Weil Liebe niemals einfach ist von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 18: Besuch ------------------ Unruhig wanderte Lily in ihrem Schlafsaal auf und ab, die Schülerzeitung in der Hand und immer wieder einen Blick auf die Übersicht der Schlagzeilen werfend. Das besondere Layout der Hogsnews war Segen und Fluch zugleich: auf der Titelseite war eine Auflistung der aktuellen Topseller. Zwei davon zogen Lilys Aufmerksamkeit besonders auf sich. Die Kesselexplosion im Kerker und der Vandalismus in der Bibliothek. Auch wenn sonst niemand Verdacht schöpfte, die Rothaarige hatte das ungute Gefühl, dass ein bestimmter Professor und ein bestimmter ehemaliger Schüler ihre Finger dabei im Spiel hatten. Die Frage war nur, ob sie wirklich Gewissheit haben wollte. Bei der Sache war jemand zu Tode gekommen. Es war jemand gestorben! Aber dass die beiden nicht vor einem Mord zurück schreckten, hatten sie ja schon bewiesen. Dreimal. Hagrid. Und diese beiden Heiler. Ihr wurde schlecht und ihr Magen machte auf einmal einen auf Seestern und versuchte nach draußen zu gelangen. Doch anstelle ihres Nahrungsverwerters spuckte sie nur Galle in die Kloschüssel. Es waren drei unschuldige Leben erloschen. Wegen Scorp. Wegen dem Kerl, den sie liebte. Allein das Denken dieser Worte, erzeugte in ihr einen Hass auf sich selbst, wie sie ihn noch nie gefühlt hatte. Verdammt, es gab Milliarden Menschen auf der Welt, warum musste sie ihr verfluchtes Herz ausgerechnet an einen größenwahnsinnigen Mörder verschenken?! Doch so sehr sie es sich auch wünschte, von ihm loszukommen, sie schaffte es nicht. Die Zeit ohne ihn hier in Hogwarts hatte es ihr gezeigt. Sie vermisste ihn so sehr, ihre Sehnsucht fraß sie beinahe von innen heraus auf. Das war auch der Grund, warum sie eingewilligt hatte, Quinn bei diesem bescheuerten Krankenhausbesuch zu begleiten. Er hatte ihr nur gesagt, dass sie einen Plan verfolgten und Scorp mit einer Scheinkrankheit im Mungos war. Damit es möglichst authentisch war, sollten sein bester Freund und seine Freundin ihn besuchen. Die Rothaarige hatte geahnt, dass es nicht so harmlos war, wie ihr neuer Zaubertrankprofessor tat, doch sie hatte trotzdem zugestimmt, mitzukommen. Sie hatte Scorp das letzte Mal im Oktober gesehen, als sie sich in Hogsmead getroffen hatten. Scorp konnte ja nicht nach Hogwarts kommen und bei den nächsten Hogsmeadausflügen war Scorp schon im Mungos gewesen. Dass sie dorthin gegangen war, hatte sich trotzdem als sinnlos heraus gestellt, weil sie nicht zu ihm gelassen worden waren. Ohne den Entschluss dazu gefasst zu haben, machte sie sich auf den Weg in die Kerker. Sie hatte Scorp einmal gesagt, dass sie sicher war, dass nichts sie von ihm fern halten könnte, aber dass sie keine Geheimnisse zwischen ihnen haben wollte. Und das war auch jetzt noch so. Sie musste Gewissheit haben. Warum auch immer. Selbstzerstörung war schon etwas Komisches. Sie könnte ein friedliches Leben mit Scorp führen, wenn sie sich einfach aus seinen Sachen heraus halten würde. Aber nein, sie musste alles hinterfragen und Informationen aus ihm heraus quetschen, die sie Stück für Stück auffraßen. Mann, war sie vielleicht bescheuert. Trotzdem klopfte sie an Quinns neue Bürotür, die Zeitung noch immer in der Hand. „Herein.“ Sein Büro sah genauso aus, wie sein voriges, nur dass es geräumiger war. Der Schreibtisch war überhäuft von Zetteln und Schriftrollen, die die Frage aufwarfen, wie zur Hölle er noch einen Überblick darüber haben konnte, einige bequeme Stühle standen vor dem Tisch herum und dahinter grinste ihr Quinn entgegen. „Lily! Was verschafft mir die Ehre? Setz dich – willst du was trinken?“ Mit einem dünnlippigen Lächeln setzte sie sich. Irgendwie deutete sie seine gute Laune als schlechtes Omen. Freute er sich etwa über die Glückung von drei Aktionen, die sie ihrem Ziel, dem Weltuntergang, einen Schritt näher brachten? Zwei davon, direkt hier in Hogwarts? „Gern, was hast du da?“ „Offiziell: Tee und Kürbissaft. Inoffiziell: alles was du willst.“ Es war irgendwie surreal, dass sie hier saß und sich so gut mit ihm verstand. Noch vor einem Jahr oder so hätte sie sich nicht einmal träumen lassen, freiwillig einen Slytherin besuchen zu kommen. Ganz zu schweigen davon, eine Tasse Tee mit ihm zu trinken. Doch sie war erfreut über diese Wendung. Nachdem er sie vor dem Erfrierungstod gerettet hatte, war Quinn ihr ans Herz gewachsen, mit seiner versauten, aber doch ganz netten Art. Und was sie am meisten an ihm schätzte: er würde alles für Scorp tun. Die beiden waren irgendwie wie zwei Hälften eines ganzen, unvollständig ohne einander. Das war ihr auch schon an Scorp aufgefallen. Sie war ja auch fast ein bisschen eifersüchtig, auf diese Beziehung. Doch so etwas war nicht einfach mal so aufzubauen. Quinn und Scorp waren seit der ersten Klasse unzertrennlich. Und hatten auch schon so einiges miteinander durchgestanden. Scorp hatte ihr erzählt, dass Quinns Dad ein ziemlich mieses Arschloch gewesen war. Einer von der Sorte, der arbeitslos war, nur soff und jedem Rock hinterher stieg. Wenn er betrunken und wütend gewesen war – also so ziemlich immer – hatte er seine Frau verprügelt. Und danach war er zu Quinn ins Bett gestiegen. Sein Vater hatte Quinn von Anfang an nicht gemocht, weil er unterschiedliche Augen hatte, ein erbärmlicher Mangel für einen Reinblüter, der bestraft werden musste, wie er fand. Scorp hatte sich so oft gewünscht, ihm helfen zu können, doch Q hatte seine Hilfe immer abgelehnt und ihn ermahnt, sich raus zu halten. Besser er, als seine Mum. Oder Jane, sein Ein und Alles. Als Quinn 14 gewesen war, war dann mal der Tag gekommen, an dem er seine Mutter tot am Küchenfußboden aufgefunden hatte. Er war hoch in Janes Zimmer, wo sein Vater gerade dabei gewesen war, seinen Gürtel zu öffnen. Q war ausgeflippt, hatte seinen Erzeuger aus dem Raum gezerrt und auf Muggelart ein Küchenmesser zwischen seinen Rippen platziert. Nachdem er es wie einen Amoklauf seines Vaters aussehen hat lassen, war er wieder zu Jane gegangen. Sie hatte bereits mit einem gepackten Rucksack und einem Teddybären in der Hand auf ihn gewartet und lediglich völlig nüchtern gefragt, ob sie denn jetzt zu Oma und Opa gehen würden. Seither trug er die schwere Gliederkette um den Hals und die blutrote Träne unter dem Auge, als Zeichen dafür, dass er jeden bluten lassen würde, der Jane auch nur ein Haar krümmte. Außerdem färbte er sich seither die Haare schwarz. Eigentlich war er nämlich auch blond, wie seine Schwester. „Kürbissaft, bitte.“ Sie setzte sich und legte die Zeitung auf den Tisch. Als Quinns Blick drauf fiel, huschte ein seltsamer Blick über sein Gesicht, der Lily schlucken ließ. „Oder vielleicht doch lieber einen Wodka, bitte.“ Der rotierende Becher mit der schimmernden Flüssigkeit, den der Schwarzhaarige gerade heraufbeschworen hatte, wandelte sich in Farbe und Form, bis schließlich ein flaches Glas mit einem einladend klaren Getränk vor ihr zum Stehen kam. Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, während Lily an ihrem Glas nippte. Die Flüssigkeit brannte in ihrer Kehle und fing nach dem ersten Schluck schon an ihren Kopf leicht zu benebeln. Sie trank normalerweise keinen Alkohol, schon gar nichts mit einem Prozentwert in dieser Höhenlage und dementsprechend schnell zeigte das Zeug auch seine Wirkung. Aber das war vielleicht auch gut so. Ein letztes Mal kam sie mit ihrem Entschluss ins Wankeln. Noch war es nicht zu spät, sie konnte einfach ein unverfängliches Thema anschlagen und danach wieder gehen. „Habt ihr was damit zu tun?“ Ihr Kopf ruckte in Richtung der Zeitung und Quinns Blick folgte der Bewegung. Gut, jetzt war es dann wohl zu spät, um noch zu kneifen. Lange sagte niemand etwas. Beide hatten ihren Blick auf die Schlagzeilen gerichtet und schwiegen. Am Kiefer ihres Zaubertranklehrers zuckte ein Muskel. „Ja. Und nein, mehr sag ich nicht dazu – versuch gar nicht erst nachzufragen. Scorp hat ausdrücklich angeordnet, dass du nichts erfahren sollst und ich werd den Teufel tun und mich mit ihm anlegen. Es ist sowieso besser, je weniger du weißt. Wenn du deine Nase noch weiter in Dinge stecken willst, die dich nichts angehen, solltest du mal bei deinem Lover nachfragen. Ich halt mich da raus.“ Der Dunkelhaarige lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nahm einen Schluck Tequilla, den er für sich herauf beschworen hatte. Lily hatte den Blick gesenkt, doch sie spürte, dass seine Augen auf ihr ruhten. Sein Tonfall war bestimmt und kalt gewesen, einschüchternd. Und seine Worte hatten diese Wirkung noch unterstrichen. Obwohl sie nicht daran geglaubt hatte, war die Hoffnung doch die ganze Zeit am Leben geblieben, dass alles nur blöde Zufälle gewesen waren und ihre Freunde nichts damit zu tun hatten. Sie hätte nicht fragen sollen. „Scheiße“, fluchte Quinn mit einem Mal in die Stille hinein und rieb sich übers Gesicht. „Das ist einfach ne Mistsituation. Scorp versucht dir den ganzen Müll leichter zu machen, aber du vereinfachst die Sache nicht grade, wenn du dauernd alles hinterfragst. Weißt du, manchmal ist es definitiv besser, nicht alles zu wissen.“ „Aber ich will nicht, dass wir Geheimnisse voreinander haben…“ murmelte sie während sie in die Flüssigkeit starrte. Das war doch keine Grundlage für eine funktionierende Beziehung. Nicht, dass sie Expertin in solchen Dingen war. Scorpius war ihr erster Freund und sie hatte in etwa so viel Ahnung was das betraf, wie ein Dreizehnjähriger. Selbst ihren ersten Kuss hatte sie an ihn verschenkt. Und sie war froh darüber. Wenn sie sich jetzt daran zurück erinnerte, wie sie ihn damals nach dem Quidditchmatch abgeschmust hatte, empfand sie noch immer ein Glücksgefühl in ihrer Brust. Der Rummel um sie herum war verstummt, zumindest für sie. Dass sie nur Zweiter geworden waren, war in den Hintergrund gerückt. Nur sie und Scorp hatten in diesem Augenblick noch gezählt, als ihr Lippen miteinander verschmolzen. Im ersten Moment war der Blonde wie erstarrt gewesen, aber dieser Moment hielt nicht lange an. Welch Überraschung. Er hatte den Besen fallen lassen und ihr die Hand an die Wange gelegt, während sich die andere samt Pokal um ihren Rücken schlang. Sie hatte sich im Gegenzug an seine durchtrainierte Brust gekuschelt und der Kuss hatte erst geendet, als sie ihm versehentlich eins mit dem Besenstiel übergezogen hatte. „Und du erzählst ihm auch alles aus deinem Leben? Er weiß immer ganz genau, wann du dich mit wem triffst, was du machst, wann du grad deine Periode hast“, er zog eine Augenbraue hoch und grinste zynisch. Unbehaglich wich die Rothaarige seinem Blick aus und zupfte am Saum ihres Umhangs herum. Irgendwie hatte er ja Recht, aber es war doch ganz normal, dass man es wissen wollte, wenn sein Freund jemanden umbrachte, oder? „Das ist doch was anderes. Das … ist nicht so wichtig.“ „Unsere Aktionen sind für dich auch nicht so wichtig, oder? Sie betreffen dich schließlich nicht. Zumindest nicht direkt. Und wenn es doch so ist, weiht Scorp dich vorher ein, wie bei der Sache im Mungos.“ „Aber das hat doch alles weitreichende Folgen und überhaupt…“ Bevor Lily ihre klägliche Verteidigung fortsetzen konnte, klopfte es an der Tür. Quinn warf ihr noch einen letzten fast mitleidigen Blick zu und ließ den Alk verschwinden, bevor er sein Lehrergesicht aufsetzte und den Besucher herein bat. Die Vorsorge war aber umsonst gewesen, es war nur Jane, die gutgelaunt durch die Tür hereinschlüpfte. „Hallo, ihr zwei. Stör ich?“ Beim Anblick seiner Schwester wurde Quinns Miene weich. Es war unglaublich, dass die beiden Geschwister waren. Jane sah mit ihren goldenen Locken und dem seligen Lächeln aus wie ein Engel, während Quinn mit den Tätowierungen und Piercings eher auf der suspekten Seite war. Auch vom Charakter her waren die beiden so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Wer dabei wer war, stand ja wohl außer Frage. Die Ravenclaw war eine der Jahrgangsbesten, immer und zu jedem freundlich. Quinn hingegen war aggressiv, provokant und brutal. Wobei man ja zu seiner Verteidigung sagen musste, dass er sich in letzter Zeit extrem unter Verschluss hielt, um seinen Posten nicht zu verlieren. „Hei, Kleines. Nein schon okay. Was gibt’s? Hast du schon wieder was angestellt?“ „Ja natürlich. Immer doch.“ Jane rollte die Augen, während sie sich neben Lily niederließ. Als ob sie jemals etwas anstellen würde. Das war definitiv sein Part, nicht ihrer. „Nein, eigentlich brauch ich deine Hilfe. Wir haben in Muggelkunde vor drei Tagen einen Aufsatz über die Funktionsweise von Muggelverkehrsmitteln bekommen. Ich hab damit angefangen, aber da in der Bibliothek alle Bücher zu dem Thema weg sind, komm ich nicht weiter. Unsere Professorin hat zwar gesagt, dass wir die Erörterung jetzt nicht machen müssen, aber ich will sie trotzdem abgeben…“ „Du kleine Streberin.“ „…kannst du mir dabei helfen?“ Ob sie wohl wusste, warum alle Muggelkundebücher weg waren, überlegte Lily. Sie wirkte so ahnungslos und unschuldig. Und Quinn unternahm wohl alles, um sie da raus zu halten. Andererseits versuchte auch Scorp sie nicht mit rein zu ziehen. Aber Jane war wohl nicht so neugierig und stur und versessen, wie sie. „Süße, du weißt genau, dass ich Muggel nicht ausstehen kann. Ich kann dir einen Bericht liefern, wie welcher Muggelalkohol schmeckt, aber das war’s dann auch schon. Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber da bist du bei mir absolut an der falschen Adresse.“ „Ähmm, wenn du willst, kann ich dir vielleicht helfen“, schaltete sich Lily in das Gespräch ein. „Schließlich ist mein Vater bei Muggeln aufgewachsen und daher sind auch wir relativ vertraut mit diesen Muggeldingen groß geworden. Außerdem hab ich ebenfalls Muggelkunde. Also wenn du willst?“ „Ja, das wäre großartig“, strahlte sie Jane an. Gott, es war einfach unmöglich, dieses Mädchen nicht zu mögen. „Klar, gerne. Sagen wir morgen um fünf in der Bibliothek?“ „Perfekt – super, vielen Dank.“ „Gut, dann sehen wir uns morgen. Bis dann.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)