Remember Our Love von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 6: Memories of you -------------------------- Wo Licht ist, existiert Schatten... Wie Weiß und Schwarz fügen sie sich zu einem Ganzen zusammen, den Kontrast zwei zusammenfügender Welten bildend.   Liebe koexistiert mit Hass... Wenn beides sich ergänzt, binden sie sich zu einem unerschütterlichen Bündnis. Die mächtigsten Emotionen sich zu einem Gefühlsrausch entfaltend, zur Teufelsspirale der Unbezwingbarkeit.   Du und ich... Wir sind wie die Unruhe und die Stille; Nach der Ruhe folgt der Sturm, nach der Ordnung das Chaos.   Zwei Gegensätze, vom Schicksal in Ketten mit Seele und Herz vereinigt.   Warum waren meine Augen von solch dunkler Blindheit getrübt? Langsam öffnen sie sich... vor ihnen die Antwort liegend: `Eustass Kid´ Ich sehe die Silben kristallklar vor mir, erkenne ihr erblühendes Farbenspiel... Und verstehe nun, was sie mir mitteilen wollen.   Sie schicken den Impuls der Unantastbarkeit durch meinen erwachenden Geist... Tauen meine von Eis bedeckten Empfindungen, welche ich versucht habe verschlossen zu halten.   Ich erkenne die Wahrheit... Ich erkenne dich. Du gibst mir mein Leben zurück.   Deine Blicke zeigen mir die Welt. Die Deinige, sowie die Meine, im reflektierenden Leuchten von Edelsteinen aus purem Gold. Die unendliche Tiefe in ihnen verborgen liegend; Ich der Schatz, welchen sie vor der Außenwelt bewahren.   Deine Stimme lässt mich hören; Deine Worte geben mir die Zuversicht. Mein Verstand verstummt, meine Gedanken gehorchen dir... Kein Befehl, sondern mein eigener Wille, welcher dir bis zum Ende folgt.   Deine Taten zeigen mir das Leben. Verdeutlichen mir die Vielfältigkeit des Seins und verleiten mich zu Handlungen, die ich zuvor für unmöglich gehalten habe. Mit dir an meiner Seite fürchte ich selbst den Tod nicht.   Deine Berührungen lehren mich zu fühlen. Meine Distanziertheit zu überwinden und mich dir hinzugeben. In deine Arme fallend, kann ich reuelos zersplittern, ohne Furcht vor meiner Zerbrechlichkeit.   Deine Lippen bringen mir bei zu riskieren. Brennen sich in mein Gedächtnis und entflammen meine erloschenen Erinnerungen an dich. Ihr Feuer jegliche Negativ-Empfindung zu Asche einäschernd, in ihr das Wesen mit Flügeln aus Bilder-Kristallen emporsteigend, welches meinen Namen in seiner gefiederten Brust hält.     Du hast nicht aufgegeben... weder mich, noch den Glauben an uns.   Du nimmst mich gefangen... machst mich zu dem Deinen, mit den Fesseln der Ewigkeit.   Ich bin noch immer gebrochen... In zwei Teile eines Herzens gerissen... Doch besitze ich mein Gegenstück... Ich besitze dich.   Du bist mein Seelenanker, Kid.       ~♡~       „Eustass Kid“, las ich zu mir selbst sprechend die Patientenakte vor, welche ich soeben angelegt hatte, und blickte mit einer hochgezogenen Augenbraue von dem braunen Ordner auf, zu besagtem Patienten.   Ebendieser grinste mich von der Liege aus schmutzig an, wie er es bereits seit dem Betreten meines Behandlungszimmers tat. Penguin, welcher in dieser Nacht am Empfang arbeitete, hatte zuvor vergeblich versucht, ihn davon abzuhalten ohne Anmeldung in das Ärztezimmer zu stürmen. Daraufhin entschied ich mich selbst dazu, mir diese temperamentvolle Bürde aufzuerlegen.   Vollkommen zufrieden mit sich und der Welt, als ob er nicht vor wenigen Augenblicken mit dutzenden Stichen genäht und verarztet werden musste, hatte der Hüne es sich hier gemütlich gemacht. Seinen Arm hinter seinem Kopf verschränkend, eines seiner Beine angewinkelt, sah er mich an, wie ein Seeräuber eine mit Juwelen bestückte Schatztruhe. Unter seiner penetranten Betrachtung fühlte ich mich aus einem unerfindlichen Grund vollends entblößt.   Sein aufdringliches Starren, mitsamt der offenen Musterung meines Körpers reizte mich außerordentlich, sodass ich ihm einen unverkennbar mordenden Blick zuwarf. Das Silber meiner Augen dem eines aufblitzenden Skalpells gleichend.   „Besitzen Sie Ihren Mund lediglich zum dümmlichen Grinsen oder sind Sie der sozialen Kommunikation mächtig?“, fragte ich ihn leise zischend, meine Stimme von einem Hauch Zynismus begleitend, während ich ihn mit meinem Blick weiter sezierte. Man könnte meinen, er hätte seine Worte, mitsamt dem konsumierten Alkohol verschluckt.   Diesen Patienten konnte ich nicht einmal mehr in die Kategorie `schlimmste Fälle´ einordnen, da diese Bezeichnung für ihn vollends untertrieben gewesen wäre. Und in meinem langjährigen Beruf wusste ich, wovon ich sprach.   Mehrere Augenblicke brauchte der alkoholisierte Geist des Angesprochenen um meine Frage zu verarbeiten. Als sie sich in den verlangsamten Gehirnwindungen seines Kopfes niedergesetzt hatte, lachte er urplötzlich rau auf.   „Hehe, `mächtig´?“, wiederholte er die einzige Silbe, die er verstanden hatte, und verzog seine roten Lippen zu einem düsteren Grinsen, das es mir fröstelnd den Rücken herunterlaufen ließ. Ganz gleich, welche Worte nun aus seinem Mund gelangen sollten, ahnte ich bereits, dass ich ihnen kein Gehör schenken wollte. „Heh... Ich kenn' da was verdammt Mächtiges: Mein bestes Stück ist-“   „Ihr einziges Körperteil, in welchem Ihr Blutzyklus zu funktionieren scheint“, beendete ich seinen anzüglichen Satz und ließ mich stumm seufzend auf meinem Drehstuhl nieder - Am anderen Ende des Raumes, mit mindestens acht Meter Abstand zu ihm und dem leicht angehobenen Stoff seiner gefleckten Hose. Mir behagte seine indiskrete Verhaltensweise nicht, weswegen ich eine gesunde Distanz zwischen uns schaffen musste.   „Nun, Mister Eustass“, versuchte ich erneut ein Gespräch auf neutraler Ebene zu beginnen, während ich die Schriftstücke seiner Akte auf meinem Schreibtisch ausbreitete. Mit einem Kugelschreiber in der Hand, stützte ich meine Ellenbogen auf dem hölzernen Möbelstück ab und faltete meine Hände ineinander, ihn dabei eindringlich und fordernd ansehend. „Sie müssen mir noch einige Fragen beantworten, damit ich Ihre Angaben vervollständigen kann.“   „Echt?“, stellte er sich gespielt begriffsstutzig und grinste überlegen, seine Arme dabei vor seiner von Nähten verzierten Brust locker verschränkend. „Und wenn ich nich' will? Ich muss gar nichts... Wie willst'e mich dazu bringen, Doc?“   Es gab viele Momente im Leben eines Mediziners, in welchen er seine Berufswahl einmal mehr überdachte... und diese hier war eine davon. Indessen ich meine Nachtschicht und den weiterhin siegessicher vor sich hin grinsenden Patienten vor mir in Gedanken verwünschte, drückten meine Finger den Stift unter meinem erzürnten Griff deutlich fester. Mein Geduldsfaden war endgültig gerissen.   Lautstark knallte ich den Kugelschreiber auf den Tisch, stand auf und stützte mich an meinen Handflächen auf dem Holz ab. Mein Blick war drohend, vor Gift triefend, gegensätzlich zu meinem in Eiswasser getränkten Ton.   „Hören Sie“, begann ich zürnend, meine Stimme schwankend zwischen Verärgerung und Frustration, dabei den Blickkontakt zu ihm aufrecht haltend. „Ich habe weder die Lust, noch die Zeit um Ihr absurdes Spiel-“   „Spiel?“, unterbrach er mich gelassen, meine tödliche Aura schlicht ignorierend, während er sich in aller Seelenruhe die Zeit nahm, um seine Gliedmaßen ausgiebig zu strecken. Dann schwang er seine Beine von der Liege, mit wenigen, großen Schritten auf mich zugehend, bevor er sich dreist auf das andere Ende des Schreibtisches setzte, das Holz dabei unter seinem Gewicht leise knackend.   Sein freier Oberkörper war halb zu mir gedreht, indessen er meinen Kugelschreiber an sich riss, welchen er spielerisch zwischen seinen Fingern rotieren ließ. Dabei beugte er sein Gesicht äußerst nah zu mir, sodass ich den leichten Rum-Geruch vernehmen konnte, der von ihm ausging. Ein leise knurrender Klang drang daraufhin zwischen seinen roten Lippen hervor.   „Das ist kein Spiel...“, raunte er mir zu, seine grinsenden Mundwinkel weiter nach oben ziehend, „Sondern eine Herausforderung.“   Dies brachte mich dazu, eine fragende Augenbraue zu heben und zeitgleich meinen Kopf ein Stück weit von dem Seinigen wegzubewegen. Nun hatte er meinen Kampfgeist entfacht.   „Oh, tatsächlich?“, nahm meine Stimme den provokanten der Seinen an, meine Lippen zu einem süffisanten Schmunzeln übergehend. Eine Herausforderung schlug ich niemals ab. „Wenn dem so ist... Wie lauten Ihre Bedingungen?“   „Tja... Wer weiß?“, sprach er schulterzuckend und warf mir einen überlegenen Blick zu. Dabei leckte er sich einmal über seine roten Lippen, mich nochmals von oben bis unten gedanklich entkleidend.   Dann erhob er sich von seinem Sitz auf dem Tisch, auf die Tür zugehend, und winkte mir locker ab. Bevor er auf den Gängen des Krankenhauses verschwand, lachte er ein letztes Mal auf. Sein Lachen dunkel und rau, nichts Gutes verheißend. „Wenn du's wissen willst, Doc... Musst du dich gedulden, bis zu unserem nächsten Date.“   Irritiert sah ich ihm hinterher, die nachhallenden Schritte seiner Stiefel auf dem Flur hörbar, ehe die Tür mit einem dumpfen Dröhnen ins Schloss fiel. Dass er mich dort hatte, wo er mich haben wollte, und ich ihm vollends in seine Hände spielte, bemerkte ich erst im Nachhinein, als es für einen Rückzieher längst zu spät war. Und doch konnte ich nicht leugnen, dass diese Unterhaltung und sein außergewöhnliches Auftreten mein Interesse weckten.   Letztlich schweiften meine Augen zu der Nummer, welche er mit dem Kugelschreiber auf das Aktenblatt geschrieben hatte. Es war die Seinige. Gepaart mit den Silben seiner Herausforderung:   `Wie lange kannst du mir widerstehen?´       -*-       „Hey, Doc!“ Innerlich fuhr ich leicht zusammen, als ich das laute Brüllen über das morgendliche Klinik-Parkgelände vernahm. Meine Augen eilends die Umgebung nach dem Rufenden absuchend, erblickte ich seine Figur, welche sich an der Feuerleiter neben meinem Parkplatz gekonnt an der Stahlstange hinabgleiten ließ. Als seine Stiefel auf dem betonierten Boden aufkamen, lehnte er sich lässig gegen die Beifahrertür meines Autos.   Mit meinen Autoschlüsseln in der Hand, zog ich mit der anderen die Krempe meiner gepunkteten Mütze über meine müden Augen und trat zügigen Schrittes an mein sonnengelbes Gefährt heran. Während er seine prägnante Stimme abermals erhob, umklammerte ich beim Gehen den Schlüsselbund fester in meiner ballenden Hand.   „Du hast mich nich' angerufen, also-“, schlug ich die Fahrertür nach dem Einsteigen augenblicklich zu und unterband damit seinen Redefluss. Weswegen er nun von der Beifahrerseite zur Fahrerseite herum ging und vehement an das geschlossene Fenster klopfte, indessen ich mir mit meinen Zeigefingern meine Schläfen massierte.   Lediglich einen einzigen Tag war es her, seit er mir seine Nummer gegeben hatte. In Geduld musste dieser Mann sich dringlichst üben.   Nach seinem minutenlang anhaltenden Klopf-Solo, entschied ich mich dem beinahe gegen die Scheibe gedrückten Gesicht einen überaus gereizten Blick zuzuwerfen, welches seine roten Mundwinkel nur weiter nach oben gleiten ließ. Meiner Aufmerksamkeit hatte er sich erfolgreich bemächtigt, was sein Ziel gewesen war. Doch wollte ich ihm den Siegesmoment in keinster Weise zugestehen.   Mit einem leisen Fluchen fuhr ich das Fenster einen schmalen Spalt herunter, auf eine Erklärung Seinerseits wartend, warum er mir nach der Arbeit auflauerte und wie er mein Fahrzeug identifizieren konnte. Letzteres war vermutlich den identischen Flecken zu meiner Kopfbedeckung, an den Außenseiten des Autos, zu verschulden. Ich war wahrlich töricht zu glauben, eine vernünftige Auskunft zu erhalten.   Das Einzige, was er mir lachend entgegenbrachte, war ein: „Der feine Herr kann also doch fluchen“, während er vier seiner Finger aufdringlich durch den Spalt der Scheibe steckte. Mein Zeigefinger ruhte auf dem Knopf zum Betätigen des Fensters. Ihn langsam nach unten drückend, fuhr ich die Scheibe wieder einige Millimeter hoch. Dies war meine Antwort auf seine unnötige Aussage.   In Begleitung eines aggressiven Knurrens, zog er seine Hand eilig zurück und schüttelte sie aus, seine bernsteinfarbenen Augen dabei bedrohlich aufblitzend.   „Fuck! Hast du sie noch alle?!“, brüllte er los und ballte seine geschundene Hand zur Faust, bereit das Fenster einzuschlagen. Woraufhin ich es vollends nach Unten beorderte und ihn damit sichtlich irritierte.   Noch bevor er den letzten Schritt auf die Fahrertür tätigen konnte, trat ich auf das Gaspedal. Mit einem schnellen Schwenker nach Rechts fuhr ich gekonnt aus meinem Parkplatz, seine goldenen Augen den Rücken des Autos fixierend... ehe ich meinen linken Arm herausstreckte und ihm beim Wegfahren schmunzelnd meinen tätowierten Mittelfinger zeigte.   Der Eisbären-Anhänger, welcher an meinem Innenspiegel hing, schwankte unkontrolliert hin und her, der erhöhten Geschwindigkeit wegen, während ich seine leiser werdenden Flüche hinter mir hörte. Meine Aktion sollte ein Nachspiel haben, dies wussten wir beide. Und mein Schmunzeln hätte deswegen nicht vorfreudiger sein können.   Doch wirkte dieses auf die ältere Dame an der Ampel neben mir als äußerst beunruhigend, weswegen ihre in die Jahre gekommenen Gesichtszüge einige Farbnuancen verloren, indessen sie dem Umschalten des Verkehrslichtes bangend entgegenfieberte.   Als das Licht schließlich auf Grün sprang und ich abermals mein Gefährt auf Höchstleistung beschleunigte, sollte mein schattenhaftes Schmunzeln auf Bild aufgenommen werden... Woraufhin es in ein Seufzen überging, als das Blitzlicht des Blitzers mich um einige Geldscheine erleichterte.       -*-       Wir liefen uns noch des Öfteren `rein zufällig´ über den Weg. Entweder in meinem Behandlungsraum, in welchem er mich bis zum Äußersten mit seinen selbst zugefügten Schrammen und Kratzern reizte. Oder in der Nähe des Krankenhauses, wo er mit seiner redebedürftigen Anwesenheit meine Nerven überstrapazierte.   Eines Tages jedoch, stand Eustass-ya wortlos mit einem großen Metallschild auf dem Dach meines Autos. Sein Grinsen selbstbewusst und siegessicher, hielt er die Plakette über sich, während ich mit hochgezogener Augenbraue die mit Schweißgerät auf Metall eingeprägten Buchstaben entzifferte.   `Dein Privatpatient´, stand dort, mitsamt einem darunter befindlichen Pfeil, welcher auf sein rotes Haupt zeigte.   Mit vorgehaltener Hand versuchte ich das amüsierte Schmunzeln zu verdecken, welches sich auf meinen Lippen abzeichnete. Etwa zehn Meter vor ihm war meine gehende Bewegung ausgeklungen. Schweigend standen wir uns auf dem verlassenen Parkplatz gegenüber. Ich zu ihm aufschauend, er vom Autodach zu mir herunter. Der Halbmond über uns abgezeichnet, indessen ich meine Fellmütze tiefer über meine verräterischen Augen zog und meinen Kopf dabei leicht senkte.   Dann drehte er das matt-silberne Schild um, weswegen ich erneut im Schatten meiner Mützen-Krempe aufblickte.   `Ich werd dich zu einem echten Date entführen´, war seine Drohung zugleich ein Versprechen, welches er gewiss wahr machte.   Das dunkle Grinsen wich nicht von seinen Lippen, als er im Anschluss ohne jedwedes Wort zu sprechen von dem gelben Auto heruntersprang und hinter den Bäumen der angrenzenden Parkanlage verschwand. Nun war er es, der mich teils irritiert, doch höchst amüsiert dort stehen ließ - Seine Rache für die unzähligen Male, an welchen ich ihn hatte abblitzen lassen.   In dieser Nacht fand ich weniger Schlaf, als an den übrigen, von Insomnie geprägten Nächten.     Am nächsten Tag war ich aus diesem Grund äußerst unbesonnen und stürzte mich in Arbeit, sowie überhöhtem Coffein, um meinen müden Geist wachzuhalten. Meine verlängerte Schicht fand beinahe ihr Ende. Ich hatte mich soeben in meinem Schreibtischstuhl niedergelassen, um mit einer Tasse erkaltetem Kaffee in der Hand die letzten Operationsanträge zu unterzeichnen. Exakt dann wurde ich aus meinem selbstständig agierenden Arbeitsmodus gerissen. Und bereute es zutiefst, das Fenster meines Untersuchungszimmers angelehnt gelassen zu haben.   „Hier bin ich“, grinste die über das Fensterbrett gesprungene Figur stolz, ungefragt in meine Privatsphäre, sowie meine Räumlichkeit eindringend. Mit geschwollener Brust zeigte er mit seinem Daumen überheblich auf sich selbst. „Na, hast'e mich vermisst, Doc?“   Mein rechtes Augenlid zuckte bedrohlich, als ich seine dumpfen Schritte auf dem laminierten Boden verfolgte und mir innerlich überlegte, wie viele Skalpell-Schnitte er für seine unwillkommene Störung verdient hätte. Zumindest in Gedanken konnte ich ihn auf meinem Seziertisch zerlegen und im Anschluss wieder zusammenflicken. Seine Aufdringlichkeit, mitsamt seinem maßlosen Ego waren das Letzte, was mir nach einer schlaflosen Nacht und einem zehrenden Arbeitstag noch gefehlt hatte.   Das Bedauerlichste daran war, dass ich die körperliche Kraft nicht mehr aufbringen konnte, um mich gegen ihn aufzulehnen. Seine spontane Aktion sollte ich auf Ewig in Erinnerung behalten.   „Ich schlepp' dich jetzt ab“, waren seine einzigen Worte zur Warnung, seine Unheil-versprechende, raue Lache sie begleitend, während er Meter für Meter selbstsicher auf mich zuging.   Mit einem einzigen Ruck zog er mich aus dem Stuhl und warf mich im gleichen Atemzug über seine Schulter. Bevor er dreckig lachend mit mir zusammen aus dem Fenster im Untergeschoss nach Draußen sprang. Wofür ich ihn abermals gedanklich verwünschte. Meinen Arbeitsschluss hatte ich mir mitnichten so strapaziös vorgestellt.   Ich fragte mich, warum ich nie einen Skalpell in meiner Kitteltasche dabei hatte, wenn ich ihn brauchte. Und notierte mir zeitgleich eine imaginäre Notiz, diesen fatalen Fehler nicht wieder zu begehen.       -*-       Auf dem Hocker am Tresen einer Bar sitzend, seufzte ich seit geraumer Zeit stumm vor mich hin und würdigte meinem siegessicher grinsenden Sitznachbarn keines Blickes. In ein recht überschaubares, beinahe als gemütlich benennbares Lokal hatte er mich gebracht. Seitdem strafte ich ihn mit meinem vehementen Schweigen und den `unauffälligen´ Blicken auf meine versilberte Armbanduhr, deren Ziffernblatt ein grinsender Jolly Roger zierte. Meine Gestik, mitsamt meiner desinteressierten Mimik sollten ihm genügend Zeichen geben, wie es um meine derzeitige Laune bestellt war.   Einen meiner Ellenbogen hatte ich auf der hölzernen Theke abgestützt, die Seite rechts von mir mit selbigem Arm verdeckend, sodass ich seinen triumphierenden Ausdruck nicht länger ertragen musste. Auf meinem Handrücken lag mein Kinn, links neben mir meine gefleckte Fellmütze. Meine Augen waren auf die befüllten Spirituosen-Regale vor mir gerichtet, von denen keines der Getränke mich ansprach.   Gelangweilt las ich die Aufschriften der verschiedenfarbigen Flaschen zum dritten Mal in Folge. Einen anderen Zeitvertreib besaß ich nicht, weswegen mein übermüder Blick nun von der dunklen Whiskyflasche zum weißen Rum überging, als ich plötzlich den warmen Atem an meinem rechten Ohr spürte. Er hauchte mir ein einziges Wort zu, welches mich vollends aus der Fassung brachte.   „Ficken?“, fragte er mich in tiefem Flüsterton und veranlasste mich dazu, mich zu räuspern, ansonsten hätte ich mich an meinem eigenen Speichel verschluckt. Meinen Kopf ruckartig zu ihm drehend, warf ich ihm einen überaus verstörten Blick zu, der sich augenblicklich in einen zutiefst verständnislosen Ausdruck wandelte.   Schmutzig grinsend hielt er mir das befüllte Schnapsglas hin, auf welches ich mit zusammengezogenen Augenbrauen humorlos blickte, bevor ich ihn mit selbiger Miene ansah. Er hingegen, war sich keinerlei Schuld bewusst; „Kann ich nichts für, wenn du an was Perverses denkst.“   Für seinen geschmacklosen Scherz hatte ich nicht einmal ein angehauchtes Schmunzeln übrig. Stattdessen nahm ich mir das verkürzte Glas und trank die kirschrote Flüssigkeit mit einem Schluck aus, ehe ich das geleerte Gefäß in Begleitung eines dumpfen Klopfens wortlos auf den Tresen vor ihm abstellte. Keinen Augenblick später widmete ich meine Aufmerksamkeit abermals dem Flaschenregal, was ihn jedoch nicht vom Reden abhielt.   „Hab ich dich sprachlos gemacht?“, lachte er belustigt und stapelte das getrunkene Glas auf die Ansammlung seiner konsumierten anderen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er einen leicht angetrunkenen Zustand erreicht, weswegen seine Stimme noch rauer als zuvor klang. „Du kannst aufhör'n vor dich hin zu träumen... dein Traummann sitzt neben dir.“   Wenn ich mir noch einen solch verwerflichen Anmachspruch hätte anhören müssen, wäre ich freiwillig dazu übergegangen, mich als nächsten Patienten auf der Liste der psychologischen Abteilung einzutragen. Deshalb entschied ich mich nun für die Offensive.   „Tatsächlich?“, mimte ich die Unwissenheit in Person und drehte meinen Kopf langsam zu ihm. Schmunzelnd zog ich eine Augenbraue nach oben und schaute bewusst an ihm vorbei, hinter seinen Rücken auf die unbesetzten Barhocker. „Könnten Sie mir diesen jemand vorstellen?“   Gegen meine Erwartung, sein unberechenbares Temperament mit meiner Aussage gereizt zu haben, wurde sein Grinsen breiter, beinahe in einen kämpferischen Ausdruck übergehend. Dann griff er nach meiner Hand, die er unter der Seinigen fest drückt;   „Eustass Kid, seines Zeichens der perfekte Liebhaber.“   Seine Worte brannten sich in mein Gedächtnis, wie meine Tätowierungen auf meinen Körper.   Für einen Moment ließ er meine Hand nicht los, sein Griff merkbar verfestigend. „Und wie heißt der Glückliche, den ich mit meinem Charme beglücken kann?“   Mich beim Sprechen selbstbewusst ansehend, wirkte seine Mimik gar herausfordernd, unerschütterlich. Seine Augen schimmerten in einem dunklen Goldton unter der spärlichen Beleuchtung, welche seine markanten Gesichtszüge umspielte und das Rot seiner Haare wie Flammen emporsteigen ließ. Meinen eigenen Blick konnte ich nicht mehr von dem Seinigen nehmen.   In diesem Augenblick wurde ich mir einer Tatsache bewusst, welche mein Stolz zu leugnen versuchte: Er hielt mich hier nicht fest. Mir lag es frei zu gehen.   Seine undefinierbare Anziehungskraft war es, die mich zum Bleiben bewegte. Auf eine befremdende Art empfand ich seine Gesellschaft als angenehm und erfrischend. Sein Charakter besaß keinerlei Trug, wie ich ihn über die Jahre in der oberen Gesellschaftsschicht erfahren hatte. Mein Geld interessierte ihn nicht, lediglich meine Person reflektierte sich in seinen Augen.   Nach dieser Erkenntnis veränderte sich etwas in mir. Mein Gedankenmuster wandelte sich. Mir fielen Anzeichen auf, welche mir bislang verborgen blieben. Eigenheiten, die ich ausschließlich mit meinen engsten Vertrauten teilte. Ein belangloses Schmunzeln... Ein süffisanter Unterton... Untypische Charaktermerkmale, gegensätzlich meiner distanzierten Gewohnheiten.   Schlussendlich hinterfragte ich den Sinn nicht mehr, sondern akzeptierte die Absurdität. Und tat dann etwas, was ich für gewöhnlich strikt mied: Ich öffnete mich ihm. Nur ein Stück weit, sodass ich die Kontrolle über mich selbst weiterhin behielt.   An diesem Abend brach Eustass Kid die goldenen Ketten in meiner Brust. Er brauchte keinen Schlüssel dafür, da er das Schloss aus seiner eigenen Kraft zerstörte.   Letztlich drückte ich seine Hand, während ich ihm ein entgegenkommendes Schmunzeln schenkte.   „Trafalgar Law. Angenehm, Mister `Traummann´.“           ###           Als seine silbernen Augen zum ersten Mal auf die Meinen trafen, konnte ich bloß an Eins denken:   `Ich hasse ihn.´   Es war seine arrogante und übertrieben perfekte Art, die mich rasend machte. Die Weisheit hatte er mit goldenem Krug getrunken, die Unfehlbarkeit stand ihm in seine schmunzelnde Visage geschrieben. Ich wollte Trafalgar Law brechen. Nicht seine Knochen, sondern seinen Stolz.   Nettigkeiten gaukelte ich ihm vor, baggerte ihn mit meinem unwiderstehlichen Charme an und gewann so nach und nach sein Vertrauen. Sobald ich abends in meiner Bruchbude war, warf ich meinen Dolch in sein Gesicht. Zumindest auf dem bedruckten Poster, das gegenüber meinem Bett hing. Sein Bild hatte ich auf einer Internetseite seiner Irrenanstalt gefunden.   Irgendwo musste ich meine angestauten Aggressionen schließlich rauslassen. Auch wenn Killer mir schon oft wegen den Löchern in der Wand eine seiner endlosen Predigten gehalten hatte.   Besagter Moralapostel saß auf dem alten Sessel neben dem Bett, auf dem ich lag, und warf mir hinter seinem blonden Vorhang seit geraumer Zeit alles sagende Blicke zu. Bloß das dumpfe Aufschlag-Geräusch von Dolchspitze und hohler Wandverkleidung war in meiner 19 Quadratmeter Bleibe zu hören. Mit einer Kette zog ich den Dolch wieder zu mir, den Waffengriff geübt auffangend, bevor ich ihn erneut in Richtung der schmunzelnden Visage pfefferte. Natürlich musste Killer irgendwann seine Belehrungen zum Besten geben. Sie brannten ihm auf der Zunge, wie starker Rum eines guten Jahrgangs.   „Du solltest wissen, dass-“ „Jop.“ „Ich würde dir davon abraten-“ „Alles klar.“ „Kid-“ „Killer?“, drehte ich meinen Kopf zu ihm und grinste ihn unschuldig an, dabei den Dolch locker werfend – der reinen Provokation wegen - was ihn seine verdeckten Augen rollen ließ.   Wir verstanden uns ohne Worte. Bis heute war mir nicht klar, warum er sie benutzte. Er hätte wissen müssen, dass er diese Diskussion nicht gewinnen konnte.   Mit einem Seufzen erklärte Killer seine Kapitulation, während er seine Arme verschränkte und sich in das Polster des abgenutzten Sessels lehnte. Dann griff er nach dem Rotweinglas, das auf dem Beistelltisch zwischen uns stand, und warf mir im gleichen Atemzug die Bierflasche zu – Ein kühles Blondes von seinem Namensvetter.   Den Dolch im Poster stecken lassend, öffnete ich die Flasche mit einem `Plopp´ und setzte dann den Flaschenhals an meinen grinsenden Lippen an. Beim Trinken hörte ich Killer mit halbem Ohr zu. Seine Stimme war untermalt von ehrlicher Neugier.   „Demnach hast du den Chirurgen bezirzt?“, fragte er nachdenklich und nippte an dem bauchigen Weinglas, meine Antwort war ein bestätigendes Brummen. Woraufhin er hörbar gegen den dünnen Glasrand schmunzelte. „Interessant... Für gewöhnlich investierst du gänzlich weniger Zeit in zwischenmenschliche Beziehungen...“   Meine nicht vorhandenen Augenbrauen zusammenziehend, warf ich ihm einen musternden Blick zu und wartete auf die Fortsetzung seiner Denkspirale. Um es mit Killers Worten auszudrücken: Der Hobbypsychologe war wieder in seinem Analyse-Modus – Ha, `Anal´.   „Ein gefährliches Intrigenspiel... Doch ein ausgezeichnetes Manöver“, murmelte Sherlock Homeboy leise zu sich selbst und strich sich gedankenversunken seinen langen Pony hinter sein Ohr. Eine Angewohnheit, die er nur unter uns beiden zeigte. Offen präsentierte er mir dann sein diebisches Schmunzeln. „Ich hätte niemals vermutet, dass du unter die Goldgräber gehst, Kid.“   Locker zuckte ich mit meinen Schultern; „Gleichfalls“, grinste ich ihn an und zog das Bier ab, bevor ich die leere Flasche geübt in den Mülleimer am anderen Ende des Zimmers beförderte. „Aber die Kohle juckt mich nicht, mir geht’s um den Nervenkitzel.“   Zustimmend summte Killer und trank den letzten Schluck der dunkelroten Flüssigkeit, das Glas anschließend auf dem niedrigen Tisch abstellend.   „Und wie weit wirst du gehen...?“, stellte er mir die Frage, an die ich noch keinen Gedanken verschwendet hatte. Weswegen ich meinen Blick überlegend zur Zimmerdecke richtete und meine Arme hinter meinem Kopf verschränkte, mich dabei gegen das hölzerne Kopfende lehnend.   „Kein Plan... Das ergibt sich halt“, sagte ich ihm nach wenigen Momenten und verzog meine roten Lippen zu einem dunklen Grinsen. „Zuerst knack ich ihn, dann werd ich ihn zerstören... Du kennst meine Methoden, Kira.“   „Mein Geburtsname? Da fühle ich mich ja beinahe geschmeichelt... Womit habe ich das nur verdient...?“   „Ich hab gute Laune, gewöh'n dich bloß nicht dran“, lachte ich auf und richtete meine belustigt aufblitzenden Augen auf das durchlöcherte Bild des Chirurgen. In Gedanken an mein teuflisches Vorhaben, ließ ich das Gefühl der düsteren Vorfreude auf mich wirken. Killers kopfschüttelndem Gegenkommentar hörte ich schon gar nicht mehr zu.   „Gewiss nicht... Gute Laune passt nicht zu dir. Es ist makaber genug, dass du ein Poster von ihm in deinem Zimmer hängen hast... Diese Kuriosität gibt mir genug zu denken.“       -*-       Mit den Worten: „Schließ' die Tür ab, wenn du abhaust“, ließ ich meinen Besuch allein in meiner Bleibe. Killer hatte meinen Zweitschlüssel und umgekehrt, deswegen konnte jeder bei dem anderen ein und ausgehen, wie er wollte. Unsere `Wohnungen´ - Löcher ohne Warmwasser traf es eher - lagen sowieso im selben, schäbigen Hochhaus.   Derzeit war es 3 Uhr morgens... Oder zumindest irgendwas nach 3. Die verschwommenen Zahlen auf meinem Handy konnte ich nicht mehr lesen, sowie meine stiefelnden Schritte durch die nächtlichen Straßen leicht schwankten. Mein leerer Magen dankte mir das fünfte Bier nicht. Aber weil der nichts zu melden hatte, sollte er verdammt nochmal die Fresse halten und sich damit abfinden.   Den Weg zum Irrenhaus hätte ich selbst dann noch gefunden, wenn ich mich mit Schnaps in Richtung weites Meer abgeschossen hätte. So ein paar sprudelnde Blondinen konnten einen Mann wie mich nicht in die Knie zwingen. Höchstens meine Eier kraulen durften sie - wenn ich nicht Bier meinen würde.   Ich war ein echter Playboy. Der Bettgefährte, von dem jeder bloß träumte. Meine attraktiven Reize wusste ich einzusetzen und mein stählerner Körper war durchtrainiert, so wie das Durchhaltevermögen meines titanischen Metallhammers. Kurz: Die Größe meines Egos würde niemals in meine Hose passen.   In Begleitung des dreckigsten Grinsens, das meine roten Lippen formen konnten, trat ich durch die gläserne Doppeltür der verdunkelten Klinik, die irgendein Vollpfosten beim Gehen nicht abgeriegelt hatte. Den schmalen Gang sah ich in doppelter Ausführung, sodass ich meinen Instinkten folgte, die mich zu der Kammer des Chirurgen führen sollten... Stattdessen landete ich zuerst im Keller und dann auf dem Dach. Bis ich endlich das bekannte Türschild mit dem Namen: `Tralalla War´ entdeckte.   Ich musste mehrmals blinzeln, damit die tanzenden Buchstaben vor meinen trüb-Bernsteinfarbenen Augen scharf wurden. Fuck, so besoffen war ich echt lange nicht mehr.   Meinen Unterarm an die Wand neben der Tür stützend, raufte ich den chaotischen Schrotthaufen zusammen, den ich meinen zugedröhnten Gehirnsalat nannte. Weil es reine Zeitverschwendung war und Aufräumen ebenso ätzend, riss ich nach einer gefühlten Sekunde besagte Kammertür auf. Ohne Anklopfen lud ich mich selbst ein. Ja, ich war ein echt rücksichtsvoller Kerl – Immerhin hatte ich eine ganze Sekunde gewartet.   Auch die Inneneinrichtung des Chirurgen-Zimmers – von knüppelharter Liege, über komische Probegläser, bis hin zu Kunstskelett mit Afro – war ein sich drehender Strudel. Bloß eine gedämmte Tischlampe erhellte die Umgebung, was das Erkennen der selben nicht gerade einfacher machte. Aber eines sah ich klar und deutlich: Die schlafende Figur auf dem Schreibtisch, gegenüber der Tür, in deren Rahmen ich stand.   Seine Fellmütze lag locker auf seinem Kopf, der selbe auf seinen abgestützten Armen. Unter ihm sein Papierkram, in seiner tätowierten Hand den Kugelschreiber haltend. Dass ich den immer-wachen Kaffeejunkie zu Lebzeiten nochmal schlafen sehen würde, hätte ich nicht erwartet. Das bizarre Bild traf mich völlig unvorbereitet.   Wankend bahnte ich mir einen Weg durch das Zimmer, direkt auf ihn zu, zeitgleich gebannt auf ihn starrend. Er kam mir viel weiter weg vor, als in Wirklichkeit, bevor ich vor seinem Schreibtisch stehen blieb. Meine Augen in einen skeptisch musternden Blick übergehend, schaute ich auf ihn herunter, ihn wie ein seltenes Motorradmodell betrachtend.   Wie lange ich gaffend hier stand, hätte mir egaler nicht sein können. Sein ruhendes Gesicht wirkte... eigenartig fremd, seine schutzlose Erscheinung gar verletzlich. Das komplette Gegenteil zu seiner sonst so hochnäsigen und arroganten Art, was meinen benebelten Verstand verwirrte.   Doch überraschte mich die plötzliche Veränderung seiner schlafenden Figur noch viel mehr. Weil sein Gesicht seitlich in meine Richtung lag, konnte ich jede Regung genau beobachten.   Seine leicht geöffneten Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. Ein völlig echtes, ohne die Falschheit seiner distanzierten Fassade. Dann begann er im Schlaf zu murmeln... Eine einzige Silbe brachte er leise flüsternd hervor, die ebenso auf der Akte geschrieben stand, die er dabei mit einem Arm fester an sich klammerte.   „...Kid...“   Und das war der Moment, in dem der metallische Motor in meiner Brust auf Vollgas schaltete.   Zeitgleich flogen die Einzelteile meines Schrotthaufens wild kreisend durch meinen Kopf. Wie durch ein impulsives Magnetfeld gesteuert, beschworen sie das zerstörerische Chaos herauf. Zerstörerisch... für mich selbst.   Neben der Trunkenheit, fühlte sich mein Körper an, wie unter die Haube eines Trucks gekommen. Als wäre ich mit Karacho gegen einen Baum geprettert und anschließend von einer Abrissbirne getroffen worden. In dem Augenblick wusste ich, dass ich am Arsch war.   Einen Schritt nach hinten gehend, schüttelte ich meine überfahrene Birne und steuerte dann aufbrausend die Tür an, geradewegs aus der Anstalt raus. Dieses beschissene Gefühl musste ich auf dem schnellsten Weg wieder loswerden. Es machte mich krank. Der Doktor war mein Virus.   Ich hasste ihn. Hasste das, was er mit mir machte. Und hasste diese gottverdammte Nacht, in der Karma mir meine Eier abgerissen hatte.       -*-       Mein Schraubenschlüssel wurde mein bester Freund, meine Werkstatt mein neues Zuhause. Seit einer Woche wälzte ich mich in Arbeit, ohne Pause, ohne das Werkzeug aus der Hand zu legen.   Nachdenken war was für Schwächlinge, ein richtiger Mann schreitet zur Tat. Reden war genauso nutzlos, ein echter Kerl ließ seine Hände oder Fäuste für ihn sprechen.   Mein Schrotthandy mit dem gesplitterten Bildschirm, das nicht aufhören wollte mich zu nerven, hatte ich unter meinem Springerstiefel zu Kleinteilen verarbeitet, bevor ich es im nächsten See versenkte. Für mich hatte sich das Thema Virus-Chirurg erledigt.   Zumindest bis ich seinen Stolz zu Brei verarbeitete... Bald... Irgendwann.   Mit meiner Fliegerbrille über meinen Augen lag ich unter einem Auto, an dem ich konzentriert herumschraubte. Es war der letzte Auftrag für diese Woche. Den Fehler hatte ich längst gefunden und behoben. Aber zog ich jede einzelne Schraube mit dem Schlagschrauber nochmal extra fest an das Bodengehäuse, weil ich mich beschäftigen musste. Das Zeitgefühl hatte sich schon lange von mir verabschiedet.   Irgendwann klopfte es leise gegen die Motorhaube, das Geräusch unter dem Auto lauter klingend. Weswegen ich genervt schnaufte und mit der Roll-Liege, auf der ich lag, unter der Karre vorrollte. Mir mit meinem Handrücken die Ölspritzer von meiner Stirn wischend, schob ich meine Fliegerbrille nach oben und warf Killer einen knurrenden Blick zu, der ihm klarmachte, wie sehr ich ihn sehen wollte: Nicht im Geringsten.   „Hast'e wenigstens Bier mitgebracht?“, fragte ich ihn murrend und ging an ihm vorbei, seinen `Ich-weiß-genau-was-du-letzte-Woche-getan-hast´-Blick ignorierend. Keine Ahnung, ob ich ihm im Suff irgendwas gesteckt hatte... aber er besaß ja sowieso die `alles sehenden Augen´, denen nichts verborgen blieb, außer ihnen selbst.   „Habe ich nicht“, antwortete er mir ruhig und lief dann langsam hinter mir her zu unserem Aufenthaltsraum. Er lehnte gegen die Tür, die er geschlossen hatte, während ich mir meine Hände wusch, das kühle Wasser dabei in mein Gesicht spritzend. Dann sah ich in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Und knurrte mein eigenes Spiegelbild an, das schon bessere Tage gesehen hatte. Beschissen war echt geprahlt.   Killers leises Seufzen ließ mich wieder zu ihm schauen. Mit leisen Schritten ging er zu dem Wandschrank, in dem die Autoschlüssel unserer Kunden hingen. Bloß ein einziger war dort zu finden, den er an sich nahm. Es war der Schlüssel von der roten Corvette, an der ich seit Stunden schraubte.   „Wir müssen sie noch Probe fahren“, war das Schmunzeln meines besten Freundes nicht zu überhören, während er mir den Autoschlüssel zuwarf. „Die Ehre überlasse ich dir, Captain.“   Ein selbstüberzeugtes Grinsen war meine Antwort, als ich ihn auffing; „Worauf wartest du noch? Beweg deinen Arsch in die Karre“, lachte ich belustigt und warf mir meinen Mantel um meine Schultern. Es gab nichts Besseres, als ordentlich PS, um seine Laune zu heben.     Ohne Limit und Ziel preschten wir im Sportwagen durch unser Revier: Die Straße. Freiheit hieß unser Lebensmotto, Unhaltbarkeit war unsere Natur. Nirgends fühlte ich mich freier, nirgendwo ging es mir prächtiger.   Mit jedem zurückgelegten Kilometer steigerte sich meine Stimmung, sodass ich auf alles und jeden pfeifen konnte. Das Autodach war zurückgeklappt, weswegen uns unsere Haare wild um die Ohren wehten - allem voran Killers unbändige Mähne, meine Haare standen selbst ohne Haargel wie eine Eins - während ich das Gaspedal durchdrückte. Das laute Schnurren des Motors beruhigte dabei meine Nerven.   Nach einer halben Ewigkeit pretterten wir von der Autobahn zurück zu unserer Stadt. Die Geschwindigkeit leicht drosselnd, erreichten wir das Bonzen-Viertel mit den protzigen Villen und penibel gepflegten Gärten, die so groß wie ein Sportfeld waren. Gerade, als wir an einem vergoldeten Gartenzaun vorbei steuerten, sprach Killer mich vom Beifahrersitz aus an, seine Stimme untermauert von einem leicht skeptischen Unterton.   „Hörst du das dumpfe Klopfen ebenfalls?“, fragte er mich nachdenklich und legte seinen Kopf schief. Meine Augenbrauen zusammenziehend, achtete ich beim Fahren auf besagtes Geräusch... das immer lauter wurde und von unter unseren Sitzen kam. „Kid... Sage mir nicht, dass du die Schrauben des Bodengehäuses-“   Ein dröhnendes Scheppern von Metall unterbrach ihn, zeitgleich trat ich abrupt auf die Bremse.   „...zu fest angezogen hast“, beendete Killer, während das Auto eine Vollbremsung, mitsamt ohrenbetäubendem Reifenquietschen hinlegte. „Damit hat sich die Frage wohl erübrigt.“   Sofort stieg ich aus, zu mir selbst knurrend, während meine Augen die Spur an Gehäuse-Teilen sahen, die wir hinterlassen hatten. Die Schrauben waren überdreht gewesen, sodass sie sich während der rasanten Fahrt lockerten, bis sie auf den letzten Kilometern das Zeitliche segneten... Fuck. Als ob das meine fucking Schuld wäre, wenn die Scheißteile nicht halten wollten!   Während einige der Schrauben den Frust meiner Stiefel zu spüren bekamen, hallte mein Fluchen durch die stille Bonzen-Gegend. War ja klar, dass ich bald die Hauptattraktion für dutzende Schnösel wurde. Aus sicherer Entfernung - in ihren Gärten, von den übergroßen Balkonen oder den riesigen Fenstern aus – gafften die betuchten `Besser-Menschen´ mich an. Was mir gewaltig auf den Sack ging.   Jedem einzelnen von ihnen warf ich einen tödlichen Blick zu, woraufhin sie sich schnell wieder in ihre goldenen Käfige verpissten. Außer Einer, der es wagte, seelenruhig auf mich zuzugehen und mich anzusprechen, dabei steckte er seine Hände locker in seine Hosentaschen.   „Kann ich dir helfen, Junge?“, fragte der blonde Kerl, während er vor mir stehen blieb und ich wütend meine Fäuste ballte. Der Clown trug übertrieben viel Schminke und einen schwarzen Federmantel.   Als seine erheiterten Augen auf den Schraubenhaufen zwischen uns fiel, begann er allen Ernstes lauthals zu lachen. Sich die Lachtränen aus dem geschminkten Auge wischend, drehte er sich dann zu der Luxusvilla um, vor der wir gehalten hatten. „Haha, was für ein Tohuwabohu! Das musst du dir ansehen, Law!“   …Scheiße. Wie hoch standen die Chancen, dass es noch jemanden mit dem Namen in unserer Stadt gab...? ...Mit dem gleichen, sexy oben-ohne Körper, der jetzt auf den weißen Rundbalkon trat? - Null, genau.   Meine Fäuste ballten sich merkbar fester, während ich meinen Kopf hob. Unsere Blicke trafen sich. Gleichzeitig gefror die Zeit.   Trafalgars Mimik blieb neutral, keine einzige Regung konnte ich von der Straße aus erkennen. Die dunklen Tätowierungen seines trainierten Oberkörpers, die verboten gehörten, schon. Lässig stützte er seine Unterarme auf dem Balkongeländer ab, auf mich runter schauend, bevor seine Lippen kaum wahrnehmbar schmunzelten. Arrogant und provozierend.   Erst, als der Typ im dunklen Federmantel vor meinem Gesicht schnipste, brachte meine Kehle das laute Knurren hervor, das tief aus meiner Brust stammte. Der blonde Clown trat sicherheitshalber einen Schritt zurück, bevor er zwischen dem Chirurgen und mir hin und herschaute.   „Ihr kennt euch?“, fragte er zu sich selbst sprechend und grinste dann wie ein Jackpot-Gewinner. Das leichte Nicken des eingebildeten Eisbolzens gab ihm Bestätigung, bevor er ihm mit kühler Stimme vom Balkon zurief; „Sei so gut und bitte unseren Besucher herein, Cora-san.“   Voller Begeisterung – und einem halben Ohnmachtsanfall – schrie der Kasper auf. „Du hast mich Cora-san genannt!“, stolperte er beim Jubeln fast aus seinen eigenen Latschen, ehe er mir einen funkelnden Blick zuwarf, der mir mehr als verdächtig vorkam.   Ein Eustass Kid kniff nicht. Er stellte sich der Herausforderung, stand inmitten des Sturms und lachte den selben aus. Selbst, wenn der Sturm den Namen Trafalgar Law trug... dann erst recht.   Auf meinen besten Mann war immer Verlass. Killer würde sich um den Wagen kümmern und Heat und Wire anrufen, damit sie die Karre abschleppten. So winkte ich ihm über meine Schulter ab, überließ ihm das Aufräumen und folgte dem Richtung Villa tanzenden Hampelmann, der sich dabei ganze zweimal auf die Fresse legte. Ich lachte ihn jedes Mal doppelt aus - Meine Rache wurde dreckig serviert.   Der Weg vom Goldzaun bis zur Villa-Tür war, im Gegensatz zu unserem Hochhaus direkt an der Straße, wie eine halbe Weltreise. Im Grunde waren es nur wenige Meter, aber der Unterschied machte es aus. Während der Kasper viel zu gut gelaunt vor sich hin schwafelte - mir fröhlich von seinem Tag erzählend, was mich nicht weniger jucken konnte - blickten meine entschlossenen Augen stur auf die Person, die vor uns in der offenen Haustür stand. Und mich mit amüsiertem Silber genauso fixierte. Je näher wir kamen, desto höher glitt einer seiner Mundwinkel.   „Wie nett, dass du es einrichten konntest, Eustass-ya“, war seine von Hohn gezeichnete Begrüßung, die ich mit einem freundlichen: „Fick dich“, beantwortete. Ohne auf ein `Herein´ zu warten, schob ich mich an ihm vorbei in die Bonzen-Bude, dabei mit voller Absicht mit meiner Schulter gegen Seine stoßend. Das Kommentar des Clowns: „Ihr versteht euch ja prächtig!“, überhörte ich.   Was genau ich hier wollte, war mir nicht ganz klar. Trafalgar hatte mich herausgefordert, sowie ich ihn, zu Anfang unseres `Abenteuers´. Das und nichts anderes war unsere Verbindung zueinander. Und um die Verkabelung endgültig zu trennen, musste ich den dröhnenden Motor in meiner Brust zum Ausbremsen bringen.   Mein Plan: Solange dran herumschrauben, bis er einen Gang herunterfuhr. Dafür brauchte ich bloß in der Nähe der tätowierten Eisstatue bleiben. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich mir den Schwachsinn namens Gefühle einbildete.   Wortlos führte der Chirurg mich in sein Zimmer – Oder eines davon, ihm gehörte das ganze fucking Dachgeschoss. Sein Ziehvater verabschiedete sich mit irgendeiner gelogenen Entschuldigung, der Kerl konnte echt nicht lügen. Damit waren wir allein in der totenstillen Villa... die sich sogar kälter anfühlte, als seine Eishoheit höchstpersönlich.   Also hier wollte ich echt nicht wohnen. In der Abgeschiedenheit eines Einsiedlers. Sein unnötig großes Zimmer sah nicht einladender aus: Ordnung, dicke Wälzer und noch mehr Schinken. Der Raum fühlte sich... einsam an.   Meinen Blick wieder auf ihn richtend, konnte ich meine Abneigung gegenüber so einem Leben nicht verbergen. Meine Körperhaltung blieb angespannt, meine Augen von Verachtung getränkt. Die Seinen hingegen, waren völlig abwesend und schienen durch mich durchzusehen.   Stumm standen wir uns gegenüber, keiner ein Wort verlierend. Das Ticken einer Pendeluhr die geladenen Minuten zählend.   Nach einigen Momenten zog er schnell seine Fellmütze über seine Augen. Ein klares Zeichen, das ich nur zu gut kannte... Noch bevor er das tat, bohrte er mir seinen Skalpell mitten ins Herz.   Kurz, für weniger als eine greifbare Sekunde, erkannte ich ihn: Den Funken der Verletztheit, tief in dem unergründlichen Silber verborgen.   Mit ihm rammte er mir das Messer in meine Brust... Löste ein Gefühl von Reue in mir aus, die ich nicht kannte.   Zeitgleich weckte er meinen Beschützerinstinkt... Und schüttete das Benzin ins Feuer meiner Wildheit.   Mit einer abrupten Handbewegung riss ich ihm im selben Augenblick seine Mütze vom Kopf. Das brachte Trafalgar zum Aufsehen, in seinen Iriden der Sturm tobend.   „Ich hasse dich“, knurrte ich ihm tief zu, was den Grauton seiner Augen in Edelmetall verwandelte. Zeitgleich zog er seine Mundwinkel nach oben.   „Dito“, flüsterte er schmunzelnd, seine leise Stimme keine Spur Hohn und Spott tragend. Einen einzigen Schritt auf mich zugehend, legte er seinen Arm um meinen Hals und zog mich dann langsam mit sich, in Richtung seines Bettes. Seine Lippen sich den Meinen nähernd, wisperte er hauchend gegen sie, bevor sie sich endgültig zusammenschlossen.   „Und nun zeige mir, wie sehr du mich hasst, Kid...“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)