Weil wir dafür leben von Goetterspeise (SasuSaku | NaruHina) ================================================================================ Kapitel 5: Weil es weitergehen muss ----------------------------------- Hinata habe ich für den Anfang als Wiedergutmachung fünf Besuche in unserem Lieblingscafé geschenkt – etwas mit dem sie nicht gerechnet hat und gleichzeitig viel zu wenig ist. Ino stellt sich allerdings als eine ganz andere Größenordnung dar und immer, wenn wir uns an den folgenden Tagen zufällig anschauen, versuche ich ein Lächeln, das verkrampfter nicht sein könnte. Sie hingegen wirft mir einen wütenden Blick zu und wendet sich dann wieder von mir ab. Ich habe ihr mehr als nur weh getan und mir ist auch bewusst, dass ich ihre Reaktion definitiv verdient habe. Dafür, dass ich mich mit Sasuke um den Klassenbesten streite, bin ich manchmal wirklich eine dumme Kuh. Sasuke gehe ich übrigens aus dem Weg so gut ich es hinbekomme. Mein Wutausbruch ist mir unglaublich peinlich und ich will am liebsten im Boden versinken, immer wenn ich daran denke. Hinata zieht mich die folgenden Tage durch die Schule, weil ich kaum dazu in der Lage bin, mich in irgendeine Richtung zu bewegen, sobald ich ihn sehe. Was, dafür, dass ich ihm aus dem Weg gehen will, viel zu oft passiert. Wieso habe ich mich nochmal zu Beginn des Schuljahres darüber gefreut, in die gleiche Klasse wie er gekommen zu sein? Ach ja, weil damals noch alles gut war. Damals … vor fünf Monaten. Mittlerweile habe ich die beste Freundschaft, die ein Mensch haben kann, in den Sand gesetzt, dem Jungen, auf den ich stehe, meine uncharmante, zickige Seite gezeigt und eine Vorliebe fürs Drücken entwickelt. Zumindest gegen das Dritte möchte ich heute aber endlich etwas machen. Tentens Ansprache steckt ebenfalls noch in meinen Knochen und nachdem ich keinen Grund mehr habe, das Volleyballtraining zu schwänzen – außer um Inos tödlichen Blicken aus dem Weg zu gehen – werde ich mich endlich wieder in die Sporthalle begeben, um zum ersten Mal seit gut sieben Wochen Sport zu betreiben. Das ist der nächste Punkt, den ich dank meiner Selbstmitleidsphase nicht bedacht habe. Kondition verschwindet, wenn man nicht kontinuierlich an ihr arbeitet. Und das ist, wenn man weinend im Bett liegt und das Gefühl hat, jederzeit an Herzschmerz sterben zu können, nicht machbar. Okay, vielleicht habe ich doch einen Grund, nicht hinzugehen. Zumindest bereitet es mir Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, wie Tenten mich fertig machen wird, sobald sie merkt, dass ich mich nicht an den Bewegungsplan für die Ferien gehalten habe (ich danke meinem Siebhirn dafür!). Ich bekomme allerdings auch Ärger mit ihr, wenn ich nicht hingehe. Im Endeffekt kann es mir also egal sein. Allerdings muss ich den Scheißhaufen, den ich derzeit mein Leben nenne, irgendwie abbauen und da erscheint mir das Training am leichtesten. Und vielleicht, nur vielleicht, lässt auch Ino sich schlussendlich erweichen und versucht nicht länger mich mit ihren eiskalten blauen Augen zu erdolchen. Allein bei dem Gedanken bekomme ich Gänsehaut und Hinata, die seit geschlagenen zwanzig Minuten still neben mir sitzt, schreckt auf. „I-ist dir kalt?“, fragt sie vorsichtig und ich schüttle den Kopf. Anscheinend zittere ich bei dem Gedanken sogar. Seufzend vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen und lehne mich gegen die Wand. Wir sitzen unter einer der vielen Treppen und warten darauf, dass es Zeit wird, zur Turnhalle zu laufen. Hinata hat mir versprochen, mich zu den Umkleiden zu begleiten, damit ich nicht im letzten Moment kneife. Dafür hat sie sogar die Gelegenheit ausgelassen, Naruto nachhause zu begleiten. Ich habe diese Freundschaft nicht verdient. Absolut nicht. Und die fünf Cafeeinladungen sind auch nicht genug. Bei weitem nicht. „Wir sollten langsam los“, reißt mich Hinata erneut aus meinen Gedanken und ich nicke knapp. Mein Magen fühlt sich an als würde sich darin ein Vergnügungspark befinden und von dem Blei in meinen Beinen möchte ich gar nicht erst anfangen. Ich komme mir vor wie auf dem Weg zum Schafott, während wir das Schulgebäude verlassen und einmal quer über den Außensportplatz laufen, um zur Turnhalle zu gelangen, die sich wie ein unheimlicher grauer Kasten in die Höhe erstreckt. Hinata bleibt an der Tür stehen, lächelt mir aufmunternd zu und ich warte fast darauf, dass sie mir ihre erhobenen Daumen entgegenstreckt. Allerdings ist es Hinata und sie macht solche dämlichen Sachen nicht – anders als Naruto. „Du machst das sch-schon“, versucht sie mich noch mit Worten aufzumuntern und ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, öffne die Tür und betrete den nur von künstlichem Licht erhellten Flur, der mich zu den Umkleidekabinen führen wird. Hinata steht da und ich weiß, dass sie mich mit einem besorgten Blick beobachtet, während der Schlitz zwischen Tür und Rahmen immer kleiner wird und sie schließlich mit einem lauten Knall ins Schloss fällt. Weg zum Schafott, sag ich doch. Die Mädels vom Volleyballteam ziehen sich immer in der dritten Kabine um und vor dieser stehe ich viel zu schnell. Ich schließe meine Augen, hole tief Luft, stelle mir tausend Dinge vor, die mir Tenten antun könnte und überlege, ob ich nicht einfach wieder gehen soll. Aber es muss weitergehen. Ich kann mich nicht noch länger verstecken! Deshalb atme ich noch einmal tief ein und aus, lege meine Hand auf die Türklinke und drücke sie nach unten. Das erste, was mir entgegenschlägt, ist der Geruch von Schweiß und Deo, der nie vollständig aus den schmalen Umkleidekabinen verschwindet. Erst danach nehme ich die Geräuschkulisse, kichern und tratschen, wahr. Einige der Mädchen (manche Namen kenne ich gar nicht) haben sich bereits eingefunden, sind schon mit dem Umziehen fertig und gerade dabei ihre Pferdeschwänze festzuziehen oder ihre Taschen in den Spinden zu verschließen. Ich suche mir einen Spind gleich an der Tür, um ein wenig abseits der anderen zu stehen und genügend Raum für meine Gedanken und mich zu haben. Dennoch kann ich es mir nicht verkneifen, mit einem halben Ohr dem Gespräch zu folgen, während ich aus meinen Schuhen schlüpfe und mir den Rock abstreife. Normalerweise würde ich jetzt mit Ino einen vielsagenden Blick wechseln und schweigend über die anderen und ihre Worte urteilen. Leider steht Ino nicht neben mir und die Themen sind kaum ein Augenrollen wert (waren sie das überhaupt jemals?). Ich verknote gerade meine Schuhe als das Gespräch der anderen auf das kommende Wochenende und das erste Fußballspiel nach den Sommerferien fällt. „Du bist doch sicher dabei Shion“, sagt eine der Namenlosen und aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie vielsagend ihre Brauen hebt. „Mal schauen. Ich soll am Wochenende im Schrein aushelfen.“ „Schleich dich raus“, erwidert eine andere und an diesem Punkt kann ich mir das Augenverdrehen doch nicht verkneifen. „Was ist mit dir, Sakura?“, ruft Tayuya zu mir rüber und ich setze mein schönstes, falsches Lächeln auf, bevor ich meinen Kopf zu ihnen drehe. „Hinata und ich wollten vorbeischauen, also ja“, antworte ich, bemerke einen kurzen Austausch der Blicke bei den anderen und widme mich anschließend wieder meiner Sportsachen, um sie im Spind zu verschließen. Ich achte nicht weiter auf das was folgt und mache innerlich drei Kreuze als Temari, unsere beste Spielerin, die Umkleide betritt. „Haruno. Schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt“, begrüßt sie mich und klopft mir im Vorbeigehen auf die Schulter. Ich möchte gerade etwas erwidern, als Ino hinter ihr den Raum betritt und an mir vorbeigeht, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Allerdings wählt sie einen Spind, der nur drei neben meinem liegt und kurz keimt Hoffnung in mir auf. Als ich jedoch sehe, dass sie sich die Nummer 10 gesichert hat, weiß ich, dass es weniger mit mir und mehr mit ihrer Glückszahl zu tun hat. Meine Bauchschmerzen werden schlimmer, ich greife nach meiner Wasserflasche und laufe wortlos an den anderen vorbei in die Halle. Hohe, mit hellem Holz verkleidete Wände umgeben mich, nachdem ich die schwere Tür aufgedrückt habe und erneut überzieht eine Gänsehaut meinen Körper. Allein in einem so großen Raum, trotz weißer Trennwand, ist einschüchternd. Auch die Fensterfront auf der anderen Seite kann dagegen nichts machen. Ich stelle meine Flasche an die Wand und gehe ein paar Schritte weiter hinein. Meine Schuhe quietschen auf dem Hallenboden, der von so vielen Linien in unterschiedlichen Farben überzogen ist, dass ich jedes Mal Kopfschmerzen bekomme, wenn ich zu genau hinschaue. Unsicher drehe ich meinen Kopf ein wenig hin und her und blicke mich um, fixiere kurz die an der Decke hochgefahrene Basketballkörbe. Dabei stolpere ich beinahe über einen der kleinen Deckel, die normalerweise die Löcher im Boden bedecken. Für unser Training benötigen wir diese Löcher allerdings, um die Stangen befestigen zu können. Ohne sie kein Netz und ohne Netz kann man es gleich sein lassen. Es muss also doch bereits jemand hier sein und wie als hätte sie nur darauf gewartet, dass mir der Gedanke kommt, erscheint Tenten plötzlich neben mir. Sie sagt im ersten Moment nichts, mustert mich nur und scheint darauf zu warten, dass ich reagiere. Mir fällt allerdings kein guter erster Satz ein, kein lockerer Spruch, der unsere Differenzen herunterspielen könnte, also schweige ich ebenfalls. „Auch endlich hergefunden?“, fragt Tenten schließlich und dreht sich dann wieder weg. Hätte schlimmer kommen können und ich schlussfolgere aus dieser Aussage, dass es damit erledigt ist. Nach und nach gesellen sich die anderen zu uns, wir tragen jeweils zu zweit die Eisenstangen und befestigen sie im Boden, bevor wir das Netz dazwischen aufspannen. Am Ablauf hat sich über die Ferien also nichts geändert. Nachdem dieser Teil der Trainingsvorbereitung abgeschlossen ist, laufen wir wie gewohnt fünf Minuten lang im Kreis, um uns aufzuwärmen. Ein bisschen springen da, ein wenig rückwärtslaufen dort und ich merke nach gerade einmal vier Runden, wie mich meine Kondition im Stich lässt. In den Ferien heulen und das Haus nicht verlassen hat genau die schwerwiegenden Folgen, mit denen ich bereits gerechnet habe. Nur kommen sie mir jetzt noch viel schlimmer vor. Stöhnend und schwer nach Atem ringend, geselle ich mich mit den anderen in die Mitte der Halle und wir machen gemeinsam im Kreis einige Dehn- und Kraftübungen. Tenten teilt uns zum Abschluss des Aufwärmens in Zweierteams ein. Zu meinem Glück bekomme ich Temari, die bereits einen Volleyball in der Hand hält. Wir Baggern und Pritschen, lachen über jeden Fehler, der uns (also mir) unterläuft und ich blende für die nächsten Minuten den ganzen Mist der letzten Wochen aus. Nur die Schmerzen in meinen Waden kann ich nicht ignorieren. Man merkt, dass Temari mit Abstand unsere beste Spielerin ist. Sie erwischt jeden Ball, egal wie blöd ich ihn ihr zuwerfe. An meinen Annahmefähigkeiten muss ich noch immer üben, allerdings mache ich den ganzen Spaß auch noch nicht so lange mit – Temari schon seit der Grundschule. „Okay, das reicht!“, ruft Tenten irgendwann und ich fange den Ball, der gerade seinen Weg zu mir zurücklegt, auf. „Wir üben heute mal ganz ausgiebig unsere Blocks. Die sind grauenhaft, Mädels. Und wenn ich grauenhaft sage, meine ich wirklich richtig grauenhaft“, sagt sie und fixiert währenddessen jeden von uns kurz. Tenten in ihrem Element. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, als ihr Blick auf mir liegt und ich frage mich, warum ich mir das nochmal angetan habe. „Mir reichen erst einmal drei Spielerinnen. Der Rest übt mit sich selbst. Ino, Shion und Tayuya. Die ersten zehn Blocks macht Ino. Ihr zwei stellt euch auf die andere Seite.“ Ich beobachte aus den Augenwinkeln wie Ino ganz entspannt unter dem Netz hindurch taucht und sich kurz streckt und dehnt, als sie wieder aufrecht steht. Tenten fährt den Ballwagen an uns vorbei und die, die keinen Volleyball haben, holen sich einen heraus. Ich beginne bereits mit dem Pritschen. Auf und ab, auf und ab. Währenddessen huscht mein Blick immer wieder zurück zum Feld, wo Shion für Tayuya die Zuspiele macht und diese mit voller Wucht den Ball über das Netz zimmert. Inos Blocks kann ich nicht richtig sehen und bei dem Versuch, es doch irgendwie unauffällig hinzubekommen, fällt mir mein Ball herunter. „Keine Sorge, du darfst das auch gleich machen“, zieht Temari mich auf und läuft entspannt an mir vorbei. Wir sollen rotieren und plötzlich bin ich nicht mehr allein mit dem Ball unterwegs, sondern diejenige, die Ino die Zuspiele geben darf. Ich bin richtig verkrampft aus Angst, ich könnte es versauen und sie mir das übel nehmen. Aber irgendwie bekomme ich diese zehn Bälle zustande und darf auf die andere Seite des Netzes, weg von Ino, die entlassen ist, und mich in den Block stellen. Ich beiße meine Zähne bei jedem Ball, den ich mit meinen Händen versuche nach unten zu drücken, zusammen, weil ich mich schon darauf vorbereite, ihn nicht richtig zu treffen und mir so die Finger umzubiegen. Nachdem ich diese Tortur mit minder großem Erfolg und einigen Verbesserungsvorschlägen von Tenten hinter mich gebracht habe, finde ich mich im Angriff wieder. Etwas, das mir um einiges besser gefällt. So geht es eine ganze Weile, entweder eine der Positionen oder durch die Halle laufen und Pritschen. Tenten ruft uns hie und da ein paar Tipps zu, lässt Shion anhalten und zeigt ihr die richtige Fingerhaltung oder schüttelt über das Anspiel von einer von uns den Kopf. Mit der Zeit merke ich immer mehr, wie die Muskeln in meinen Armen ziehen und ich ahne bereits, dass das der schlimmste Muskelkater meines Lebens werden wird. Als Tenten endlich beschließt, diese Quälerei zu beenden, ist die Trainingszeit schon beinahe vorbei und wir kommen zum abschließenden Trainingsspiel. Mein absoluter Lieblingsteil im Training und ich freue mich darauf, bis ich sehe, mit wem Tenten mich ins Team steckt. Ino. Diese ignoriert mich allerdings nicht mehr und mit tödlichen Blicken erdolcht sie mich auch nicht. Sie spricht unsere Aufstellung ab und verweist darauf, dass ich noch einen Schritt hinüber gehen solle, um richtig zu stehen. Es ist seltsam, ich spüre nichts von der Feindseligkeit, die sie mir sonst entgegenbringt und bin kurz versucht zu glauben, dass sie nicht länger sauer auf mich ist. So schnell geht das bei ihr allerdings nicht. Wir schlagen uns gut, obwohl Temari im gegnerischen Team ist und sich den ein oder anderen Punkt mehr sichert – und den ersten Satz. Man kann von einer Mannschaft, in der drei absolute Neulinge, zwei bessere, aber nicht gute Spielerinnen, sind, nicht erwarten, dass sie gegen einen Halbprofi, der wohl sogar allein gegen uns alle spielen könnte, gewinnen. Nach dem zweiten verlorenen Satz tausche ich mit Tayuya Feld gegen Bank und lehne mich gegen die Wand, um besser Luft zu bekommen. Ob das wirklich hilft, weiß ich nicht, aber es kommt mir zumindest so vor und das reicht mir für den Augenblick. Ein paar Sterne tanzen vor meinen Augen, während ich die Luft regelrecht in mich einsauge. Es macht Spaß, den anderen zuzuschauen, obwohl ich einen Stich im Bauch verspüre, immer wenn ich Ino in Aktion erlebe. Ich möchte einfach wissen, was in ihr vorgeht und wie ich mich bei ihr entschuldigen soll. Es ist so als würde mir erst jetzt bewusst werden, wie sehr sie mir fehlt, obwohl das ein Gefühl ist, das ich schon seit Wochen mit mir herumtrage. Länger kann ich meinen Gedanken nicht nachhängen, weil eins der namenlosen Mädchen ausgewechselt werden möchte. Ich stehe also auf und begebe mich für die letzten zehn Minuten nochmal aufs Spielfeld. Immerhin breche ich mir nichts. Allerdings biege mir meine Finger bei einem Block um und ich merke, dass ich heute keinen Marathon mehr laufen werde. Unendlich dankbar schlurfe ich beinahe vom Feld als Tenten uns endlich entlässt. Die Streber, wie Ino und ich sie immer nennen, laufen sich noch ein paar Bahnen aus und wir anderen beginnen bereits mit dem Abbau des Netzes und der Stangen. Ein wenig ereignislos kommt mir das Training schon vor, nachdem ich mir so viele Gedanken darüber gemacht habe und mir fieberhaft überlegte, wie ich es vermeiden kann. Kein Drama mit Ino, keine in meine Richtung geworfenen Bälle von Tenten und absolut blamiert habe ich mich auch nicht. Temari verwickelt mich auf dem Weg in die Umkleidekabine in ein Gespräch und so dränge ich diese Gedanken ganz weit nach hinten. Sie interessiert sich hauptsächlich dafür, ob Kakashi-sensei immer noch dieselben Übungsblätter nutzt wie letztes Jahr bei ihr und was ich in den Ferien so getrieben habe. Die erste Antwort fällt mir leicht, ja. Bei der zweiten muss ich kurz überlegen und erwidere so vage wie möglich: „Nicht viel. Ich war häufig daheim eingespannt.“ Ein leises Räuspern, das definitiv von Ino kommt, lässt mich zusammenzucken, aber Temari fällt das zum Glück gar nicht auf. „Wenn Eltern einen in den Ferien einspannen, kann das echt nerven“, antwortet sie stattdessen und schenkt mir einen mitfühlenden Blick. Das schlechte Gewissen nagt an mir, weil ich Temari ein falsches Bild vermittle und meine Mutter als Spielverderberin dastehen lasse, aber korrigieren will ich es auch nicht, also muss ich damit klarkommen. Meine Mutter wird davon sowieso nie etwas erfahren und das Bedürfnis nach einer heißen Dusche und meinem Bett, mildert mein schlechtes Gewissen erheblich ab. Am nächsten Morgen komme ich kaum aus dem Bett. Ausnahmsweise aber nicht wegen irgendwelcher emotionalen Probleme, sondern weil mir alles weh tut. Ich weiß nicht wie ich aufstehen soll und als ich zu allem Überfluss auch noch niesen muss, schreie ich beinahe laut auf. Das Waschen und Anziehen ist ebenfalls eine Tortur, doch nichts im Vergleich zum Treppen hinunterlaufen. Ich habe das Gefühl bei jedem Schritt ein wenig zu sterben. Wie viel Schmerz ein Mensch wohl aushalten kann? Fühlt sich eine Geburt auch so furchtbar an? Begreife ich hier endlich, was wahre Folter ist? Meine Mutter lacht mich aus, als ich schwerfällig die Küche betrete und versuche mich möglichst schmerzfrei auf einen der Stühle zu setzen. Ich war noch nie so froh darüber, dass wir hier eine westliche Einrichtung haben. „Ich hab dir gesagt, du sollst mehr rausgehen“, erklärt mir meine Mutter gutgelaunt und erntet dafür einen bösen Blick. Wenn sie wüsste durch welche Hölle ich gehen musste, während sie ständig mit irgendwelchen Ideen und Tipps zu mir kam … aber dafür müsste ich ihr erst alles erzählen und ich bin mir nach wie vor sicher, dass ich das auf keinen Fall tun werde. „Schläft Papa noch?“, frage ich und wechsle so – zugegeben sehr offensichtlich – das Thema. „Ja. Er war gestern wieder lange unterwegs. Allerdings sollte ich ihn wohl langsam wecken, sonst kommt er zu spät“, erwidert meine Mutter mit einem kurzen Blick auf die Uhr über der Tür. „Besser wäre es“, stimme ich ihr zu, greife nach der Schüssel Reis und den Stäbchen vor mir und beginne langsam zu essen. Meine Mutter stellt mir noch eine Schüssel mit gedünstetem Gemüse hin und ich nehme mir gleich eine Karottenscheibe. „Vielleicht ein Danke?“ „Danksche“, nuschle ich mit vollem Mund und verdrehe innerlich die Augen. Wenn sie das nicht machen möchte, soll sie es eben lassen. Mütter und ihr Meckern. Ich lege die Stäbchen zur Seite und erhebe mich, den letzten Bissen noch im Mund. „Bin dann mal weg.“ Zu schwungvoll drehe ich mich um und bleibe mit schmerzverzerrtem Gesicht stehen. „Geschieht dir recht“, kommentiert meine Mutter diese Situation, die ihr selbstverständlich nicht entgangen ist. Ich brumme vor mich hin und verlasse wortlos die Küche. Im Gang greife ich nach meiner Tasche und wechsle meine Schuhe. „Bis dann“, rufe ich bissig ins Innere des Hauses und verlasse es schnell, weil ich weiß, dass der Ton keine gute Idee war. Gefühlt brauche ich doppelt so lange wie sonst zur Schule. Dass es sogar hinkommen kann, merke ich daran, dass Naruto ungeduldig auf seine imaginäre Armbanduhr tippt als ich vor dem Schultor ankomme. „Hast du dich verlaufen, oder was?“, fragt er mich mit hochgezogenen Augenbrauen und in meinem Zustand der absoluten Schmerzen, möchte ich ihm dafür gerne eine verpassen. Sasuke steht allerdings neben ihm und mich erneut vor ihm zu blamieren kommt gar nicht in Frage. „Ich bin immerhin noch rechtzeitig da, oder?“, erwidere ich deshalb und laufe an ihnen vorbei. Hinata folgt mir als erstes, holt mich ein und flüstert: „W-wie war es … gestern?“ „Gut. Mir tut nur alles weh“, antworte ich. Und es fühlt sich sogar wie die Wahrheit an. Nichts Schlimmes, kein Drama, keine Tränen. Nur mein Muskelkater, der mir den Morgen versaut. Ich merke dennoch, wie sie mich kurz mustert. „Das freut mich.“ Sie scheint mir wohl zu glauben. „Was flüstert ihr denn da?“, mischt Naruto sich plötzlich ein und legt freundschaftlich seinen Arm über Hinatas Schulter. Diese läuft augenblicklich tiefrot an und beginnt damit, unverständliche Wörter zu stottern. Bei all dem Mitleid muss ich sagen, freut mich diese Szene. Immerhin fällt Hinata nicht in Ohnmacht, sondern hält sich tapfer auf den Beinen und versucht durch Räuspern ihre Stimme wieder zu finden. „Nichts, was dich etwas angehen würde“, erwidere ich bissig und gebe Hinata so ein paar Sekunden, um Luft zu holen. Naruto zieht eine Schnute und spielt für einen Augenblick den tiefverletzten, bevor er mich wieder angrinst. Er öffnet seinen Mund, um etwas zu antworten, als … „Uzumaki. Finger weg“, ertönt vor uns eine Stimme und wir zucken alle zusammen. Das was Tenten für mich ist, scheint Neji Hyuuga für Naruto zu sein. Denn auf dessen Gesicht erscheint ein ähnlicher Ausdruck wie bei mir als Tenten mich das letzte Mal zusammen gepfiffen hat. Narutos Arm ist schneller von Hinatas Schulter verschwunden als ich blinzeln kann und den kalten Schauer, der ihm über den Rücken läuft, kann man förmlich sehen. Die Temperatur um uns herum scheint um zehn Grad zu fallen und einige Schüler bleiben stehen und verfolgen neugierig, was nun als nächstes kommen mag. „S-sorry Neji. Sorry Hinata. Ich … ich hab das ga-“, beginnt Naruto nervös und seine Stimme überschlägt sich. Das was sich gerade vor meinen Augen abspielt ähnelt einem Autounfall. Man möchte nicht, aber muss hinschauen. „Dann pass das nächste Mal besser auf. Wobei, wenn ich so an dein Abwehrverhalten denke, ist das nicht deine Stärke.“ Aus jedem Wort trieft die Überheblichkeit heraus und sogar mir fällt es schwer, die Ruhe zu bewahren. Tatsächlich fällt mir nur eine Antwort ein und die beinhaltet kein Reden. Den Vergleich mit Tenten muss ich zurückziehen – so würde sie sich nie verhalten. Naruto, der bis gerade eben noch alles versucht hat, um die Situation zu entschärfen, verkrampft sich nun und geht einen Schritt auf Neji zu. Dieser steht mit verschränkten Armen und einem herablassenden Blick vor ihm, gerade als wolle er ihn provozieren. „Naruto.“ Sasukes Stimme ist leise, aber schneidend und mir stellen sich die Haare im Nacken auf. Ich wage einen Blick zu ihm und bin irgendwo zwischen Faszination und Furcht gefangen, als ich seine Augen sehe. Hier möchte jemand keine Widerworte hören und das zeigt auch bei Naruto Wirkung. Er atmet tief durch und geht einfach an Neji vorbei. Sasuke schaut kurz zu uns – besser gesagt zu mir – und scheint mir damit einen Hinweis geben zu wollen. Von dieser surrealen Situation noch immer überfordert, benötige ich zwei, drei Sekunden bis ich verstehe, dass ich Hinata mit ins Gebäude ziehen soll. „Bis dann Neji“, verabschiede ich mich, Hinata nuschelt etwas vor sich hin und wir laufen zwischen den glotzenden Schülern die letzten Meter ins Gebäude. Einen Schritt schneller – zu meinem Bedauern – um von Neji nicht zurückgepfiffen zu werden. Sasuke bleibt hinter uns zurück. Gerade als wir bei unseren Spinden ankommen, höre ich laute Schritte hinter uns und ich befürchte bereits, dass Neji Hinata doch gefolgt ist. Damit irre ich mich aber. Als ich mich umdrehe, kommt Ino auf uns zu. Ihre Hände zu Fäusten geballt, die Wangen aufgebläht und wütend ist gar kein Ausdruck für das, was sich auf ihrem Gesicht widerspiegelt. „Das war jetzt nicht sein beschissener Ernst!“, ruft sie beinah als sie bei uns ankommt. „Dieser eingebildete Vollidiot hat jetzt nicht ernsthaft vor der halben Schule einen Aufstand veranstaltet, weil Naruto Hinata berührt hat. Steigt ihm sein Muskeltraining zu Kopf?“ „Was weiß ich“, erwidere ich, dankbar nicht der Grund für ihre Wut zu sein. „Dieser ach so wichtige Familienstolz ist ihm doch schon vor Jahren zu Kopf gestiegen.“ „Am liebsten würde ich ihm gerade einfach … meine Fresse“, flucht Ino weiter und wendet sich an Hinata. „Es tut mir so leid, das muss dir wirklich unangenehm gewesen sein. Vor allem, weil ...“ Sie beendet den Satz nicht, aber wir wissen worauf sie hinauswill. Mit einem Blick über meine Schulter sehe ich, dass Naruto sich am Ende des Gangs herumdrückt und vorsichtig zu uns hinüber schielt. Sasuke ist mittlerweile bei ihm angekommen und redet geradezu auf ihn ein. Was er wohl sagt? „Sch-schon gut Ino“, versucht Hinata sie zu beruhigen, „das ist … ist nicht s-so schlimm. Naruto dürfte es wohl … noch p-peinlicher sein.“ Ob das stimmt, wage ich zu bezweifeln. Hinata ist wegen jeder Kleinigkeit beschämt, während dieser Trottel das meiste nur mit einem Grinsen kommentiert und manchmal noch nicht einmal mitbekommt. Ino legt Hinata mitfühlend die Hand auf die Schulter, was diese mit einem leichten Lächeln kommentiert. „I-ich muss noch meine Schuhe wechseln“, erwidert sie irgendwann und da fällt auch mir auf, dass ich das noch machen muss. Ino nickt und mit einem kurzen Blick zu mir, fällt ihr auch endlich ein, wer da noch steht. „Falls noch was ist, sag Bescheid.“ Und damit verschwindet sie, ohne ein Wort an mich gerichtet zu haben. Das Gestern scheint wohl dem Teamgeist geschuldet gewesen zu sein. Es hätte mich auch gewundert, wenn sie so schnell wieder in die tägliche Routine übergegangen wäre. Ino ist verdammt nachtragend. Schnell wechseln wir unsere Schuhe, sodass mir keine Zeit mehr bleibt, länger darüber nachzudenken und brechen dann zum Klassenzimmer auf. Zu unserem Glück sind Naruto und Sasuke bereits ohne uns losgegangen. Ich weiß nicht, wie Hinata das überstehen sollte, wenn sie bis zum Klassenzimmer neben Naruto laufen würde. Diese skurrile Szene hat wahrscheinlich – dank Smartphones – bereits in der ganzen Schule die Runde gemacht. Mit stoischem Blick läuft sie neben mir her und ich muss wirklich zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe. So schüchtern und unsicher wie sie ist, war ich mir sicher, sie ins Krankenzimmer zu begleiten. Doch Hinata bleibt eisern. Sie ignoriert die Blicke und das Getuschel der anderen und geht die Gänge entlang als wäre nichts gewesen. Man merkt nur, wie sehr es ihr zu schaffen macht, weil sie sich nicht mit mir unterhält und sie ihre Schultasche im Sekundentakt die Hand wechseln lässt. Sie macht das – in einem viel schnelleren Tempo – was ich mir seit Tagen vornehme. Einfach weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)