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2nd Season: Russian Diaries

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Anleitung: Arabesque
Liebe Leser,
das erste Eislaufprogramm steht an und Yurio macht den Start!
„Arabesque“ ist ein impressionistisch geschriebenes Programm. Das heißt, im Text lest ihr Eindrücke (= Impressionen), die Yuuri hat, während er das Programm ansieht. Ihr könnt die Musik vor, während oder nach dem Kapitel anhören, das überlasse ich euch. Persönlich würde ich empfehlen, die Musik erst nach dem Kapitel anzuhören, damit der Lesefluss bestehen bleibt und ihr euch später in der Musik besser zurecht finden könnt.
Deswegen findet ihr den Link im Nachwort zu diesem Kapitel.
Ich wünsche euch viel Spaß! :)

LG
Flokki Komplett anzeigen

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Russian Nationals – Yuri Plisetsky: Arabesque

Die Auslosungen für den Grand Prix erscheinen ein paar Tage vor den Russian Nationals zum 25. September. Yakov hat Viktor zu sich gerufen und die Beiden stehen zusammen auf der anderen Seite der Halle und besprechen sich. Yurio, Georgi und ich betrachten sie mit gemischten Gefühlen, denn noch sehen wir nicht den Grund, warum Yakov lieber erst einmal mit Viktor alleine darüber reden will, statt uns allen die Zuteilungen einfach mitteilen. Nach etwa zehn Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkommen, stehen die Beiden schließlich vor uns. Das Gesicht von Yakov grimmig und ernst ist wie immer, aber Viktors Augen machen einen besorgten Eindruck, der sich wohl sofort in meinem eigenen widerspiegelt.

„Okay, wo treten wir an?“, will Yurio ohne Umschweife wissen. „Muss ich gegen Katsudon oder gegen Viktor?!“

„Weder noch“, entwarnt ihn Yakov, aber Yurios Geschichtsmuskeln bleiben angespannt. Er scheint sich auch noch uneins darüber zu sein, ob er das jetzt gut oder schlecht finden soll. Ich atme jedenfalls ein bisschen auf, schon mal nicht gegen Yurio antreten zu müssen.

„Treten die zwei gegeneinander an?“, Yurio zeigt abwechselnd auf mich und Viktor.

„Auch das nicht“, brummt Yakov. „Das ist die einzige, gute Nachricht. Ihr habt alle drei die Chance ins Finale zu kommen, ohne euch in den Vorentscheiden zu begegnen.“

Yurio macht einen Luftsprung: „Geile Scheiße!“

Dann wendet sich der russische Trainer direkt Georgi zu: „Fangen wir mit dir an. Du wirst zum Skate America und zur Trophée de France fahren. Yuri wird ebenfalls in Amerika antreten. In Frankreich triffst du auf Katsuki. Wenn du ins Finale willst, musst du dich also anstrengen.“

„Das werde ich.“ Georgi gibt sich kämpferisch.

Yurio muss also nach Amerika und ich nach Frankreich. Und keiner von uns wird auf Viktor treffen, resümiere ich.

„Und jetzt zu euch drei.“

Der Ton verheißt nichts Gutes.

„Yuri, du wirst zu deinem zweiten Vorentscheid nach Peking fliegen“, beginnt Yakov. „Ich erwarte in Peking mindestens einen zweiten, wenn nicht sogar den ersten Platz von dir. Du hast gute und realistische Chancen, wieder ins Finale zu kommen.“

„Läuft!“, ruft Yurio, unbeeindruckt von Yakovs Tonfall und noch mit dem gleichen Enthusiasmus wie gerade zuvor. Sofort hat er sein Handy in der Hand, wahrscheinlich um Otabek zu schreiben und zu fragen, wo dieser zugeteilt worden ist. Weiterhin schlussfolgere ich, dass weder ich noch Viktor nach Peking fliegen werden. Yakovs Blick bleibt jetzt an mir hängen.

„Vitya hat nur Vorentscheide ohne wirkliche Gegner. Seine Finalteilnahme ist im Prinzip sicher“, erklärt mir Yakov und sein Ton hat beinah etwas Bedrohliches an sich. Yurio hat seine Nachricht gesendet und ist wieder voll bei unserem Gespräch. Seine grünen Augen wandern von mir zu Viktor zu Yakov und wieder zu mir.

„Es tut mir leid, Yuuri,“ sagt Viktor und ich kann fast erahnen, was ihm zu schaffen macht, „aber das härteste Los von uns allen hast du gezogen.“

Und Volltreffer...

„Wo tritt Katsudon an?“, mischt Yurio sich ein.

„Im Skate Canada und der Trophée de France“, antwortet Viktor. „In Paris steckt die halbe Belegschaft des letzen Finales. Chris, Phichit Chulanont und Frère Jacques wurden ebenfalls nach Paris gelost.“

„Ich seh das Problem nicht“, erwidert Yurio. „Wir waren eine ähnlich starke Gruppe in Moskau letztes Jahr. Das kann vorkommen.“

„Es ist nicht wie letztes Jahr“, widerspricht Yakov mit ernster Stimme. „Letztes Jahr waren die Gruppen vom Leistungsniveau her insgesamt gemischter. Dieses Jahr sind sie sehr homogen. Die Starken bei den Starken und die Schwachen bei den Schwachen. Die einzige Ausnahme bildet Vitya. Er wird in der NHK Trophy antreten und im Rostelecom Cup. Seine stärksten Konkurrenten sind der Koreaner Lee und der Italiener Crispino. Beide überbietet er mit verbundenen Augen. Wenn wir davon ausgehen, dass der Koreaner oder der Italiener zwei zweite Plätze belegen, dann ist auch das zweite Finalticket sicher vergeben. Im Umkehrschluss heißt das, dass es nur noch vier freie Plätze gibt, die der komplette Rest unter sich ausmachen muss. Wer ins Finale will, darf sich in diesem Jahr keine schlechtere Platzierung als einen zweiten Platz erlauben.“

Ich verstehe... Oh weia... Und ich bin im härtesten Vorentscheid mittendrin statt nur dabei?! Gegen Georgi, Phichit, Chris und JJ... Viktor sieht mich an und ich kann ihm die Gedanken von der Stirn ablesen. Für ihn wird es zu einfach, für mich wird es unglaublich schwer.

„In Paris kämpfen fünf der stärksten Läufer um genau diese beiden Plätze. Das gilt auch für dich, Georgi“, schließt Yakov und sieht ihn an, als wolle er ihm sagen, dass er auf keinen Fall nochmal gegen mich und Viktor verlieren soll, aber von Georgis anfänglicher kämpferischer Haltung ist jetzt auch nicht mehr viel übrig. Es fühlt sich an, als wäre dieser Vorentscheid bereits das Finale... Ich muss schlucken und schaue auf das Eis. Das wird verdammt hart...

Viktor scheint meine Gedanken ebenfalls erkannt zu haben und kommt zu mir und nimmt mich in den Arm, flüstert mir zu, dass wir das schaffen und ich hoffe einfach nur, dass er Recht behält.
 

Mit der Bekanntgabe der Auslosungen ist der offizieller Startschuss in die neue Saison gefallen, aber nicht nur bei uns Läufern, sondern auch bei allen Liebhabern des Sports. Viktor und ich haben am Abend nach den Zuteilungen unsere Positionen (und insbesondere meine) in den Vorentscheiden durchgesprochen und selbst wenn es in diesem Jahr beim Grand Prix schwer für mich wird, werde ich alles tun, um wieder ins Finale zu kommen. Allein schon, weil die Möglichkeit besteht, es mit Viktor und Yurio zusammen bestreiten zu können. Es ist eine Chance, die wir bestimmt kein zweites Mal bekommen werden und die Vorstellung von uns drei zusammen auf dem Podium hat etwas Unwirkliches, aber auch gleichzeitig etwas sehr Beflügelndes. Wir können uns nur noch nicht einigen, wie die Reihenfolge dann wäre, denn in unseren Gedankenspielen will natürlich jeder von uns in der Mitte stehen, am aller meisten aber unser Kleinster mit dem größten Ego.
 


 

Russian Nationals, 03. Oktober, Moskau
 

Bevor es aber in Vorentscheide zum Grand Prix geht, starten heute die Russian Nationals. Das Team aus St. Petersburg und ich befinden uns in einem großen Raum in der kleinen Eissporthalle in Moskau und warten darauf, dass der Wettkampf beginnt, der über die Qualifikationen zur EM, der WM und der Olympischen Winterspiele entschieden wird.

Yurio hüpft unablässig von einem Bein auf das andere, um sich warm zu machen, aber er wirkt nervös. Georgi hat sich gerade ganz verzogen, um noch ein paar Zeilen an Anna, seine Freundin, zu tippen. Ich kann die Anspannung auch in Yakovs Gesicht sehen, dessen Muskeln völlig eingefroren scheinen. In weniger als vierzig Minuten ist es soweit, dass Viktor seit seiner Pause erstmals wieder die Eisfläche in einem offiziellen Wettkampf betreten wird. Auch wenn dieser nur auf nationaler Ebene stattfindet, herrscht größtes, internationales Interesse und sie alle versuchen sich in Ehrfurcht zu üben, nun da der wahre König in sein Reich zurückkehrt.

Viktor selbst befindet sich in der Umkleide nebenan, um sein Kostüm anzuziehen. Gegenüber der Presse hat er bis jetzt über die Inhalte seiner Programme erfolgreich Stillschweigen bewahren können, aber seine Verschlossenheit hat die Neugier von Fans und Konkurrenten nur weiter angestachelt. Und die Spekulationen, sowohl über seinen Leistungsstand als auch seine Themenwahl, sind ins Bodenlose geschwappt.

Wirklich getroffen hat den Nagel bis jetzt aber niemand. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Viktor im Moment des heißersehnten Comebacks den emotionalen und kreativen Tiefpunkt seiner Karriere offenlegen würde. Weil mein sorgenvolles Gesicht nicht nachlassen wollte, hat Viktor mir zumindest das vorab verraten, damit meinem ausschweifenden Kopfkino Einhalt geboten werden konnte. Schließlich wüsste ich besser als jeder andere, dass er diesen Tiefpunkt überwunden hat und absolut kein Grund besteht, sich verrückt zu machen.

Wie aber würden andere darauf reagieren? Der allgemeinen Stimmung nach zu urteilen erwarteten alle, dass Viktor an seine bisherigen Leistungen nahtlos anknüpft und am Besten mit einem so gewaltigen Paukenschlag, dass ein für alle Mal klar ist, wer auf dem Eis rechtmäßig die Krone trägt. Unter diesem Aspekt kann ich es nur verstehen, dass Viktor vor der Aufführung kein Wort über seinen Programminhalt verlieren will. Er hätte alle Erwartungen enttäuscht, noch bevor er die Möglichkeit gehabt hätte, das Gegenteil zu beweisen. Denn selbst die Kommentatoren des heutigen Wettbewerbs würden erst in diesen Minuten die Informationen zu Viktors Performance erhalten; zu spät also, um vor Beginn noch irgendwem etwas darüber mitzuteilen. Damit bleiben Yakov und Jelena bis zum Auftritt Viktors einzige Mitwisser.

Jelena ist ebenfalls mitangereist und sitzt im Publikum. Sie schickt mir eine Nachricht, dass die Stimmung in der Halle so langsam auf Touren kommt und die Zuschauer sich schon in Fanblocks für Viktor und Yurio geteilt haben. Außerdem wünscht sie Viktor viel Erfolg und fragt in einem PS, ob ich das Outfit bereits gesehen habe. Ich tippe schnell ein Danke auf Russisch zurück und lasse sie wissen, dass Viktor noch in der Umkleide ist. Sofort antwortet sie mit einem OK und der Aufforderung, dass ich meinem Liebsten vor dem Auftritt doch etwas Nettes sagen soll, da er sicher danach fragen würde. Zwinkersmiley. Gut, wenn sie das sagt, dann würde ich mir wohl etwas überlegen müssen...

Das Schloss der Umkleide klickt und Viktor tritt zu uns in den Raum. Entgegen meiner Erwartung kann ich nicht wirklich etwas von seinem Kostüm erkennen, denn er trägt noch seine weiß-rote Trainingsjacke darüber. Mein Blick fällt dennoch sofort auf die weißen Hosenbeine, die ich mir irgendwie ganz anders vorgestellt habe. Dabei sind es nur Hosenbeine. Ich dachte auch, das Outfit würde ein Zweiteiler werden, aber offensichtlich ist es ein Einteiler. Der Stoff ist matt, fließend und sehr fein gewebt. Es wirkt edel und gleichzeitig unheimlich kühl. Der Schnitt ist skinny, aber nicht zu eng, als dass es sexy wirken könnte. Viktor hat weiße Schlittschuhe dazu bekommen, diesmal aber mit normalen, silbernen Kufen, die er gerade neben seine Tasche auf den Boden legt. Dann kommt er zu mir und stellt sich direkt vor mich.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Ja, aber ich bin ziemlich nervös... Du nicht?“

„Doch“, lacht er, aber ich sehe es ihm nicht an. „Ich bin so nervös wie schon lange nicht mehr.“

„Jelena sitzt jetzt im Publikum. Sie wünscht dir viel Erfolg.“ Etwas Besseres fällt mir gerade nicht ein, das ich sagen könnte.

„Danke.“ Viktor zieht mich in seine Arme und hält mich fest. Er flüstert: „Du musst das nicht ansehen, wenn es dich zu sehr aufwühlt. Sei in Gedanken bei mir, mehr wünsche ich mir nicht.“

„Ich will dich laufen sehen...“, gebe ich leise zurück und drücke mein Gesicht an seine Brust. Sein Herz pocht wie verrückt.

„Yuuri“, flüstert er weiter und seine Stimme wird schwerer. „Egal was es für Emotionen weckt, sei dir gewiss, dass ich lebe und leben will. Ich will mit dir zusammen sein.“

„Ich weiß…”

„Denk einfach an das, was ich dir gesagt habe.“

„Ja...“

Ich drücke mich noch einmal fester an ihn, bevor ich schließlich loslasse. Viktor hält noch kurz meine Hand und setzt einen Kuss darauf.

„Alter, ich krieg Brechreiz, wenn das die ganze Saison so geht. Macht den Scheiß irgendwo, wo euch keiner sehen kann! Es nervt!“, beschwert sich Yurio, der von seinem Gehopse zu Dehnübungen übergegangen ist. Viktor lässt meine Hand mit einem Lächeln los, um selbst mit Aufwärmübungen zu beginnen.

Als Sieger des letzten Grand Prix wird Yurio als Erster der ersten Gruppe antreten müssen, Viktor startet als letzter der ersten Gruppe. Georgi läuft dazwischen als zweiter und von den anderen drei Läufern habe ich bisher weder etwas gehört, noch jemals einen von ihnen überhaupt gesehen.

Ich schaue auf die Uhr. Noch etwas mehr als eine Viertelstunde, dann ist Yurio dran. Ich bin schon sehr gespannt darauf, Arabesque endlich komplett zu sehen. Da Yurios Training sich immer wieder mit meinem Sprachkurs überschnitten hat, kenne ich das Programm nur in Auszügen. Das fertige Outfit ist jedenfalls auch ohne das Programm schon ein Hingucker, so sehr knallen einem die Farben ins Gesicht. Yurio sieht aus wie ein arabischer Prinz, wie er nicht besser beschrieben werden könnte. Einzig seine blonden Haare und die helle Haut passen nicht ins Bild, aber sie verleihen dem Gesamtbild etwas sehr Exotisches.

Während Yurio und Viktor sich weiter aufwärmen und vorbereiten, gehe ich noch einmal alle Dinge durch, die ich gleich mitnehmen muss. Die Handschuhe, Viktors und meine Pässe, der Schlüssel für den Spind, die Makkachinbox, Viktors Isoflasche und sein Handy... Ich muss schmunzeln. Letztes Jahr war es genau umgekehrt und Viktor hat für mich den Packesel gespielt. Dann fällt mein Blick noch einmal auf unsere Pässe, die ich bisher noch gar nicht wirklich angeschaut habe. Ein Schock durchfährt mich, als ich lese, dass auf meinem Pass nicht „Yuuri Katsuki“ vermerkt worden ist, sondern „Katsuki Nikiforov“!

Mist. Bin ich damit um den Hals wirklich seit heute Morgen rumgelaufen und fürs Fernsehen gefilmt worden?! Hat da einer gepennt, als die Pässe gemacht wurden?!

„Dein Pass steht dir ausgezeichnet, Yuuri.“ schießt es mir durch den Kopf. Deswegen war Viktor beim Einlass zum freien Training gestern auch so amüsiert! Und ich hatte noch gedacht, er veralbert mich wegen dem drei Jahre alten Foto von mir und habe ihm gar keine Antwort drauf gegeben… Warum hat er auch nichts gesagt? Warum hab ich nicht vorher anständig gelesen… Mist... Yakov wird an die Decke gehen, wenn er es bemerkt...

Wobei…Katsuki Nikiforov. Irgendwie klingt das gar nicht so übel.

Mein Handy vibriert wieder. Es ist wieder Jelena, die sagt, dass der Yurio-Fanblock gerade Sprechchöre anstimmt. Ich horche auf und eigentlich war ihre Nachricht unnötig. Ich kann es bis hierher hören, so laut sind die Rufe nach Yuratchka.

„Yurio hat ganz schön viele Fans gewonnen“, bemerke ich und vergesse dabei glatt, dass Yurio Kopfhörer und Viktor Ohrstöpsel trägt und beide nichts hören können. Yakov gibt Yurio just in diesem Moment auch ein Handzeichen, dass er mit nach draußen kommen soll. Viktor sitzt gerade im Spagat auf seiner roten Matte und beobachtet, wie Yakov mit Yurio den Raum verlässt. Ich winke ihm zu und deute mit den Händen, dass ich ebenfalls nach draußen gehen werde, um Yurio anzufeuern. Viktor nickt und senkt den Kopf wieder auf sein Knie. Autsch. Also Spagat ist an sich ist ja schon nicht leicht, aber den Kopf dann noch aufs Knie zu legen schmerzt sicher nicht nur beim Zuschauen... und so jemand hat Bedenken wegen einem Fisch gehabt; ich fass' es nicht.

Die Halle ist brechend voll. Wie von Jelena beschrieben, hat sich auf der von mir aus rechten Seite ein Yurio-Fanblock mit Yuratchka-Bannern und Katzenohrträgerinnen formiert, die beim Eintreffen von Yurio total durchdrehen und eine ohrenbetäubende Lautstärke erreichen. Zur meiner Linken überwiegen die Banner, die Viktor willkommen zurück heißen und sie sind eindeutig in der Überzahl. Das Fernsehen und die Presse haben ein riesiges Aufgebot vor Ort, denn wenn von Viktors Comeback absieht, gibt es heute außerdem das erste Duell zwischen dem alten und dem neuen Sieger des Grand Prix zu verfolgen. Viktor und Yurio sind zuvor noch nie gegeneinander gelaufen und die Spannung, die in der Luft liegt, stellt einem die Haare an den Armen auf.

Kurz darauf ist es soweit, dass Yurio von den Kommentatoren, die ich aufgrund meiner fortgeschrittenen Russischkenntnisse immerhin recht gut verstehe, angekündigt wird und die Eisfläche betritt.

Jemand tippt mich an die Schulter und ich sehe, dass Viktor zu mir an die Bande gekommen ist. Auch die anderen Läufer haben sich in der Halle eingefunden, denn keiner will es verpassen, wenn das kleine Monster mit seinem Kurzprogramm beginnt.

Yurios Auftritt hat zwei Quads, einen Dreifachsprung und eine Dreifach-Zweifach-Kombination. Ob er diesmal mit dem Druck umgehen kann, dass mehr als zwei Drittel der Zuschauer ihn nur auf dem zweiten Platz sehen wollen? Beim Rostelecom Cup im letzten Jahr ist ihm der Druck im Kurzprogramm zum Verhängnis geworden und hat ihn den Sieg gekostet.

Der Blondschopf hat seine Position eingenommen und es geht los. Trommeln und die näselnden Töne einer Pungi erfüllen den Raum mit der orientalischen Musik von Arabesque und Yurio setzt sich in Bewegung, fährt passend zum Auf und Ab der Melodie Schlangenlinien ins Eis, wechselt die Richtung, verbiegt sich dabei, als würde sein Körper keine Knochen besitzen. Bezirzt vom Klang der Flöte windet er sich in immer schwierigere Posen, während er auf einem Fuß über die Eisfläche gleitet. Perfekt. Das ist genau das, was Yurios Qualitäten hervorhebt. Im Ausdruck ist er nicht so souverän, aber seine Flexibilität raubt jedem den Atem.

Die Musik zieht an, wird härter, wie Pferdegetrippel und Yurio springt den ersten Quad, einen Salchow, fehlerfrei. Er beginnt eine Schrittsequenz mit viel Elan und Entschlossenheit, als würde er tatsächlich auf einem dunklen Pferd majestätisch durch die Wüste reiten.

Ich bin wie gebannt. Es passt alles so gut zusammen. Auch wenn Yurio viel gemeckert hat, scheint er in der Performance komplett aufzugehen. Gleich kommt die Kombination, bei der sich die Tücher an seinen Armen öffnen sollen. Ob das wirklich funktioniert? Gleich... und Sprung! Nochmal! Wahnsinn! Die Tücher sind offen!

Wie eine geheimnisvolle Tänzerin aus 1001 Nacht dreht er jetzt seine Pirouetten, begleitet von einem Sprechchor innerhalb der Musik. Yurio entführt uns alle und keiner traut sich, auch nur einmal zu blinzeln. Innerlich ergreift mich die Ehrfurcht, wenn ich mir überlege, dass Viktor genau einen Nachmittag gebraucht hat, um sich dieses Programm aus dem Ärmel zu schütteln. Und das nur, weil ich Yurio einen Mundschutz gegeben habe, weil er sich eine Erkältung eingefangen hatte und gehustet hat wie verrückt... Da frage ich mich, wie verworren die Gedanken eines so brillanten Kopfes eigentlich sein müssen, um von einem Schnupfen auf ein Märchen aus dem Orient zu kommen. Aber es passt so unbeschreiblich gut... Yurio springt den vierfachen Toeloop einwandfrei und die Menge tobt. Die Musik wird dramatischer, schneller und Yurio knüpft wieder an die dynamischen Vorwärts-Rückwärts-Schritte vom Anfang an, sodass er aufgrund seiner Geschwindigkeit die kompletten Diagonalen der Eisfläche ausreizen muss. Stolzes Trommeln leitet seinen letzten Sprung, der direkt in die Endpose übergehen soll, ein: Ein rückwärts angefahrener dreifacher Axel... mein Puls ist beinahe so schnell wie die Trommelschläge... Komm schon, Yurio... gleich... jetzt, Sprung und Davai! Er hat alles geschafft!

Die Yurio-Fans toben, Viktor und ich klatschen Beifall und unser Blondschopf kommt sogleich zum Halten; sichtlich angestrengt, aber zufrieden, dass alles glatt gelaufen ist. Er holt kurz Luft, verbeugt sich und Blumen und Stofftiere landen auf dem Eis. Ich riskiere kurz einen Blick zu Yakov und fühle Erleichterung, dass auch er zufrieden mit Yurios Performance aussieht. Nach so einem so guten ersten Auftritt wäre jede Kritik auch erst einmal fehl am Platz, finde ich.

Georgi hat sich jetzt auch endlich eingefunden, stellt sich neben Yakov und ich muss mich beherrschen, nicht loszuprusten. Hat der Typ ein Talent für einfach nur dämliche Kostüme? Dann schaue ich wieder zu Yurio, der gerade das Eis mit einem Katzenplüschie unterm Arm verlässt.

„Yurio, du warst super“, gratuliert Viktor. „Wirklich sehr gut, so wie ich es von dir sehen wollte!“

„Was hast du gedacht, Alter? Wehe, du verkackst es gleich“, stichelt Yurio und gibt noch kurz den Daumen hoch, bevor Yakov mit ihm zum Kiss & Cry marschiert.

„Keine Sorge“, ruft ihm Viktor hinterher, seinerseits ebenfalls mit einem Daumen hoch.

Ich glaube, mittlerweile bin ich viel nervöser als Viktor selbst. Dass Yurio ein so fesselndes Programm bekommen hat, macht es noch unerträglicher, auf das zu warten, was Viktor sich für sich selbst ausgedacht hat. Es warten alle auf Yurios Wertung und Jubel erfüllt die Halle, als unser liebenswertes Monster fürstlich mit 98.87 Punkten belohnt wird. Für den ersten Wettkampf der Saison ein mehr als anständiges Ergebnis.


Nachwort zu diesem Kapitel:
[So, jetzt ist der Alte dran. / Ich bin ganz schön aufgeregt. Wie das Programm wohl wird? / Wenn er ein Bettlaken trägt, kann’s ja nicht sehr spannend sein. / Yuri, ist jetzt endlich Ruhe! / Lass' ihn, Yakov. Wer das Maul am Weitesten aufreißt, wird gleich am Meisten überrascht ;D ]

8. Kapitel: Russian Nationals – Viktor Nikiforov: Das Comeback


Und hier ist noch der Link zur Musik: Arabesque Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  vorsicht_bissig
2018-03-14T08:53:13+00:00 14.03.2018 09:53
Geil! Einfach nur geil! Hab gerade dieses Kapitel gelesen und mir gleich im Anschluss die Musik angehört. Und als ich die Augen geschlossen habe konnte ich Yurio dazu tanzen sehen, wie du ihn beschrieben hast! <3 <3 <3 Geil! Hoffentlich sterbe ich nächstes Kapitel nicht, wenn Victor Tod tanzt ^^
Antwort von:  Flokati
14.03.2018 17:47
Vielen Dank, das freut mich sehr :D
Von:  Sumino
2017-08-11T23:03:22+00:00 12.08.2017 01:03
Bitte such iwie Bilder von den Outfits raus ich grinse mir gerade voll einen ab XDD aber voll Sweet das mit den passen
Antwort von:  Flokati
12.08.2017 09:36
Danke für den Kommi ^^
Es gibt derzeit leider keine Bilder von den Outfits. Aber wie gesagt, vielleicht hat jemand Lust, sie zu zeichnen? :)
Von:  --lina--
2017-08-11T21:45:04+00:00 11.08.2017 23:45
Du killst mich irgendwann noch.
Ich liebe das kleine Monster ❤️
Du triffst alle Charaktere ausgesprochen gut und Yuras Programm war atemberaubend gut! Natürlich wartet man nun auf den Meister!
Und wird es eine Beschreibung von Georgis Outfit geben? Ich bin mir nicht mehr sicher, ob du es mal erwähnt hattest ^^
Ich freue mich jedenfalls aufs Update ❤️
Schlaf gut!
Antwort von:  Flokati
12.08.2017 09:35
Danke, Liebes <3
Von Georgis Outfit habe ich keine Beschreibung im offiziellen Text, da kann jeder seiner Fantasie freien Lauf lassen ;D
Antwort von:  --lina--
12.08.2017 10:04
Ach schade :D
Naja gut, dann muss mein Hirn jetzt ran :'D
Wenn ich nur zeichnen könnte >< Aber vielleicht kann ich Kami überreden, hihi.


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