Weil Liebe niemals einfach ist von Elefantastisch ================================================================================ Kapitel 2: Hogsmead ------------------- Die Sonne war bereits aufgegangen und Lily Luna hatte noch kein Auge zugekriegt. Die ganze Nacht lang war sie von einer Übelkeit geplagt worden, die ihr den Schlaf geraubt hatte. Ihre Schlafsaalgefährtinnen waren bereits alle auf den Beinen, um gleich nach dem Frühstück nach Hogsmeade aufbrechen zu können und so herrschte reges Treiben zwischen den Betten und im Bad. Gerade als die Rothaarige überlegte, ob sie Scorp absagen sollte, schwabbte erneut eine Welle der Übelkeit über sie hinweg und sie konnte sich eben noch rechtzeitig über die Bettkante lehnen, um sich nicht auf ihr Laken zu übergeben. „Alles okay, Lil? Soll ich McGonagall holen?“ Besorgte Stimmen wehten zu ihre herüber, die sie mit einem matten Lächeln beruhigte. „Nee, besser nicht, da wird mir nur noch mehr schlecht, bei der alten Schreckschraube.“ Außerdem fühlte sich ihr Magen jetzt nicht mehr ganz so rebellisch an und auch das drückende Gefühl in ihrem Bach war verschwunden. „Vielleicht bist du ja schwanger“, witzelte Roxanne, erleichtert, dass Lily schon wieder zu Scherzen im Stande war. Die Tür fiel hinter ihrer Cousine ins Schloss und Lily blieb allein im Schlafsaal zurück. Wahrscheinlich sollte sie sich heute noch auskurieren, aber es wiederstrebte ihr, Scorpius abzusagen. Sie hatte sich schon so auf ihr Date … äh, freundschaftliches Treffen in Hogsmeade gefreut. Nein, sie würde hingehen, schließlich ging es ihr schon wieder besser. Sie hatte wohl gestern Abend etwas Falsches gegessen, das wieder raus gewollt und ihr deshalb keine Ruhe gelassen hatte. Es war dreiviertel Neun, um Punkt war sie mit Scorp in der Eingangshalle verabredet, also hatte sie noch 2o Minuten. Nein, sagen wir 3o. Sie war schließlich ein Mädchen, sie durfte zu spät kommen und er hatte auf sie zu warten, wenn es ihm ernst war. Frisch geduscht und mit einem angenehm sauberen Gefühl im Mund trat die Rothaarige eine Viertelstunde später völlig genesen aus dem Bad. Es hatte ihr wirklich nur etwas schwer im Magen gelegen. Nach der Morgentoilette kam das Wichtigste an die Reihe: das Outfit. Schon seit knappen zwei Wochen grübelte sie darüber nach, was sie anziehen sollte, war aber noch auf keinen grünen Zweig gekommen. Die Minuten strichen tickend vorüber, während Lily reglos vor ihrem Schrank stand und versuchte, sich einzureden, dass es im Grunde doch egal war, was sie trug. Schließlich war es kein Date und Scorps Meinung konnte ihr sowas von egal sein… Letztendlich war es halb Zehn und Lily trappte gestriegelt und gekämmt nach unten. Nach langem Überlegen hatte sie sich für eine enge, helle Jeans, ein cremefarbenes, schulterfreies Top, schwarze Ballerinas und eine graue Lederjacke entschieden. Das Haar fiel ihr in offenen Wellen auf den Rücken und sie war dezent geschminkt. Also absolut overdressed für ein Nicht-Date. Dass es dennoch passte, sagte ihr Scoprs Blick, als sie am oberen Treppenabsatz erschien. Gemächlich kam sie die in die ausgestorbene Eingangshalle herab – ihren Schritt hatte sie schon im letzten Korridor verlangsamt; er sollt schließlich nicht glauben, dass sie sich wegen ihm dazu bequemte, sich zu beeilen. „Wunderschönen guten Morgen“, grinsend nahm Scorpius ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf, während Lily die Augen verdrehte. „Herzlich willkommen im Mittelalter.“ „Ich wollte nur höflich sein – ganz im Gegensatz zu dir.“ Er verzog die Lippen zu einem Schmollmund und tippte sich auf das Handgelenk, in Andeutung einer Uhr. „Ich bin ein Mädchen – ich darf das. Gehen wir?“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg hinaus. „Na wenn das so ist“, lachte der Slytherin, als das großen Eingangsportal aufschwang und sie hinaus in den kühlen Herbsttag traten. Die Luft war frisch, da die Sonne sie mit ihrer schwindenden Kraft nicht mehr zu erwärmen vermochte und roch nach schwerem Laub. „Und ich dachte fast schon, du hättest mich versetzt.“ „Neeein, wie könnt ich bloß!?“ gab Lily sarkastisch zurück und grinste. „Tjaa, da wäre dir ganz schön was entgangen, Süße.“ Er legte ihr mit einem neunmalklugen Ausdruck den Arm um die Schulter. „Dein riesiges Ego zum Beispiel?“ Beobachtet von den geflügelten Ebern über dem Eingangstor schüttelte sie seine Hand wieder ab und lachte. Den ganzen Weg nach Hogsmeade neckten sie sich gegenseitig und Lily wurde einmal mehr bewusste, dass Scorp ein ziemlich cooler Typ war und das Problem eigentlich hauptsächlich immer nur ihr Herumgezicke gewesen war. „Wo willst du eigentlich hin?“ „In den Honigtopf – mein Lakritzevorrat geht schon wieder zur Neige.“ „Gut, ich muss zu Derwisch und Banges.“ Der Tag verflog regelrecht, während die beiden durch die Läden bummelten, mal hier etwas kauften, mal da und von den anderen Schülern erstaunt angeglotzt wurden. Am frühen Nachmittag setzten sie sich in die neueröffnete Filiale von Florean Fortescues Eissalon, um die neuen Kakaokreationen zu testen. Man konnte sagen, was man wollte, aber Florean hatte im Sommer einfach das beste Eis und im Winter die besten heißen Schokoladen. Von weißer Schoko mit Orange über Vollmilch mit Krokant bis hin zu Zartbitter mit Chili war wirklich alles vorhanden. Das Lokal war exakt nach Vorbild der Filiale in der Winkelgasse errichtet: genauso gemütlich, genauso heimelig und – Merlin sei Dank, wenn man ihre prallen Einkaufstüten ansah – genauso geräumig. Gerade als sie in eine Debatte über die Qualität der Artikel im Tagespropheten vertieft waren, fing Scorp über den Rand seiner Zartbitter-Minz Tasse hinweg grundlos zu grinsen an. „Was ist los?“ Sie folgte seinem Blick und winkte kurz ihrem Cousin Hugo und seinen Freunden, die ebenfalls aus der Kälte hier herein geflohen war. „Tut mir leid, aber dein Cousin sieht einfach zu bescheuert aus. Welcher Kerl zieht denn bitte rosa Poloshirts an? Noch dazu mit roten Haaren.“ Oh. Mein. Gott. Lily war ebenso wie Scorp ein absoluter Modefetischist, weshalb die Farbpalette von Orange bis Violett ein absolutes No-Go für sie war. Und ihrer Meinung nach sollte sie das auch für alle anderen Rothaarigen sein. Sie verzog das Gesicht und Scorp lachte. „Sag ich doch. Als Gott den Modegeschmack verteilt hat, war dein Cousin wohl gerade pinkeln.“ „Dein Busenfreund Quinn wird aber mit Sicherheit auch nicht zum ‚Best angezogenen Mann der Welt‘ gekürt werden. Letztens haben weiße Socken zwischen der schwarzen Hose und den schwarzen Schuhen hervor gelugt.“ „Fuck! Oh, tut mir leid ich wollte nicht fluchen. Aber ich werd wohl mal ein ernstes Wörtchen mit dem Spasten reden müssen. Weiße Socken gehen ja gar nicht.“ Er selbst war wie immer perfekt gekleidet, in seiner Mischung aus Teuer-Schick und Lässig-Bequem. Zu schwarzen Lacoste Sneakers trug er eine tief sitzende Levis und einen tiefblauen, eng anliegende Pulli von Burberry, der seine Augen zum Glühen brachte. Dazu kamen noch die absichtlich verwuschelten weißblonden Haare im Out-Of-Bed-Look. Wenn sie nicht in der Öffentlichkeit gewesen wären, hätte sie glatt zu sabbern angefangen. Die ernste Diskussion über das Medienniveau in der Zaubererwelt wurde prompt von einem angeregten Gespräch über Mode und Styling abgelöst. Eindeutig lagen sie in der Hinsicht genau auf einer Wellenlänge. Als sie den Eissalon endlich verließen, war es bereits dunkel. Die Tage wurden schon spürbar kürzer und kälter. Fröstelnd zog Lily ihre Jacke enger um sich. Die meisten Schüler waren schon viel früher wieder zurück gekehrt, um den sinkenden Temperaturen zu entkommen und so waren Lily und Scorpius völlig allein, als sie durch die Düsternis auf die riesige Lichteransammlung vor ihnen zu wanderten. „Ein heißes Bad wäre jetzt schön…“ murmelte Lily, als sie in die Eingangshalle traten und sie ihre Fingerkuppen aneinander rieb, um die Durchblutung anzuregen. Unvorteilhafterweise gab es in den Gemeinschaftsbädern nur Duschen. „Weißt du eigentlich, dass die Schulsprecher ein eigenes Bad haben, ebenso wie die Vertrauensschüler? Mit einer riiiiiiesigen Badewanne. Wenn du ganz lieb ’Bitte, bitte‘ sagst, darfst du zu mir in die Wanne hüpfen.“ Wieder legte Scorp ihr grinsend den Arm um die Schulter und sie schüttelte ihn ab. „Wie wär’s mit ‚Leck mich‘ und du lässt mich allein in euer Bad?“ „Hmmm, ein verlockendes Angebot, aber ich fürchte, da muss ich leider ablehnen.“ Am unteren Treppenabsatz blieben die beiden stehen. Aus der Großen Halle war das Geklapper von Besteck zu vernehmen, ebenso wie ausgelassenes Stimmengemurmel. Der Großteil der Schülerschaft war wohl gerade beim Abendessen. „Danke für den schönen Tag, Scorp. Wir sehn uns.“ Noch eh er protestieren konnte, erklomm Lily die erste Stufe in Richtung ihres Schlafsaals, dann die zweite und die dritte. Doch sie kam nicht weit, eh sie sich umdrehte, um zu sehen, ob Scorp noch immer in der Halle stand. Tatsächlich war er noch da, lässig an den Endpunkt des Treppengeländers gelehnt und ein schiefes Grinsen auf den Lippen. „Starr mir gefälligst nicht auf die Hintern!“ Die Rothaarige stemmte die Hände in die Hüften und rollte gespielt entnervt die Augen. „Was krieg ich denn dafür?“ Immer noch grinsend kam der Slytherin näher, eine Hand gelassen über die Brüstung gleitend und den Blick fest auf Lily geheftet, die keinen Zentimeter vor ihm zurück wich. Erst eine Etappe unter ihr hielt der Blonde inne. Ihre Körper berührten sich fast und ihre Gesichter lagen auf derselben Höhe, beide mit einem schelmischen Ausdruck in den Augen. „Wie wär’s mit einem Gute-Nacht-Kuss?“ „Wie wär’s mit einer Gute-Nacht-Ohrfeige?“ Lily spürte seinen nach Lakritze riechenden Atem auf der Wange, als er leise lachte. Scorp senkte den Kopf ein Stück, um sie von unten her ansehen zu können und legte ihr leicht eine Hand auf die Hüfte. „Ach, komm schon. Nur ein klitzekleiner Kuss?“ Seine Hand wanderte über ihre Taille nach hinten, strich über ihren Hintern und blieb schließlich auf ihrem Rücken liegen. Einen Moment lang hielt er inne, um zu sehen, ob die angekündigte Ohrfeige schon auf der Reise zu seiner Backe war, doch als sie ausblieb, zog er sie zu sich heran. Zu seiner Überraschung wies sie ihn nicht wieder ab, sondern legte ihm eine Hand auf die Brust, während sie mit der anderen seinen Arm entlang hoch fuhr und über die Schulter zu seinem Nacken. Eine knisternde Spannung baute sich zwischen ihnen auf und Scorp hatte den Verdacht, dass nicht mal eine Explosion direkt neben ihnen ihren Blickkontakt hätte unterbrechen können. Langsam legte Lily den Kopf schräg und näherte ihre Lippen seinen. Kurz bevor sie sich trafen, schmiegte sie ihre weiche, warme Nase und die Stirn an seine Gesicht und er öffnete die Augen wieder. Der Blick zweier eisblauer Augen traf auf den, zweier apfelgrüner und der Slytherin sah seine Gegenüber spitzbübisch lächeln. „Frauen mit Klasse sind nicht so einfach zu kriegen, mein lieber Scorpius.“ „Was mich wieder daran erinnert, warum ich Frauen ohne Klasse normalerweise den Vorzug gebe.“ Ihre Gesichter waren keinen Finger breit voneinander entfernt und ihre Lippen berührten sich beim Sprechen und als sie lachten. „Zu blöd, dann bist du bei mir wohl an der falschen Adresse.“ „Ich sagte ‚normalerweise‘. Du bist keine normaler Fall.“ „Schön zu hören, dass ich etwas Besonderes bin.“ Wie lange sie dort standen wussten sie nicht. Es hätten nur drei Sekunden sein können, aber auch hundert Jahre. Die Geräuschkulisse aus der Großen Halle wurde lauter und Lily unterbrach den Blickkontakt. Gerade als die ersten Schüler aus dem Speisesaal kamen, machte sie sich von Scorpius los und ging rückwärts einige Treppen weiter hoch. „Bis später dann.“ Sie wirbelte herum und ohne noch einmal zurück zu blicken, verschwand sie in den Gryffindorturm.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)