Harry Potter und die verlorene Zeit von Hermine_Weasley (Buch 8) ================================================================================ Kapitel 12 Teil 1: Hogwartsexpress ---------------------------------- Kapitel 12:  Hogwartsexpress Harrys Stimmung an diesem Abend war miserabel. Er war einfach heillos überfordert mit all den wuseligen, aufgeregten und überenthusiastischen Weasleys. Aber am schlimmsten war Hermine, die nun fest davon ausging, dass sowohl Harry als auch Ron mit nach Hogwarts kämen und dabei über jeden Protest erhaben war. Sie hatte kurz damit zu kämpfen gehabt, dass sie selbst nicht Schulsprecherin geworden war, aber die Aussicht auf den vielen, nachzuholenden Lernstoff, glich dies schnell für sie aus. „Ich werde eh keine Zeit für Verpflichtungen neben dem Lehrplan haben!“, warf sie immer wieder ungefragt ein, wenn das Thema darauf kam. Im Verlauf des Nachmittags hatte Harry immer weniger an den Unterhaltungen teilgenommen. Eigentlich hörte er nicht einmal mehr richtig zu. Er nahm wahr, dass Mrs. Weasley ihn in den Arm nahm und Mr. Weasley ihm auf die Schulter klopfte, aber alle weiteren Kommentare und Gespräche hörte er nur wie durch Watte. Erst als die Unterhaltungen plötzlich verstummten, bemerkte er, dass er vom Tisch aufgestanden war. Er murmelte eine Entschuldigung und verließ das Abendessen. „Was ist denn los?“, hörte er Hermine die Anderen fragen, aber Harry ging einfach die Treppe rauf. Er hätte auch selbst nicht sagen können, was mit ihm los war. Harry erwartete Ron in seinem Zimmer vorzufinden, denn dieser war den ganzen Abend nicht wieder herunter gekommen. Doch stattdessen war das Dachzimmer leer. Die Luke zur Dachkammer stand allerdings offen und Rons Stimme war von oben zu hören. Leise kletterte Harry die Leiter hoch und blickte in die kleine Abstellkammer in der Spitze des Dachfirstes. Ron saß auf dem Boden, neben einer zerlumpten Matratze. Auf der unordentlichen Schlafstätte kauerte ein rothaariges, pickeliges Etwas, dass hin und wieder ein tiefes Stöhnen von sich gab. „Hey“, sagte Harry vorsichtig und schaute von dem Ghul im grünen Pyjama zu seinem besten Freund. Ron drehte sich um und nickte ihm zu. „Was machst du hier?“ Ron zuckte mit den Schultern. „Ich komme oft hier hoch. Weißt du, es ist schwer für ihn wieder allein auf dem Dachboden zu wohnen, nachdem er so lange in meinem Zimmer geschlafen hat. Dad hat sich ziemlich intensiv mit ihm beschäftigt und George hat ihm einigen Blödsinn beigebracht.“ Ron schnitt eine Grimasse und der Ghul tat es ihm nach. Seine lange Zunge erreichte dabei fast sein Kinn und er begann röchelnd zu lachen. „Jetzt seh ich die Familienähnlichkeit!“, witzelte Harry und setzte sich neben Ron. Ein Weilchen saßen die Drei so still zusammen bis Ron leise wieder zu sprechen begann: „Außerdem ist er ein sehr guter Zuhörer. Ich hab in den letzten Monaten oft jemanden zum Reden gebraucht, da haben wir einander Gesellschaft geleistet.“ Harry schluckte. Er war Ron wirklich kein guter Freund gewesen, nicht nur in letzter Zeit. Er fummelte ungemütlich an einigen losen Nägeln im Boden herum. Es war ihm unangenehm mit Ron über seine Gefühle zu reden und eigentlich hatte er sich ja auch schon oft genug entschuldigt. „Was ist das mit dir und Hermine?“, fragte Harry stattdessen. Ron sah ihn kurz irritiert an, sackte dann allerdings in sich zusammen. „Wenn ich das wüsste, Mann!“ Ron seufzte tief und starrte hinauf zu den Dachbalken. „Vielleicht hätte ich sie nicht nach Australien gehen lassen sollen. Sie war so verdammt lang weg. Oder ich hätte mitgehen sollen. Aber das ging ja auch nicht wirklich. Ich hatte hier zu tun, ich musste mich um Mum kümmern, um die Beerdigungen und die ganzen Presseleute. Weißt du, dass drei Wochen lang die Reporter vom Tagespropheten in unserer Hecke gelauert haben? Dad hat schließlich einen Vergessenszauber auf die Büsche gelegt, damit sie uns in Ruhe lassen. Einer von denen hat daraufhin komplett die Orientierung verloren, ist gradewegs übers Feld gestapft und im Teich gelandet. Die Muggel-Feuerwerkler haben ihn dann da rausgezogen.“ Harry musste schmunzeln. „Du meinst die Feuerwehr!“ „Ja genau die.“ Ron lächelte ebenfalls. „Jedenfalls hat Dad ganz schön Ärger bekommen. Also offiziell. In Wahrheit war Kingsley hier gewesen und die Beiden haben sich köstlich amüsiert, aber das darf natürlich keiner wissen. Kingsley hat eh schon Probleme mit Leuten die ihm Befangenheit unterstellen. Naja, jedenfalls konnte ich hier nicht weg und Hermine war auf der anderen Seite des Globus. So lange Strecken kann ja niemand apparieren. Also haben wir uns fast zwei Monate nicht gesehen.“ Harry zog die Stirn kraus. Ginny und er hatten sich viel länger nicht gesehen, fast ein ganzes Jahr und es hatte sie nicht davon abgehalten wieder zusammenzufinden. Aber Harry sagte nichts dazu. „Bevor sie weg war, waren wir uns näher gekommen. Sie hat mich geküsst, du weißt schon!“ „Ja ich weiß, ich war dabei.“ Harry lachte. „Ihr beide habt schon immer das schlechteste aller Timings“ „Wo du Recht hast…“, gab Ron zu. „Wir haben uns noch ein oder zwei Mal geküsst, nachdem der Krieg vorbei war, aber es war so viel anderes los. Aber wir hatten viel geredet. Auch über die Zukunft, was wir machen wollen. Wir haben rumgeblödelt und Pläne geschmiedet, wie wir alle zusammen in London wohnen und arbeiten.“ Ron lächelte verträumt. „Aber das war alles bevor sie den Hogwartsbrief bekommen hat. Jetzt will sie nur noch unbedingt zurück auf diese vermaledeite Schule.“ Ron ließ sich nach hinten fallen und wirbelte eine Staubwolke auf. Der Ghul begann zu heulen und zu krächzen, aber die beiden Jungen ignorierten ihn. „Und du willst das gar nicht?“, fragte Harry. „Zurück zur Schule zu gehen, hat ja auch nicht nur negative Seiten.“ „Aber viel zu viele!“ Ron verzog sein Gesicht zu einem traurigen Lächeln. „Ich hab immer noch Albträume. Ich sehe immer wieder wie Fred stirbt oder wie Hagrid deinen leblosen Körper aus dem Wald schleppt. Ich mache die Augen zu und sehe all diese kalten, toten Augen. Ich schlafe kaum mal eine Nacht wirklich durch.“ Harry setzte sich auf. Ron hatte ebenfalls solche Albträume? Es war nicht nur er, der des Nachts von Toten heimgesucht wurde. Auf einmal fühlte er sich noch schlechter und unfähiger als zuvor. Wenn es Ron ebenso schlecht ging wie ihm, was war er dann für ein schlechter Freund, ihn mit all der Last allein zu lassen. Harry hatte sich in seinem stillen Haus verbarrikadiert, während Ron sich allein der Öffentlichkeit gestellt hatte. Bisher hatte Harry einfach immer geglaubt, er wäre der einzige, der litt, der einzige, der Albträume hatte und den das Geschehene nicht losließ. Wie egoistisch er doch war! Ron fuhr indes fort. Nun da er einmal angefangen hatte zu erzählen, sprudelte es aus ihm heraus und Harry merkte, dass Ron auch nicht wirklich Antwort erwartete. Vielleicht hatte er schon zu viele Unterhaltungen mit dem rothaarigen Ghul geführt. „Nachdem Hermine wieder hier war, haben wir lange über Hogwarts geredet. Ich habe ihr von den Träumen erzählt, aber sie ist der festen Überzeugung, dass es besser werden würde, wenn ich mich der Angst und Hogwarts stellen würde. Konfrontationstherapie nennt sie das. Sie meint, wenn ich erst mal in Hogwarts wäre, würde ich die negativen Erfahrungen schnell vergessen. Wahrscheinlich denkt sie, wir würden so viel lernen, dass wir keine Zeit für Albträume hätten.“ Ron schnaubte belustigt. „Jedenfalls habe ich ihr auch gesagt, dass ich es versuchen würde. Für sie. Um mit ihr zusammen zu sein. Aber du hast sie ja vorhin erlebt. Sie ignoriert es vollkommen. Vielleicht weil sie mich nicht will! Aber dann soll sie es einfach sagen, Harry! Ich bin es leid ihr hinterher zu laufen.“ Rons unfreiwilliges Liebesgeständnis kam Harry wieder in den Kopf. Doch, er hatte sich schon recht klar ausgedrückt, allerdings wohl nicht auf die romantischste Art und Weise. Aber Harry konnte verstehen, was Ron meinte. Hermine schien seine Gefühle tatsächlich zu ignorieren, ob mit Absicht oder nicht. „Ich glaube“, sagte Harry vorsichtig und abwägend, “Gefühle sind für Hermine auch nicht einfach. Du weißt doch, dass sie immer gerne alles ganz genau wissen und kalkulieren will. Gefühle sind ihr vielleicht zu unberechenbar. Vor allem wenn es um eine so wichtige und lebensverändernde Entscheidung geht.“ Ron starrte ihn grimmig an und Harry beeilte sich ihn zu beruhigen. „ Aber, und da bin ich mir hundertprozentig sicher, Ron, sie ist verliebt in dich!“ Trotz der Art des ganzen Gesprächs lief Ron bei dieser Aussage knallrot an. Seine Ohren glühten wie Chili-Schoten und sein Gesicht sah aus, als hätte er mindestens drei davon gegessen. „Meinst du wirklich?“, fragte er nach einer Weile zögernd. „Absolut! Und zwar bestimmt schon seit dem dritten Schuljahr.“ „Und dann sagst du nichts? Du bist ja ein schöner Freund!“ Ron boxte ihn auf den Arm. Harry lachte. „Naja, ich war mir auch nicht sicher. Ich bin ja auch nicht grade der Experte wenn es um Mädchen geht. Klar war die Sache erst als du anfingst Lavender abzuknutschen. Hast du nicht bemerkt, wie viel Hermine da geheult hat wegen dir?“ Rons Gesicht verzog sich. „Ne, tatsächlich war ich zu sehr damit beschäftigt Lavender abzuknutschen!“ Ein schiefes Grinsen flog über Rons Gesicht und nun war es Harry der ihn boxte, diesmal fester. „Wir haben wirklich miserables Timing was?“, fragte Ron nachdem sie aufgehört hatten zu lachen. „Aber sowas von!“ Harry bestätigte ihn und rappelte sich wieder auf. Die beiden Jungen schwiegen sich wieder an, aber die Stimmung war eindeutig gelöster. „Und was willst du machen, Harry?“, fragte Ron nach einer Weile. Harry zuckte mit den Schultern. Wieso mussten alle immer dieselbe Frage stellen? „Mir geht es eigentlich wie dir. Ich weiß nicht ob ich zurück nach Hogwarts will. Die Erinnerungen, die Albträume… Aber es wäre schön noch ein letztes, ruhiges Jahr zu haben, auch wegen Ginny.“ Harry wartete einen kurzen Moment. Er hatte seit einer langen Zeit nicht mehr mit Ron über seine Beziehung zu Ginny geredet und wusste nicht wie sein Freund darauf reagieren würde. Aber Ron nickte nur ruhig. „Andererseits“, fuhr Harry fort, „ist die Sache mit der Auroren-Akademie eine einmalige Chance. Ich meine, seien wir mal ehrlich; keiner von uns beiden ist auch nicht ansatzweise gut genug in der Schule um auf regulärem Weg zugelassen zu werden!“ Ron lachte und stimmte ihm zu. „Genau! Und wir wissen ja nicht wie lange Kingsley noch Minister bleibt. Er hat die Stelle schließlich nur kommissarisch angenommen, bis zur nächsten Wahl. Aber Harry, ich glaube du wirst immer irgendwie da rein kommen. Schließlich bist du immer noch Harry Potter, der Auserwählte, der Junge der Überlebt, oder so wie Rita Kimmkorn dich jetzt nennt: der Retter!“ „Bei Merlins Bart, die Frau gehört verboten!“ Harry und Ron lachten so laut, dass der Ghul wieder anfing zu jaulen. Aber aus irgendeinem Grund, wirkte genau das absolut befreiend auf die Beiden. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte Harry das Gefühl, dass es wieder besser werden könnte. Auch wenn er immer noch nicht wusste, wie er sich entscheiden wollte. Auch hatte er Ron noch nichts von seinem Brief aus Hogwarts erzählt. Aber es waren ja noch einige Wochen, bis zum Schuljahresbeginn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)