dass er sie so schnell um seinen Finger wickelte. An seiner Intelligenz konnte es jedenfalls nicht liegen.

An diesem Gedanken erbaute Sasuke sich ein wenig, denn er ließ sich nicht von ein paar Muskeln, breiten Schultern, einem charmanten Lächeln, einem markanten Kinn mit verwegenem Bartschatten oder strahlenden Augen beeindrucken. Er fand alleine den Intellekt eines Mannes attraktiv, etwas, an dem es Naruto ganz eindeutig mangelte.

Ein Teil von ihm wusste, dass er sich gar keine solchen Gedanken gemacht hätte, wenn er Naruto nicht anziehend gefunden hätte. Ihm wären all diese attraktiven Details an seinem Angestellten nicht mal aufgefallen. Schließlich arbeitete Sasuke täglich mit bisweilen sehr ansehnlichen Männern zusammen und geriet nicht derart in Panik. Doch der weit größere Teil von ihm war damit zufrieden, sich in seine selbst evozierte Abneigung zu flüchten, um die gemeinsame Reise nicht als Gefahr für seine Integrität, sondern nur für seine Nerven sehen zu können.

Sasuke versuchte erneut, sich auf den Artikel über das scheinbar stärker werdende Drogenkartell der Stadt zu konzentrieren, gab aber schließlich auf und erhob sich. Vor seiner Abreise musste er noch einige Dinge klären, und solange er nicht sein Möglichstes getan hatte, um einen reibungslosen Ablauf zu sichern, konnte er nicht entspannt Nachrichten lesen. In Gedanken schon bei gewissen Planungen, stieg der junge Hotelbesitzer unter die Dusche und zog sich an. Wie üblich tauschte er, nachdem er sich gewaschen hatte, seine Brille gegen Kontaktlinsen aus. Er blinzelte seinem Spiegelbild ein paar Mal angestrengt zu und verließ das Badezimmer, als er wieder klar sehen konnte.

Kaum war er in seinem Büro ein paar Stockwerke tiefer angekommen, als es bereits an der Tür klopfte – und so zog sich der ganze Tag hin. Irgendwann gegen Mittag hatte Sasuke das Gefühl, jeder seiner Angestellten wolle ihn nochmal persönlich sehen, bevor er am nächsten Morgen abreiste. Ungeduldig verwies der Hotelbesitzer sie einen um den anderen auf Naruto – er würde ja während des Wochenendes genug Zeit haben, mit diesem zu sprechen – doch alle behaupteten, der Angestelltenvertreter wäre nicht im Hause.

Als schließlich sogar Shikamaru mit Fragen bei ihm auftauchte (was äußerst selten vorkam; der Personalleiter zog Mailverkehr vor, um nicht durch das Hotel laufen zu müssen), platzte Sasuke endgültig der Kragen, doch der Brünette sah ihn nur mit gerunzelter Stirn an, als er sich nach Narutos Verbleib erkundigte. „Der hat sich heute freigenommen.“

Frei?

„Ja, frei. Sie wissen schon, die Zeit, in der man nicht arbeitet.“ Sasuke zog es vor, nicht zu antworten, sodass Shikamaru sich zu einer weiteren Erklärung befleißigt fühlte: „Ich glaube, er unternimmt irgendwas mit Hinata.“

Sofort kochte Abneigung in Sasuke hoch. Wie konnte es angehen, dass er in Arbeit ertrank, während sein Angestellter, den er immerhin bezahlte, sich einen netten Tag mit seiner Freundin (oder was auch immer Fräulein Hyûga für ihn war) machte?

Offenbar sah man Sasuke seine Gedanken an, denn Shikamaru rieb sich den Nacken und meinte widerwillig: „Das ist ein blöder Zeitpunkt, aber ihm steht der Urlaub zu, und immerhin arbeitet er das ganze Wochenende…“

Der Uchiha sah seinen Personalchef finster an. Auf wessen Seite stand der eigentlich, auf der seines Arbeitgebers oder auf der von irgendwelchen Gesetzesgebern, die keine Ahnung von der realen Marktwirtschaft hatten?

Scheinbar resigniert seufzte Shikamaru, dann wünschte er seinem Chef eine gute Reise und verließ das Büro. Sasuke blieb alleine in seinem Ärger zurück. Die Aussicht auf ein Wochenende mit ihm war ja wohl nichts, vor dem man sich erstmal Urlaub nehmen musste, um Kräfte zu sammeln!

Doch er hatte nicht viel Zeit, sich über diesen Gedanken zu ärgern, denn kurz nach seinem Personalleiter trudelte schon der nächste Angestellte ein, und während des restlichen Tages musste er sich um etliche kleine Belange kümmern, sodass er kaum zu seinen eigentlichen Tätigkeiten kam. Als er am Abend völlig erschöpft in seine Wohnung zurückkehrte, wurde Sasuke gegen seinen Willen bewusst, wie viel Arbeit Naruto ihm in seiner Position als Mittlerfigur zu den Mitarbeitern eigentlich von den Schultern nahm. Und da er seit Saisonstart kaum etwas von solchen Anfragen wie denen, mit denen er heute überhäuft worden war, mitbekommen hatte, musste er davon ausgehen, dass der blonde Chaot tatsächlich einen guten Job machte. Heute war zwar sicherlich mehr losgewesen als sonst, da alle nervös wegen Sasukes Abreise waren. Doch im Prinzip schien Naruto durchaus kompetent und verlässlich zu sein.

Diese Erkenntnis schmeckte Sasuke so überhaupt nicht, besonders nach diesem anstrengenden Tag, an dem er mit Kopfschmerzen in seine Wohnung zurückkehrte. Er hatte gerade ein Aspirin eingeworfen, die Kontaktlinsen gegen seine Brille eingetauscht und wollte noch etwas auf seiner Dachterrasse lesen, als es an der Tür klingelte. Genervt starrte er auf die Tür, doch der Störenfried verschwand nicht, sondern machte sich erneut bemerkbar. Und das, wo seine Angestellten eigentlich wussten, dass er es nicht schätzte, in seiner sowieso knapp bemessenen Freizeit gestört zu werden. Man hätte ihn wenigstens vorher anrufen können, dann hätte er sich nicht die Blöße geben müssen, sich mit der Brille zu zeigen.

Alleine der Gedanke an einen Notfall ließ Sasuke schließlich die Tür öffnen. Doch der Anblick seines Besuchers ließ ihn die aufwallende Alarmbereitschaft sofort wieder vergessen. "Was?“, fragte er Boruto abweisend. Wenn es wichtig gewesen wäre, hätten sie wohl kaum den Praktikanten geschickt.

Der Junge, offensichtlich irritiert davon, seinen Chef in Freizeitkleidung zu sehen, glotzte ihn an wie ein Auto. Dann straffte er die Schultern, räusperte sich und sagte laut: „Ich habe die Empfehlungen!“

„Was?“, fühlte Sasuke sich zu wiederholen gezwungen.

„Sie wollten, dass ich Empfehlungen habe, bevor Sie mich unterrichten! Die habe ich jetzt“, behauptete der Teenager, der unzufriedener wirkte, je deutlicher wurde, dass sein Gegenüber keine Ahnung hatte, wovon er redete. „Ich hab Ihnen heute Mittag per Mail die Bestätigungen geschickt!“

Flüchtig erinnerte Sasuke sich, eine derartige Nachricht gelesen zu haben, doch er hatte wichtigeres zu tun gehabt. Zumal er es nicht glaubte, immerhin war es kaum drei Wochen her, seit er Boruto diese Bedingung gesetzt hatte, um ihn persönlich zu beaufsichtigen. So schnell konnte er unmöglich die Zustimmung aller leitenden Angestellten des Sensu-Resorts erhalten haben – Zumal er nebenbei einen Kleinkrieg mit Naruto angefangen hatte, weil dieser versuchte, Hinata zu daten.

„Das hier sind meine Privaträume“, erklärte Sasuke kühl. „Du hast hier nichts verloren.“

Boruto wurde rot, offensichtlich vor Zorn, und stampfte mit dem Fuß auf. „Tagsüber habe ich Schule und dann Hausaufgaben zu erledigen, bevor ich hierher zum Arbeiten komme. Und bevor ich heimgehe, sind Sie ja nie zu erwischen! Außerdem hat meine Mutter gesagt, dass Sie schon beschäftigt genug sind… Aber ich will Ihnen ja helfen!“

Sowohl geplättet als auch genervt von diesem (zugegebenermaßen sehr selbstbewussten) Redeschwall sah Sasuke den Jungen nur an, bevor er sich über die Augen rieb. „Es ist spät und ich habe ein langes Wochenende vor mir. Geh nach Hause.“

Mit diesen Worten wollte Sasuke die Tür zuziehen, doch Boruto schlug die Hand dagegen und funkelte ihn aus seinen erstaunlich hellblauen Augen an. „Sie haben es mir versprochen!“

„Du bist hier nicht in der Grundschule“, erklärte Sasuke kalt, dann zog er endgültig die Tür zu. Was glaubte dieses Kind, dass sie hier spielten? ´Versprochen ist versprochen, und wird auch nicht gebrochen´?

Ein lauter Knall zeigte an, dass der Teenager vor Wut gegen die Tür getreten hatte. „Sie… Sie sind genau wie alle Männer!“, brüllte er durch den Flur, dann hörte man seine Schritte davonstürmen.

Den jungen Hotelbesitzer kümmerte es wenig, er legte keinen Wert darauf, dass seine Angestellten ihre Vaterkomplexe an ihm auslebten. Außerdem, dachte Sasuke, als er auf dem Weg zu seiner Dachterrasse das Handy aus der Hosentasche zog, war es dreist von dem Jungen, ihn hier persönlich zu belästigen – noch dazu wegen einer offensichtlichen Lüge. Es konnte gar nicht sein, dass die Nachricht, die er jetzt in seinem Mailprogramm suchte, tatsächlich Empfehlungen aller Abteilungen enthielt.

Endlich fand er Borutos E-Mail, öffnete den Anhang… und erblickte eine zwar nicht vollständige, doch Anbetracht der kurzen Zeit erstaunlich umfassende Liste der verschiedenen Abteilungen. Gegen seinen Willen war Sasuke ein wenig beeindruckt. Vielleicht konnte der Junge ja doch mehr als große Töne spucken, wenn er sich wirklich hinter eine Sache klemmte, die ihm wichtig war.

Der Hotelbesitzer ergänzte die Liste um die Bereiche, die noch fehlten, und verlangte zudem, dass Boruto in gewissen Sparten mehr Zeit verbrachte, dann schickte er dem Teenager eine Mail zurück. War ja klar gewesen, dass sich so etwas noch ergab, wenn er am nächsten Tag früh morgens abreisen musste.
 

Es war noch dämmrig, als Sasuke sich vor dem Hotel eine Zigarette anzündete. Wie immer hatte er nicht gefrühstückt, sondern nach dem Duschen noch einige Mails gecheckt und ein paar letzte Anweisungen gegeben. Natürlich würde er während des Wochenendes per Telefon zur Verfügung stehen, doch eigentlich regelte er die Angelegenheiten lieber vor Ort. Nun würde er sich zwei Tage lang auf die Kompetenz seiner Führungskräfte verlassen müssen, was ihm ein flaues Gefühl in der Magengegend bescherte.

Er hatte gerade den ersten entspannenden Zug getan, als die Tür hinter ihm aufglitt und sein Reisebegleiter die Bühne betrat. Zu seiner Überraschung (Und der Freude des Empfangspersonals, das immer gerne etwas zu lästern hatte), war Naruto nicht alleine.

„Frau Hyûga?“, sprach Sasuke die Frau an, die errötend den Kopf senkte.

„Gu-Guten Morgen, Herr Uchiha…“

„Wir waren zusammen frühstücken“, rechtfertigte Naruto ungefragt. Er trug noch seine Privatkleidung, ein oranges Tanktop und schwarze kurze Hosen, aber immerhin hatte er sich bereits rasiert.

„Interessant.“

Sasuke gab sich keine Mühe, zu klingen, als fände er das postkoitale Date der beiden tatsächlich interessant. Er nickte Hinata grüßend zu, bedeutete Naruto, ihm zu folgen und betrat das Hotel, nachdem das Paar sich verabschiedet hatte. Aus der Lobby gelangten sie in die Tiefgarage. Unterwegs herrschte drückendes Schweigen zwischen den Männern. Sasuke fragte sich, wie es Naruto gelungen war, eine Lady wie Hinata für sich zu gewinnen. Ob sie überhaupt wusste, was für eine Hure sie sich da ins Bett geholt hatte?

Und warum zum Teufel interessierte es Sasuke eigentlich?

Ärgerlich über sich selbst, ließ er sich auf den Fahrersitz fallen und startete den Motor, kaum dass Naruto die Tür geschlossen hatte. Dieser schien die Laune seines Chefs jedoch nicht zu bemerken, denn er strich nur andächtig über die Hutablage. „Hah, das ist schon ein geiles Auto… Darf ich nachher mal fahren?“

Sasuke warf ihm einen ´In deinen Träumen vielleicht`-Blick zu, antwortete jedoch nicht, sondern fädelte sich in den Verkehr.

„Hab ich mir schon gedacht. Du wirkst wie der Typ Mann, der sein Auto mehr liebt als seine Frau… Oder in deinem Fall wohl deinen Mann.“

Genervt von dem Geplapper verengte Sasuke die Augen. „Seit wann sind wir beim Du, Uzumaki?“

Naruto sah ihn ein wenig verblüfft an und bemerkte scheinbar endlich, wie schlecht sein Fahrer gelaunt war. „Ich dacht, das wär unser Ding“ – er machte eine vage Geste zwischen ihnen beiden – „Wenn Leute dabei sind, siezen wir uns, wenn wir allein sind, duzen wir… Was hast du?“

Ihr ´Ding`? Sie hatten kein Ding. Doch als Sasuke darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass Naruto Recht hatte. In Gesellschaft hatte er seit ihrem unglücklichen Wiedersehen bei der Saisoneröffnung die Höflichkeitsform verwendet, im ´Privaten` das Du. Der Blonde war jemand, dem das ´Sie` gar nicht stand. Trotzdem gefiel dem Hotelbesitzer diese Vertrautheit nicht, zumal er sie nicht mal bemerkt hatte.

Würdevoll Schweigend überging Sasuke die Frage nach ihrem ungeklärten Intimitätsgrad.

„Also, warum bist du schon wieder pissig?", ließ Naruto nicht locker, als er keine Antwort bekam. "Das heißt, noch pissiger als sonst.“

„Ich bin nicht ´pissig`, sondern ruhig. Das solltest du… Sollten Sie auch mal ausprobieren.“

Naruto verdrehte die Augen. „Du bist echt ein komischer Kauz, Uchiha.“

Ich bin der Komische von uns?“

„Na ja, nich im Sinn von ´lustig` - dein Humor ist so verschrumpelt wie ne Rosine im Solarium.“ Er machte eine Kunstpause, damit Sasuke lachen konnte, doch der bog nur auf die Autobahn ab. „Ich mein, du könntest dich einfach mal entspannen. Dein Hotel läuft super und du bis erst – wie alt? Ende 20?“

„32. Sie haben sich noch immer nicht über Ihren Arbeitgeber schlaugemacht“, erwiderte Sasuke trocken. Er mochte zwar Komplimente und hatte sich ein wenig entspannt, doch zog er Lob über seine Talente vor. Immerhin wusste er selbst, wie er aussah.

Naruto sah ihn an. „Wieso sollt ich? Besagter Chef kann mir doch selbst erzähln, was ich wissen soll.“

„Hn.“ Als ob.

„Du bist echt nich der gesprächige Typ, oder?“

„Wie hast du das nur erraten?“

„Ich bin ziemlich schlau, weißt du? K. L. U. K.“

Sasuke verzog das Gesicht. „Ist das dein Ernst? K?“

„Das is aus den Simpsons! Sag bloß, das kennst du nich?“, rief der Blonde empört.

Hinter seiner Sonnenbrille verdrehte sein Chef die Augen. „Seh ich so aus?“

„Nö, über deinen miesen Humor haben wir ja schon geredet. Aber ich beurteil Leute nich nach ihrem Aussehen.“

„Das Äußere repräsentiert das Innere“, antwortete Sasuke. „Es sollte sich entsprechen.“

„Hm… Dann biste also im Inneren ein verstockter, arroganter Typ, aber irgendwie ziemlich nett – dein hübsches Gesicht muss sich ja in deinem Charakter spiegeln“, erklärte Naruto auf Sasukes fragenden Blick.

Der Dunkelhaarige verdrehte die Augen. Wieso hatte er sich überhaupt auf diese nutzlose Diskussion eingelassen? Wieso redete er so vertraut mit dieser männlichen Hure? Wieso hatte er nicht Karin oder Shikamaru oder sogar Ino mitgenommen? Er hasste es, den Dingen so ausgeliefert zu sein, wie er es mit Naruto scheinbar war. Schon als Kind hatte er gelernt, niemandem zur Last zu fallen (Obwohl seine Mutter und sein Bruder sich gerne um ihn gekümmert hätten). Spätestens seit seinem neunzehnten Lebensjahr hatte er die Dinge immer selbst in die Hand genommen. Aber jetzt saß er mit dieser blonden Nervensäge und seinem Aftershave-Duft fest und konnte absolut nichts dagegen tun. Es war zum verrückt werden.

Überaus erleichtert parkte Sasuke einige Zeit, nachdem ihr Gespräch verplätschert war, schließlich vor dem Hotel, in dem der Kongress stattfinden würde. Es handelte sich um einen scheußlichen Betonklotz von enormen Ausmaßen, einsam mitten in der hügeligen Landschaft. Offensichtlich war der Bau nur für genau solche Tagungen gedacht, wie sie während des Wochenendes stattfinden sollte. Unter seiner Sonnenbrille sah Sasuke sich nach einem Parkplatz für den BMW um. Unterwegs hatte er bereits einige flüchtige Bekannte vor den Pforten des Hotels stehen gesehen. Doch als er ausstieg, interessierte er sich viel weniger für ihre Personen als für die Zigaretten in ihren Händen.

Kurzentschlossen wandte er sich an Naruto, der sich gerade nach der langen Fahrt streckte, befahl: „Kümmere dich um das Gepäck“, und näherte sich den Kollegen, ohne auf eine Antwort zu warten. Er genoss bereits die Zigarette, als sein Angestellter sich schimpfend mit gleich zwei Koffern an ihnen vorbeikämpfte. Sasuke fiel auf, dass er wesentlich mehr Gepäck dabeihatte als Naruto.

Irritiert sah die Rauchergruppe zu, wie der fluchende Kofferberg ins Hotel zuckelte. „Was war das denn?“, fragte eine Frau amüsiert.

„Niemand“, antwortete Sasuke, gereizt von ihrem interessierten Ton. Sah sie denn nicht, was für ein Trottel der Blonde war?

Sobald es höflich war, eiste er sich von den anderen los und sah sich im Gebäude um. Überall standen Aufsteller, die die Hoteliers begrüßten, und Flyer erläuterten das Programm des Wochenendes, das Sasuke bereits kannte. Am frühen Nachmittag würde der Veranstalter eine Rede halten, um die Gäste zu begrüßen. Danach gab es die Gelegenheit, mit den Kollegen zu plaudern, bevor das Abendessen serviert würde. Der Abend war nicht verplant, während das restliche Wochenende minutiös getaktet war. Die Leute schlossen hier Kontakte und Verträge, und versuchten, möglichst wichtig zu wirken. Sasuke schätzte die Veranstaltung nicht sonderlich, doch es war notwendig, und sein Vater hatte immer viel Wert darauf gelegt, dass seine Söhne taten, was sie tun mussten und nicht nur das, was sie tun wollten.

An der Rezeption nannte er seinen Namen und erhielt den Schlüssel, mit dem er sich auf sein Zimmer zurückziehen wollte. Eine Dusche wäre vor dem sicher ausschweifenden Vortrag des Veranstalters genau das Richtige. Überrascht hörte er, dass kein Gepäck für ihn zurückgelegt worden war, doch als die Dame meinte, sein Begleiter hätte alles mitgenommen, dachte er nicht weiter darüber nach. Als er im dritten Stock ankam und sein Zimmer, die 307, erreichte, hörte er daraus Geräusche. Bestimmt die Putzfrau, schlussfolgerte er, ärgerlich über die schlechte Vorbereitung. Trotzdem sperrte er auf – und stellte fest, dass ihm nicht Staubsaugerlärm, sondern Musik und Wasserplätschern entgegenschlugen. Einen Moment starrte er die Badezimmertür an, dann seinen Schlüssel, auf dem in eindeutigen goldenen Lettern ´307` stand und schließlich die Koffer, die unordentlich im Schlafbereich standen. Dem Schlafbereich mit zwei Betten – wobei der neonorangen Plastikkoffer, der neben Sasukes eigenem schwarzen Koffer stand, keinen Zweifel daran ließ, wer sein ungebetener Zimmergenosse sein sollte.

Nach einer kurzen Schockstarre schritt Sasuke zum Zimmertelefon und wählte die Nummer des Empfangs. Noch bevor der Mann seine Höflichkeitsfloskel herunterleiern konnte, sagte der Uchiha: „Sie haben Zimmer 307 doppelt belegt. Ich hatte zwei Einzelzimmer gebucht.“

Der Hotelangestellte war so überfahren von dieser direkten (wenn auch eigentlich klaren) Ansage, dass er zwei Mal nachfragen musste, was sein Gast von ihm wollte. Und selbst als er es verstanden hatte, wiederholte er nur ständig, dass ihm eindeutig eine Buchung für ein Doppelzimmer vorlag.

Schließlich hatte Sasuke seine Vorgesetzte am Apparat, die einräumte: „Vermutlich ist uns ein Fehler unterlaufen – in der Vorbereitungszeit der Tagung sind viele Buchungen eingegangen, wissen Sie.“

Natürlich wusste Sasuke das, aber es war nicht sein Problem. „Welches Zimmer stellen Sie mir also zur Verfügung?“, wollte er knapp wissen, da inzwischen die Wassergeräusche aus dem Badezimmer verklungen waren und er aus dem Zimmer wollte.

„Ich fürchte, ich kann nichts für Sie tun. Wie mein Kollege Ihnen bereits zu sagen versuchte, sind wir aufgrund der Tagung leider komplett ausgebucht.“

Die Badezimmertür fiel ins Schloss, und das Geräusch stachelte Sasukes Wut nur weiter an. „Genießen Sie es. Es wird das letzte Wochenende sein, an dem das passiert“, sagte er kalt, dann legte er auf, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen.

„Na, wem hast du gerade einen Einlauf verpasst?“, fragte Naruto.

Sein Chef schloss kurz die Augen, dann drehte er sich mit verschränkten Armen um und erklärte knapp: „Das war eine Rezeptionistin.“

Narutos missbilligendes Stirnrunzeln sah er beinahe nicht, denn sein Blick glitt über die Gestalt des anderen, die nur von einem Handtuch um die Hüften verdeckt war. „Die hat nur ihren Job gemacht, oder?“

„Sie hat einen Fehler gemacht“, korrigierte Sasuke und sah zur Seite, als wäre das hässliche Bild an der Wand hinter den Betten plötzlich furchtbar interessant. „Es ist ihr ´Job`, diesen zu korrigieren.“

Naruto verdrehte die Augen. „Was für ein untragbarer Fehler war es denn? Hat sie das falsche Waschmittel verwendet?“

Es verblüffte Sasuke, dass Naruto sich für die Rezeptionistin einsetzte, ohne zu wissen, was sie getan hatte oder sie persönlich zu kennen. Noch überraschender war es jedoch, dass der Blonde es scheinbar als normal ansah, mit einem beinahe Fremden – seinem Arbeitgeber noch dazu – das Zimmer zu teilen. Doch der Uchiha wollte die Nacht keinesfalls mit Naruto verbringen, von einem ganzen Wochenende ganz abgesehen.

„Sie hat meine Buchung falsch aufgeschrieben“, erklärte Sasuke. „Wir sollten nicht in einem Zimmer sein.“

„Ah… hab mich schon gewundert, warum du Einzelgänger plötzlich auf WG machen solltest“, gab Naruto zu, ehe er sich abwandte, um seinen potthässlichen orangen Hartschalenkoffer zu öffnen und Klamotten daraus zu fischen.

Bevor Sasuke irgendwie reagieren konnte, war die letzte spärliche Hülle des Handtuchs gefallen. Blinzelnd sah er zu, wie sein ungewollter Mitbewohner in seine Unterhose stieg. Seine Muskeln kompensierten eindeutig keinen Mangel in der restlichen Ausstattung… Betont unbeeindruckt von Narutos durchtrainierter Nacktheit ging Sasuke zu seinem eigenen Koffer und nahm sich frische Kleidung.

„Was steht jetzt eigentlich an?“, erkundigte der Blonde sich, als er dankenswerter Weise Unterwäsche und ein ordentliches Hemd angelegt hatte, auf dem das Logo des Sensu-Resorts – ein Fächer wie der der Uchiha-Group, nur war der obere Teil lila, nicht rot – eingestickt war.

Es wäre ja auch zu schön gewesen, hätte er den Ablaufplan gekannt. „Während ich Dusche, liest du den Programmflyer“, antwortete Sasuke, bevor er sich ins Bad zurückzog.

Dabei hörte er Narutos Meckern, ignorierte es aber. Er erwartete Kompetenz von seinen Kollegen, und er hatte nicht vor, sich blamieren zu lassen – ob er das mit diesem Chaoten an seiner Seite würde vermeiden können? Das Gefühl des nahenden Untergangs zog ihm die Brust zusammen, als er die Dusche verließ, sich zurechtmachte und anzog. Schließlich trat er in engen, schwarzen Jeans, schwarzem Sakko (natürlich mit seinem Wappen) und einem dunkel lilanem Hemd aus dem Badezimmer. Zumindest würde er umwerfend aussehen, wenn die Blamage ihren Lauf nahm.

Zugegeben sah auch Naruto recht präsentabel aus. Er hatte die blonde Mähne in Form gegelt und seine struppige Gesichtsbehaarung zu einem lässigen Dreitagebart gestutzt. Obwohl er kein Jackett trug und auf die Krawatte verzichtet hatte, strahlte er unerwartete Souveränität aus. Insgesamt sah er… Wirklich attraktiv aus, und Sasuke ertappte sich dabei, an die strammen Muskeln und die üppige Ausstattung unter den gut sitzenden Kleidern zu denken.

Mit der amüsierten Feststellung: “Du föhnst dir die Haare?“, riss Naruto seinen Chef aus seiner kurzzeitigen Starre.

„Hast du… Haben Sie ein Problem damit?“, fragte Sasuke kühl, der nicht gerne kritisiert wurde – schon gar nicht für sein Äußeres.

„Ne, du siehst toll aus“, platzte Naruto heraus und wurde im selben Moment rot. Verlegen wollte er sich durch die Haare fahren, doch Sasuke hielt seine Hand auf, damit er nicht seine Frisur ruinierte. Der Blonde schluckte und sah sein Gegenüber aus intensiv-blauen Auen an, dann murmelte er: „Aber das weißt du ja…“

„Ja, ich weiß“, antwortete Sasuke und zog die Hand zurück. Kaum endete der Hautkontakt, schien Narutos Gesichtsausdruck etwas von seinem Leuchten zu verlieren.

„Jaha… Das weißte viel zu gut“, spottete er und wandte sich ab.

Gereizt fragte der Uchiha: „Was soll das heißen?“, doch sein Angestellter zuckte nur mit den Schultern

„Das du´n arroganter Sack bist – aber das hab ich dir ja schon öfter gesagt.“

Drohend machte der Schwarzhaarige einen Schritt auf sein Gegenüber zu. „Pass auf, was du sagst, Uzumaki.“

Der verzog das Gesicht. „Jaja, sonst feuerst du mich… Gehn wir jetzt zu dem blöden Empfang oder nich?“

In der Hitze des Gefechts hatte Sasuke das fast vergessen. Kurz schloss er die Augen, um sich zu sammeln, dann verließ er wortlos das Zimmer. Naruto folgte, ebenfalls schweigend. Der Veranstaltungssaal befand sich im Erdgeschoss und war schlicht mit den Werbeplakaten der Tagung und grauen Stühlen eingerichtet worden. Sasuke sah sich um und entdeckte zwei Plätze etwa in der Mitte des Raums. Bevor er diese jedoch erreichte, wurde er von der Rauchergruppe abgefangen, mit der er zuvor gesprochen hatte.

„Ach, unser grantiger Kofferträger gehört zu Ihnen, Uchiha“, bemerkte die Frau, die Naruto vorhin schon neugierig beäugt hatte. Lächelnd reichte sie dem Blonden die Hand. „Freut mich, mein Name ist Mei Terumi. Und Sie sind?“

„Naruto Uzumaki, freut mich“, strahlte er offen zurück und schüttelte reihum Hände. Als sie fragten, ob er Sasukes Assistent oder angehender Geschäftsführer war, lachte er. „Nah, langfristige Arbeit is nich so mein Ding – ich langweil mich schnell, wissen Sie. Ich mein, das Sensu is super und das Team is klasse…“ – sein Blick huschte zu seinem Chef, als frage er sich, wie er so ein eingeschworenes, funktionierendes Kollegium auf die Beine gestellt hatte – „Aber ich mag es, immer mal wieder was Neues auszuprobieren.“

„Ein Lebenskünstler – wie faszinierend!“, rief Mei, noch immer ohne den Blick von Naruto zu nehmen. „Haben Sie dann überhaupt eine Ausbildung gemacht?“

Das Lächeln gefror auf dem Gesicht des Animateurs, ohne zu verblassen. Er lachte sogar, als er sich am Kopf kratzte und erklärte: „Ähm, nö, da gab es… ein paar Komplikationen… Und es hat auch ohne Ausbildung geklappt, oder?“, doch es klang hohl.

Sasuke musterte ihn mit neuem Interesse. Es störte Naruto, seine Lehre nicht beendet zu haben, also besaß er wohl doch so etwas wie beruflichen Ehrgeiz. Mit seinem Charisma hätte ihn das weit bringen müssen – doch war er mit 28 noch immer Animateur. Diese ´Komplikationen`, von denen er sprach, mussten also größer gewesen sein, als er zugeben wollte.

Im Folgenden hörte der junge Hotelier dem einnehmenden Smalltalk seines Begleiters zu, der ihn schon im Gespräch mit Orochimaru so überrascht hatte. Er war zwar oft direkter als üblich, doch schienen die Kollegen das charmant zu finden. Und Sasuke musste zugeben, dass es ihm ähnlich ging. Er schätzte es, dass Naruto kein Blatt vor den Mund nahm oder schleimte. Natürlich müsste man ihn noch etwas formen, doch Sasuke sah Potential… Vor allem aber sah er, wie er selbst das vorlaute Mundwerk des Blonden auf ganz private Art stopfte, jedes Mal, wenn dieser einen frechen Spruch losließ.

Sasuke entschuldigte sich, um Getränke zu holen, und verließ die Gruppe, bevor er seinen Angestellten noch mit den Augen verschlang. Seinen eigenen Gedanken gingen ihm auf die Nerven.

Fast unverschämt schnell leerte er sein Champagnerglas und nahm noch zwei mit zu seiner Gruppe, obwohl ihm das Prickelwasser viel zu süß war. Den zweiten Flakon drückte er kommentarlos dem verblüfften Naruto in die Hand, dann nickte er zu ihren Stühlen, da der Gastgeber die Bühne betreten hatte.

Kaum hatten die beiden sich gesetzt, als schon die Rede begann: „Willkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind, um auch dieses Jahr wieder Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Neuerungen zu erfahren. Besonders danken möchte ich…“

Es folgte eine ermüdende Aufzählung der Sponsoren und Verantwortlichen. Danach berichtete der Redner – noch viel ermüdender – von der Planung der Konferenz, bevor er endlich das Programm vorstellte. Sasuke hörte die ganze Zeit zu, ließ allerdings den Blick durch den Saal schweifen. Dabei sah er, dass viele den Redner mit leeren Blicken anstarrten oder ganz offen mit ihren Sitznachbarn tuschelten. Schließlich sah er zu Naruto und war nicht überrascht, dass dieser zu denen gehörte, die in eine Art Halbschlaf verfallen waren. Wie um seine Trance zu überspielen, nippte er hin und wieder an seinem Champagner.

Kurz sah Sasuke amüsiert zu, dann stupste er seinen Sitznachbarn mit dem Ellbogen an. Naruto zuckte zusammen und verschüttete sein Getränk auf seinem Schoß, als er sich hastig aufsetzte.

„Fuck!“, sagte er so laut, dass alle nahe Sitzenden sich nach ihm umdrehten.

Sasuke zog das Einstecktuch aus seiner Brusttasche und reichte es mit einem sarkastischen: „Wie stilvoll“, seinem Angestellten.

Dieser funkelte ihn an. „Willst du das nich aufwischen? Is immerhin deine Schuld.“

In einem Film wäre das wohl so gelaufen – wenn Sasuke ein scheues, schusseliges Mauerblümchen gewesen wäre. „Du träumst wohl noch“, erwiderte der Hotelier, der weit entfernt von solchen Klischees war. Er sah wieder zur Bühne, auf der sich inzwischen eine andere Rednerin eingefunden hatte. „Vielleicht schüttest du dir den nächsten Drink ins Gesicht, das wird dich wecken.“

Naruto lachte sein zu lautes Lachen, womit er erneut einige empörte Blicke und sogar ein: „Pssst!“, von einem ältlichen Kollegen evozierte. Noch immer ziemlich laut flüsterte er: „Das war der längste zusammenhängende Satz, den ich bisher von dir gehört habe, und es war ein Witz. Ich bin schockiert!“

„Wer sagt, dass es ein Witz war?“

„Das sagt mir die Tatsache, dass du mir gerne den Schwanz reiben würdest“, flüsterte Naruto wie selbstverständlich, und lächelte, als sein Gegenüber ihn verblüfft ansah. „Du bist so scheiße schwul für mich, Sas…“

Irgendwas in der Stimme und dem Blick des anderen schnürten Sasuke die Kehle zu. Er konnte nicht antworten, nur wie hypnotisiert in diese strahlend blauen Augen starren. Für einen Moment vergaß er völlig, wo er war, denn das Blut rauschte mit seinem klaren Menschenverstand in südlichere Regionen seines Körpers. Der Blut- und Wortverlust ließen ihn tieferschüttert zurück – erschüttert und beunruhigt. Warum reagierte er so stark auf Naruto? Und das nicht zum ersten Mal. Genau genommen waren alle seine Reaktionen auf Naruto ungewöhnlich intensiv.

Diese Erkenntnis nüchterte ihn mit einem Schlag aus. Es war egal, ob er sich auf irgendeine verquere Art zu diesem Mann hingezogen fühlte. Er war sein Angestellter, und wie sagte man so schön? ´Don´t fuck the company` - especially if it´s your own company, fügte Sasuke mit einer gewissen Bitterkeit hinzu.

“Ich glaube, Sie brauchen eine kalte Dusche, Uzumaki”, sagte er kalt und sah zur Bühne. Um sie herum geriet die Menge in Bewegung, als die Reden endlich beendet waren und sich alle in Richtung der Kanapees drängten.

Naruto stand ebenfalls auf. „Ach, sind wir jetzt wieder beim ´Sie`? Macht nix, ich find´s sexy, wenn du mich "Uzumaki" nennst, Boss.“

Naruto gab diesem letzten Wort einen Hauch von ´Herr und Meister`, und der Magen des Angesprochenen verknotete sich erwartungsvoll. Obwohl Sasuke eigentlich wusste, dass es nichts für ihn wäre, einen Sub zu haben. Nicht, weil es ihn nicht angemacht hätte – alleine die Vorstellung von Naruto, der nackt und erwartungsvoll und mit einem Knebel in seiner zu großen Klappe vor ihm kniete, jagte ihm heiße, erregte Schauer über den ganzen Körper. Doch er wusste, dass er derartige Hingabe nicht ertragen konnte. Sie schürte Abscheu gegen die Person in ihm, die sich ihm so bedingungslos hingab. Und Lust, Hass und unkontrollierte Macht waren eine giftige Mischung.

Sasuke war froh, als das Gespräch von Kollegen unterbrochen wurde, die sich mit ihm unterhalten wollten. Irgendwann wurde er von seinem Begleiter getrennt, was ihn erleichterte. Doch der Smalltalk lenkte ihn nur unzureichend ab, und schon bald ertappte er sich dabei, wie er den Blick über die Leute schweifen ließ. Schließlich entdeckte er Naruto bei Mei. Erleichtert gab er sich dem Ekel hin, den diese Hurerei in ihm auslöste. Allerdings konnte er den kleinen Stich nicht ganz ignorieren, den der Anblick ihm versetzte. Klein, aber deutlich erkennbar als Eifersucht.

Er griff nach einem Wasserglas, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen zu. Glücklicherweise verfügte er über eine starke Konzentration, sodass ihn sein unnötiges Interesse an dem Animateur nicht weiter in seinen Geschäftsgesprächen behinderte.

Nachdem der Empfang beendet war, zog es Sasuke in den Hotelgarten. Dort schlenderten einige Kollegen umher (in einer Laube stieß er sogar auf ein Paar, das recht hastig die Hände voneinander zurückzog, als sie seine Schritte hörten), doch Sasuke hatte vorerst genug von Smalltalk. Er genoss die Ruhe im hinteren Parkteil, als ihn jemand rief. Narutos schwere Schritte knirschten im Kies, und er strahlte, während er auf seinen Chef zulief.

„Hier versteckst du dich!“, sagte er, als er aufgeschlossen hatte. „Ich hab dich schon ewig gesucht.“

„Du warst in Gesellschaft.“

„Huh…? Oh, du meinst Frau Terumi“, fügte Naruto hinzu und lachte. „Sie is lustig – aber du kannst sie nicht ausstehen, oder? Was hat sie verbrochen? Dann können wir sie zusammen hassen… Oder is es, weil sie so gern flirtet? Solltest du auch mal versuchen. Es macht Spaß.“

Wegen dieser Wortflut warf Sasuke seinem Begleiter einen kühlen Blick zu, obwohl er sich eingestehen musste, dass es ihn ein wenig besänftigte, dass Naruto von sich aus zu ihm gekommen war, ihn sogar gesucht hatte.

„Ich flirte, wenn ein geeigneter Kandidat anwesend ist.“ Dass er schwul war, hatte der Blonde ja schon rausgefunden, also brauchte er keinen Hehl daraus machen. Und irgendwie – wieso auch immer – vertraute er instinktiv darauf, dass Naruto es nicht herum erzählen würde.

„Geeignet, huh…? Vielleicht sind deine Standards zu hoch, sodass sie keiner erfüllen kann.“

„Woher willst du das wissen?“

Inzwischen waren sie im hintersten Bereich des Gartens, wohin sich sonst niemand verirrt hatte. Hinter den gepflegten, künstlich bewässerten Hecken waren die Grillen zu hören, die in der Nachmittagshitze ihr Konzert veranstalteten.

Naruto blieb direkt vor Sasuke stehen und funkelte seinen Chef mit einem herausfordernden Grinsen an. „Ach komm schon… Ich weiß, dass ich dir gefalle.“

Tatsächlich wollt Sasuke den anderen am Revers packen, hinter einen Busch ziehen und ficken, bis er sang wie die Vögel den Bäumen. Doch sein Stolz und seine Vernunft waren stärker, sodass er herablassend schnaubend an Naruto vorbeiging.

Dieser lachte und folgte dem Dunkelhaarigen zwischen den blühenden Büschen hindurch, wechselte jedoch das Thema. „Hier ist es eigentlich ganz hübsch. Wieso hat das Sensu nich so nen Garten? Das wär geil!“

„Das…“, fing Sasuke zu protestieren an, bevor ihm der Sonnengarten seines Hotels in den Sinn kam. Ganz seinem eigenen, schlichten Stil entsprechend gab es dort nur einige Sitzmöbel und Sonnenschirme. Doch jetzt, wo er neben Naruto durch diesen Park spazierte und über seine Idee nachdachte, könnte ein richtiger Dachgarten vielen seiner Kunden gefallen, besonders den Paaren. Er würde sich Gedanken darüber machen und mit einem Architekten sprechen… Allerdings erst nach der Saison, denn er wollte nicht Narutos selbstgefälliges Grinsen sehen, wenn eine seiner Ideen umgesetzt wurde.

Jetzt sah der Blonde ihn nur verwirrt an. „Das was? Boss? Bist du noch da?“

Sasuke runzelte die Stirn. „Hör auf, mich so zu nennen.“

„Wieso? Ich denk, das magst du“, erwiderte Naruto mit einem frechen Grinsen, das dem Schwarzhaarigen selbst ein Schmunzeln entlockte.

„Denken ist offensichtlich nicht deine Stärke.“

Naruto beschwerte sich lautstark, setzte aber den Weg durch den Garten an der Seite seines Chefs fort. Sie neckten sich weiter, doch blieb es auf beiden Seiten nett gemeint. Als sie schließlich zur Konferenz zurückkehrten, herrschte gute Stimmung zwischen den Männern. Während der Vorträge ermahnte Sasuke seinen Angestellten zwar zur Aufmerksamkeit, aber sonst verstanden sie sich hervorragend – oder flirteten miteinander, wie dem Uchiha nach und nach bewusst wurde.

Zuerst war er ein wenig vor den Kopf gestoßen von dieser Erkenntnis; er konnte doch nicht mit seinem Angestellten flirten. Doch dann sagte er sich, dass sie hier in einer Art Parallelwelt waren, aus der nichts nach Konoha dringen musste. Sie konnten ein wenig Spaß haben, solange nicht mehr passierte… Und dazu würde es garantiert nicht kommen.
 

Den Abend verbrachten sie mit einer Flasche Wein aus der Minibar ihres Zimmers im Park. Sasuke fühlte sich wie im Schullandheim, doch mit zunehmendem Alkoholpegel wurde das irgendwie egal. Er fühlte sich wohl in der Nähe des blonden Chaoten, und hatte er es nicht verdient, sich ein wenig in der Aufmerksamkeit eines interessanten Mannes zu sonnen?

Es war wirklich leicht, sich mit Naruto zu unterhalten, und obwohl sie hauptsächlich über den Kongress und die Arbeit sprachen, ertappte Sasuke sich dabei, ein paar privatere Details über sich preiszugeben. So kamen sie beispielsweise von der Tatsache, dass das Sensu-Resort zur Hotelkette seines Vaters gehörte, auf das Thema, dass er keinen besonders guten Kontakt zu diesem hatte. Zwar wirkte Naruto manchmal wie das Klischee-Blondchen, aber er konnte eins und eins zusammenzählen und erriet leicht, dass die angespannte Vater-Sohn-Beziehung von Sasukes Homosexualität herrührte.

Als Naruto jedoch weiter darauf eingehen wollte und mitfühlend die Hand auf seine legte, verkündete Sasuke, dass es jetzt Zeit war, nach drinnen zu gehen – ihre Weinflasche war sowieso schon leer. Außerdem hatte man die Gartenbeleuchtung angemacht, und zusammen mit dem Grillenzirpen war eine romantische Stimmung entstanden, die ihm nicht wirklich behagte.

Also zogen sie weiter zur Hotelbar, wo sie sich wieder weniger ernsten Themen zuwandten und ein paar wirklich lustige Stunden verbrachten. Gegen Mitternacht verkündete die Barkeeperin, jetzt Feierabend zu machen, aber Naruto überredete sie, noch einen mit ihnen zu trinken. Erst um kurz vor eins gelang es ihr, lachend und selbst reichlich angetrunken, darauf zu bestehen, dass die beiden jetzt zahlten.

„Na guuuut“, gab Naruto sich schließlich geschlagen. „Aber dafür musst du dich an den da wenden!“

Sasuke blinzelte, als er plötzlich den Finger seines Begleiters vor der Nase hatte. „Was?“

„Na, hör mal! Das ist doch sowas wie ein Geschäftsessen, und wer hätte je gehört, dass ein Angestellter bei einem Geschäftsessen selbst zahlt, wenn der Chef dabei ist?“, erklärte Naruto, als wäre das die simpelste Logik der Welt.

Als die Barkeeperin zustimmend nickte, gab Sasuke sich mit einem amüsierten Seufzen geschlagen und zog seinen Geldbeutel. Na ja, er konnte das ja abschreiben lassen. Er legte gerade den nicht unerheblichen Geldbetrag auf den Tresen und bat um eine Rechnung, als Naruto wieder das Wort ergriff.

„Wer ist das denn?“, wollte er wissen, und Sasukes Blick folgte seinem Finger zu dem einzigen Foto im Geldbeutel. Darauf strahlte eine Frau in die Kamera, auf deren Schultern ein lachendes Mädchen saß.

„Niemand“, sagte Sasuke und klappte den Geldbeutel zu.

„Mhm… ´Niemand` sieht dir aber ziemlich ähnlich.“

Ohne zu antworten, erhob Sasuke sich. Es war eindeutig Zeit fürs Bett. Der Rückweg ins Zimmer stellte sich allerdings als ein wenig schwierig heraus, denn der angetrunkene Naruto polterte durch die Flure, wobei er ständig seinen Chef ermahnte, leise zu sein. Doch schließlich war er im Bett verstaut und hatte die Augen geschlossen, wie Sasuke im Mondlicht sehen konnte. Keiner von ihnen hatte Lust gehabt, die Rollläden zu schließen.

„Sas…?“, murmelte Naruto, der sich diesen Spitznamen angewöhnt hatte, obwohl der Angesprochene ihn mehrmals ermahnt hatte, ihn nicht so zu nennen.

„Hn…?“

„Ich will kuscheln.“ Mit diesen Worten kletterte er bereits in Sasukes Bett, das nah an seinem eigenen stand.

„Spinnst du?“, zischte der Dunkelhaarige und versuchte, ihn zurückzuschieben. Doch der andere schlängelte sich beharrlich näher, und nach kurzem Gerangel lag er beinahe auf Sasuke, der genervt stöhnte. „Geh in dein Bett.“

Der Bettbesetzer kuschelte sich dichter an ihn, und seine Augen glänzten im spärlichen Licht. „Wieso? Hast du Angst, dass ich in der Nacht über dich herfalle…?“

Das genaue Gegenteil war der Fall, denn Sasuke hatte Lust auf Naruto. Natürlich wusste er, dass der andere nichts dagegen gehabt hätte, doch es wäre einfach falsch, und er hatte sich geschworen, dass es bei ein bisschen harmlosem Flirten bleiben würde.

„Ich meine es ernst, Naruto.“

Dieser richtete sich ein wenig auf, ließ die Hände aber auf Sasukes Brust ruhen. „Ok… Aber ich meine wirklich einfach nur kuscheln.”

Sasuke schnaubte herablassend: „Klar doch“, und drehte das Gesicht weg. ´Kuscheln` - das er nicht lachte. Aber andererseits hatte Naruto tatsächlich keinerlei Anstalten gemacht, ihn anzufassen, mal von dem unschuldigen Vorstoß abgesehen, als er seine Hand genommen hatte. Und ein bisschen Nähe würde ihn schon nicht umbringen.

Aber Naruto war schon wieder in sein Bett geklettert, und Sasuke war zu stolz, um ihn zurückzurufen. So bedürftig war er nicht. Zumal es sowieso eine Schnapsidee war. Warum sollten zwei erwachsene Männer, die sich kaum kannten, miteinander kuscheln? Natürlich war Naruto betrunken und konnte nicht wirklich belangt werden, doch das war ein dämlicher Einfall.

Nein, es war besser, wenn jeder von ihnen in seinem Bett blieb. Der Abstand zwischen den Betten erschien Sasuke wie die Distanz zu Naruto, die er so verzweifelt zu wahren suchte. Diese war im Moment verschwindend gering, ohne dass er hätte sagen können, wie es so weit gekommen war.
 

I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying

Not to think about you

I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying, I´m trying

Not to give in to you

But with my feelings on fire,

Guess I´m a bad Liar.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben!
Unsere beiden Streithähne kommen sich mal etwas näher, und man erfährt etwas mehr über Sasukes Vergangenheit - zumindest andeutungsweise. :D
Ich hoffe, ihr bleibt für´s nächste Kapitel dabei, wenn sich der kleine Arbeitsurlaub der beiden schon wieder zu Ende geht. Ob es so friedlich bleibt? Wir werden sehen!

LG RRH Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: AomaSade
2018-02-10T18:12:34+00:00 10.02.2018 19:12
Hallo RedRidingHoodie,

ich bin vor ein paar Tagen auf deine Fanfiktion gestoßen. Das Titelbild hatte mich neugierig gemacht. Ich mag Naruto und Sasuke außerhalb ihrer üblichen Welt. Sasuke als Boss und Naruto als sein aufmüpfiger Angestellter in der Gegenwart spricht mich an und ist sehr unterhaltsam. Eine tolle Geschichte. Bitte mehr.

Liebe Grüße
AomaSade
Antwort von:  RedRidingHoodie
11.02.2018 00:21
vielen Dank für deinen Kommentar, es freut mich, dass das Konzept dir gefällt! Weiterhin viel Spaß beim Lesen :)

LG RRH
Von:  SenseiSasuNaru
2018-02-02T22:52:51+00:00 02.02.2018 23:52
Hey wieder ein Klasse Kapitel. Oh sie kommen sich die beiden . Wie schön kuscheln doch sein kann. Weiter so LG
Antwort von:  RedRidingHoodie
11.02.2018 00:22
Vielen Dank für den Kommentar :)


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