Weil Liebe niemals einfach ist von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 20: Streit ------------------ Der köstliche Duft von frischen Keksen und heißem Punsch lag schwer in der Luft, untermalt vom holzigen Geruch des Feuers im offenen Kamin. Das Wohnzimmer der Potters in Godric’s Hollow war wahrlich eine Hochburg an weihnachtlicher Pracht, mit all dem festlichen Schmuck, der atmosphärischen Feierlichkeit und der dazu passenden Stimmung. Vor den Fenstern blühten Eisblumen und ließen die überdachte Veranda wie ein Gewächshaus wirken, während im Inneren die gesamte übergroße Potter-Weasley Familie die behagliche Wärme des Ofens genossen. Den Mittelpunkt des Familienweihnachtsfestes bildete der turmhohe Tannenbaum, der mit hellblauen und kupfernen Kugeln und Kerzen aufgeputzt war. Und Schokoschirmen! Lily fand Weihnachten dieses Jahr irgendwie deprimierend. Seit die Feiertage begonnen hatten, war ein Schalter umgelegt und der Heile-Welt-Schein hochgefahren worden. Alle waren unnatürlich freundlich zu einander, sangen Lieder, die sie eigentlich nicht ausstehen konnten und lächelten ständig. Es war alles so eine Farce. Denn unter der Fassade spürte man es deutlich brodeln. Und die Anfeuerung des Brennofens war Lily, was ihr die schnellen Seitenblicke aller Anwesenden sagten. Es wurden lediglich höfliche Floskeln in den kurzen Gesprächen mit ihr ausgetauscht, wenn sie überraschend hinzu kam, verstummten die Anwesenden und warfen sich betretene Blicke zu, doch am schlimmsten war die unterdrückte, aber deutlich spürbare Feindseligkeit. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich das Donnerwetter entladen würde. Jetzt wusste die Rothaarige wenigstens, warum Dominique schon seit Jahren nicht mehr mit ihnen Weihnachten feierte. Scorp hatte ihr erzählt, dass es dem schwarzen Schaf anfangs ziemlich schwer gefallen war, nicht zur Herde zu gehören, auch wenn sie es sich nie hat anmerken lassen. Nach außen hin mochte es so scheinen, als ob es ihre Verwandten vorbehaltslos akzeptiert hätten, dass Domi ein Slytherin war, aber gerade solche Feste wie Weihnachten zeigten deutlich, dass dem nicht so war. Dass sie einfach nicht dazu passte. Alles was nicht ins heldenhafte Schema der Potter-Weasleys passte, wurde mit Distanz und Ablehnung betrachtet. Nicht, dass sie bewusst ausgeschlossen wurden. Früher waren Lily die Sticheleien nicht einmal aufgefallen. Erst jetzt, wo sie das Ziel der allgemeinen Abneigung geworden war, wurde ihr bewusst, wie sehr solche kleinen, oft auch unbewussten Gesten schmerzten. Mit einem Seufzer wandte sie den Blick aus dem Fenster. Es hatte wieder zu schneien begonnen und dicke, fluffige Flocken trieben an den vereisten Scheiben vorbei. Auf dem Verandaumlauf hatte sich bereits eine dünne Watteschicht gebildet und die umliegenden Häuser wurden von der getupften Dunkelheit verschluckt. Sie wünschte, Scorpius wäre hier. „Warum bist du eigentlich hier? Du wärst doch sowieso lieber wo anders. Traurig, dass deine Familie wegen irgendeinem Kerl bei dir nur an zweiter Stelle steht.“ Einfach ignorieren. Nicht hinhören. Albus und Hugo hatten es sich anscheinend zu ihrem Tagesziel gemacht, sie möglichst oft auf die Palme zu bringen. Lily wusste, dass sie sie dadurch nur dazu bringen wollten, Scorp in den Wind zu schießen. Es war nichts Persönliches gegen sie, trotzdem war sie in den letzten Tagen oft abends allein in ihrem Zimmer gehockt und hatte geheult. „Al, hol doch mal bitte eine Flasche Kürbissaft aus der Küche.“ Als sich Schritte hinter ihr entfernten drehte sie sich zu Harry um. Albus‘ Silhouette verschwand gerade im Durchgang zur Küche, Hugo auf den Fersen. Ihr Cousin war zu einer Art Schatten mutiert, der Al überall hin folgte und alles tat, was er tat. Gut, Albus war auch ein wirklich beneidenswertes Idol. In Hogwarts war er Vertrauensschüler, Klassenbester und Schulsprecher gewesen und sein lupenreiner Notendurchschnitt setzte sich auch jetzt in der Aurorenschule noch fort. „Vielleicht solltest du wirklich mal drüber nachdenken, ob…“ „Fang bitte nicht auch noch damit an, Dad.“ „Ich wollte nur,…“ „Ich will auch viel, nur meine Wünsche werden hier irgendwie nicht geduldet.“ „Red nicht in so einem Ton mit Dad!“ „Albus halt dich da raus.“ „Schnauz ihn nicht an!“ „Hugo, halt’s Maul. Dich geht das ja schon mal am allerwenigstens an. Du bist keinPotter.“ „Aber er gehört trotzdem zur Familie, Lily.“ „Schlägst du dich jetzt auch auf ihre Seite, Dad?“ „Nein, ich ergreife für überhaupt niemanden Partei, aber…“ „Wisst ihr was? Ich verschwinde einfach. Das ist es ja was ihr wollt, oder? Dass ich einfach verschwinde und euch euer perfektes Weihnachtsfest feiern lasse. Ohne dunkle Punkte, die nur die allgemeine Heiterkeit trüben und die man am liebsten wieder rein schrubben würden. Tut mir leid, dass ich euren hohen Maßstab nicht erfüllen kann.“ „Lily…“ Alle Augen waren auf die Rothaarige gerichtet, die auf dem Absatz kehrt machte und aus dem Raum rauschte. Harry, Hugo, Albus und seine Flasche Kürbissaft, sowie den Rest der Festtagsgesellschaft zurück lassend. Die Dunkelheit und Ruhe in ihrem Zimmer war wie Balsam für ihre aufgewühlte Seele. Ein Schluchzer bahnte sich seinen Weg aus ihrer Kehle hoch an Tageslicht, gefolgt von einem weiteren und immer mehr. Bald folgten die ersten Tränen, die auf ihre Tasche tropften, als sie Kleidung, Zahnbürste und den Rest der benötigten Utensilien für eine Übernachtung hinein stopfte. Als es an ihrer Tür klopfte, schreckte sie zusammen. Eiligst wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Sah die schwarze Farbe auf ihrer Hand. Toll, sie sah vermutlich aus wie ein Waschbär. Aber für’s Abschminken blieb jetzt keine Zeit mehr. Sie wollte einfach nur noch weg. Raus aus diesem Haus, in dem sie nicht akzeptiert wurde. „Lily, mach die Tür auf.“ Die Stimme ihrer Mutter klang gedämpft durch das Holz, als Lily das Fenster aufriss und mit ihrem Zauberstab ein Seil hinunter in den Garten zauberte. Auf keinem Fall würde sie jetzt an Ginny und dem übervollen Wohnzimmer vorbei zur Haustür gehen. Da kletterte sie lieber aus dem Fenster. An eine Jacke hatte sie natürlich nicht gedacht und kaum stand sie mit ihren Ballerinas und dem dünnen Wollshirt unten im fast kniehohen Schnee, fing sie an zu zittern. Sich über die Arme rubbelnd hastete sie hinunter zum Gartentor. Der weiße Zaun war im Schneegestöber kaum auszumachen, aber sie wusste in etwa, wo die Grundstücksgrenze lag und wo somit der Apparierschutz aufgehoben wurde. Eigentlich durfte Lily noch nicht offiziell apparieren, da sie grade erst alt genug für die Prüfung geworden war, aber ihre Eltern hatten es James, Al und ihr bereits früher beigebracht. Harry und Ginny waren einfach der Ansicht, dass Disapparieren die beste Möglichkeit für ihre Kinder war, um schnell und sicher aus Gefahrensituationen zu entkommen. Man konnte sagen, was man wollte, aber Harry war nun einfach mal ein Auror durch und durch und hatte ganz offensichtlich auch das leicht paranoide Denken eines solchen. Lily für ihren Teil war jedenfalls froh darüber. Apparieren war das Praktischste überhaupt, wenn man schnell und umstandslos von A nach B kommen wollte. Oder von Godric’s Hollow nach Southampton. Vor dem schmiedeisernen, kunstvoll gefertigten Auffahrtstor von Malfoy Manor nahm Lily wieder Gestalt an. In den Hamptons schneite es zwar nicht, dafür lag eine trockene, eisige Kälte in der Luft. Ihr Atem wurde in Form von kleinen, weißen Wölkchen sichtbar und ihr Haar wurde von einer Frostschicht überzogen, während sie die endlos lange Auffahrt zum stattlichen Herrenhaus hoch wanderte. Verdammt, warum in aller Welt musste diese bescheuerte Einfahrt eigentlich so lang sein?! Bis sie endlich vor dem schwarzen Eingangsportal angekommen war, spürte sie ihre Zehen nicht mehr und ihre Lippen schimmerten unter dem farblosen Gloss blauviolett. Aber wenigstens wurde sie schon erwartet und musste nicht erst endlos klingeln, bis sie jemand einließ, weil niemand auf das Malfoysche Anwesen kam, ohne dass der Hausherr davon Wind bekam. „Lily! Was machst du denn hier?“ Ungläubige Überraschung schwang in Scorps Stimme mit, als er den unbekannten Eindringling im Licht, dass aus der geöffneten Tür und den Fenstern fiel, identifizierte. Er senkte den Zauberstab und lächelte. Bis er sie besser sehen konnte und sah, dass dank ihres Sommeroutfits der Frost dezent an ihr nagte. „Um Himmels Willen, komm erste Mal rein. Schon mal in Erwägung gezogen, eine Jacke anzuziehen, wenn draußen frostige Minustemperaturen herrschen? Und anständige Schuhe?“ Der Blonde zog sie ins Haus und warf die Tür hinter ihr ins Schloss, während er aus seinen Lammfellhausschuhen schlüpfte. Leider hatte er nur ein Hemd an, sonst hätte er ihr seine Jacke auch noch gegeben. „Anziehen.“ „Ja, Mama. Verdammt, welche Schuhgröße hast du eigentlich? 58?“ Auch wenn sie bei jedem Schritt aufpassen musste, dass sie die Pantoffeln nicht verlor, war es doch herrlich, in die mollig warmen Schuhe zu schlüpfen. „Mein unpassender Auftritt rührt von meinem überstürzten Aufbruch her – ich hatte keine Zeit mehr, eine Jacke zu suchen. Sonst noch irgendwelche Wünsche, Fragen oder Anregungen oder werd ich jetzt dann endlich mal richtig begrüßt?“ Mit einem Grinsen trat der junge Malfoy an sie heran, schlang die Arme um sie und zog sie an seinen warmen Körper. „Wünsche würden mir jetzt spontan noch einige einfallen, aber die verrat ich dir später“, gab er mit einem Zwinkern zu, eh sich seine Lippen auf ihre legten und ihren kalten Körper mit einem heißen Kuss wieder auftauten. „Darf ich dann erfahren, warum du hier bist? Also, nicht dass ich mich nicht freuen würde – ich bin lediglich überrascht.“ „Naja, Jane hat gesagt, dass du mich gern hier gehabt hättest, also: hier bin ich.“ „Und das ist alles“, fragte Scorp skeptisch und zog eine Augenbraue hoch. Spätestens als Lily schwer seufzte und seinem Blick auswich, war klar, dass das nicht alles war. „Was ist los?“ „Ich hab heute mal am eigenen Leib erfahren, wie es Dominique bei unseren Familienfeiern immer ergangen ist, dann hatte ich einen Streit mit meinem Dad und bin gegangen.“ „Tut mir leid.“ Scorp wusste verdammt gut, was der Auslöser für den Streit und die Ablehnung ihrer Verwandten war: er. Und seine Liebe zu Lily. „Braucht es nicht. Es ist schön hier zu sein.“ Und das war es wirklich. Natürlich hätte sie grade Weihnachten gern mit ihrer Familie verbracht, aber sie hätte auch genauso gern Scorp dabei gehabt. Es war einfach so verdammt schwer für sie, den Spagat zwischen ihrer Familie und ihrem Freund zu meistern, ohne dabei jemanden hinten anzustellen oder zu vernachlässigen. Die junge Potter versuchte wirklich, dieser Aufgabe gerecht zu werden, aber oft hatte sie das Gefühl, damit überfordert zu sein. Wie jetzt zum Beispiel. „Find ich auch. Ich hätte es mir gewünscht, aber ich wollte dich nicht vor die Wahl zwischen deiner Familie und mir stellen. Es bleibt sowieso schon viel zu oft nichts anderes übrig.“ Beim Anblick seines traurigen Lächelns konnte Lily gar nicht anders, als sich auf die Zehenspitzen zu stellen, sein Gesicht in ihre Hände zu nehmen und ihn zu küssen. „Gut, anscheinend war unsere Sorge unbegründet – Scorp ist lediglich mit einem grade angekommenen Geschenk beschäftigt.“ Lily löste sich beim Klang dieser kalten, herablassenden Stimme von Scorp und erwiderte Domis unfreundlichen Blick. Die blonde Schönheit stand im Durchgang zwischen dem Flur und dem großen Wohnzimmer und hatte über die Schulter mit jemandem gesprochen, den Blick dabei jedoch fest auf das Pärchen geheftet. Scorpius hatte Lily berichtet, dass ihre Lieblingscousine bei ihm eingezogen war. Lily war entzückend, Domi jetzt jede Nacht in Scorps Nähe zu wissen. Aber sie wollte ja nicht die eifersüchtige Freundin spielen und hatte brav ihre Einwände für sich behalten. Außerdem vertraute sie Scorp schließlich. Dominique zwar eher weniger, aber das war eine andere Geschichte. „Dir auch fröhliche Weihnachten, Dominique“, begrüßte die junge Potter ihre Cousine gelangweilt. Neben ihr fing Scorp zu grinsen an, blendend amüsiert über das Gezanke der beiden. Er legte Lily den Arm um die Hüften und führte sie zu Domi, der er ebenfalls einen Arm um die Taille schlang. „Hab ich schon mal erwähnt, dass ich es liebe, wenn sich zwei schöne Frauen um mich streiten?“ Keine der beiden ging darauf ein, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, sich an Scorps Brust vorbei böse Blicke zuzuwerfen. „Wir haben Besuch.“ Das herrschaftliche Wohnzimmer war dezent mit silbernem Lametta geschmückt und in der Ecke strahlte eine Silbertanne unter der Last von großen, verschnörkelten Kugeln, tropffreien Kerzen und Engelshaar. Sehr stilvoll, das musste man schon sagen. Aber wahrscheinlich hatte Scorp den Baum geschmückt, da war es kein Wunder. „Lily!“ Jane stürmte mit wehenden Goldlocken heran und umarmte Lily ungehalten. Quinns Schwester hatte einen Narren an der Rothaarigen gefressen, seit die beiden gemeinsam Hausaufgaben gemacht hatten. Im weißen Marmorkamin flackerte ein gemütliches Feuer und beleuchtete die lederne Couchgarnitur davor. Auf dem Perser hatte sich Domis Yorkshire Terrier ausgetreckt und musterte den Neuankömmling interessiert. Dahinter saßen Quinn und Jacob, beide eine dampfende Tasse Eierpunsch in der Hand. „Hallo.“ „Sag mal, Rotschopf, stehst du eigentlich drauf, im Winter leichtbekleidet durch die Finsternis zu laufen.“ Q grinste, eine Augenbraue hochgezogen. Es war ja immerhin nicht das erste Mal, dass Lily vor dem Erfrieren gerettet werden musste. Nur, dass sie damals davon gerannt war, weil Dominique sie fälschlicherweise alle hat glauben lassen, dass Scorp zu Silvester etwas mit ihr gehabt hatte. Erst Quinn hatte die Sache dann aufklären und wieder richten können. Lily warf Domi einen hasserfüllten Blick zu und erntete dafür ein süffisantes Lächeln von der Schönheit. „Was verschafft uns jetzt eigentlich die Ehre deines Besuchs?“ Am liebsten hätte Lil die höhnische Frage ihrer Cousine ignoriert, aber auch Jacob, Quinn und Jane blickten sie fragend an, während sie sich neben Scorp auf dem Ledersofa niederließ. „Eierlikörpunsch, Madame?“ Ein Hauself hielt ihr einen schlagobersgekrönten Becher hin und zog sich dann wieder diskret zurück. „Danke.“ Dann wandte sie sich wieder an die Magier. „Meine Familie.“ Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und Scorp im Gegenzug ihre freie Hand. Der Punsch schmeckte herrlich: süßer Beerenpunsch mit wenig Alkohol, darüber eine dicke Schlaghaube, die mit einem anständigen Schluck Eierlikör übergossen war. Am Tisch vor ihr stand ein Teller mit verschiedenen Kekssorten. In knappen Worten erzählte sie, was passiert war und lächelte amüsiert, als Jane sich darüber empörte und dabei Aniskekskrümmel über die Anwesenden verteilte. „Na wenigstens bin ich heute nicht der Einzige, der vor seiner Familie geflüchtet ist.“ Jacob lächelte schwach, als Lily ihn fragend ansah. „Meine Eltern haben sich bei der engen Auswahl von 365 Tagen genau heute ausgesucht, um mir zu sagen, dass ich heiraten soll. Oder eher werde. Sie haben schon eine wundervolle, akzeptable Kandidatin ausgesucht und stecken schon seit geraumer Zeit in den Vorbereitungen für die Hochzeit.“ „Oh mein Gott, wie mies ist das denn? Na, dass nenn ich mal ein schönes Weihnachtsgeschenk.“ „Jap“, stimmte Jake ihr trocken und mit wenig bis nicht vorhandener Begeisterung zu. „So schön, dass ich meine Sachen gepackt hab und gegangen bin. Zum Glück hat Malfoy Manor genug Gästezimmer.“ Bevor Lily gekommen war hatten die ehemaligen Slytherins auch über das Thema geredet, vor allem weil Domi die Braut recht gut kannte und viel über sie erzählen konnte. „So viel also zum Thema Fest der Liebe“, brachte Scorp den Tag und seine Geschehnisse auf den Punkt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)