Actio est reactio von Ur (von Nerdherzen und den physikalischen Gesetzen ihrer Eroberung) ================================================================================ Kapitel 25: Ein wahrer Gryffindor --------------------------------- Am Dienstag kommt Tamino nicht zur Schule und ich verfalle in Panik, weil ich denke, dass er vielleicht wieder so abgerutscht ist wie letztes Mal. Das wäre meine Schuld. Weil ich ein Arschloch bin. Als er am Mittwoch wieder auftaucht, bin ich zuerst erleichtert, aber als er sich auf einen anderen Platz setzt, verfliegt das Gefühl ziemlich schnell. Ich beobachte ihn die ganze Zeit, während er mit dem Kopf auf dem Tisch liegt. Wahrscheinlich schläft er wieder schlecht. Cem schaut mich vorwurfsvoll an. Einerseits denke ich mir, dass das alles nicht passiert wäre, wenn Cem sich nicht eingemischt hätte. Dann wiederum kann ich die Schuld für mein arschiges Verhalten echt nicht auf Cem abwälzen, um mich besser zu fühlen. Es würde sowieso nicht funktionieren. Ich habe den ganzen Dienstag das dringende Bedürfnis gehabt, bei meinem Vater anzurufen und ihn anzuschreien, weil ich wegen ihm ein neiderfüllter Wichser geworden bin, der es anderen zum Vorwurf macht, wenn sie irgendwas besser können als ich. Als wäre das irgendjemandes Schuld. Ugh. In Bio schläft Tamino nicht und er kaut so heftig an seinen Fingern herum, dass am Ende drei davon bluten. Ich weiß immer noch nicht, was er gemeint hat, dass er mit seinen Talenten nichts anfangen kann und vor allem Schiss hat, aber letztendlich ist es auch egal. Er hätte alles Recht der Welt sauer zu sein, auch wenn dem nicht so wäre. Weil ich ein Trottel bin. »Kleiner Tipp am Rande. Es ist produktiver sich zu entschuldigen, statt sich die ganze Zeit im Kopf als Arschloch zu betiteln«, informiert Cem mich in der großen Pause, als Tamino mit einem blutigen Taschentuch an uns vorbei hastet, als würden wir uns gleich auf ihn stürzen. »Und seit wann bist du Experte für sowas?«, maule ich ungehalten und bin sehr versucht, gegen die nächstbeste Wand zu treten. Cem verdreht die Augen. »Seit gesunder Menschenverstand erfunden wurde«, sagt Cem und boxt mir so heftig gegen die Schulter, dass es richtig wehtut. Ich kriege direkt wieder Panik, weil heute Mittwoch ist und Tamino am Wochenende wegfährt. Für sechs Wochen. So kann ich nicht in die Ferien gehen. Ich muss mich zusammenreißen und mich entschuldigen. Als ich nach der Schule nach Hause komme, treffe ich Mari im Flur. »Kann ich dich was fragen?«, sage ich zögerlich. Sie hat ein Handtuch auf dem Kopf und sieht aus, als wäre sie im Begriff sich fertig zu machen. »Klar«, sagt sie und tingelt weiter ins Bad. Ich folge ihr und beobachte interessiert, wie sie anfängt, Makeup aufzutragen. »Wie… äh… wie kommst du so damit klar, dass Linda besser im Volleyball ist als du?« Mari blinzelt und schaut mich über die Schulter an. Ich hab mich auf den Klodeckel gesetzt und schaue peinlich berührt zurück. »Ähm… keine Ahnung? Gut? Also… ich war früher voll sauer und frustriert, weil wir jedes Mal gegen ihre Mannschaft abgesoffen sind. Aber als ich sie dann kennen gelernt hab, fand ich es eher beeindruckend. Und dann irgendwann war ich vor allem stolz?« Sie fängt an, ihre Wimpern zu tuschen. Ich seufze. »Und… äh… du hast da nicht manchmal…« Ich rudere mit den Händen durch die Luft und versuche irgendwie auszudrücken, was eigentlich mein Problem ist. Mari dreht sich zu mir um und schaut mich an. »Wegen Papa?« Sie zieht die Schultern hoch. Wir reden eigentlich nie über ihn und es ist komisch, Mari »Papa« sagen zu hören. Als wäre er tatsächlich irgendwie unser Vater, obwohl er schon seit Jahren überhaupt nicht mehr in unserem Leben ist. Ich nicke und kaue auf meiner Unterlippe herum. Mari verzieht das Gesicht und seufzt. »Naja… seien wir ehrlich. Auf mir hat er nie so rumgehackt wie auf dir«, sagt sie leise. Irgendwie ist es gut das zu hören, weil ich mir nie so richtig sicher war, ob das stimmt, oder ob es sich nur so angefühlt hat. »Hm…« »Wie kommst du darauf?«, will sie wissen und dreht sich wieder zum Spiegel, um mit einem Lidstrich weiterzumachen. »Ähm… Tamino war mit uns beim Training«, sage ich. Das reicht, um Mari verstehen zu lassen, was in etwa passiert sein muss. Sie hat mich schon oft genug darüber reden hören, dass Tamino alles kann und ein Superhirn ist und… »Jedenfalls war ich ein Arschloch«, füge ich hin. »Hast du ihm erklärt, wieso du ein Arschloch warst?« »Nee.« »Dann kannst du damit ja vielleicht einsteigen«, schlägt sie vorsichtig vor. Ich beobachte, wie sie roten Lippenstift aufträgt und ich frage mich, was sie vorhat. »Ich hab noch nie mit irgendwem über… darüber geredet«, gebe ich zu. »Ist ja auch kacke. Kann aber echt guttun«, meint sie. »Vor allem, wenn andere Leute dann sagen: ‚Was? Was für ein Arschloch ist der Typ denn? Das geht ja gar nicht!‘« Sie grinst mich schief an. Ich grinse schief zurück und stehe auf. »Ok. Danke«, sage ich und verlasse das Bad. »Kein Ding«, ruft sie mir nach. »Viel Erfolg!« Ich schnappe mir Schlüssel, Portemonnaie und Handy und verlasse das Haus, bevor ich es mir anders überlegen kann. Wahrscheinlich braucht Mari das Auto für ihre Feierpläne, also gehe ich zur Fuß. Es kostet mich ganze zwei Minuten, bevor ich mich traue die Klingel zu betätigen, als ich an Taminos Wohnungstür angekommen bin. Als es summt, fällt mir fast das Herz zwischen die Füße, aber ich steige die Treppe nach oben und fühle mich tonnenschwer, als ich Taminos Augenringe und die Pflaster an seinen Fingern sehe. Er sieht aus, als wüsste er nicht, ob er die Tür nicht eigentlich gerne wieder zumachen würde, aber als ich oben angekommen bin, tritt er einen zögerlichen Schritt zur Seite und lässt mich herein. Ich trete von einem Bein aufs andere und überlege, wie ich es am besten formulieren soll. Tamino macht schon wieder diese Sache – er versucht kleiner auszusehen, als er ist und es tut mir unsagbar Leid, dass ich ihm das Gefühl gegeben habe, sich klein machen zu müssen. »Tut mir leid«, platzt es schließlich aus mir raus. »Ich… äh… es tut mir echt leid. Ich… ich war ein Arsch. Ich weiß nicht so richtig, was…« Er schaut mich aus seinen dunkelbraunen Augen hinter seiner Brille hervor an und beißt sich auf die Unterlippe. Dann habe ich einen Arm voller Tamino und gebe ein peinliches Geräusch von mir, das ich lieber nicht näher beschreiben möchte. Ich klammere mich an ihm fest, als wäre er ein Rettungsring auf dem weiten Meer. Wann genau das alles passiert ist, weiß ich wirklich nicht. Von »Ich hab echt keinen Bock auf Nachhilfe bei diesem Streber« hin zu »Wenn ich ihn ein paar Tage lang nicht umarme, geht die Welt ein bisschen unter« innerhalb weniger Monate. »Tut mir leid«, nuschele ich noch mal, diesmal gegen seine Schulter. Tamino hat seine Hände in meinen Haaren vergraben und sein Gesicht irgendwo an meiner Halsbeuge, während meine Finger sich in seinem Shirt festkrallen. Er zieht sich ein Stück zurück, aber ich mache keine Anstalten loszulassen. »Uh-uh«, mache ich und schüttele den Kopf. Tamino kommt zurück in die Umarmung und ich stelle zum ungefähr tausendsten Mal fest, dass er gut riecht. Ich muss ihm erklären, warum ich ein Arschloch war, aber ich kann auch nicht wirklich gut denken. Meine Eingeweide haben sich von eisig kalten Klumpen in sehr heiße Lavabrocken verwandelt und ich weiß überhaupt nicht wohin mit mir. »Tut mir leid«, murmele ich immer und immer wieder. »Mir auch«, krächzt er schließlich. Ich blinzele, dann ziehe ich meinen Kopf zurück. Ich habe das dringende Bedürfnis, sein Gesicht in beide Hände zu nehmen. Weiß der Geier, wo diese Anwandlungen herkommen. »Was? Wieso?« »Ich hab‘s dir nicht erzählt«, sagt er kläglich. »Naja, du… musst mir ja auch nichts erzählen, wenn du nicht willst«, gebe ich zurück. Er zieht die Schultern hoch. »Aber ich hab… ich hab dir einfach nichts erzählt«, sagt er dann noch mal, eindringlicher. Er sieht beinahe ein wenig panisch aus, als würde er erwarten, dass ich abhaue, weil er mir nicht seine komplette Lebensgeschichte erzählt hat. Ich folge meinem Impuls von vorher und nehme sein Gesicht in beide Hände. Das ist, als würdest du ihn gleich küssen, sagt eine Stimme in meinem Kopf. »Es war definitiv alles meine Schuld«, sage ich sehr bestimmt. Ich habe einen Kloß im Hals und Tamino sieht aus, als würde er gleich wieder anfangen zu weinen. Wenn ich ihn jemals wieder zum Weinen bringe, haue ich meinen Kopf gegen die nächstbeste Wand. »Kann ich– kann ich versuchen zu erklären?«, fragt er unsicher. Ich nicke und lasse sein Gesicht los. »Vertraust du mir?«, fragt er und klingt bei dieser Frage sogar noch viel unsicherer. Ich muss nicht nachdenken, bevor ich nicke. »Du hast Angst vorm Ertrinken… nicht?« Ich blinzele verwirrt, nicke aber erneut. Er nickt ebenfalls, dann greift er nach meiner Hand und zieht mich zur Tür. Ich habe keine Ahnung, was als nächstes passiert, aber ehe ich es mich versehe, sind wir unten auf der Straße und Tamino fordert mich auf, mich auf den Gepäckträger seines Fahrrads zu setzen. Meine Hände locker auf seine Hüften zu legen, fühlt sich ein wenig seltsam an. Ich sehe die Nachbarschaft vorbeiziehen und überlege, wo er wohl mit mir hin will, bis mir klar wird, dass wir auf einen der Parks zusteuern, die sich in der näheren Umgebung befinden. Ein Park, den ich für gewöhnlich meide, weil er etwas beherbergt, das ich ungern ansehe. Nämlich einen ziemlich großen Teich. See. Wie auch immer man es nennen soll. Es ist ein stehendes Gewässer, in dem definitiv schon Leute ertrunken sind und auf dem manche Bekloppte im Winter Eislaufen gehen. Mein Puls beschleunigt sich wie auf Kommando und ich schlucke, als Tamino das Rad an einem Baum abstellt und abschließt. Es sind viele Leute hier, weil es warm ist, aber Tamino steuert direkt auf Bäume und Gebüsch zu und ich habe kaum die Möglichkeit einen Fluchtreflex zu entwickeln, da sind wir am See entlang an eine Böschung gelangt, die vielleicht einen Meter oberhalb der Wasseroberfläche liegt. »Vertraust du mir immer noch?«, fragt er. Ich nicke, lasse das Wasser aber nicht aus den Augen. Tamino holt tief Luft und schiebt mich vorsichtig an den Rand der Böschung. Jede Faser meines Körpers möchte ganz dringend nicht hier sein und ich höre selbst, dass mein Atem schwerer geht. »Ok… also… was ich am Montag meinte, ist… ich hab… ich hab ‘ne Angststörung«, sagt er. Ich runzele die Stirn. »Was–« »Ist eine psychische Störung. Ich bin… ich hab immer Angst. Fast immer. Vor allem. So wie du dich gerade fühlst…«, und an dieser Stelle lässt er meine Schultern los und ich stehe plötzlich sehr alleine sehr nah am Wasser und möchte rückwärtsgehen. Mein Herz hämmert, während ich mir vorstelle, nach vorne zu kippen und dann in der nächsten Sekunde schon keine Luft mehr zu bekommen. »So fühle ich mich fast immer.« So fühlt Tamino sich… die ganze Zeit? »Daher kommen auch meine… daher kommen auch die Depressionen? Durch den Stress von der Angststörung. Ich bin… ja… ähm… ich bin krank. Aber halt nicht so wie jemand, der Asthma oder Diabetes hat, sondern… im Gehirn.« Es herrscht ein Moment Stille, während ich versuche, meiner Angst Herr zu werden. Wie kann man so durch den Alltag gehen? Ich versuche mir vorzustellen, wie es sein muss, diese Gefühle zu empfinden, die ich gerade durchmache, aber einfach bei allem. Völlig konfus erinnere ich mich daran, dass Mari gesagt hat, dass Tamino nicht gerne telefoniert und wie überrascht sie war, dass er den Anruf angenommen hat. Wahrscheinlich wusste sie Bescheid. »Ich hab Angst vor der Schule und vor anderen Leuten. Und vorm Telefonieren. Und davor, in Läden zu gehen, oder Essen irgendwo zu bestellen. Ich hab… ich hatte Angst zum Training zu gehen, obwohl ich wirklich gerne spielen wollte. Ich hab Angst, vor anderen zu singen und davor, dass meine Freunde mich insgeheim hassen. Ich hab Angst vorm Versagen und vor den einfachsten, alltäglichen Dingen… ich werde nie irgendwas mit all meinen Talenten anfangen können, weil ich zu viel Angst vor allem habe…« Mir ist mittlerweile der kalte Schweiß ausgebrochen. Ich versuche, die Worte zu verarbeiten, während ich mich so nah am Wasser befinde und frage mich, wie Tamino die Schule mit einem Einserschnitt bewältigen kann, während er sich so fühlt. Weil er Angst vorm Versagen hat, flüstert eine leise Stimme. Angst vor allem. Arme schlingen sich von hinten um mich und halten mich fest, ziehen mich ein kleines Stück rückwärts. Ich entspanne mich ein wenig und atme tief ein und aus. Das ist besser. Noch nicht angstfrei, aber viel besser. »So ist es mit dir«, flüstert Tamino mir ins Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut. Dann zieht er mich weiter zurück, weg vom Wasser, bis ich die Böschung kaum noch sehen kann und er dreht mich, sodass ich wegschaue vom Wasser. »So ist es, wenn ich zu Hause bei meinen Freunden bin.« Oh. Wer würde nicht sechs Wochen mit seinen Freunden verbringen wollen, wenn sie die Angst dermaßen lindern können. Tamino lässt mich los und ich frage mich, was ich sagen kann. Aber vielleicht kann man dazu auch nichts sagen, es ist so viel auf einmal und ich bin immer noch ziemlich schweißgebadet. Ich lasse mich erst mal auf den Boden sinken. Tamino tut es mir gleich und mustert mich. »Jetzt gerade hab ich Angst, dass du mich für bekloppt hältst und nichts mehr mit mir zu tun haben willst, weil ich nicht ganz dicht bin«, gibt er zu. Ich blinzele und sehe ihn empört an. »Was? Nein!« Er lächelt schief. »Wasser ist gar nicht so gefährlich«, meint er. Ich verstehe kurz nicht, was er meint, bis mir klar wird, dass meine Angst vorm Ertrinken sich natürlich nicht einfach legt, nur weil Tamino mir das sagt. Ich seufze. »Wow«, murmele ich und zwinge mich, wieder zum Wasser hinzuschauen. »Wie lange hast du das schon?« Er zuckt mit den Schultern. »Vielleicht schon immer? Auf jeden Fall seit ich zwölf bin, oder so. Vielleicht schon vorher. Die Depressionen sind später dazu gekommen. Vor allem nachdem… ah… nachdem meine Mutter gestorben ist.« Oh. Anscheinend fährt Tamino jetzt die volle Breitseite aus, als wäre in ihm ein Knoten geplatzt. Direkt im nächsten Moment zerschmettert er diesen Eindruck. »Es gibt noch andere Sachen, aber… ähm… ich hab… ich kann nicht über alles auf einmal reden und ich hab ja sowieso Schiss, dass du mich jetzt für total bekloppt hältst und… so« Ich lege mich auf den Rücken und schaue hoch in den Himmel. Tamino tut es mir gleich und ein paar Sekunden später finden seine Finger meine Hand. Ich drehe meine Handfläche nach oben und verhake unsere Finger miteinander. »Mein Vater ist ein Arschloch«, sage ich dann, während ich ein paar Wolkenfetzen beobachte, »hat immerzu auf mir rumgehackt, dass ich nicht gut genug in der Schule bin und zu nichts zu gebrauchen und… ah… ich hab zwischen Realschule und Gym geschwankt und er hat gesagt, dass ich es eh nicht schaffen würde, mein Abi zu kriegen. Und dann hat… ähm… meine Mutter ihn angeschrien, dass ich das wohl schaffe und hat ihn rausgeschmissen.« Tamino drückt meine Hand ein wenig und ich bin ziemlich sicher, dass er versteht, inwiefern das alles damit zusammen hängt, warum ich mich am Montag wie der letzte Wichser benommen habe. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke. »Unsere Väter können einen Club gründen«, meint er. Ich schnaube. »Jap.« Wir liegen eine ganze Weile schweigend im Gras und schauen hoch in den Himmel, während man in der Ferne lachende Menschen und Wasserplätschern hört. »Ich will… ähm… ich will auch…«, fange ich an, verhaspele mich nervös und schnaube entnervt über mich selber. »Als du mich umgedreht hast, weg vom Wasser«, sage ich dann und sehe Tamino aus dem Augenwinkel nicken. Ich drehe meinen Kopf und schaue ihn an. Mein Gesicht ist wahrscheinlich knallrot. »Das will ich auch sein. Für dich.« Tamino lächelt mich an. Mein Herz fängt an, wie blöd gegen meine Rippen zu hämmern. Irgendwas ist definitiv nicht in Ordnung mit mir, wenn mein Körper dauernd so durchdreht, weil Tamino mich anlächelt. »Meine Mutter wäre großer Fan von dir gewesen«, sagt er leise. Ich frage mich wieso und will die Frage eigentlich auch gerne laut stellen, aber ich schlucke sie herunter. Es macht wahrscheinlich wenig Freude, über seine verstorbene Mutter zu sprechen. »In welchem Haus bist du? Bei Harry Potter?«, will ich völlig aus dem Kontext gerissen wissen, aber es ist mir gerade eingefallen, dass ich nie gehört habe, in welchem Haus Tamino ist, als wir den Test gemacht haben. »Pottermore sagt Ravenclaw«, sagt er. Ich muss lachen und Tamino lacht mit. Natürlich Ravenclaw. Sein Daumen streichelt ganz behutsam meinen Daumen und mein Magen überschlägt sich mehrfach. »Tja. Falls du es noch nicht wusstest, ich bin… äh… zertifizierter Hogwartsexperte. Und ich befinde hiermit, dass du definitiv nach Gryffindor gehörst.« Tamino blinzelt. Dann schluckt er. »Gryffindor?« Ich nicke. Seine Stimme klingt heiser, als hätte er einen Kloß im Hals. »Wer vor allem Schiss hat und trotzdem all diese Dinge macht, die du machst, der gehört da definitiv hin«, erkläre ich. Wer sowieso nie Angst hat, kann auch nicht mutig sein, denke ich. Tamino schaut mich an, als hätte ich den Mond an den Himmel gehangen. Dann rutscht er näher und lehnt seine Stirn gegen meine. »Willst du meine Hausdiagnose für dich auch hören?«, fragt er leise. Ich schließe die Augen und nicke langsam. »Hufflepuff«, sagt er wie aus der Pistole geschossen, als hätte er schon eine Weile darüber nachgedacht. »Harte Arbeit, Geduld und Loyalität. Ich hab selten so’nen Hufflepuff getroffen wie dich.« Ich lache leise. Ich war mit Gryffindor eigentlich ganz zufrieden, vor allem, weil Mari auch dorthin sortiert wurde, aber wenn Tamino es so sagt, klingt Hufflepuff eigentlich ziemlich gut. »Trinken wir am Freitag darauf?«, frage ich. »Hmhm«, sagt Tamino leise und drückt erneut meine Hand. In diesem Moment habe ich ganz vergessen, dass wir am Wasser liegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)