Weil Liebe niemals einfach ist von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 4: Duell ---------------- Die Große Halle war vom Duft der unzähligen Köstlichkeiten erfüllt, die auf goldenen Tellern die Tragfähigkeit der langen Haustische bis aufs Äußere ausreizten. Von gebratenem Schinken über Müsli und Cornflakes bis hin zu Marmeladen in sämtlichen Sorten war alles zu finden. Wenn Scorp raten müsste, würde er meinen, dass die Hauselfen in Hogwarts die ganze Nacht in der Küche standen, um das Frühstück in einer solchen Fülle und Vielfalt zubereiten zu können. Die frühmorgendliche Trägheit der Schüler wurde erst durch die Ankunft der Posteulen durchbrochen. Die gefiederten Boten schwebten mit einem unüberhörbaren Geraschel durch den Raum, auf der Suche nach den Empfängern ihrer Briefe und Pakete. Ein steingrauer Kauz landete vor Scorpius auf dem Slytherintisch und er steckte ihm mit dem Müslilöffel im Mund einige Knuts in den kleinen Beutel an seinem Bein, eh er den Tagespropheten los band. Kaum hatte sich der Kauz wieder in die Lüfte geschwungen und Scorp hatte seinen Löffel wieder in sein Frühstück gesteckt, als ein weiterer Vogel vor ihm neben die Butterdose plumpste. Der junge Malfoy band ihm den dünnen Brief vom Fuß und er flatterte einen Tisch weiter, einem schwarzhaarigen Gryffindor auf die Schulter, der sich mit einem kalten Gesichtsausdruck zu ihm umdrehte und dem Vogel leicht übers Gefieder strich. Potter. Warum zur Hölle schickte Potter ihm einen Brief?! Mit gerunzelter Stirn brach Scorp das Siegel und las die Nachricht: Zaubererduell. Heut Nacht, Schlag zwölf Uhr in Klassenzimmer 11 im ersten Stock. Nur du und ich und es bleibt unter uns. Grinsend reichte Scorp das Blatt weiter an Quinn. Es war vorhersehbar, warum Potter dieses Duell wollte; was seine Absichten waren: falls er das Duell gewann, würde Scorp sich wohl oder übel von seiner Schwester fernhalten müssen. Lily Luna musste ja einen ziemlichen Stand auf ihn haben, wenn es Albus so gegen den Strich ging, dass er sich mit ihr traf. Lautes Schnarchen hallte an den Kerkerwänden wieder, als Scorpius sich aus dem Bett hievte und sich im Stockdunkeln anzog. Am Abend hatte er kurz überlegt, ob er nicht gleich mit den Klamotten ins Bett hüpfen sollte, hatte es dann aber doch lieber gelassen. Sooo lange dauerte es nun auch wieder nicht, sich anzuziehen, so dass er hätte eine halbe Stunde früher aufstehen müssen deswegen. Außerdem würde seine Kleidung dann zerknitterte werden und Scorp war niemals – absolut niemals – schmuddelig gekleidet. „Q? Q! Wach auf, du Idiot!“ Der Blonde hatte sich auf die Kante von Quinns Bett gesetzt und zog ihm sein Kissen unter dem Kopf weg. Mit einem dumpfen Grunzen erwachte sein Mitschüler. „Was’n los?“ „Es ist halb zwölf.“ „Genau die richtige Zeit für meinen Schönheitsschlaf.“ Quinn rollte sich wieder auf die Seite und Scorp schlug ihm grinsend den Polster um die Ohren. „Schönheitsschlaf? Das kann dauern bei dir, wenn’s was helfen soll.“ Jetzt rang sich auch der verschlafene Slytherin ein leises Lachen ab und schubste Scorp von seinem Bett. „Leck mich.“ „Ein ander Mal gern, aber jetzt muss ich zu einem Duell. Schwing deinen Hintern aus dem Bett.“ Keine fünf Minuten später standen die beiden im leeren Slytheringemeinschaftsraum unter dem Schwarzen See. Eine schwache Glut glomm noch im offenen, eleganten Kamin und ließ die schwarzen Sessel und Tische zu riesenhaften Monstern werden, die im Halbschatten darauf lauerten sie mit ihren gierigen Klauen zu packen und zu verschlingen. „Hier“, Scorpius reichte seinem Begleiter einen Schnürsenkel. Auf dessen erstaunten Blick hin grinste er und zuckte die Achseln. „Wenn jemand kommt, tippst du es mit dem Zauberstab an. Meins fängt dann zu glühen an und ich weiß Bescheid.“ Er selbst stopfte sich sein Band in den Schuh. Dort würde er es nicht verlieren können, aber es auf jeden Fall bemerken, wenn es heiß wurde. Bevor sie die sicheren Gefilde der Slytherins verließen, klopfte Scorp jedem von ihnen mit dem Zauberstab auf den Kopf. Sie hatten das Gefühl, dass ihnen ein kaltes Ei über die Rübe geschlagen wurde und dann verließen sie desillusioniert den Raum. Bis hinauf in den ersten Stock begegneten sie niemandem, erst im letztem Korridor kreuzte die Graue Dame ihren Weg, jedoch ohne Notiz von ihnen zu nehmen. „Penn bloß nicht wieder ein“, zischte Scorpius, eh er durch die Tür zum verabredeten Klassenraum schlüpfte. Albus hob den Blick, als er meinte, im Augenwinkel eine Bewegung wahr genommen zu haben, runzelte dann aber die Stirn, da er nichts Eindeutiges ausmachen konnte. Erst als Scorp den Zauberstab hob und überheblich lächelnd wieder sichtbar wurde, wusste er, dass ihn seine Augen nicht betrogen hatten. „Ich dachte schon, du hättest Muffensausen gekriegt, Malfoy.“ „Vor dir? Jaaah, sicher.“ Sie musterten sich einen Moment lang abfällig, bis der Schwarzhaarige wieder das Wort ergriff. „Du weißt, warum wir hier sind. Wenn ich gewinne, schwörst du mir mit einem Unbrechbaren Schwur, keinem von der Aktion hier zu erzählen, dich von meiner Schwester fern zu halten und auch sonst nicht in die Nähe meiner Familie zu kommen. Wenn du gewinnst, beeide ich ebenfalls, dass ich nichts von all dem hier ausplaudere, dir mit Lily nicht mehr im Weg stehe und … keine Ahnung, was noch. Einverstanden?“ „Nein. Deine Schwester krieg ich auch, wenn du versuchst es zu verhindern. Ich will etwas anderes.“ Scorpius senkte den Kopf und die Stimme und in seinen Augen lag ein Funkeln, das Albus eiskalte Schauer den Rücken runter jagte. Er wusste, was er wollte. „Ich will, dass du deine kleine Aufklärungskampagne über meine schwarzmagischen Tätigkeiten bleiben lässt.“ Der Slytherin streckte ihm seine blasse Hand entgegen, doch Albus zögerte. Er konnte Malfoy doch nicht einfach ungeschoren davonkommen lassen. Alle andern sahen in ihm nur den gutaussehende, begabten Schulsprecher und niemand brachte ihn mit den mehr oder weniger grausamen Muggelstämmigenmisshandlungen in Verbindung, für die es aber nie Schuldige zu finden gab. Oder mit den Gerüchten der bevor stehenden Todesserreformation. Albus wusste jedoch, dass er dahinter steckte. Er und seine bescheuerten Spießgefährten. Sie hatten einen Fehler gegangen, der ihnen teuer zu stehen gekommen war, weil er Albus dadurch auf ihre Fährte gelockt hatte. Seither versuchte er die Wahrheit an den Mann zu bringen, leider viel zu oft vergebens. Trotzdem widerstrebte es ihm jetzt, das Handtuch zu werfen und stumm mit anzusehen, wie sein Widersacher die Schwarze Allianz wieder auf die Beine stellte, denn er hatte nie daran gezweifelt, dass Scorpius dazu fähig war. Doch auf der anderen Seite stand seine innigst geliebte Schwester, die ebenso wie alle anderen von Malfoys Charme geblendet war und seinen Warnungen keinen Glauben schenkte. Er konnte nicht zulassen, dass seine kleine Prinzessin blind in ihr Verderben tappte. Schließlich schlug er ein. Ihr friedlicher Händedruck währte nur kurz, eh sie zurück traten und ihre Zauberstäbe zogen. Sie umkreisten einander wie ausgehungerte Wölfe, jederzeit bereit zum Sprung, doch darauf bedacht, nicht als erster anzugreifen. „Levicorpus!“ – „Petrificus Totalus!“, riefen beide gleichzeitig und Flüche blitzen durch den Raum. Laute Schreie hallten durch den Raum, es blitzte und krachte. Ein kurzen Moment lang hoffte Scorpius, dass Quinn so hell gewesen war, sie von außen abzuschirmen, damit sie niemand hörte, doch das Duell nahm ihn so in Anspruch, dass er nicht lange darüber nachdenken konnte. Ihr Kampf tobte, wie ein wütender Wirbelsturm und keiner der beiden schien dem anderen überlegen zu sein. Albus war ein hervorragender Schütze, aber Scorp konnte ausgezeichnete Reflexe aufweisen. Einst stand fest: dieses Zaubererduell würde nicht so schnell enden. „Miss Potter, würden Sie bitte mitkommen?“ Lily blickte von ihrem Rührei auf, in die ernsten Augen ihrer Hauslehrerin McGonagall. Schluck. Sie hatte doch gar nichts angestellt. „Ihr Bruder hat sich gestern Nacht aus dem Bett geschlichen, um sich zu duellieren“, erklärte die uralte Hexe barsch, sobald sie außer Hörweite der anderen Schüler waren. „Klassenzimmer elf im ersten Stock ist völlig verwüstet und Albus liegt mit furchtbaren schwarzen Beulen übersät im Krankenflügel. Er will uns weder sagen, wer sein Gegner war, noch welcher Fluch ihn getroffen hat – er ist uns unbekannt und daher konnten wir noch keinen Gegenzauber wirken.“ Vor der Tür zum Krankenflügel blieben sie stehen. Lily konnte nicht glauben, was sie eben gehört hatte. Gut, Albus hatte ebenso wie James Sirius schon immer gern mal die Regeln ein wenig ausgedehnt, wie ihr Dad es ausdrückte, aber einen Unterrichtsraum zu demolieren, sich mitten in der Nacht zu duellieren und es am nächsten Tag dann tot zu schweigen, war dann doch ein starkes Stück. „Vielleicht können Sie etwas aus ihm heraus bringen und allen Beteiligten den unangenehmen Einsatz von Veritaserum ersparen.“ Sie drückte ihr leicht die Schulter, eh sich McGonagall abwandte und die Schülerin erstaunlich rasch und agil für ihr Alter allein und verwirrt zurück ließ. Vorsichtig schob Lily die Tür zum Krankenflügel auf und war sich nicht sicher, ob sie erleichtert oder verärgert über den Aufschub sein sollte, der ein Sichtschutz vor Albus Bett ihr gewährte. Sie sollte wohl besser dankbar sein, dass sie noch einige Schritte von ihm trennten, die ihr Zeit gaben, sich etwas zu sammeln. Als sie endlich doch um den Paravent spähte, blieb ihr beinahe das Herz stehen. ‚Fürchterlich‘ beschrieb Albus‘ Anblick nur unzureichend. Sein Kopf, das einzige, das nicht vom weißen Laken verhüllt wurde, war übersät mit pechschwarzen, gruseligen Dellen, die mit einer klebrigen, braunen Paste bestrichen waren. „Bei Merlins Bart“, haucht sie verstört, als sie an sein Bett trat. Die Schulkrankenschwester lugte aus ihrem Büro, ermahnte sie, ausreichend Abstand zu halten, da sie nicht wussten ob bzw. wie ansteckend die Krankheit war und verschwand dann wieder in ihrem Büro. Vermutlich wusste sie über ihre Mission Bescheid. Albus starrte stur an die Decke, als Lily sich einen Stuhl heran zog und sich setzte. „Alles okay?“ Bescheuerte Frage. Natürlich nicht, was auch durch sein abfälliges Schnauben bestätigt wurde, doch sie wusste nicht, wie sie sonst hätte anfangen können. Gleich mit dem Hippogreif ins Haus zu fallen war ihr doch sehr taktlos und unpassend erschienen. „Albus … was ist denn nur passiert?“ Statt zu antworten presste er die Lippen aufeinander und drehte ruckartig den Kopf weg. Seitlich an seinem Hals waren die Dellen größer und schienen nach außen hin bläulicher zu werden. „Albus, bitte. Sie wollen es mich versuchen lassen, dann werden sie dir Veritaserum geben. Erzähl mir, was passiert ist, dann kann ich ihnen die Wahrheit ein wenig beschönigen und alles so hindrehen, dass du in einem besseren Licht dastehst.“ Einen Moment lang herrschte noch dichtes Schweigen, dann fuhr er mit einem wutverzerrten Ausdruck auf dem Gesicht zu ihr herum. In seinem Blick spiegelten sich blanker Zorn, Hass und Verachtung wieder, Emotionen die jedoch mehr sich selbst und Scorpius galten, als Lily. „Warum fragst du nicht einfach deinen neuen Lover? Leider kann ich dir nämlich keine Antwort geben – er hat mich einen Unbrechbaren Schwur leisten lassen, damit ich nicht erzähle, was gestern passiert ist.“ Seine Stimme hatte sich in den wenigen Worten von einem vernichtenden Zischen zu einem lauten Geschrei gesteigert und die Schulkrankenschwester kam zu ihnen. „Du solltest wohl besser gehen. Komm doch später noch einmal vorbei.“ Sanft aber bestimmt schob sie Lily aus dem Raum. „Ich werd McGonagall erzählen, dass du es noch einmal versuchst“, fügte sie leise noch hinzu. „Aber…“ Ihr Protest wurde von der zufallenden Tür erstickt. Abermals blieb sie vollkommen allein und verwirrt im Flur stehen. Scorpius. Sie hatte gerade angefangen ihn zu mögen. Gut, es war untertrieben. Sie hatte angefangen auf ihn abzufahren. Und zwar ziemlich. Sie musste mit ihm reden. Ihn fragen was, das sollte. Und ihn einen Kopf kürzen, für Albus Beulen. Er sah aus als ob er die Pest hätte und demnächst hinüber sein würde. In der Großen Halle, dem Ort an dem sie als erstes rein schneite, um ihn zu suchen, fand sie den Slytherinhaustisch beinahe leer vor. Aus Scorps Jahrgang saß nur ein einziger Junge, doch sie wusste, dass es einer seiner engsten Freunde war. Sie hatte die beiden schon oft zusammen rum hängen sehen. Das dümmliche Grinsen das er zur Schau stellte, als sie auf ihn zu steuerte, verriet ihr, dass er wusste worum es ging. Und sicher auch, wo Scorp war. „Wo ist er?“, fauchte sie, als sie neben ihm stand. Der Junge zog eine Augenbraue in seinem italienisch anmutenden Gesicht nach oben und grinste noch breiter. „Geht das nicht netter?“ „Nein.“ „Gut, dann weiß ich nicht, wo er ist.“ Lily trat noch einen Schritt auf ihn zu und zog den Zauberstab, sorgfältig darauf bedacht ihn unter dem Tisch zu halten und auf die Hose des Jungen zu zielen. „Wo. Ist. Er. Oder deine Eier waren mal.“ Seine Hand schnellte nach unten, um seinen Schritt zu bedecken und er fixierte den Zauberstab. Sie würde doch wohl nicht…? Doch würde sie, ihrem Gesicht nach zu urteilen. „Bib-Bibliothek.“ „Warum nicht gleich, du Knalltüte.“ Eine Abkürzung hinter dem Portrait eines kleinen Mädchens in einem zuckerrosa Kleid brachte sie direkt in die Bücherei. Sie hörte Scorps Stimme, noch eh sie ihn hinter einem Bücherberg versteckt sah. „Sag mal, bist du wirklich so blöd oder stellst du dich nur so? Wie du es bis jetzt durch die Prüfungen geschafft hast, ist mir mehr als schleierhaft.“ „Najaa, es gibt zwei Wege um im Leben vorwärts zu kommen: durch die eigene Intelligenz oder durch die Dummheit anderer. Ich hab schon immer die zweite Variante vorgezogen.“ Quinn kippte seinen Stuhl nach hinten und verschränkte grinsend die Arme hinter dem Kopf. Seine verschiedenfarbigen Augen – eines war blau, das andere grün – fixierten Lily und sein Smiler wurde noch breiter. „Du kriegst Besuch.“ Scorpius, der mit dem Rücken zu ihr saß, drehte sich auf seinem Stuhl um, als Quinn in ihre Richtung wies, musterte sie kurz und nickte seinem Kumpel dann zu. „Lass uns allein.“ Noch eh sie sich an ihrem Tisch aufbaute, war der Dunkelhaarige verschwunden. Die Hände in die Hüften gestemmt sah sie einer wütenden Gans zum Verwechseln ähnlich. Oder einem wütenden Flamingo. Scorp musste sich einen Ruck geben, um nicht zu grinsen. Sie war so süß, wenn sie wütend war. „Hast du sie eigentlich noch alle?!“ Einige Schüler an den umliegenden Tischen sahen empört wegen dem Gefauche von ihren Arbeiten auf, doch sie ignorierte ihre Proteste. „Hallo. Ich freu mich auch dich zu sehen. Mir geht’s gut, danke der Nachfrage… „Schön für dich – meinem Bruder geht es dank deinem Zutun ja grade nicht so prickelnd. Wie kommst du dazu, ihn zum Duell zu fordern, ihm die Pest an den Hals zu fluchen und ihn einen Unbrechbaren Schwur leisten zu lassen?!“ „Wie ich sehe bist du erstaunlich schlecht informiert. Er hat mich heraus gefordert und nicht…“ „WAS?“ „Es ist unhöflich jemanden andauernd ins Wort zu fallen.“ Entspannt und höchst amüsiert lehnte sich Scorpius auf seinem Stuhl zurück, während Lily noch einen Moment perplex stehen blieb und sich dann auf Quinns Platz plumpsen ließ. Eigentlich hatte Albus nicht erwähnt, von wem die Sache ausgegangen war, Lily hatte es einfach so gefolgert. „Aber … ich dachte … ich bin davon ausgegangen …“ „… dass ich der Buhmann bin?“ beendete Scorpius ihren Satz. Ein finsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht, doch er verbarg ihn rasch wieder. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Dein Bruder war der Drahtzieher.“ „Trotzdem liegt er jetzt todkrank im Krankenquartier, während du hier putzmunter herum springst.“ Verzweifelt versucht sie ihre Wut aufrecht zu erhalten, doch sie war nicht mehr halb so zornig wie sie es eigentlich sein sollte, in Anbetracht der Lage ihres Bruders. Und es sollte sie eigentlich auch nicht freuen, dass Albus Schuld hatte und nicht Scorp. „Todkrank?“ Der Slytherin blinzelte, dann prustete er los. Selbst Lilys gepfefferte Ohrfeige konnte ihm das Grinsen nicht vom Gesicht wischen. „Das ist nicht komisch.“ „Doch ist es. Was denkst du eigentlich von mir? Dass ich ihn umbringen will? Er ist topfit – ihm fehlt nichts. Die Beulen sind rein oberflächlich und hinterlassen keine bleibenden Schäden. Frag Q – er war das Versuchskaninchen, als ich den Zauber geschrieben hab.“ Er deutete hinüber zu Quinn, der gerade ein Regal weiter eine Ravenclaw belästigte und fit wie ein Turnschuh wirkte. „Was?“ Wie oft hatte sie das Wort während dieser Unterhaltung eigentlich schon gesagt? Aber sie kam nun mal einfach nicht mit. „Noch mal für Blödies von Anfang an bitte. Was hat Vishous denn jetzt mit der Sache zu tun?“ Scorpius rollte die Augen uns seufzte künstlich. Langsam, als ob er mit einer Schwerbehinderten reden würde, fing er an zu erklären. Seine Augen verrieten, dass er sich blendend amüsierte. „Ich versuch mich selbst als Zauberspruchschreiber. Der Beulenfluch ist einer von meinen selbst gebastelten. Um zu sehen, ob sie wirken und wie man sie wieder aufhebt, missbrauch ich Q als Versuchskaninchen.“ „Aha. Und wie ist es jetzt zu dem Duell gekommen?“ „Potter hat mir gestern beim Frühstück diese Nachricht zukommen lassen“, er zupfte den Brief aus seiner Schultasche und schob ihn über den Tisch. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, nicht hinzugehen?“ Er starrte sie an, als ob sie nicht mehr ganz dicht wäre. „Hast du nen Knall?! Ich bin doch kein Weichei.“ Lily brummte etwas Unverständliches, das sich entfernt wie ‚Männer‘ anhörte und bedeutete ihm mit einer ausladenden Geste fort zu fahren. „Naja, ich bin um 12 auf der Matte gestanden und wir haben über den Einsatz diskutiert…“ „Einsatz?“ unterbrach sie ihn einmal mehr. Aha, sie hatten sich also nicht aus jugendlicher Tollwut bekriegt. „Welcher Einsatz könnte es bitte wert sein, dass man sich deshalb mitten in der Nacht aus dem Bett schleicht und sich verbotenerweise duelliert?“ Ihr ungläubig-gereizter Tonfall ließ ihn schmunzeln, während er ihr Gesicht fixierte und ihr fest in die Augen sah. „Du.“ „Wie bitte?!?“ Wow, zur Abwechslung mal eine neue Art blöd nachzufragen. „Du warst der Einsatz. Wenn Potter gewonnen hätte, hätte ich mich von dir fern halten müssen.“ Scorp sah sie von unten herauf an und lächelte schief. Seine Worte raubten ihr den Atem. Sie vergaß sogar, sich darüber aufzuregen, dass sich Albus so dreist in ihr Leben mischte – das würde sie später noch nachholen – und dass die beiden meinten einfach so darüber entscheiden zu können, mit wem sie sich abgab. Aber – dieses Duell. Es hatte wegen ihr stattgefunden? Sie sollte tatsächlich Auslöser dafür gewesen sein? Lily kam nicht umhin sich geschmeichelt zu fühlen. Scorpius hatte seinen Ruf als makelloser Schulsprecher für sie aufs Spiel gesetzt. Sie musste ihm ganz schön viel bedeuten… „Na dann muss ich ja fast froh sein, dass Al verloren hat…“ Der Versuch einen neckenden Tonfall anzuschlagen ging gründlich schief. Seine Augen hatte sie gefangen genommen und ließ sie nicht mehr entkommen. Ließen nicht mehr zu, dass sie ihn geistig von sich fern hielt. Er drang in sie ein, umschmeichelte ihr Nervenenden und kitzelte ihre Synapsen. Die Welt schloss sich kurz und nur der Junge ihr gegenüber schien noch zu existieren. „Dieser Meinung bin ich auch…“ Ihre Blicke waren miteinander verflochten und es wäre kein Wunder gewesen, wenn tatsächlich Funken zwischen ihnen hin und her gesprungen wären, bei der elektrischen Anspannung, die sich zwischen ihnen aufbaute. Willkürlich kamen sie sich näher und näher, gefangen in ihrem eigenen kleinen Universum, in dem nur sie beide existierten. Noch nie hatte Lily so intensiv gefühlt. Schon von Anfang an hatte sie gewusst, dass ihre Bindung zu Scorpius etwas Besonderes war. Auch wenn sich ihr Kopf dagegen gewehrt hatte, ihr Herz hatte sich unweigerlich zu ihm hingezogen gefühlt, wie eine Biene zu einem duftenden Blütenkelch. Schicksal. Das Wort kam aus dem Nichts, doch im Moment war es Alles für sie. Es war Schicksal, wenn sich zwei Seelenverwandte begegneten. Schicksal, wenn sich aus Feindschaft Verliebtheit entwickelte. Und Schicksal, wenn man sein Herz bedingungslos an einen anderen Menschen verschenkte. Ihre Lippen berührten sich, während sie sich näher kamen. Nur ganz sanft, wie ein Windhauch strichen sie übereinander. „Meine Lieben, die Bibliothek ist kein Freudenhaus – so etwas will ich hier nicht sehen.“ Lily fuhr zurück und riss sie beide wieder zurück in die Realität. Scorpius schloss die Augen, ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Am liebsten hätte er dieser bescheuerten Bibliothekarin eines ihrer heißgeliebten Bücher in den Hintern geschoben. Verdammt, er war zum ersten Mal in seinem Leben richtig in jemanden verknallt und dann meinte diese blöde Schnepfe dazwischen platzen zu können. Dafür würde sie schon noch zahlen. „Und … ähhh … wie kommt Albus da jetzt wieder raus?“ Der Slytherin starrte sie an, noch nicht ganz bei sich. Er war sooo knapp davor gewesen sie endlich zu küssen – ja, verdammt, er war eben auch nur ein Mann und konnte seine Begierden nicht unter Kontrolle halten – er hatte ihren Mund bereits auf seinem gespürt, weich und warm. Und jetzt sowas. Mist, Mist, Mist. Mit aller Kraft riss er sich vom Anblick ihrer vollen Lippen los und versuchte ihre Worte zu verstehen. „Was?“ Jetzt war es an ihm bescheuert nach zu fragen. „Ich hab doch gar nichts mit ihm zu tun. Er hat sich das selbst eingebrockt – jetzt soll er den Zaubertrank gefälligst auch wieder ausschöpfen.“ „Aber wenn sie ihm Veritaserum geben, werden sie wissen, dass du da mit drin hängst.“ meinte sie fast schon panisch. Er musste ihr einfach helfen … „Bitte, Scorp, tu’s für mich.“ Als er sie nur ansah, sank ihr das Herz in die Hose. Anscheinend bedeutete sie ihm doch nicht so viel, wie sie gedacht hatte. Und wie er ihr. Wie in Zeitlupe ließ er seinen Kopf nach hinten fallen und blickte kopfüber nach hinten. „Q? Q, du notgeiler Sack, lass die Kleine in Ruhe und komm her.“ Frustriert knurrend ließ er die Finger von dem Mädchen, dass er schon die ganze Zeit befummelte – warum hatte die Bibliotheksschnepfe nicht die zwei auch ermahnt? – und kam auf sie zu geschlürft. „Ich hoffe nur, es ist wichtig…“ brummte er. „Und mach schnell. Ich hab zu tun.“ Scorpius und Lily verdrehten gleichzeitig die Augen und grinsten, als sie die Reaktion des anderen sahen. „Wer hat sich gestern mit Potter duelliert.“ „Du?!“ half Quinn ihm auf die Sprünge, nicht ganz sicher worauf das hinaus laufen sollte. „Nein, ich war brav in meinem Bett. Potter und du habt gewettet, wer von euch beiden besser für die UTZ im praktischen Bereich gerüstet ist und das habt ihr in Klassenzimmer elf getestet. Leider sind dabei mehrere Zauber nach hinten los gegangen und Potter hat was abgekriegt. Ich seh zu, dass ich unsren Hauslehrer davon überzeugen kann, dass das eigentlich nur eine Übung für die Prüfungen war, dafür dürfen die Räume schließlich genutzt werden. Ein paar Stunden Nachsitzen werden dabei für dich raus springen, weil es mitten in der Nacht war, aber das macht bei deinem Strafarbeitspensum sowieso nichts mehr. Alles gemerkt? Gut, dann hau ab.“ Dümmlich grinsend trollte sich der Schwarzhaarige wieder zu seiner Verehrerin, die bereits sehnsüchtig auf ihn wartete. Keine zwei Minuten später waren die beiden aus der Bibliothek verschwunden, wohin und wozu konnte man sich ja denken. „Du verklickerst deinem Bruder die Geschichte und alles ist wieder in Ordnung.“ Er zuckte betont lässig die Schultern. Am liebsten wär Lily ihm um den Hals gefallen. Sie war so froh, dass er das so einfach regeln konnte. Dass er es für sie geregelt hatte. „Vielen Danke, Scorp.“ Sie lächelte und er streckte eine Hand nach ihr aus, nahm eine rote Strähne zwischen seine Finger und ließ sie langsam hindurch gleiten. Als ihm alle entwischt waren, strich er sie hinters Ohr und sah ihr wieder in die Augen. „Für dich – immer wieder gerne.“ „Und eins noch. Wann gedenkst du den Fluch aufzuheben?“ „Heute Abend.“ „Du willst ihn den ganzen Tag im Krankenflügel lassen? Er macht sich sicher Sorgen, dass er nicht mehr geheilt werden kann oder so. Und er versäumt einen ganzen Schultag. Apropos: warum bist du eigentlich nicht im Unterricht?“ „Unsre Doppelstunde Kräuterkunde ist entfallen. Potter weiß, dass es ungefährlich ist – ich hab’s ihm gesagt.“ „Sie wollen ihm Veritaserum geben. Dein Schwur wird ihn umbringen. Darauf hätte ich auch fast vergessen: wie kommst du auf die Idee ihn zu so etwas zu zwingen?!“ „Und wieder bin ich der Schuldige. Er wollte doch, dass wird das eidlich machen.“ „Oh. Tut mir leid…“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte entschuldigend. „Aber das wäre noch immer das Problem mit dem Serum.“ „Du gehst zu ihm, erzählst ihm die Geschichte, erzählst sie allen anderen Beteiligten und die Sache hat sich erledigt.“ Er hatte wirklich an alles gedacht. Die Aktion war von vorn bis hinten durchgeplant. „Wow, bist du in allem so gründlich?“ „Du kannst es ja gern mal ausprobieren…“ grinste Scorpius zweideutig und zuckte dabei die Augenbrauen. „Scorp, du Ferkel, lass das“, lachte Lily, etwas verlegen. Dass sie das Angebot gern angenommen hätte, behielt sie jetzt mal lieber für sich. Nicht dass er noch auf falsche Gedanken kam. Sie war immer noch eine Frau mit Klasse und nicht so leicht zu haben. „Vor dem Mittagessen, um wieder auf das Thema zurück zu kommen.“ „Wenn es nicht dein Bruder wäre – mein Beileid übrigens – wäre ich doch glatt eifersüchtig, weil du dich so für ihn ins Zeug legst. Später Nachmittag.“ „Wenn das Dessert serviert wird.“ „Mittelweg: in der ersten Pause im Nachmittagsunterricht.“ „Abgemacht, aber vergiss bloß nicht darauf – ich werd’s nachkontrollieren.“ Während sich die Rothaarige erhob, salutierte Scorp. „Ja wohl, Sir.“ „Und Scorp“, sie beugte sich zu ihm hinunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)