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Manus manum lavat

von

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Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Kummer, der nicht spricht, nagt am Herzen, bis es bricht.

- William Shakespeare


 

 
 

~*~
 

 

- Kapitel sechs -


 

„Nochmal zum Mitschreiben. Ich“, erklärte Vegeta langsam, dass auch der Dümmste ihn verstand, „möchte nicht zum See, klar? Ich will meine Ruhe – vor Ihnen, vor Ihrer Frau und vor allem vor Ihrer Tochter!“ Das Spiel, einen gelehrigen Saiyajin zu fingieren, konnte er sich zukünftig sparen, was ihm gelegen kam. Viel länger als zwei Tage hätte er das in Gegenwart ihrer nervigen Mutter sowieso nicht ausgehalten. „Das verstehen Sie doch, oder? Wäre Ihnen zu raten, weil ich langsam die Geduld verliere.“

 

„Dein Vater -“

 

„Ich kenne die schäbigen Intentionen und Machenschaften meines Vaters, aber funktionieren wird es trotzdem nicht. Noch bestimme ich, wie ich bin.“ Endlich konnte er dem alten Mann entgegentreten, wie es sich für einen Saiyajin gehörte. Vorbei war das ätzend freundliche Getue, er konnte die Maske ablegen, die so hinderlich war. Zusätzlich wollte er die Tür zuschlagen, dem Mann deutlich zu verstehen geben, dass weitere Gespräche nicht folgten, doch hielt er überrascht inne, als sein Vorhaben scheiterte und sein Blick nach unten glitt – zu dem Fuß ihres Vaters, der zwischen der Tür und den dazugehörigen Rahmen gestellt worden war. „Gewagt. Sehr gewagt, Doktor“, lächelte Vegeta und zog die Tür wieder auf. Scheinbar erinnerte sich Dr. Briefs an seine saiyajinischen Kräfte.
 

„Vegeta“, begann Dr. Briefs erneut - versöhnlich, duldsam... Marotten, die Vegeta vermutlich nicht kannte. „Verständlich, dass du mit uns älteren Herrschaften nichts anfangen kannst, aber Bulma ist in deinem Alter. Was auch in der kurzen Zeit zwischen euch vorgefallen sein mag, ich bin mir sicher, sie wollte dich Willkommen heißen. Ich kenne mein Mädchen und Unhöflichkeit gehört zu den letzten Auswegen, die sie wählen würde.“

 

„Willkommen heißen?“ Dann musste sie arg verzweifelt gewesen sein, wenn sie jetzt schon in Bredouille war und Wut stets ihr letzter Ausweg war. „Dann lassen Sie es mich so ausdrücken: Ihre Tochter hat keinen Sinn für Anstand, aber sie weiß, wie man einen Saiyajin bis aufs Blut provoziert, was nicht gut ist.“ Oder wollte ihr Vater etwa andeuten, dass Vegeta zu den Ausflüchten der Tochter beigetragen haben könnte? Wenn ja, dann hatte Dr. Briefs vollkommen recht. Er war der Auslöser ihres unkontrollierten Zornes. „Ich kann äußerst ungemütlich werden, das weiß auch mein Vater. Oder wieso glauben Sie, weshalb ich hier bin? Um Däumchen zu drehen?“

 

„Ich kenne die Gründe“, winkte der alte Saiyajin ab. „Deshalb sollst du am Familienleben teilnehmen, um zu lernen, Verantwortung für diejenigen zu übernehmen, die es wert sind, beschützt zu werden – wie dein Volk, das du beschützen musst.“

 

„Dann wissen Sie, was passiert, wenn man mir weiter auf den Sack geht?“ Vegeta würde den alten Wissenschaftler nicht anders behandeln. Dasselbe galt seiner unverschämten Tochter. Abschließend, nachdem der Erdling nichts mehr erwähnte, schob Vegeta ihn entschieden zur Tür. Er achtete darauf weder ihn, noch seine Katze – die schnurrend auf seiner Schulter saß – grob anzufassen, dennoch war sein Griff entschlossen.
 

Genervt lehnte er seinen Rücken gegen die Tür, die mittlerweile wieder verschlossen war. Schnaufend blickte er unterdessen zum Fenster und dachte über die Worte nach. Darüber, dass er sein Volk beschützen musste... Dass er hier war, um jenes Verhalten zu verinnerlichen, das ihm seit Vater immer einprägen wollte und er gekonnt ignoriert hatte. Schlussendlich war er doch nur hier, um die Fehler seines Vaters auszubaden, der nicht fähig dazu war, seinen eigenen Sohn zu erziehen. Nein, das hatte der König nicht geschafft, weshalb er diese Aufgabe in die Hände des Mannes legte, den er vor wenigen Augenblicken unsanft vor die Tür geschoben hatte.

 

Gott, wie schwach sein Vater war, wenn er es schon nicht schaffte, Vegeta in die Schranken zu weisen. Hasserfüllt blickte der junge Vegeta auf seine blütenweißen Handschuhe, die seine geballten, zitternden Fäuste umhüllten. Noch intensiver wurde das Zittern, als er die Stimme der Mutter unten vernahm. Die nervige Stimme trieb ihn zum Fenster, das er stöhnend öffnete, die frische Luft einatmete und in die Ferne blickte.

 

Nun, zum See müsste er nicht fliegen. Er könnte auch einfach umherfliegen, die Zeit totschlagen und abends nach Hause kommen, wenn die Erdlinge schliefen. Ja, das war doch ein Plan. Ehe er diesen jedoch in die Tat umsetzte, drehte er sich vom Fenster weg, schnappte seine Tasche und wühlte den Scouter zwischen seinen Sachen heraus, den er sich übergangslos am Ohr befestigte. Das Shirt, das er eben noch ausgezogen hatte, warf er sich auf die Schnelle über, bevor er zum Fenster zurückging und hinaus flog. Das befreiende Gefühl, das unweigerlich eintraf, trieb ihn immer weiter nach oben – dem Himmel entgegen. Darüber hinaus hatte er seinen Scouter auf Stand-by geschaltet, sodass dieser nur Alarm schlug, sobald sich jemand in seiner Nähe befand.

 

Des Weiteren wollte Vegeta einfach nur in Ruhe gelassen werden. Vegeta wollte nichts an sich und seinen Facetten ändern, weil er selbst mit sich zufrieden war. Niemand hatte je gewagt, sich gegen ihn zu erheben – aufgrund seiner Brutalität. Was also wollte sein Vater noch? Er war der Saiyajin, der sich jeder Vater wünschte und doch war sein eigener unzufrieden. Warum? War nicht seine Art ausschlaggebend, dass man ihm gegenüber Respekt zollte? War sein Auftreten nicht dem Zweck dienlich – nämlich dem, dass man sich vor seiner Spezies fürchtete? Schon längst wäre sein Planet angegriffen worden, wären Saiyajins friedvolle Wesen, aber das wollte der König scheinbar nicht sehen...

 

Und dann gab es da noch diese Leute... diese Saiyajins, die von ihrem Leben auf der Erde geblendet worden waren. Sie hatten Eigenschaft angenommen, die mit dem saiyajinischen Charakter nicht zu vereinbaren waren.

 

Inmitten all dieser Gedanken überflog Vegeta den riesigen Wald, der sich über mehrere Hektar Land erstreckte. Dicht besiedelte Bäume versperrten ihm die weitere Sicht auf das darunter befindliche Land und es quälte ihn, genauso abgeschottet zu leben, wie der Wald unter ihm. Es ging ihm tatsächlich an die Nieren, dass sein Vater dachte, seinen Sohn mittels einer jämmerlichen Strafe erziehen zu können. Nicht Vegeta benahm sich wie ein Kind, nein, er wurde wie ein Kind behandelt – wie ein Säugling, der ohne die Hilfe seiner Eltern nicht lebensfähig wäre.

 

Eine nette Metapher, die seinen Ist-Zustand recht gut symbolisierte.

 

Allerdings unterbrach sein piepsender Scouter den weiteren Flug, woraufhin er anhielt und über den wehenden Baumwipfeln schwebte. Flink hatte er die Funktion der Ortung eingeschaltet, die ihm die Richtung anzeigte, aus der die Auren stammten.
 

„Sowohl eine schwache, als auch eine starke Aura.“ Schäumend hatte er nach unten gesehen, weil er Eins und Eins zusammenzählen konnte. Das konnte ja nur die Aura dieses blöden Weibsbildes sein. Wer sonst war so schwach? Zumal er glaubte, in unmittelbarer Nähe des Sees zu sein, was gar nicht seine Absicht gewesen war. „Wie war noch ihr Name?“, überlegte er laut, noch immer an derselben Stelle, an der er zuvor gestoppt hatte.
 

Bulma! Was war das überhaupt für ein seltsamer Name? Es war zumindest kein saiyajinischer Name, was das Mädchen nicht zu stören schien. Ebenso Kakarott. Auch er hatte auf der Erde einen Zweitnamen erhalten, der lächerlicher nicht sein konnte.
 

Zwischenzeitlich hatte er immer mehr an Höhe verloren. Der Saiyajin kam den Bäumen immer näher, er durchbrach geräuschlos die Baumkronen, ehe er entlang des Stammes zu Boden glitt und seinen weiteren Weg zu Fuß fortsetzte – vorbei an Büschen, Bächen und riesigen Mammutbäumen.

 

„Du weißt aber schon, wer ich bin, oder?“

 

Jählings war Vegeta stehen geblieben, nachdem er die männliche Stimme vernahm und erkannte. Mehrere Zentimeter über dem Boden schwebend, steuerte er einen der Bäume an, die imposant in die Höhe ragten und ihn wunderbar verdeckten. Dennoch trat er um den gigantischen Stamm herum, lehnte seine Schulter dagegen und verschränkte missmutig die Arme vor der Brust, um dem Gesprächsverlauf zu lauschen. Akribisch hatte er damit begonnen, als er die beiden Saiyajins entdeckte, den Rücken des Mädchen zu mustern. Ausgiebig wanderten seine Augen über ihre Kehrseite, bevor er zu dem männlichen Pendant herüberblickte, dem er weniger Beachtung schenkte.

 

„Ja, ich weiß, wer du bist. Wie könnte ich das Gesicht vergessen, das mich vor drei Monaten -“

 

„Gut“, schnitt Turles ihre restlichen Worte ab, da er sie nicht hören wollte. Ihm selbst hatte es nicht gefallen, seine Artgenossen derart zu überfallen. Allerdings musste er dem königlichen Befehl Folge leisten, angesichts der Loyalität, welche er dem König seines Planeten schwor. Außerdem wollte er das Gespräch baldmöglichst beenden, weil er kein besonders guter Gesprächspartner war, aber das war kein Saiyajin. Man zog den Kampf der Gesellschaft vor – so war es schon immer und so würde es auch bleiben. Aber woher sollte eine Saiyajin – die auf der Erde aufgewachsen war – wissen, was ein Saiyajin beabsichtige und was nicht? Wirklich übel nahm er ihr den Versuch, mit ihm eine Unterhaltung zu führen, nicht. Dennoch störte es ihn, dass er in ihren Augen nicht mehr dieselbe Angst erkennen konnte, die sich vor drei Monaten noch darin widergespiegelt hatte.

 

Das war etwas, das ihn verunsicherte. Es behagte ihm nicht, dass ein Mädchen, das offensichtlich keine Angst mehr hatte, so nahe vor ihm stand.

 

„Gut?“, wiederholte Bulma, ebenfalls verunsichert. Jedoch aus anderen Gründen. Sie verstand nicht, wieso Saiyajins so böswillig waren. Sicher, überall gab es schwarze Schafe, aber eine gesamte Rasse? Das war... nicht so schön.

 

„Ja. Es hat sich seitdem nichts verändert. Ich würde wieder so handeln, wenn man mir den Befehl erteilt – unabhängig davon, ob du eine Saiyajin bist oder nicht.“ Turles überragte Bulma um zwei Köpfe. Was ihm glücklicherweise etwas Selbstsicherheit verschaffte. Demzufolge schloss er den Abstand zu ihr, in der Hoffnung, sie nach hinten zu treiben, doch blieb der gewünschte Effekt aus. „Wo ist deine Angst, Mädchen? Wieso gehst du nicht nach hinten?“, wollte er geringschätzig von ihr wissen, weil es ihn tatsächlich interessierte. Selbst seine schweren Stiefel, die tiefe Abdrücke in der Erde hinterließen als er auf sie zukam und das metallisch klingende Geräusch bisher jeden Gegner erschreckte, schien ihre Furcht nicht zu fördern. Im Gegenteil. Sie blieb stehen, woraufhin Turles' linke Augenbraue nach oben schoss. Möglich, dass es ihm an Taktlosigkeit fehlte, aufgrund ihrer recht hübschen Erscheinung, aber er war noch immer ein Saiyajin, den man zu fürchten hatte. „Warum erzitterst du nicht?“
 

„Sollte ich?“, stellte sie die Gegenfrage nüchtern.

 

„Ja, das solltest du.“ Er hegte nicht die Absicht, ihr zu schaden. Trotz allem wollte er den Grund ihrer erloschenen Angst erfahren. Schließlich hatte schon sein wuchtiger Körper meist ausgereicht, den Gegner in die Flucht zu schlagen. Auch sie erzitterte vor drei Monaten unter seinen Blicken, bis... „Sekunde. Du siehst doch nicht etwa Kakarott in mir?“ Lag darin der Ursprung, dass sie keine Angst vor ihm hatte?

 

„Nein, eigentlich nicht. Son Goku ist... er ist netter?“, erwähnte sie schief grinsend.

 

„Ein Unterschied, den ich zu würdigen weiß“, entgegnete er ebenfalls grinsend, da er das Kompliment erkannte, denn nett war er ganz bestimmt nicht und er wollte es auch nicht sein. Gedanklich fügte er hinzu, dass es gar nicht so schlimm war, sich mit ihr zu unterhalten. Es war sogar angenehm, wenn sie lächelte. „Und doch versuchst du, mich in ein Gespräch zu verwickeln.“

 

„Na ja, wenn wir uns schon über den Weg laufen, dann können wir doch auch miteinander sprechen? Ich kenne hier kaum jemanden“, gab sie verlegen zu, während sie ihre Arme um ihren Oberkörper schlang. „Da ist es immer schön, wenn man ein Gesicht trifft, das man kennt.“ Wenn auch mit negativen Erinnerungen verbunden, doch je länger sie vor dem Saiyajin stand, desto mehr wurde ihr bestätigt, dass er ihr nichts antun würde. „Ich bin übrigens Bulma, aber das wusstest du bestimmt. Man weiß ja vorher, wen man... zurückbringen soll, nicht?“ Trotzdem hielt sie ihm – wie bei Vegeta zuvor – freundlich ihre Hand entgegen, die er erstaunlicherweise nahm.

 

Fasziniert davon, dass er ihre Geste erwiderte, sah sie im Anschluss verblüfft auf seine große, warme Hand, die ihre völlig umschloss.

 

„Du hast dich damals nicht verhört. Ich heiße wirklich Turles.“

 

„Freut mich. Dann sind wir uns jetzt nicht mehr fremd.“

 

Doch, sie waren sich fremd. Schließlich wusste er – abgesehen von seinen Informationen, die er vor seiner Reise zur Erde bekam – nichts über diese Saiyajin und Turles hatte auch nicht vor, mehr über sie zu erfahren. „Für mich bist du eine Fremde“, gestand er offen, ohne sich schlecht zu fühlen, aber es wäre auch verrückt, würde ein Saiyajin so etwas wie ein Gewissen entwickeln.

 

„Findest du?“

 

Anscheinend hatte er etwas falsches gesagt. Allerdings stand Turles zu seinen Worten, weshalb er ihre Frage bejahte: „Ja, aber man wird sich bestimmt des Öfteren sehen.“ Schön, er verspürte doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen, als sie – anlässlich seiner Ehrlichkeit – traurig zur Seite geblickt hatte, weshalb er zumindest einen Teil wieder gerade biegen wollte. Und es half. Sie sah zu ihm zurück – strahlend, offenbar erfreut darüber, dass er es nicht von vornherein ausschlug, nochmals ihren Weg zu kreuzen.

 

„Schön.“ Und es freute Bulma wirklich. Allerdings bemerkte sie seine einkehrende Nervosität, nachdem seine Augen an ihrem Kopf vorbei lugten. „Ist... Ist alles in Ordnung?“ Zaudernd sah sie über ihre Schulter, obwohl sie ihn noch gerne gefragt hätte, ob er mit zum See kommen wollte. Aber vermutlich hätte er verneint.

 

Derweil hatte auch Vegeta einen Entschluss gefasst. Länger wollte er dieser Rührseligkeit nicht mehr beiwohnen, weswegen er sich vom Baum abstieß und absichtlich durch das herabgefallene Laub trat. „Du solltest ihr auch erklären, warum ihr euch über den Weg laufen könntet.“

 

„Königliche Hoheit!“

 

„Spar dir die Worte, Turles“, winkte er verächtlich ab. „Davon wird mir höchstens schlecht.“ Vegeta ahnte es bereits. Im Hause Briefs hatte es ihn schon wahnsinnig gemacht, daran zu denken, dass sein Vater ihn beschatten lassen könnte. Seinen unfreiwilligen Schatten jedoch leibhaftig vor sich zu sehen, war der Auslöser, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Blanker Hass war es, der Vegetas Gemüt umnachtete.

 

„Mein Prinz, ich -“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Ehrfürchtig verneigte er sich vor dem Thronfolger, doch gab der Sohn des Königs ihm gar nicht erst die Chance, sich hinsichtlich der unausgesprochenen Anschuldigung zu exkulpieren, woraufhin er sich demutsvoll erhob.

 

„Die Prämisse einer Spionage ist, sich nicht erwischen zu lassen, Turles. Wenn du also schon auf den Befehl meines Vaters hier bist, solltest du meinen Rat beherzigen“, erklärte er dem ergebenen Untertanen spöttisch. „Oder sollte ich meinem Vater dankbar sein, dass er nur Vollidioten losschickt?“ Nein, dankbar wäre er nicht, da sein Vater davon auszugehen schien, dass Vegeta grenzdebilen Saiyajins auf den Leim ging und sie gar nicht erst bemerkte, doch da müsste der König früher aufstehen, um ihn zu linken.

 

„Spinnst du?“, klinkte sich nun auch Bulma ungefragt ein. „Was soll das? Und was machst du überhaupt hier?“ Dass Turles nicht grundlos hier war, interessierte sie nicht. Sie war einfach nur froh, jemanden kennengelernt zu haben, ohne Schaden davon zu tragen.

 

„Du hältst dich raus, Fräulein.“ Ihm war die gute Laune vergangen.

 

„Ich -“ Und wieder wurde sie unterbrochen. Turles erschien vor ihr, um Vegeta zu besänftigen.

 

„Königliche Hoheit, ich versichere Euch, dass es nicht in meinem Ermessen liegt, Euch zu bespitzeln. Lediglich um ein Auge auf Euch zu werfen. Das ist nicht unüblich, wie Ihr wissen müsstet.“

 

„Geh aus dem Weg, Turles. Sofort!“, befahl Vegeta herrisch, weil er noch lange nicht mit Bulma fertig war. Er wollte auf das Spiel verzichten, da er sie ungespitzt in den Boden gerammt hätte, aber sie legte es darauf an und erdreistete sich, ihm zu widersprechen. Selbstverständlich würde er darauf reagieren. Folglich hob der kleinere der beiden männlichen Saiyajins seine Hand. Unfassbar schnell hatte sich eine goldene Ki-Kugel darin geformt, die er ohne zu zögern abfeuern würde. „Ich warne dich.“

 

„Majestät, ich bitte Euch. Tut nichts, was Ihr später bereut.“

 

Im Augenwinkel sah Vegeta, dass sich hinter Turles ein Schatten fortbewegte – unfassbar schnell und anstatt seinem Gegenüber zu antworten, dem die Attacke eigentlich galt, feuerte er die Kugel in den Baum, hinter dem die Saiyajin gerade verschwinden wollte. „Hiergeblieben!“, skandierte Vegeta, wonach sich auch Turles umdrehte und mit großen Augen zu dem Einschlagloch sah, das Vegetas Angriff hinterlassen hatte. Daneben sah er Bulma – auf dem Boden liegend, von Holzsplitter und Staub übersät.

 

Als der königliche Krieger dann noch sah, wie Vegeta abermals den Arm hob, musste er einschreiten – selbst wenn er sein Leben verlieren würde, aber er musste handeln. „Nein, nicht! Das reicht, Vegeta.“ Er war dem Prinzen, angesichts seiner Größe, im Vorteil – den er nutzte und zu ihm herantrat, im folgenden seinen Arm griff und diesen entschieden nach unten drückte. „Es reicht wirklich.“

 

„Ich sage, wann es reicht – nicht du, Turles. Du bist nur ein unbedeutender Handlanger des Königs, nicht mehr“, informierte er die Marionette seines Vaters, ehe er dieser seinen Arm entzog und angewidert vor Turles' Füße spuckte. „Und jetzt nochmal: Geh mir aus dem Weg!“

 

Er musste gehorchen. Turles musste zur Seite treten...

 

Vegeta dagegen marschierte – mit deutlich besserer Laune – an ihm vorbei; direkt auf Bulma zu, vor der er in die Hocke ging und ihren aufgewühlten, ja, gänzlich schockierten Ausdruck musterte. „Niemand – und ich meine wirklich niemand – dreht mir“, hauchte er in ihr entgegen, bevor er nach ihrem Kinn griff und ihren Kopf anhob, „unerlaubt den Rücken zu. Auch du nicht.“

 

Mit offenem Mund hatte sie ihn angesehen – in das Gesicht eines kaltblütigen Monsters, das ohne Rücksicht auf Verluste handelte. Ihre immer größer werdenden Augen folgten unterdessen seinem Blick, der – entgegen ihrer Erwartung – über ihr Kinn, über ihren Hals, sowie die Halsbeuge und schlussendlich zu ihrem bebenden Oberkörper wanderte. Verständnislos hatte sie ihm dabei zugesehen, bis ihr in ihrer Panik aufging, was er sich ansah. Keuchend hatte sie ihren Kopf aus seinem Griff befreit und ihren Arm vor ihre Brust gehoben, ehe sie sich zur Seite legte und mit dem Gesicht im Dreck landete. Aber lieber würde sie Sand zwischen ihren Zähnen schmecken, statt... statt von ihm betrachtet zu werden auf eine Art, die ihr dermaßen unangenehm war, dass sie am liebsten im Erdboden versunken wäre.

 

Sie konnte mit der Schmach leben – keine vollwertige Saiyajin aufgrund ihrer mangelnden Kraft zu sein –, doch warum mussten ihre angesammelten Tränen siegen? Schluchzend hatte sie ihren Arm von ihrer hektisch auf und absinkenden Brust genommen, ihn zu ihren tränenden Augen herangeführt, wo sie die nachfolgenden Tränen mit dem Handrücken wegwischte.

 

„Tze, und ich dachte, dieses Mal käme mehr als heiße Luft. Offensichtlich ein Irrtum.“
 

Bulma erkannte keinen Funken Verlegenheit. Nein, so abgebrüht war der Mistkerl, sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Verschwinde endlich.“

 

Ihr Verhalten hatte bestimmt dramaturgische Gründe, weshalb er genervt die Augen verdrehte. „Ja... Ja, das wäre besser, weil ich mir dein nerviges Schauspiel nicht länger ansehen kann. Du bist nämlich gar nicht so pfiffig und raffiniert, wie du glauben magst.“

 

„Ach ja?“

 

„Ja“, betonte er streng. „Blöd, wenn das kleine schüchterne Mädchen durchschaut wird und nicht länger die Maskerade aufrecht erhalten kann.“ Oh, er war grandios, was Lügen betraf. Vegeta selbst trug eine eigens für ihn angefertigte Maske. „Ich frage mich, ob du überhaupt noch in den Spiegel sehen kannst, denn wir wissen doch beide, dass das deine wahre Maske ist – ängstlich, brav und hilfsbereit, anstelle von Übermut, Cleverness und Schlagfertigkeit.“

 

Parallel zu seinen Worten blickte Bulma an sich herab – zu ihren schwitzenden Händen, die immer stärker zitterten. Sie erahnte seine Blicke in ihrem Rücken und es fühlte sich an, als würde Vegeta, mitsamt seiner Entourage um sie herumstehen, während sie Beifall klatschten, im Bezug auf seine Enthüllung. Ein Häufchen Elend war gegen sie gerade der reinste Goldbarren. Sein schamloses Feixen verschlimmerte ihre Gefühlslage umso mehr, weshalb sie auch gar nichts auf seine Worte erwidern konnte.

 

„Schlimm, wenn man demaskiert wird, oder? Dabei habe ich dich noch gewarnt. Du hättest mir Respekt entgegenbringen sollen“, belehrte er das am Boden liegende Mädchen weiter. Aus ihm sprach der Hass... Der Hass auf seinen Vater, den er fälschlicherweise auf das unschuldige Wesen vor sich projizierte.
 

Aber Bulma wäre nicht Bulma, wüsste sie nicht, wie sie ihm sprichwörtlich zwischen die Beine hätte treten können. Er mochte sie mit seinen treffenden Worten vielleicht verletzt haben. Ja, aber sie würde dreifach zurückschlagen; mit neu gewonnenen Kräften. Denn aus seinen Floskeln hatte sie heraushören können, dass ihm Stolz wichtig war. Stolz, den man brechen konnte und das würde sie – mit ihren bloßen Händen, ohne Gnade. Eiskalt. Für all die Gemeinheiten, für jede Demütigung, der er sie innerhalb weniger Stunden ausgesetzt hatte.
 

Wenn die Gerechtigkeit auf diesem Planeten schon ungerecht verteilt war, dann... dann sollte zumindest einer der vielen leiden, die bisweilen immer Glück im Leben hatten.

 

Ein letztes Mal rieb sie sich über ihre geröteten Augen, ehedem sie aufstand und den Schmutz von ihrer Kleidung klopfte – ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Wenigstens war ihr das gelungen; Aufzustehen und ihre Krone zu richten, denn nur darauf kam es an. Es zählte nicht, wie oft man zu Boden fiel. Maßgeblich war nur, dass man letztendlich wieder auf den Beinen stand. Zu guter Letzt strich sie ihre zerzausten Haare zurück, bevor sie mit erhobenem Haupt an dem Saiyajin vorbeischritt, der ihre Würde zu Boden warf und darauf herumtrampelte. Aber sie würde sich bücken, ihre Selbstachtung zusammenfegen und sich aufrichten.
 

Allerdings blieb sie noch einmal stehen. Sanftmütig lächelte sie und blickte über ihre Schulter – hinüber zu Turles, der wiederum verstört ihren Blick erwiderte. „Danke für das nette Gespräch. Ich hoffe, wir finden noch einmal die Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Mich würde -“

 

„Komm zum Punkt“, drängte Vegeta, der inzwischen seine Arme verschränkt hatte und seine linken Finger ungeduldig auf den rechten Arm tippte.
 

Davon ließ sich die blauhaarige Saiyajin jedoch nicht beeinflussen. Sie hatte sowieso alles verloren – vor allem ihr Gesicht. „Mich würde es freuen. Wirklich.“ Das Lächeln auf ihren Zügen war geblieben, denn das konnte Vegeta ihr nicht nehmen – ihre Lebensfreude. Dennoch war sie froh, als sie sich umdrehte und den Weg zum See antrat. Ja, sie würde zum See gehen. Schließlich hatte sie versprochen, später nachzukommen.

 

Und sie dachte den ganzen Weg über an Turles und die Ähnlichkeit zu Son Goku. Erschreckend, wie ähnlich sie sich doch waren und es erschütterte Bulma, dass sie sich tatsächlich freuen würde, wenn sie Turles wieder sah. Aber warum bloß? War die Ähnlichkeit zu ihrem Son Goku schuld? Konnte sie deswegen über sein damaliges Vergehen hinwegsehen? Mochte sie diesen Saiyajin, aufgrund einer Phase, die ihre Mutter mit ihren schändlichen Worten ausgelöst hatte?

 

Hilfe.

 

Bulma war schrecklich verwirrt. Und leider kam ihr ein weiterer Verdacht... Lag es im Bereich des Möglichen, dass Bulma schon länger in Son Goku verliebt war? Gingen ihre Gefühle weit über die einer Freundschaft hinaus, ohne dass sie selbst es bemerkte? Hatte sie über die Jahre ansteigende Gefühle entwickelt, die entfacht wurden, nachdem sie ihn nach so vielen Jahren wiedersah, gleichzeitig aber alles auf Turles projizierte, weil... weil sie und Son Goku eben Freunde waren und diese innige Bindung wegen jener Gefühle nicht zerstört werden durfte?

 

Oh je, das verwirrte sie noch mehr. Diese Gedanken waren befremdlich. Zumal sie auch plötzlich über Turles' damaligen Angriff hinwegsehen konnte, was jenseits von Gut und Böse war. Niemand, der halbwegs normal war, würde eine Entschuldigung für einen derartigen Angriff finden...

 

Tja, allem Anschein nach war Bulma nicht normal.
 

 
 

~*~
 

Glaubte dieses Weib etwa, dass ihr Abgang würdevoll war? Oder war sie gar der Annahme, humorvoll zu sein? Selbst Akira war witziger und das sollte schon etwas heißen, wenn er dem Alten Humor zuschrieb. Darüber hinaus sollte auch er allmählich das Weite suchen, ehe er Turles noch niederschlug. Die Versuchung war nämlich gewachsen, nachdem Bulma gegangen war und die beiden Männer alleine zurückgelassen hatte.

 

Ja, nichts wie weg hier. Jedoch nicht, ohne einen abtrünnigen Blick nach hinten zu werfen. Die Redewendung, dass Blicke oftmals mehr als tausend Worte sagten, bewahrheitete sich, da auch Turles im Dunkel des Waldes verschwand, woraufhin Vegeta seinen Weg fortsetzen konnte.

 

Weiterhin überlegte er, ob sein Handeln ein Nachspiel haben könnte, sollte die Kleine ihn verraten. Aber auch hierfür hätte er einen Plan, der wie folgt aussah: Sollte sie sich wagen, ihn zu verpetzen, würde sie jedenfalls nicht mehr die Gelegenheit haben, Turles zu treffen. Soviel stand fest. Ha, und war es nicht witzig, dass diese Frau schon wieder seine Gedanken beanspruchte?
 

Missmutig flog er einen Baum hinauf, ließ sich auf einem breiten Ast nieder und starrte sehr, sehr lange in die Ferne. Wie lange, das konnte er nicht sagen, aber zum ersten Mal, soweit er sich erinnern konnte, lehnte er sich entspannt gegen die Rinde, legte seinen Kopf in den Nacken, ließ sein rechtes Bein in der Luft baumeln und atmete die gesamte Luft aus, die sich in seinen Lungen befand. Die wunderbare Stille war berauschend, da er bisher nur die Hektik, seinen angespannten Körper oder das laute Geschrei im Palast gewöhnt war. 
 

Aber im Moment? Im Moment genoss er die Ruhe, die sein Körper dankend annahm. 
 

Allerdings rannte ihm die Zeit davon. Er sah bereits die Sonne nicht mehr. Schon bald müsste er sich auf den Rückweg machen. Vegeta konnte es immer noch nicht fassen. Tatsächlich zog er es in Erwägung, zu diesen Primitivlingen zurückzugehen, in das Haus des Grauens. Aber was blieb ihm auch anderes übrig, als zu gehorchen, wenn er sein Erbe nicht verlieren wollte? Sein Vater schien diesbezüglich sehr entschlossen zu sein. Anfangs dachte er noch, es handelte sich um einen Scherz.

 

Tja, falsch gedacht.
 

Sein Vater meinte alles ernst, was er sagte. Jedes gottverdammte Wort und es fuchste ihn, dass er seinem Vater in dieser Hinsicht ähnelte.
 

Als er vor drei Monaten nach Namek geschickt wurde, erwähnte sein Vater, dass es an der Zeit wäre... Vegeta ging davon aus, dass er – nachdem er die Mission erfolgreich geleitet hätte – bald zum König gekrönt wurde, aber... seine Mission war nun einmal nicht von Erfolg gekrönt worden. Nappa, Radditz und er waren mit leeren Händen zurückgekommen. Zwar war ihnen die Eroberung des Planeten gelungen, jedoch konnte Vegeta das, was sein Vater haben wollte, nicht finden. Dabei hatte er sich angestrengt! Er hatte jeden Stein, jedes Sandkorn mehrmals umgedreht, aber nichts dabei erreichen können. Selbst seine Drohungen wurden belächelt, weil die Namekianer zusammen gehalten hatten – sie waren ein Volk, das füreinander einstand, selbst über den Tod hinaus und Vegeta hatte viele Namekianer zu Fall gebracht. Nicht alle, aber viele. Hätte er alle getötet, würde man das Gesuchte niemals finden.
 

Was ihm aber eher auf der Seele brannte, war die Frage, wann er nach Hause zurückkehren konnte – gebrandmarkt mit den Erfahrungen, die er hier hätte lernen sollen. Tja, der erste Tag war nicht sehr erfolgreich gewesen.
 

Nein, absolut gar nicht. Ha, sein Vater wäre sicher nicht sehr erfreut über einen weiteren Misserfolg.
 

Genervt stieß er sich vom Baum ab, um rechtzeitig in der Baracke anzukommen. Doch selbst das schnelle Fliegen hatte nichts gebracht. Das Haus lag im Dunkeln, abgesehen von einem Raum. In der Küche brannte Licht, woraufhin er seufzte, am Boden landete und sachte gegen die Tür klopfte. Im gleichen Atemzug fuhr seine Hand nach oben, die er sich gegen die Stirn schlug.
 

Das Fenster... Er hatte es doch offen gelassen.
 

Scheiße!  
 

Egal, abhauen würde er nicht. Niemals. Er war doch kein Feigling, der wie ein kleiner Junge davonrannte. Vermutlich hatte ihr Vater bloß auf ihn gewartet. Deshalb brannte noch Licht in der Küche. Die Schritte, die sich im Anschluss der Tür näherten, vernahmen seine Sinne sofort, was er zum Anlass nahm, sich aufrecht hinzustellen, die Hände in die Hüften zu stemmen und sich die passenden Worte zurechtzulegen, welche er dem alten Narren entgegen schmettern wollte.

 

Ja. Er war bereit, dem Herren des Hauses abermals die Leviten zu lesen. Doch kam es anders als erwartet, nachdem die knarrende Tür ein Stück weit nach innen gezogen wurde.
 

„Ja?“, wisperte sie verschüchtert in die Nacht hinaus.

 

Natürlich. War ja nicht anders zu erwarten. Sie stand in der Tür – frisch geduscht, die Haare feucht, während ihr Körper nach Tannen roch. Vegeta hätte es sich doch denken können. „Grundgütiger, was soll das werden?“ Verärgert schob er die Tür etwas weiter auf, wodurch die silberne Kette zerbrach – die wohl als Schloss diente – und klirrend zu Boden fiel. Sowohl seine, als auch ihre Augen waren nach unten geflattert, doch im Gegensatz zu ihr, ertönte aus Vegetas Mund ein hämisches Lachen, wohingegen sie bekümmert zu ihm sah. „Denkst du wirklich, das würde helfen? Ich versichere dir“, fuhr er zähneknirschend fort, „dass, wenn jemand hier hereinkommen will, auch reinkommen wird. Da hilft dir auch keine Kette, oder siehst du das anders?“ Nein, das würde sie nicht anders sehen, oder? Immerhin hatte er ihr gerade den Beweis geliefert, die Tür komplett nach hinten geschoben und feixend in der Tür gestanden. „Wenn du schon ängstlich bist, dann lass die Tür lieber gleich zu“, empfahl er ihr, bevor er lustlos das Silber schnappte, das er unbeeindruckt in ihre Hand drückte. Anschließend zwängte er sich an ihr vorbei. Die Schatten, die er zuvor geworfen hatte, wurden immer kleiner, bis sie schlussendlich verschwunden waren und Vegeta noch einmal inne hielt, als seine Hand das Treppengeländer berührte.
 

Langsam fuhr sein Kopf zur Seite, um besser über seine Schulter blicken zu können. Er sah ihr dabei zu, wie sie leise die Tür schloss und teilnahmslos stehen geblieben war. Offenbar wartete sie darauf, dass er ging. Ja, vermutlich, denn sie hatte sich nicht einmal zu ihm umgedreht, sondern weiterhin die Tür angestarrt.
 

„Netter Bademantel, Onna.“ Der Bademantel war alles, aber nicht nett und schön schon gar nicht. Der rosafarbene Velours war grottenhässlich. Zu seinem Leidwesen betonte der Stoff jedoch die richtigen Stellen.

 

„Was bedeutet Onna?“ Ihre Hand lag immer noch auf der Klinke der Tür, als sie sich zu ihm umdrehte. Sie war nicht einmal sauer, weil er sie verspottete. Sie war... Ja, sie war noch zu verwirrt, wegen all den Einflüssen, die auf sie niederprasselten und ins Chaos stürzen würden. Auch am See hatte sie sich nicht davon lösen können, weshalb sie nicht lange im Wasser geblieben war, sondern mehr Zeit auf ihrem Badetuch verbrachte und ihren Freunden dabei zusah, wie sie sich ihre Köpfe gegenseitig unter Wasser getunkt hatten. „Ist... Ist es eine Beleidigung?“

 

Statt die Stufen zu erklimmen, entfernte er sich von ihnen. Er steuerte auf geradem Weg auf Bulma zu, blieb vor ihr stehen und sah ihr zu, wie sie den Knoten der Schlaufe enger band. „Nein.“ Wieder sah er zu dem Knoten, der ihre zierliche Taille zum Vorschein brachte. „Es ist keine Beleidigung.“
 

„Sondern?“, fragte sie mit gesenktem Blick auf seine Hände, die Turles' Händen so ähnlich waren.

 

Argwöhnisch zog er eine Augenbraue nach oben. „Es ist auch kein Kompliment. Onna ist das saiyajinische Wort für Frau.“

 

Daraufhin zuckten ihre Mundwinkel. Tatsächlich war es schön, die wahre Bezeichnung ihres Geschlechts aus seinem Mund zu hören, ohne dass er es in Verbindung mit abfälligen Kosenamen brachte. Leider hielt ihr Schmunzeln nicht lange an. „Wirklich?“

 

Vegeta zögerte. „Wirklich.“

 

„In Ordnung.“

 

„Du bist eine Saiyajin und sprichst nicht unsere Sprache?“

 

Oh nein. Er hatte wieder einen Streitpunkt entdeckt. Dabei wollte sie doch nur wissen, was das Wort bedeutete – nicht mehr und nicht weniger. „Das war nie notwendig“, log Bulma. Sie wollte ihm nicht erzählen, dass ihre Eltern zweiundzwanzig Jahre bezüglich ihrer wahren Herkunft Stillschweigen bewahrten und Bulma auf ungalante Art erfahren musste, dass sie in Wirklichkeit kein Mensch war. „Auf der Erde spricht niemand saiyajinisch.“

 

„Tatsächlich?“, gab er murrend von sich.

 

Für einen kurzen Moment hatte sie die Hoffnung, zu Vegeta hindurch zu dringen, ihn vielleicht zu verstehen, weshalb er so war, doch hatte er ihr zeitgleich diese Aussicht genommen. „Ja, aber... vielleicht möchtest du sie mir beibringen?“ Oh nein, das war keine gute Idee, ihn danach zu fragen, wenn sie seinen Ausdruck richtig deutete. „Ich meine, solange du hier lebst, sollten wir uns... uns irgendwie verstehen? Und vielleicht wäre es ein Anfang, wenn du mir die Sprache -“

 

„Ausgeschlossen!“

 

„Wieso nicht?“ Ihre Schultern sackten nach unten. Ihre Kraft war verbraucht und einen weiteren Tag wie den heutigen würde sie nicht überstehen. Vegeta war eine Nummer zu groß für sie, obwohl sie sich anhaltend einredete, ihm endlich Paroli zu bieten.

 

„Deine Eltern haben jahrelang auf unsere Sitten gespuckt.“ War er die Wohlfahrt? Nein, war er nicht. Sie hatte die Sprache nie gebraucht, wie sie selbst sagte. Sollte sie doch selbst zusehen, wie sie die Sprache der Saiyajins lernte. Von ihm jedenfalls nicht.

 

„Aber -“
 

„Das ist mein letztes Wort. Wenn es deine Eltern damals nicht für nötig befunden haben, dir unsere Werte zu vermitteln, hast du schlichtweg Pech gehabt.“
 

„Nein. Das... Das verstehst du falsch, Vegeta.“ Sie war überfordert, angesichts seines Zynismus und womöglich verschlimmerte sie die Situation, weil sie ihm widersprach und seine Auffassungsgabe in Frage stellte.
 

„Tue ich das?“ Nun schwenkte Vegeta seinen Körper komplett zurück. Blitzschnell hatte er sie gegen die geschlossene Tür gestoßen, bevor seine Hände polternd neben ihrem Kopf landeten und sie diesen vor Schreck einzog. „Dein Atem ist nicht gerade lang, was unser kleines Spiel angeht, nicht? Wo ist denn deine große Klappe von heute Mittag? Wo ist das vorlaute Weib, das sich eben noch aufspielen wollte?“ Das tat sie auch schon vor Kakarott, diesem... diesem Verräter, der es nicht fertig gebracht hatte, die Erde zu erobern. „Ha, dachte ich's mir doch. Mir wirfst du vor, ich bluffe. Dabei bist du diejenige, die blufft.“ Eine wegwerfende Handbewegung seinerseits sollte ihre symbolisieren, wie sehr ihn ihre Schwäche ankotzte.

 

Sie war schon wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen. Herrgott nochmal. Aber sie verspürte Kraft – in ihrer Hand, die nach oben schoss.

 

„Untersteh dich.“

 

Derselbe Ausdruck wie im Wald breitete sich in ihrem Gesicht aus, als ihr bewusst wurde, dass Vegeta ihr Gelenk hielt. Doch statt sie weiter anzubrüllen, drückte er behutsam ihre Hand nach unten.

 

„Tu das nicht noch einmal, verstanden? Das nächste Mal -“

 

Was unweigerlich folgte. Bulma wusste nicht, ob es seiner Unachtsamkeit geschuldet war, aber sie hatte sich aus seinem Griff retten und erneut ihre Hand heben können. Viel schneller, viel konzentrierter –

 

„Gut, dann auf die harte Tour!“ Gekonnt fing er ihr Gelenk ab, bevor sie ihn schlagen konnte. Folglich schob er sich ganz nah zu ihr heran. Er sperrte ihren Körper zwischen sich und der Tür ein und beugte sich zu ihr nach vorne. Sie waren sich so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Hör. Auf. Damit! Haben wir uns verstanden?“
 

„Du... Du tust... mir weh, Vegeta!“, wisperte die junge Erfinderin bestürzt, deren Tränen schon in den Startlöchern standen.
 

„Wenn dir das schon weh tut, dann kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ich richtig ausraste, oder? Ich werde dein kleines Machtspiel von heute einfach vergessen. Ich sehe darüber hinweg, dass du versucht hast, mich vor Turles und Kakarott zu kompromittieren, weil ich ein netter Kerl bin und heute der erste Tag war.“

 

Nett? Dieser Saiyajin schien nicht zu wissen, in welchem Zusammenhang man das Wort nett verwendete. Sonst würde er es nicht so arglos wählen. „Lass... Lass mich los. Bitte Vegeta!“
 

„Oh, aber gerne, denn ich hege nicht die Absicht, dich länger als nötig anzufassen. Sei dir sicher!“ Abrupt ließ er ihren Arm los, quittierte seinen Satz mit einem Lächeln und ließ Bulma – wie Turles im Wald – stehen. Ja, er hatte das letzte Wort. Nicht sie, nicht Turles und auch nicht sein Vater. Oh nein.
 

Währenddessen wartete Bulma, bis er den oberen Treppenabsatz erreichte und verschwunden war, bevor sie die angehaltene Luft ausstieß. Grundgütiger... Was war Vegeta bitte für ein Irrer? Wen hatten ihre Eltern bloß in ihr Haus gelassen? Egal, wie lange ihr Vater den König kannte, er schien nicht zu ahnen, wie gefährlich der Königssohn sein konnte.

 

Das wusste scheinbar niemand... Ob sie dieses Martyrium überleben würde? Bulma wusste es nicht. Sie wollte es gar nicht wissen.

 

In der Zwischenzeit waren fünfzehn Minuten vergangen, bis sie genügend Kraft gesammelt hatte und sich von der Tür abstoßen konnte. Der Schock saß ihr deutlich in den Knochen, während zur sie Küche hastete und den Wasserkessel vom Herd nahm, dessen Inhalt sie ungenutzt in den Abfluss der Spüle schüttete. Doch war genau das der Grund, wieso sie zur Küche gegangen war – sie wollte bloß einen Tee trinken, allerdings würde selbst der stärkte Beruhigungstee nach diesem Fiasko nicht helfen, das war so sicher wie eine weitere Drohung in ihre Richtung, seitens Vegeta.

 

Hätte sie gewusst, dass er noch nicht zuhause gewesen wäre, wäre sie niemals auf die Idee gekommen, sich in die Küche zu setzen...

 

Im Nachhinein setzte sie sich für zehn Minuten an den Tisch. Das musste sie, sonst würde sie wie ein nasser Mehlsack umkippen. „Das kann ja was werden“, flüsterte sie dem Boden zu, nachdem sie ihren starren Blick löste und ihre Stirn auf die kühle Tischplatte legte, ehe sie das Licht in der Küche löschte und ebenfalls in ihr Zimmer ging. Nein, sie schlich auf Zehenspitzen zurück, da sie an Vegetas Zimmer vorbei musste.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Stevy
2017-07-20T06:08:43+00:00 20.07.2017 08:08
Donner ! Das kappi ist klasse. Eine bizarre gefühlswelt von lauter hochs und Tiefs 😚 ich freu mich schon aufs nächste.
Schreibweise und Grammatik sind mal wieder schwer in Ordnung
Antwort von:  Dracos-Princess
05.09.2017 14:11
Es war ein - sagen wir - kurioses Kapitel und es wird nicht besser... Nicht umsonst habe ich "Drama" als Kategorie ausgewählt... :> Das hier ist erst der Anfang, soviel dazu. Mehr möchte ich nicht verraten. Du weißt, der Spannung wegen und so ;)


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