Weil du mir wichtig bist von MarySae (Marinette/Ladybug x Adrien/Cat Noir) ================================================================================ Kapitel 1: Weil du mir wichtig bist ----------------------------------- Marinette war noch nie stark gewesen. Das wusste sie nur zu gut. Es war immer Ladybug, ihr alternatives Superhelden-Ich, die die klugen Einfälle und den kämpferischen Mut hatte. Doch wenn sie nicht als Ladybug mit ihrem verzauberten Jo-Jo durch die Häuserschluchten von Paris schwang, war sie nur ein einfaches, kleines und unglaublich tollpatschiges Mädchen. Aber langsam dämmerte ihr, dass auch Ladybug nicht ohne Fehl und Tadel war.   Das Haus war ungewohnt still. Ihre Eltern waren ihren Onkel in China besuchen und hatten die Bäckerei dafür eine Woche geschlossen. Sie war alleine Zuhause geblieben, indem sie eine aufkommende Erkältung vortäuschte. Sie konnte die Stadt nicht verlassen. Aus mehreren Gründen. Gründe, die niemand außer ihr kennen durfte.   Deshalb kam ihr das Geschrei aus dem Fernseher umso lauter vor. Ihr war so, als würden die Worte der Nachrichtensprecherin ihren Kopf langsam aber sicher platzen lassen. Verwackelte Bilder huschten über den Bildschirm. Verwüstung und Chaos beherrschten das zittrige Bild, das scheinbar heimlich von einer vermeintlich sicheren Deckung aus gefilmt wurde. Schreie von Menschen, die sich von einem Moment in den anderen in seltsame Zombiegestalten verwandelten. Etwas, was unmöglich schien, war grade dabei nicht weit von ihrem Zuhause entfernt zu geschehen.   Doch Marinette sah die neu erschaffenen Monster nicht. Sie nahm sie kaum war. Ihr Blick war fest auf den Jungen in seinem schwarzen Lederoutfit geheftet. Kaum war er einmal nicht zu sehen, vergrößerte sich ihre Panik. Tikkis tröstende Worte nahm sie kaum zur Kenntnis.   „Cat Noir ist noch immer am Kämpfen, doch von Ladybug ist bisher keine Spur zu sehen!“, hörte Marinette die Nachrichtensprecherin sagen und ihr Herz verkrampfte ein kleines Stück weiter. Sie spürte, wie der dicke Kloß im Hals ihr die Luft abschnürte. „Wieso? Wieso kämpft er immer noch, Tikki?“ Ihre eigene Stimme klang ihr fremd. So leise und schwach hatte sie sich selber noch nie gehört. „Du kennst die Antwort, Marinette. Er wird so schnell nicht aufhören.“ Auch ihre kleine Kwami-Freundin hatte einen für sie ungewöhnlichen Klang in ihrer Stimme. Sie konnte es nicht verbergen. Auch sie machte sich Sorgen um den Katzenhelden. „Aber er kann nicht alleine kämpfen! Warum zieht er sich nicht zurück?“ Was sollte sie nur tun? Wusste er denn nicht, dass Ladybug dieses Mal nicht kommen würde? Er musste seine lebensmüde Unternehmung doch irgendwann einstellen! „Er… wartet immer noch auf dich.“   Wie, als wären Tikkis Worte ein Startsignal gewesen, sprang Marinette mit einem Schwung vom Sofa auf und sofort entwich ein gestöhnter Schmerzenslaut aus ihrem Mund. Nur mit Mühe konnte sie ihre zitternden Beine überreden, nicht zusammenzubrechen, und um ein Haar hätte die Ohnmacht sie überrannt. „Marinette! Was tust du? Du musst dich unbedingt schonen!“ Tikki schien plötzlich hellwach, als sie dicht vor das Gesicht der dunkelhaarigen Frau schwebte, um auch bloß von dieser wahrgenommen zu werden. „Ich kann nicht zusehen, wie er leidet, Tikki. Ich muss zu ihm. Ich muss ihm sagen, dass Ladybug dieses Mal nicht kommen wird.“ Sie hatte ihren Entschluss gefasst und nur das zählte in diesem Augenblick für sie. Ihre Gedanken liefen Amok in ihrem Kopf, doch diese eine Sache war für sie so klar wie nichts anderes. „Du kannst da nicht rausgehen, Marinette! Du bist völlig schutzlos!“ Die junge Frau stoppte auf dem Weg zur Haustür. Ihre Hand bereits auf der Klinke. Es fiel er schwer die Angst und Verzweiflung in der Stimme der Kwami auszuschalten. „Warum tust du das für ihn? Du weißt, dass er auch gut alleine zurechtkommt!“   Warum sie das für Cat Noir tat? Ihr Blick wanderte zurück zu dem Fernsehbild, welches sie von ihrer Position an der Tür immer noch gut erkennen konnte. Wieder sah sie wie die schwarze Gestalt durch einen heftigen Schlag einer dieser Kreaturen zu Boden ging. Er hatte Schmerzen. Das sah sie auch auf den schlechten Fernsehbildern. Sie konnte es spüren. Er war ihr Partner. Über ein Jahr bekämpften sie gemeinsam das Böse. Immer und immer wieder begaben sie sich in Gefahr, um Paris vor dem Bösewicht Hawk Moth zu retten. Doch bis zu diesem Tag hatte sich Marinette noch nie solche Sorgen um den Katzensuperheld gemacht. Sie waren ja immer zusammen. Ein unschlagbares Team. Er war ihr bester Freund. Gleich auf mit Ayla. Wenn nicht sogar noch ein bisschen weiter oben. Er war ihr ein und alles. Sie liebte Adrien und würde das für immer tun, aber… „Ich tue das für ihn, weil ich ihn liebe.“   .   Dieser Schlag hatte gesessen. Die Wucht des Treffers schleuderte ihn ungebremst die Straße hinunter, bis er schlussendlich in einer abgelegenen Seitengasse zum Stehen kam. Den Aufprall konnten seine Beine gerade noch abfangen, doch schon im nächsten Augenblick sank er schwer atmend auf seine Knie. Das Wasser der Pfütze kommentierte dein Aufprall lautstark. Er wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. So gut er auch im Kämpfen war, es wurden langsam zu viele Gegner. Der Regen prasselte gleichmäßig auf die Straßen der Stadt. Immer wieder geriet ein Tropfen aus seinem Haarpony in seine Augen. Er fühlte die Kälte mit jeder Sekunde mehr seinen Körper hinaufkriechen. Seine Muskeln zitterten bereits ununterbrochen, sodass er sich konzentrieren musste, um keine Fehler zu machen. Doch das entfernte Schreien der Einwohner von Paris, die gerade um ihr Leben fürchten mussten, ließ ihn all das vergessen. Und dennoch… Er konnte einfach nichts gegen diese Masse an Feinden ausrichten. Es wurde langsam Zeit, dass sie mal auftauchte. Doch bis es soweit war, würde er weiter kämpfen. Das hatte er sich geschworen.   Mühsam brachte er seine Beine dazu sich wieder aufzurichten. Er war noch nicht am Ende! Er konnte noch…! „Bitte hör auf damit, Cat Noir! Hör auf zu kämpfen!“ Die zarte Stimme einer Frau ließ ihn im Lauf abrupt innehalten. Er hatte sie nicht kommen hören, doch plötzlich entdeckte er sie dort hinter ihm in der Dunkelheit der Gasse. Sie war zierlich und nur spärlich mit einer Jeans, einem T-Shirt und ihren üblichen Ballerinas bekleidet. Ihre beiden Zöpfe hingen regennass und unordentlich an ihrem Hinterkopf; der Pony klebte in Strähnen an ihrem Gesicht. Doch was ihn am meisten erschreckte war ihre weiße, blasse Haut. Ihr Gesicht war so fahl, dass sie selbst im schwachen Licht der weit entfernten Straßenlaternen zu leuchten schien. „Marinette?“, brachte er leise hervor. Sein Blick immer noch auf ihre zerbrechliche Form gerichtet. Erst das brachte sein Hirn in Wallung. Aufgeregt überwand er die wenigen Meter zwischen ihnen beiden mit einem einzigen Sprung, sodass er direkt vor ihr zum Stehen kam. „Was tust du hier? Warum bist du nicht Zuhause? Es ist gefährlich! Verschwinde von hier!“ Wieso war sie hier inmitten des Kampfes? Sie könnte in Gefahr geraten! Auch wenn er das niemals zulassen würde... Aber wie konnte er sie in seinem Zustand richtig beschützen?   Sie sah ihn nur an und ging auf keine seiner Fragen ein. Er sah, wie ihre eisblauen Augen glänzten. Weinte sie etwa? „Bitte, hör auf zu kämpfen. Du… du wirst dich noch schwer verletzen…“ Verstohlen wischte sie mit ihren feuchten Fingern über ihre Augen und wandte danach den Blick ab. Was war bloß los mit ihr? „Ach, mach dir um mich keine Sorgen. Sobald Ladybug hier ist, wird das ein kleiner Spaziergang werden!“ Sofort setze er sein übliches Grinsen auf und versteckte seine Erschöpfung hinter seiner Zuversicht. Er musste doch nur solange durchhalten, bis das Team komplett war! Zu zweit würden sie problemlos alle Schwierigkeiten meistern können! Innerhalb von Sekunden änderte sich Marinettes Gesichtsausdruck und ihre Gesichtszüge versteinerten, als sie ihm wieder ins Gesicht sah. Adrien spürte einen kleinen Stich in seinem Herzen, als sich ihr kalter Blick sich in seinen bohrte. „Sie wird aber diesmal nicht kommen, verstehst du das nicht? Ladybug wird dieses Mal nicht kommen!“ Ihre Stimme war plötzlich hart und laut und eine Spur Hysterie mischte sich ebenfalls mit hinein. Er wusste nicht, was ihn mehr erschreckte: Die unübliche Verhaltensweise von Marinette oder die Tatsache, dass seine Ladybug ihn im Stich lassen wird. „Was… meinst du?“ „Sie…“, stammelte Marinette, deren Stimme jetzt wieder schwach und tränenschwer klang. „Sie kann nicht kommen, weil sie… Sie möchte kämpfen, aber sie kann einfach nicht…“ Jetzt liefen der Blauhaarigen die Tränen heiß über die Wange, doch sie waren schwer von den Regentropfen auf ihrer Haut zu unterscheiden. Ihr leises Schluchzen mischte sich unter das monotone Geräusch des Regens. „Marinette! Was meinst du? Weißt du etwa, wer Ladybug wirklich ist? Was ist mit ihr passiert? Geht es ihr gut?“ Nun war es an ihm hysterisch zu klingen. War mit seiner Partnerin irgendwas nicht in Ordnung? War etwas passiert, von dem er nichts wusste? Er bemerkte erst, dass er seine Mitschülerin zu heftig an den Armen gepackt hatte, als sie einen leisen Schmerzenslaut ausstieß. Sofort ließ er wieder von ihr ab.   Sie sah seine Panik in seinen smaragdgrünen Augen und sie wusste, dass ihn ihre Worte mehr mitnahmen, als er zeigen wollte. Es schmerzte sie, ihn so zu sehen, doch sie hatte keine Wahl. Sie musste ihn beschützen! Auch, wenn sie es diesmal nicht als Ladybug tun konnte. Auch wenn sie mehr als ihr eigenes Leben dafür aufs Spiel setzen musste. Sie wandte ihren Blick ab. Wie konnte sie ihm jetzt noch in die Augen sehen? „Bei eurem letzten Kampf wurde sie… verletzt. Ein Schlag in den Magen, der… Sie wollte es dir nicht sagen. Sie dachte, es würde schon wieder werden.“ Sie hatte ihre Verletzung vor ihm verstecken können. Er hatte nichts bemerkt. Doch schon auf ihrem Heimweg hatte sie den ziehenden Schmerz in ihrem Unterleib bemerkt. Sie hatte einfach gehofft, vor dem nächsten Kampf wieder fit zu sein. Ladybug war doch die starke Superheldin! Wie könnte sie da Schwäche zeigen?   Cat Noirs Augen waren vor Schock geweitet. In der Ferne ertönte eine laute Explosion, die die Fensterscheiben über ihnen zum Klirren brachte. Doch keiner der beiden schenkte dem groß Beachtung. „Ladybug ist… verletzt? Was ist… passiert? Wo ist sie? Marinette, sag es mir!“ Die Angst um seine Partnerin war ihm ins Gesicht geschrieben. Doch was sollte sie dazu sagen? „Ich… kann es dir nicht sagen, bitte frag nicht. Sie ist okay. Sie braucht einfach noch ein bisschen Zeit. Bitte! Hör auf zu kämpfen, bis sie wieder an deiner Seite stehen kann!“ Er musste einfach auf sie hören. Seine Sicherheit war in diesem Moment wichtiger, als die Angst vor dem Gerücht, dass sie wusste, wer Ladybug wirklich war. Sie konnte nicht zulassen, dass er wegen ihr verletzt wurde… „Sag es mir, Marinette! Sie ist doch meine Partnerin! Ich muss wissen, wie es ihr geht!“ Jedes seiner Worte stach ihr unangenehm ins Herz. Konnte er nicht einfach ihrer Bitte folgen? Warum tat er ihr das an? Bemerkte er nicht, wie sehr auch sie sich quälte? „Es geht nicht, verstehst du das nicht? Bitte, brich den Kampf ab! Die Polizei kann sich doch erstmal um das Geschehen hier kümmern! Du wirst nur verletzt, wenn du alleine weiter kämpfst!“ Er wandte den Blick ab. Das erste Mal während ihres Gespräches sah er ihr nicht mehr direkt in die Augen. Sein Gesichtsausdruck war hart geworden. Dennoch zogen zahlreiche Emotionen über seine Züge. Marinettes Herz schlug bis zum Hals. Würde er auf sie hören und sich in Sicherheit bringen? Er musste einfach!   Eine gefühlte Ewigkeit verstrich, bis Cat Noir wieder etwas sagte. „Ich kann den Kampf nicht aufgeben, Marinette. Immer mehr Unschuldige kommen zu schaden. Ich kann den Akuma nicht hier wüten lassen. Ich werde weiter kämpfen und den Akuma zerstören. Irgendwie. Und ich bin mir sicher, dass Ladybug mir am Ende helfen wird. So, wie sie es immer tut. Ich vertraue ihr.“ Das Lächeln in seinem Gesicht, als er sich Marinette wieder zuwandte, war nicht das, was sie von ihm kannte. Es erreichte seine strahlend grünen Augen nicht. Ein düsterer Schatten lag darüber. „Verschwinde von hier, Marinette.“ Er warf keinen Blick mehr zurück, als er langsam auf das Ende der Gasse zuging.   Marinettes Herz gefror in diesem Moment zu Eis. Sie bekam keine Luft mehr, als ihr klar wurde, was gerade passierte. Sie war sich ganz tief in ihr drin sicher: Wenn er jetzt aus dieser Gasse hinaustrat, würde sie ihn nie wieder sehen. Heiße Tränen liefen ihr über die Wange, als sie entschloss ihre Trumpfkarte zu ziehen. Sie konnte einfach nicht zulassen, dass sie ihn verlor. Ein Leben ohne ihn kam ihr so schrecklich sinnlos vor.   „Bitte, tu es nicht, Cat Noir! Ich… Bitte. Bevor du gehst, lass mir dir noch eine Sache zeigen. Bitte, sieh her.“ Die Sekunden verstrichen und es waren die längsten in ihrem Leben. Die Angst, dass er sich nicht umdrehen würde, lähmte ihr gesamtes Ich. Sie würde ihn für immer verlieren, wenn er es nicht tat. Doch zu ihrer großen Erleichterung kam er ihrer Bitte nach. Er war nur gut einen Meter vor Ende der Gasse stehengeblieben und blickte mit aufgewühlten Augen zu ihr. Marinette wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Sie umfasste den Saum ihres T-Shirts mit beiden Händen und zog es soweit hoch, dass er den unteren Teil ihres Bauches sehen konnte. Sie wusste, welchen Anblick ihn erwartete, auch ohne, dass sie ihren eigenen Blick von seinem Gesicht abwenden musste. Der Bluterguss erstreckte sich über ihren gesamten Unterbauch und hatte inzwischen seine Farbe zu Lila und Gelb geändert. Die Stelle des Aufpralls war hingegen immer noch tief Schwarz. Sie hatte Schmerzen bei jeder einzelnen Bewegung. Sie war nie beim Arzt gewesen. Vielleicht waren einige Rippen gebrochen, vielleicht hatten auch ihre Organe etwas abbekommen. Oder vielleicht war es auch nichts weiter, als eine größere Prellung. Sie wusste es nicht. Marinette hatte einfach darauf vertraut, dass es schon besser werden würde, wenn sie sich nur genug ausruhte. Doch sie würde ihn nicht in Gefahr bringen, nur weil sie sich einmal überschätzt und den Gegner alleine angegriffen hatte. Für ihre Dummheit würde sie nicht ihren besten Freund sterben lassen. Auch wenn es bedeutete, alles von ihr Preis zu geben.   Sie sah die Veränderung bei ihm. Der Schock stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Das war ihre letzte Chance. Jetzt oder nie. „Bitte kämpfe nicht alleine. Ich kann dich einfach nicht verlieren. Warte bitte nur ein paar Tage, bis ich mich wieder richtig bewegen kann. So bin ich dir keine Hilfe. So bin ich dir nur ein Klotz am Bein. Wir können die Welt auch später noch retten. So, wie wir es immer tun. Es wird sicherlich eine Möglichkeit geben, alles wieder gut zu machen! Ich vertraue fest darauf! Nur Bitte… Ich kann nicht zulassen, dass du für meine Dummheit büßt.“   Minutenlang blieb es absolut still. Die Anspannung schien Mariette von innen heraus zu zerreißen. „Ladybug?“ Der Klang ihres Superheldennamens ließ alle Anspannung aus ihrem Körper entweichen und mit einem Schlag kamen die Schmerzen zurück. Ihre Beine gaben endgültig unter ihr nach, als sie schmerzvoll stöhnend zu Boden glitt und mit angewinkelten Beinen auf ihrem Hintern hockte. „Marinette!“, erklang es von zwei Seiten, als ihre Freunde blitzschnell zu ihr kamen. „Es tut mir Leid, Tikki“, murmelte sie zu ihrer kleinen Freundin, die sich bis zu diesem Moment still in Mariettes Tasche versteckt hatte und ein kleines Lächeln der Entschuldigung schlich sich auf ihr Gesicht. „Er ist mir einfach zu wichtig.“ „Ach, Marinette…“, weinte die kleine Kwami und drückte sich an die Wange ihrer Menschenfreundin. „Ich habe dir gesagt, du bist zu schwach zum Rumlaufen.“ „Marinette… Du bist… Ladybug?“ Die Stimme des Katzenhelden war kaum lauter als ein Flüstern. Obwohl er vor ihr saß – seine Hände an ihren Oberarmen, um sie davor zu bewahren, ganz zusammenzubrechen – konnte sie ihn kaum hören. „Es tut mir Leid, Cat Noir…“, flüsterte sie ebenso leise zurück und sah dabei betreten auf ihre auf den Beinen liegenden Hände. Sie hatte nicht die Kraft ihn anzusehen.    Er war jetzt sicherlich enttäuscht, dass ausgerechnet sie seine Partnerin war, und vielleicht wollte er auch nichts mehr mit ihr zu tun haben. Seine tapfere Ladybug war in Wahrheit nur ein kleines, schwächliches Mädchen, das so ganz anders war, als die Heldin die er verehrte. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Vielleicht hatte sie mit ihrem Outing ihre Freundschaft zerstört, aber so lange er am Leben war, war sie glücklich.   Im nächsten Moment ertönte eine Explosion direkt in ihrer Nähe und alle drei Anwesenden blickten erschrocken in Richtung Straße. Ein brennendes Auto stand direkt vor dem Eingang der Gasse und dessen Flammenschein warf verzerrte Schatten an die nahen Häuserwände. Im nächsten Moment ertönte das laute Kreischen eines der verwandelten Menschen. Sie waren hier. Ganz nah. „Sie kann nicht kämpfen, Cat Noir! Sie kann sich nicht mal ohne Schmerzen bewegen!“, rief Tikki nervös. Das durch ihre Anwesenheit das Geheimnis um Ladybug endgültig gelüftet war, schien ihr in diesem Moment völlig egal zu sein. „Verdammt“, zischte die Blauhaarige verzweifelt. Sie mussten dort verschwinden, doch ihre Beine schienen sie einfach nicht tragen zu wollen.   Als sie vor Schmerzen stöhnend versuchte aufzustehen, spürte sie plötzlich, wie sie den Boden unter ihren Füßen verlor. Erschrocken kreischte sie, ehe sie verstand, was gerade passierte. „Wir müssen hier weg. Sofort.“ Cat Noir hatte Marinette auf seine Arme genommen und trug sie nun vor seiner Brust. „Halt dich fest!“, meinte er und sprang mit der jungen Frau auf das nächstgelegene Hausdach. Sie umschlang seinen Hals mit ihren Armen und klammerte sich an ihn. Jedes Mal, wenn er auf einem Dach aufkam, biss sie sich auf die Lippen, um nicht ständig einen Schmerzenslaut auszustoßen. Er riskierte grade sein Leben für sie, da konnte sie nicht ständig nur jammern.   Es dauerte in seiner Geschwindigkeit keine fünf Minuten, bis sie auf Mariettes Dachluke landeten, und doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Cat Noir hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt und es vermieden sie anzusehen. Vor Kälte und Nervosität zitternd klammerte sie sich an ihn, doch auch sie wagte es nicht, irgendwas zu sagen. „Die Luke ist offen“, flüsterte sie kraftlos und wartete, bis Cat Noir sich so weit herunter beugte, dass Marinette den Eingang öffnen konnte. Im nächsten Moment landeten sie bereits auf ihrem Bett. Vorsichtig legte er die junge Frau auf ihre Bettwäsche und sprang wieder erneut aus der Luke. „Einen Moment!“, sagte er noch zu ihr, ehe er die Luke hinter sich schloss.   Mühsam richtete Marinette sich auf, um sich eins der Handtücher aus ihrem Schrank zu nehmen. Sofort nach dem Abtrocknen ging es ihr besser und sie wagte es, sich schnell ein anderes T-Shirt und eine Jacke überzuziehen. Kaum hatte sie sich wieder auf das Bett gesetzt, öffnete sich die Luke über ihr, und der Katzenheld stand wieder vor ihrem Bett. Eine erdrückende Stille hatte sich über ihr Zimmer gelegt und während sie es nicht wagte, ihm ins Gesicht zu sehen, spürte sie seine Blicke ununterbrochen auf ihr. „Dort hinten liegt ein Handtuch für dich“, meinte Marinette leise und zeigte auf ihren Schreibtischstuhl ohne in dessen Richtung zu sehen. „Was hast du oben gemacht?“ „Die Polizei informiert, dass wir nicht helfen können.“ Das Wort „wir“ betonte er dabei ganz merkwürdig. „Und, was haben sie gesagt?“ Interesse daran hatte die Blauhaarige eigentlich gar nicht, aber sie wollte, dass er redete. Es war unheimlich mit ihm zusammen in einem Raum zu sein und ihn nicht reden zu hören.   „Ich kann nicht fassen, wie dumm ich gewesen bin.“ Dieser Satz ließ sie aufhorchen. Er ging nicht auf ihre Frage ein, sondern heftete seinen Blick weiterhin auf sie. „Ich habe die ganze Zeit einem Phantom hinterher gejagt, ohne zu merken, dass ich nur meine Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Ich hätte mich einfach nur umdrehen müssen.“ Verwirrt wagte Marinette es nun doch in seine Richtung zu schielen. Und plötzlich wurde alles nur noch verrückter. Grüne Funken umkreisten ihn, als er sich vor ihren Augen zurückverwandelte. Und nun stand eine Person vor ihr, mit der sie in keinem Fall gerechnet hätte. „Adrien…“, hauchte sie atemlos und ihr Körper wurde zu Stein. Das war doch einfach… unmöglich! „Die ganze Zeit wollte ich wissen, wer Ladybug ist. Ich wollte sie beschützen. Immer und überall. Auch, wenn ich kein Superheld war. Ich wollte immer an ihrer Seite sein. Immer auf sie aufpassen. Und das hat mich blind gemacht. Diese ganzen Gemeinsamkeiten, die ich nicht beachtet habe. Das gute Gefühl, das ich hatte, wenn ich in deiner Nähe war. Ich war so auf ein Trugbild fokussiert, dass ich das Original neben mir nie wahrgenommen habe. Es tut mir so leid, Marinette.“ Adrien, ihr Schwarm und Mitschüler, war Cat Noir. Ihr Partner. Der Junge, dem sie ihr Leben anvertraute. Derjenige, den sie schon seit ihrer Begegnung immer von sich gestoßen hatte, wenn er ihr seine Gefühle anvertraut hatte. Den, den sie nie ernst genommen hatte, weil immer jemand anderes in ihren Gedanken war. Wie dumm sie doch gewesen war, es nicht zu bemerken. Sie hat die Liebe ihres Lebens weggestoßen, um der Liebe ihres Lebens auf anderem Weg hinterherzulaufen.   Tränen brannten heiß auf ihren Wangen und sie begann unkontrollierbar zu zittern. Doch diesmal war es nicht die Kälte, die sie erschaudern ließ, sondern die Erkenntnis in ihrem Leben alles falsch gemacht zu haben. „Wir sind schon ziemlich schwer von Begriff, nicht wahr?“ Ein trauriges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, doch Mariette erkannte einen Funken des alten, schelmischen Adrien darin. Oder ist das doch eher sein Alter Ego? Erstaunt stellte Mariette fest, wie wenig sie das störte. Die zwei Teile ihres Herzens scheinen grade miteinander verschmolzen zu sein. Eine Tatsache, die der Blauhaarigen einen großen Stein vom Herzen fallen ließ. „Ja, anscheinend“, lächelte sie kraftlos. Die Schmerzen in ihrem Unterleib und die gefühlsmäßige Achterbahn hatten sie ziemlich ausgelaugt. Doch was bedeutete das jetzt für sie? Was würde sich für die beiden ändern?   „Marinette, ich…“ Das Klirren von Glas und ein markerschütternder Schrei ließ die zwei Superhelden zusammenzucken. Ein heißer Schmerz breitete sich dabei in ihrem Unterleib aus, den sie so gut es ging zu ignorieren versuchte. „Was war das?“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus, als auch schon zwei aufgewühlte Stimmen die Treppe hinauf kamen. Zwei kleine Kwami kamen aus dem unteren Stockwerk zu ihnen hinaufgeeilt. „Sie kommen! Sie sind hier!“, quietschte Tikki und stürzte zu ihrer Freundin hinüber, die sie besorgt ansah. „Wir müssen hier sofort weg!“, kommentierte der schwarze Kwami lautstark. „Bist du fit?“ Adriens Gesichtsausdruck war plötzlich wieder völlig ernst und angespannt, als er seinen Partner ansah. „Es gab hier zwar keinen Camembert, aber an die Kekse hier könnte ich mich auch gewöhnen“, gab dieser zurück und rülpste wie zur Bestätigung. „Auf geht’s, Plagg!“   Marinette sah der Verwandlung mit aufgerissenen Augen zu. Nie hätte sie gedacht das einmal zu sehen. Und nie hätte sie gedacht das wahre Gesicht von Cat Noir zu kennen… „Tut mir leid, Marinette, aber das könnte etwas wehtun.“ Die Blauhaarige wusste sofort, was los war und nickte ihm entschlossen zu. Sie biss die Zähne zusammen, als er sie wieder aufhob und vor seiner Brust positionierte. „Wir müssen hier weg. Am besten erst mal zu mir. Mein Haus ist weit genug weg von hier und auch sonst gut gesichert. Ich muss dich in Sicherheit bringen.“ Sie wollte wiedersprechen, doch brachte keinen Ton hervor. Eine bessere Idee hatte sie immerhin auch nicht. Also klammerte sie sich wieder an Cat Noirs Hals und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. Wie sehr sie es hasste sich so schwach und unnütz zu fühlen.   Im nächsten Moment prasselten wieder kühle Regentropfen auf sie ein und doch waren es bedeutend weniger als vor ihrer Ankunft in ihrem Zuhause. Der Schrei der Monster aus ihrem Zimmer verblasse mit jedem Sprung, den der Superheld über die Dächer machte. Die Nacht war bereits hereingebrochen und hatte den Himmel hinter den Regenwolken noch weiter verdunkelt. Nur noch die Straßenlaternen spendeten etwas Licht in der Dunkelheit. Doch Cat Noir hatte durch seine guten Augen wahrscheinlich überhaupt keine Probleme sich auch im Dunklen zurechtzufinden. Im Gegensatz zu ihr. Und so gab sie es schnell auf, drückte sich noch näher an ihn heran und schloss die Augen.   Als der Regen plötzlich stoppte öffnete sie ihre Augen erneut und bemerkte, dass sie bereits bei Adrien angekommen waren. Sanft legte er sie in sein Bett und verwandelte sich im nächsten Moment zurück. Plagg stürzte sich sofort in eine der Ecken, aus der dann nur noch Schmatzgeräusche zu hören waren. Tikki ließ sich erschöpft auf eines der Kissen auf dem Sofa fallen. „Ich werde dir kurz ein paar Schmerztabletten besorgen. Bin sofort zurück“, hörte sie Adrien sagen, doch bevor sie darauf antworten konnte, hatte er bereits die Tür hinter sich geschlossen.   Jetzt, wo ein Großteil der Panik von ihr abgefallen war, übermannte sie plötzlich die Müdigkeit. Ein herzhaftes Gähnen ließ ihre Augen langsam zufallen, doch sie kämpfte dagegen an. Sie musste noch ein wenig wach bleiben. Es war noch so viel zu klären. Nur fünf Minuten später betrat Adrien erneut das Zimmer, ein Glas Wasser und eine Schachtel Medikamente in der Hand haltend. „Nathalie und mein Vater sind nicht Zuhause. Nicht mal der Gorilla ist da. Wir sollten also erstmal unsere Ruhe haben. Hier“, meine er und hielt Mariette das Glas Wasser und eine Tablette hin. Dankend nahm sie beides entgegen und sofort nachdem sie etwas getrunken hatte, fühlte sie sich gleich besser. „Danke“, sagte sie erschöpft und ließ den Kopf wieder in seine Kissen zurücksinken. „Was machen wir jetzt?“ Adrien hatte sich mit dem Rücken zu ihr an die Bettkante gesetzt und starrte in das Dunkel seines Zimmers hinein. Die einzigen Geräusche waren seine regelmäßigen Atemzüge und der Regen, der gegen die Scheiben trommelte.   „Wir stecken ziemlich in der Klemme, was?“ Marinette seufzte. „Ja, ich denke schon.“ „Und doch…“, begann der Blonde, hielt aber sofort inne. Er drehte seinen Kopf und sah seiner Partnerin tief in die Augen. Das Lächeln auf seinem Gesicht war das Schönste, was sie jemals bei ihm gesehen hatte. „Und doch ist heute einer der besten Tage in meinem Leben, weil ich endlich die Frau gefunden habe, in die ich mich schon vor langer Zeit verliebt hatte.“ Die Kälte wich aus Marinettes Herz und machte einer sengenden Hitze Platz, die ihre Wangen erfüllte. Ihr Herz hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu schlagen, doch es konnte sie nicht weniger stören. „Adrien, ich…“, stammelte sie, unsicher, was sie sagen sollte. „Du bist…also… nicht… enttäuscht, dass gerade ich es bin? Ich meine…“ Er liebte Ladybug, das wusste sie nur zu gut. Doch konnte er auch das schwache Mädchen dahinter lieben? „Ich könnte dir dieselbe Frage stellen.“ Ihre Augen weiteten sich bei seinen Worten. „Du hast mich, oder eher Cat Noir, nie an dich herankommen lassen. Du hast mich immer weggestoßen.“ Die Art, wie er das sagte… Sie hörte ein wenig Traurigkeit aus seiner Stimme heraus. Auch wenn sie sein Gesicht in der Dunkelheit nur schwer erkennen konnte, so wusste sie genau, was in ihm vorging. Sie hatte ihn so lange verletzt, ohne es zu wissen. Genauso, wie er sie als Marinette verletzt hatte. „Aber nur, weil…“, sie schluckte schwer, ehe sie ihre Hände über ihr tomatenrotes Gesicht legte. Ihr Herz schlug wie wild. „Das hab ich nur gemacht, weil ich schon in jemanden verliebt war. In Adrien Agreste.“    Wieder wurde es still, doch Mariette wagte es nicht, seine Reaktion zu sehen. Stattdessen fuhr sie auf altbekannte, nervöse Weise fort. „Ich meinte, hast du nicht bemerkt, wie nervös ich immer in deiner Gegenwart war? Ich habe ja nicht mal einen graden Satz heraus bekommen! Ja, unsere erste Begegnung verlief nicht optimal und das tut mir heute noch wahnsinnig Leid. Ich kannte dich nicht. Obwohl du berühmt warst, äh, bist. Aber ich hatte viel zu viel mit selbst zu tun, da konnte ich nicht… Und als ich hörte, dass du mit Chloé befreundet warst, da hab ich gleich Panik bekommen. Mit einem verwöhnten Snob kann ich vielleicht noch umgehen, aber nicht mit zweien. Doch… als du dich dann nach der Schule bei mir entschuldigt hast, obwohl ich diejenige hätte sein müssen, die sich für ihr dämliches Verhalten entschuldigt, da hab ich… Der Regenschirm damals… Ich… In diesem Moment hab ich mich in dich verliebt.“ Marinette kämpfte in diesem Moment gegen den starken Drang sich unter der Bettdecke zu verstecken und so zu tun, als wäre das alles nicht real sondern nur ein Traum. Doch es war kein Traum. Das hier geschah grade wirklich. „Damals, als ich Ladybug kennengelernt habe, war ich ganz fasziniert von ihr. Sie wusste zwar nicht, was sie tat, aber trotzdem stellte sie sich mutig schützend vor die unschuldigen Menschen. Ganz selbstlos, ohne an sich selbst zu denken. Sie war klug, witzig und einfach das schönste Mädchen, was ich bis dahin gesehen hatte. Ich war sofort hin und weg. Ich dachte, ich könnte sie mit meinen Sprüchen und Scherzen beeindrucken und hatte mir an dem Tag vorgenommen, sie immer so gut ich kann zu unterstützen. Und daran halte ich bis heute noch fest. Doch, wenn ich nicht Cat Noir bin, bin ich so völlig anders. Nur ein kleiner Junge, der von seinem Vater nie vor die Tür gelassen wurde. Ich hatte keine Freunde, war nie zur Schule gegangen und kannte eigentlich nur eine handvoll Leute. Ich war so damit beschäftigt mit meinem Leben als braver Junger klarzukommen, dass ich nichts um mich herum groß mitbekommen hatte. Und dann waren da auch noch meine Abenteuer als Cat Noir. Ich war es nicht gewöhnt mich um andere zu kümmern, darum scheine ich alles um mich herum nicht wahrgenommen zu haben. Es tut mir leid, dass ich nie etwas gemerkt habe, Mariette. Tut mir leid, dass ich nie bemerkt habe, dass ich inzwischen mehr für dich empfinde, als nur bloße Freundschaft.“   „Adrien…“ Immer mehr Tränen brannten auf ihrer Wange, doch auch ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Ich liebe dich, Marinette. Ich habe mich damals in die Frau hinter der Maske verliebt, doch bis heute wusste ich einfach nicht, wie nah sie mir war. Ich habe viel zu viel Zeit damit verschwendet in die Ferne zu schauen, dass ich alles direkt neben mir übersehen habe.“ Da waren sie, die Worte, die sie schon so lange hatte hören wollen. Die Worte klangen noch viel schöner, als sie es sich je erträumt hatte. Er liebte sie beide. Ihr starkes und ihr schwaches Ich. Etwas Schöneres könnte sie sich überhaupt nicht vorstellen. „Und ich liebe dich, Adrien. Den ruhigen, freundlichen Adrien und auch die witzige, spontane und manchmal nervende Seite. Deine schrecklichen Katzenwortspiele würden mir fehlen, wenn sie nicht mehr da wären.“ Sie lächelte unter ihren Tränen, die sie sich verstohlen versuchte von den Wangen zu wischen.   Die Gestalt neben ihr bewegte sich, bis sie plötzlich neben ihr auf dem Bett lag. Sie spürte eine Hand an ihrer Wange, die sanft ihre Tränen wegwischte. „Nicht weinen, M‘ Lady. Es wird alles gut werden. Ich passe von jetzt an einfach noch besser auf dich auf“, sagte er und im nächsten Moment berührten seine Lippen die ihren. Die Wärme seiner Hand auf ihrer Wange ließ sie vollends entspannen. Das war der schönste und glücklichste Moment in ihrem Leben. Als sie sich wieder voneinander lösten, flatterten die Schmetterlinge aufgeregt in ihrem Magen. Der Junge, den sie liebte, hatte ihr gerade seine Liebe gestanden und sie geküsst. Es gab grade nichts anderes, an was sie denken wollte. Und trotzdem war sie immer noch sie. „Du willst auf mich aufpassen, Kitty? Bisher war immer ich diejenige, die auf DICH aufgepasst hat, damit du nicht wieder Hals über Kopf in die Gefahr stolperst“, meinte sie neckisch und grinste gegen seine Lippen, die ihr so nahe waren, dass sie immer noch seinen Atem riechen konnte. „Aber doch nur, weil ich dich gelassen habe. Ich wollte dein Ego nicht verletzen, also hab ich dir die Führung überlassen.“ Seine Augen leuchteten selbst im Dunkeln wie die Sterne persönlich. Er war ihre Welt und sie würde nicht zulassen, dass ihn ihr jemand wegnahm. „Träum nur weiter, Cat Noir.“   In diesem Augenblick spürte sie, wie die Müdigkeit sie vollkommen übermannte. Sie konnte ihre Augen einfach nicht mehr offen halten. Sie war am Ende. „Du solltest dich ausruhen, M‘ Lady.“ Seine Stimme nahm sie nur gedämpft war. Sie hörte das Rascheln von Stoff und im nächsten Moment umfing sie die wohlige Wärme seines Bettzeugs. „Ich werde dich beschützen, das schwöre ich dir“, hörte sie ihn von ganz weit her sagen, ehe sich seine Arme um sie legten und dicht an ihn heran zogen, und im nächsten Moment war sie auch schon eingeschlafen.   .   Der nächste Morgen kam schnell. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie gerade erst eingeschlafen, als sich ihr Bewusstsein langsam wieder an die Oberfläche tastete. Das Erste, was sie bemerkte, war, dass er nicht da war. Als sie die Augen öffnete war der Platz neben ihr leer. Etwas in ihrem Brustkorb zog sich zusammen. War das alles vielleicht nur ein Traum gewesen? War sie ohnmächtig geworden und hatte das alles nur geträumt? Langsam richtete sie sich auf und merkte, dass die Verletzung in ihrem Bauchraum nicht mehr so sehr ziepte, wie noch am Tag zuvor. War das Adriens Medikament gewesen? Sie sah die Schachtel noch neben dem Bett auf dem Nachttisch liegen. Zusammen mit einem frischen Glas Wasser. Sie war nicht so begeistert von Tabletten, aber wenn es ihr half, schneller wieder gesund zu werden, dann würde sie dieses Mal eine Ausnahme machen.   Auch das Aufstehen aus dem Bett fiel ihr deutlich leichter. War sie schon wieder fit genug zum Kämpfen? Konnte sie schon wieder helfen dem Chaos da draußen ein Ende zu bereiten? Sie wollte, dass alles wieder so wird wie früher. Sie wollte die Zeit mit Adrien in Ruhe genießen können. „Geht es dir wieder besser, Marinette?“ Seine Stimme ließ sie leicht zusammenzucken, was ihren Bluterguss gleich wieder protestieren ließ. Ganz gesund war sie also immer noch nicht. Natürlich. Frisch geduscht und mit sauberen Klamotten trat der Blonde aus dem Badezimmer und kam direkt auf sie zu. „Ja, es tut wirklich nicht mehr so weh. Deine Tabletten wirken Wunder.“ Kaum war er bei ihr angekommen, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie vorsichtig auf die Lippen. Mit einem Schlag hatten sich Marinettes Beine in Wackelpudding verwandelt, doch dank seines sanften Griffs schaffte sie es gerade so stehen zu bleiben. „Das freut mich sehr zu hören“, meinte er, als er den Kuss abbrach und ihr sein schönstes Lächeln schenkte. „Wenn du möchtest kannst du duschen gehen und dich frisch machen. Du bist gestern doch sehr unterkühlt gewesen. Ich möchte nicht, dass du krank wirst.“ Sie nickte ein wenig steif, weil sie ihrer eigenen Stimme nicht traute. Ihr Herz schlug wie wild und hämmerte hart gegen ihren Brustkorb. Wahrscheinlich würde sie nicht mehr als ein Quieken hervorbringen. Adrien lächelte, als er seine Hände von ihren Wangen nahm und sie noch bis zur Badezimmertür begleitete.   Das heiße Wasser strömte über ihren Körper und ließ ihn erschaudern. Ihre Muskeln bebten, als sie endlich wieder aufzutauen schienen. Es tat unendlich gut. Als sie fertig war, trat sie aus der Duschkabine, hüllte sich in das große, bereitgelegte Handtuch und betrat den vorderen Teil des Badezimmers. Zu ihrer Überraschung war ihre Kleidung, die sie einfach nur auf den Boden geschmissen hatte, nicht mehr da. Stattdessen lag ein sauberer Berg Kleidung direkt neben dem einen Waschbecken. Wo hatte er die so plötzlich her? Erstaunlicherweise passten die Kleidungsstücke wie angegossen. Schnell fühlte sie sich wieder so halbwegs menschlich. Einen Blick auf ihre Verletzung vermied sie so gut es ging. Sie fühlte sich immer noch schlecht, weil nur wegen ihr so viele Menschen so lange leiden mussten. Aber sie würde das wieder gut machen! Irgendwie.   Nachdem sie fertig gekleidet und frisiert war, trat sie wieder aus dem Badezimmer heraus, um Adrien vor seinem Fernseher sitzend vorzufinden. Eine Nachrichtensprecherin verkündete grade die neuesten Meldungen. „Nachdem Cat Noir am gestrigen Abend urplötzlich verschwunden war und von Ladybug noch immer jede Spur fehlte, machten sich bereits wilde Spekulationen breit. War etwas passiert, was die Öffentlichkeit nicht wusste? Der Polizeisprecher machte diesbezüglich keine weiteren Angaben. Jedoch konnte die Ausbreitung der Seuche zunächst eingedämmt werden. Darüber, wie die nächsten Schritte der Polizei aussehen, kann bisher nur spekuliert werden. Es heißt weiterhin-“   „Sie haben die Ausbreitung des Akumas stoppen können?“ Adrien stellte den Ton des Fernsehers aus, als Marinette hinter ihm aufgetaucht und ihre Arme um seinen Hals gelegt hatte. Ihr Kinn ruhte nun auf seinem Kopf, während er ihre beiden Hände in seine nahm. „Der Akuma scheint seine Kräfte zu schnell eingesetzt haben, dadurch ist ihm ein wenig die Puste ausgegangen. Das betroffene Gebiet hat sich seit gestern nicht mehr groß erweitert. Du hattest recht gehabt. Es zu überstützen hätte niemandem etwas gebracht.“ Vorsichtig hab er ihre Hände an seinen Mund und küsste sie sanft, ehe er sie wieder zurücksinken ließ. „Ich kann mich heute schon wieder viel besser bewegen. Der Vorfall ist nun ja auch schon über eine Woche her. Wir können bald versuchen den Akuma zu beseitigen, dann braucht niemand mehr leiden und ich habe genug Zeit, um mich komplett auszukurieren.“ „Wir überstürzen nichts, My Lady. Ich lasse dich bestimmt nicht kämpfen, solange du dich nicht richtig verteidigen kannst. Wir haben eine große Masse an Gegnern.“ Marinette seufzte und vergrub ihr Gesicht tiefer in seinen Haaren. Wie gut er doch duftete. „Wir dürfen aber nicht zu lange warten. Wir wissen nicht, was der Zauber den Menschen antut. Wir können es nicht riskieren, dass sie bleibende Schäden davon tragen.“ Sie küsste ihn aufs Haar. „Ich ruhe mich heute noch aus und morgen früh werden wir der Sache ein für alle Mal ein Ende setzen.“   Er ließ ihre Hände los und klopfte mit einer Hand seitlich neben sich auf Sofa. Sie verstand sofort, umrundete das Möbelstück und ließ sich neben ihn in die weichen Polster sinken. Sie spürte seinen Arm nur Sekunden später auf ihren Schultern, während er sie dicht an sich zog. „Egal was passiert, M‘ Lady, Marinette, ich werde immer auf dich aufpassen.“ Er sagte diese Worte mit einer Seriosität in der Stimme, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagte. So sehr sie sich auch freute diese Worte zu hören, sie machten ihr Gleichzeitig auch Angst. „Aber versprich mir, dass du immer zu mir zurückkommen wirst. Ich kann ohne dich nicht leben.“ „Ich werde nicht mehr von deiner Seite bleiben, das verspreche ich dir.“   Eine Weile blieben sie noch so aneinander gekuschelt sitzen, bis Marinettes Magen der romantischen Stimmung ein Ende setze. Adrien lachte nur und verschwand in die Küche, um eine Kleinigkeit zum Frühstück vorzubereiten. Es war eine wundervolle Runde, als das Paar und ihre Kwamis zusammen am Frühstückstisch saßen und sich wunderbar unterhielten. Die Zeit verging wie im Flug und Marinette schien die gesamte Welt um sich vergessen zu haben. Sie hatte nur noch Augen für ihn. Und sie war selten so glücklich wie in diesem Moment gewesen. Erst das Klingeln des Handys in ihrer Hosentasche riss sie aus der Trance.   „Meine Eltern!“, hauchte sie erschrocken, als sie den Namen auf dem Display las. Sofort nahm sie den Anruf entgegen. „Mama, Papa?“ Sofort hörte sie das erleichterte Aufatmen der Personen am anderen Ende. „Marinette! So ein Glück! Endlich erreichen wir dich! Wir haben eben von dem Angriff in den Nachrichten gehört und gleich versucht dich Zuhause zu erreichen, aber da ging niemand ran. Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Ist alles in Ordnung mit dir? Geht es dir gut?“ Ihre Mutter klang aufgebracht und nervös, was der jungen Frau gleich ein schlechtes Gewissen machte. Natürlich. Sie hätte sich viel früher melden und sagen müssen, dass mit ihr alles okay war. Doch sie hatte einfach so viel um die Ohren gehabt. „Mama, mach dir bitte keine Sorgen! Ich bin natürlich rechtzeitig geflohen, als es gefährlich wurde. Ich bin bei… einem Freund untergekommen. Hier bin ich absolut sicher.“ Sie konnte es sich nicht verkneifen in diesem Moment zu Adrien rüber zu schauen, der sie schelmisch angrinste. Auch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der Blonde nahm ihre freie Hand in seine und drückte sie ganz fest. „So ein Glück“, hauchte ihre Mutter erleichtert und sie hörte ihren Vater im Hintergrund „Sag ich doch!“ murmeln. „Bleib bloß wo du bist, Marinette. Dein Vater und ich kommen so schnell wie möglich zurück, doch sie haben alle Flughäfen der Region temporär geschlossen. Es wird also noch dauern, bis wir zurückfliegen können.“ Ihre Mutter klang immer noch etwas niedergeschlagen, wenn auch deutlich ruhiger. „Mama, mir geht es gut, wirklich. Ich verspreche dir, dass mir nichts passieren kann. Bitte übereilt es nicht und kommt lieber später, aber dafür gesund an, okay?“ „Okay, mein Schatz. Pass bitte auf dich auf! Wir haben dich lieb!“ „Und ich habe euch lieb.“   Marinette ließ das Handy sinken und blickte nur einige Zeit auf den Bildschirm. Das Nachrichtensymbol oben in der Ecke hatte sie noch gar nicht bemerkt. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, gab Adrien in diesem Moment ihre Hand frei, sodass sie auf die Nachricht antworten konnte. „Ayla“, meinte sie schlicht und er nickte lächelnd. „Nino hab ich vorhin schon geschrieben. Mit ihm und den Jungs ist alles in Ordnung. Sie wohnen zum Glück weit genug weg.“ Mit einem schnellen Blick überflog sie die fünf Nachrichten ihrer besten Freundin und atmete am Ende erleichtert auf. „Ayla ist auch in Ordnung. Sie hatte auch Kontakt zu unseren restlichen Mitschülern. Sie scheinen alle wohlauf zu sein. Ein Glück.“ Mit flinken Fingern schrieb sie schnell eine Nachricht zurück, damit auch sie wusste, dass Marinette in Sicherheit ist. „Mach dir keine Sorgen um sie. Die Schule startet erst in vier Tagen wieder. Bis dahin wird diese ganze Sache hier vergessen und alles wieder beim Alten sein. Na, fast alles.“ Er grinste, als er ihre Hand erneut ergriff, um ihr einen flüchtigen Handkuss zu geben. „Bin gespannt, wie die anderen das hier aufnehmen.“ Innerhalb von Millisekunden war das Gesicht der Blauhaarigen knall Rot angelaufen und sie zog ihre Hand schnell wieder an sich heran. „Du Blödmann, du!“, zischte sie beschämt und er lachte nur. „Bah, das ist ja wirklich ekelig! Wie lange muss ich das eigentlich noch ertragen?“ Das war das erste Mal seit langem, dass Plagg sich zu Wort meldete. Anscheinend hatte er den ganzen Camembert verdrückt und nun wieder Zeit für etwas anderes als essen. „Sei nicht so unhöflich, Plagg, und gewöhn dich besser dran. Das wird nämlich für immer so weitergehen.“ Was für ein schöner Gedanke.   .   Auch, wenn jede Bewegung nicht mehr so schmerzte, wie noch vor einigen Stunden, so fühlte Marinette sich dennoch ausgelaugt und kraftlos. Adrien hatte ihr befohlen sich auszuruhen und hatte sie gleich aufs Sofa beordert. Da, wo sie nun saß. Tikki und Plagg hatten sich schon vor langer Zeit zurückgezogen. Ihnen war das Geturtel ihrer menschlichen Freunde einfach zu viel geworden. Und weil Adrien sich kurz zurückgezogen hatte, saß Marinette nun alleine da. Trotzdem wusste sie genau, dass er nicht einfach nur im Haus umher ging oder einkaufen war. Ihr war klar, dass die schwarze Katze wieder über die Dächer zog, doch sie hatte so getan, als würde sie nichts bemerken. Und so schaltete sie immer wieder die Fernsehkanäle rauf und runter, doch konnte sich auf nichts so richtig konzentrieren. Nachrichtensendungen versuchte sie zu meiden, was bei der Anzahl an Spezialsendungen keine einfache Sache war. Und so drückte sie immer wieder auf den Knopf und ließ die Bilder an ihr vorbei ziehen, ohne wirklich drauf zu achten.   Als die Tür hinter ihr aufging, seufzte Marinette erleichtert darüber, endlich wieder Gesellschaft zu haben, doch als sie sich umdrehte, um Adrien zu begrüßen, blickte sie in die verwirrten Augen einer großgewachsenen Frau. Doch was viel Angst einflößender war, war der riesige, muskelbepackte Mann neben ihr, dessen Blick man ebenfalls nicht als herzlich bezeichnen konnte. „Wer sind Sie und was machen Sie hier? Und wo ist Adrien?“, wollte die Frau wissen und lief schnellen Schrittes auf Marinette zu. Diese schreckte erschrocken zurück, als der Koloss sich neben ihr aufbaute und sie grimmig betrachtete. „Ich bin äh... eine Freundin, nein, DIE Freundin von Adrien. Er ist nur kurz etwas, äh, holen gegangen. Er müsste jede Sekunde wieder zurückkommen.“ Dieser Mann war so groß. Wie konnte man nur so groß werden? „Sie haben hier nichts verloren! Der Hausherr wünscht keinen unerlaubten Besuch in seinem Haus! Wir werden Adrien aus der Stadt schaffen, solange diese Monster noch frei herumlaufen und Sie haben gefälligst das Anwesen zu verlassen!“ Marinette wusste, dass diese Frau eine Angestellte von Adriens Vater war und für seine Tagesplanung zuständig war. So viel hatte sie bereits aus ihren Gesprächen mit ihm herausgehört. Und anscheinend nahm sie ihre Beschützerrolle ziemlich ernst... „Hören Sie, Madame, ich... Adrien hat mich persönlich eingeladen und ich verspreche, dass ich nicht mehr so lange bleiben werde, aber... Adrien kann hier noch nicht weg. Er... wollte noch etwas erledigen und da muss er...“, stotterte Marinette unsicher, bis sie unsanft von dem Gorilla am Arm gepackt und auf die Füße gerissen wurde. Sofort protestierten die Muskeln unter ihrer Bauchverletzung und sie konnte einen Schmerzensschrei nicht verhindern. „Aua! Bitte, lassen Sie mich los! Sie tun mir weh!“, klagte die Blauhaarige, als der Bodyguard begann sie aus dem Zimmer zu ziehen. Sie hatte keine Kraft sich dagegen zu wehren. „Bitte, loslassen!“, versuchte sie es noch einmal kraftlos, ehe sie die Versuche aufgab und sich mitziehen ließ.   Doch weit kamen sie nicht. Noch ehe sie die Tür zu Adriens Zimmer erreicht hatten, wurde diese plötzlich von außen aufgestoßen und der Blonde stürmte hinein. „Adrien!“ Sie versuchte sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen, doch sie war einfach unendlich froh ihn gesund und munter zu sehen. „Marinette! Hey, was soll das? Gorilla, lass sie los, du tust ihr weh!“ Nur eine Sekunde später war er auch schon bei ihr und entzog sie dem Griff seines Bodyguarts, nur um sie selber fest an sich zu drücken. Sofort waren all ihre Schmerzen vergessen. „Bist du okay?“, fragte er sie besorgt und sie schlang als Antwort ihre Arme um ihn. „Ich bin froh, dass du wieder da bist.“ „Entschuldige, Marinette. Ich werde nicht wieder weggehen, versprochen.“ Sie nickte an seine Brust.   „Was soll das Nathalie? Ihr könnt doch nicht einfach meinen Besuch so grob vor die Tür setzen!“ Adriens Stimme klang dunkel und gefährlich, als er sich die Frau, die nun neben dem Bodyguard stand, wandte. So kannte sie ihn eigentlich nur als Cat Noir. Sein normales Ich war sonst immer freundlich und höflich, egal worum es ging. „Adrien, du weißt, dass dein Vater keinen Besuch in seinem Haus duldet, wenn er nicht da ist und es erlaubt hat. Die junge Dame wollte nicht freiwillig gehen, daher wollte der Herr sie nur hinausbegleiten. Aber genug davon. Bring die Dame bitte vor die Tür und pack deine Sachen. Wir verlassen sofort die Stadt, bis das Chaos sich hier gelegt hat. Anweisung von deinem Herren Vater.“ Marinette konnte hören, wie ein leises Knurren in Adriens Kehle aufstieg. Nun war er keine Katze mehr, sonder vielmehr ein Panther. „Ich werde hier nicht weggehen, Nathalie. Das kannst du meinem Vater liebend gerne so sagen. Und diese wundervolle Dame hier ist meine feste Freundin Marinette. Sie hat jedes Recht hier zu sein mit meiner Erlaubnis, denn auch ich wohne immer noch hier!“ Die Augen der Assistentin weiten sich, als Adrien sie als „feste Freundin“ vorstellte, doch sie fing sich schnell wieder und setze ihre professionelle, kühle Maske auf. „Natürlich, Adrien, ich entschuldige mich dafür. Aber bitte, wir müssen gehen. Du bist hier nicht länger sicher.“ Er drückte seine Freundin noch ein wenig enger an sich und küsste sie auf's Haar. „Wir werden hier nicht weg gehen. Ich bin mir sicher, dass der ganze Spuk morgen schon wieder vorbei ist. Bitte, Nathalie. Geh.“   Nach diesem Satz blieb es eine lange Zeit still, in der sich die beiden Parteien nur wortlos und steif ansahen. Marinette wagte es nicht sich zu rühren. Sie war innerlich komplett angespannt. Sie wusste, es war ihre Schuld, dass er sich gerade mit seiner... Familie stritt. Nur wegen ihr lehnte er sich gegen seinen Vater auf und das sollte er nicht tun müssen. Nicht so. „Ich werde deinen Wunsch deinem Vater mitteilen, Adrien. Er wird sicherlich nicht sehr erfreut darüber sein. Morgen früh werde ich wieder hier stehen und genau das gleiche von dir verlangen. Und dann werde ich etwas energischer sein müssen, bedenke das.“ Im nächsten Moment waren die beiden aus Adriens Zimmer verschwunden und das Paar blieb allein zurück.   „Mein Vater... Wie er schon wieder alles besser zu wissen glaubt.“ Noch immer hörte sie den Trotz in seiner Stimme und es versetzte ihr einen Stich. „Bist du wirklich okay, Marinette? Tut mir leid, dass du da... Marinette?“ Obwohl er seinen Griff gelockert hatte, um sie freizugeben, hatte die Blauhaarige ihren eigenen Griff nur noch verstärkt. Ihr Gesicht war in seinem T-Shirt vergraben, damit er das verräterische Glitzern in ihren Augen nicht sehen konnte. „M‘ Lady, was ist los?“, fragte er besorgt und streichelte seiner Freundin beruhigend über das Haar. „Tur mir leid. Ich mache nur ärger“, flüsterte sie daraufhin. „Du solltest dich nicht wegen mir mit deiner Familie streiten.“ Einen Moment hielt er mit dem Streicheln ihrer Haare inne, nur um ihr dann lächelnd einen Kuss auf die Haare zu drücken. „Ach, Marinette. Du weißt genau, dass mein Vater und ich unsere... Differenzen haben. Und das schon viel länger, als ich dich kenne. Du musst dir nicht immer an allem die Schuld geben. Das ist eine Sache zwischen meinem Vater und mir, mach dir da bitte keine Sorgen. Du weißt doch, dass ich ein Dickkopf bin.“ Ein erneuter Kuss auf ihr duftendes Haar. „Und außerdem, warum sollte ich von hier weg wollen? Du bist hier und ich möchte nirgendwo anders auf der Welt sein, als an deiner Seite.“ Er grinste liebevoll auf sie hinab. Von ihr hörte er nur ein Seufzen. „Dein Vater wird mich hassen, noch bevor er mich richtig kennengelernt hat, weil ich dich dazu angestachelt habe, gegen ihn zu rebellieren.“ So war es doch, oder? Wegen ihr hatte er sich gegen seine Bediensteten aufgelehnt und am Ende dem Wunsch seines Vaters widersprochen. Sollte das wirklich ihr erster Eindruck als seine Freundin sein? „Aber nicht doch! Niemand kann jemand Wundervolles wie dich hassen!“ Beinahe hätte sie gekichert, als sie ihre nächste Antwort gab. „Chloé hasst mich sehr wohl.“   Als Adrien daraufhin prustend anfing zu lachen, konnte auch Marinette sich nicht zurückhalten. Beide lachten laut los, als sie sich voneinander lösten und die Blauhaarige nutzte die Gelegenheit, um sich heimlich die letzten Tränen aus den Augen zu wischen. „Na ja, Chloé ist ein... ganz eigener Typ Mensch, würde ich sagen. Mit ihr muss man wirklich eine Menge Geduld haben.“ „Mich wird sie nie mögen, das kann ich dir versichern. Im Gegenteil. Sie wird mich noch viel mehr hassen, wenn sie das mit uns...“ Sofort stieg ihr wieder die Schamesröte ins Gesicht. Beschämt sah sie zu Boden. Würde es ihr jemals nicht peinlich sein, wenn sie sich als seine Freundin betitelte? Eine Hand an ihrem Kinn, die es zärtlich nach oben drückte, zwang Marinette dazu ihm wieder in die Augen zu sehen. Er grinste über beide Ohren, als sein Kopf sich ihr näherte, bis er sanft seine Lippen auf ihre legte. „Ich werde nicht zulassen, dass sie dich deswegen belästigt. Und außerdem... Ich bin wirklich auf ihre Reaktion gespannt.“ Seine grünen Augen funkelten animalisch und sie wusste, dass das die Seite war, die er vor allen Menschen versteckte. Vor allen außer ihr.   Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los und ließ ihn verdattert einige Schritte hinter sich. „Adrien, wir müssen etwas tun. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stadt morgen wieder sicher ist und du nicht von hier fort musst. Ohne dich habe ich keine Chance. Und ich will nicht gleich einen schlechten Eindruck hinterlassen, wenn das hier... mit uns... öffentlich wird. Auch ich möchte dich und dein Leben beschützen. Sei es als Superheldin, oder als Marinette.“ Bei den letzten Worten richtete sie ihren Blick nur auf ihn und legte alles an Kampfeswillen hinein, was sie bieten konnte. Es war soweit. Sie konnte nicht länger warten, oder Adriens privates Leben könnte Schaden nehmen. Das würde sie nicht zulassen. „Tikki, spot on!“   Er sah gebannt auf ihre Verwandlung. Einerseits fasziniert, andererseits sehr um sie besorgt. War sie wirklich fit genug, um gegen Superschurken zu kämpfen? Das konnte nur sie wissen und er wusste, dass er ihr vertrauen konnte. Und trotzdem hinterließ die Tatsache, dass sie gerade nur für ihn verletzt in den Kampf zog, einen fahlen Beigeschmack auf seiner Zunge.   Obwohl er nun schon seit einigen Stunden wusste, wer hinter Ladybugs Maske verborgen war, traf es ihn irgendwie unerwartet sie plötzlich einfach so vor sich stehen zu sehen. Dort, wo eben die liebe, schüchterne Marinette stand, befand sich nun die taffe und mutige Ladybug in ihrem roten Outfit. Ihre Augen leuchteten vor Entschlossenheit, als sie ihm tief in die Augen sah. Das war alles, was er brauchte. „Plagg, Claws out!“, rief er und wurde im selben Moment in dieses seltsame Licht gehüllt. Nur einen Moment später spürte er die Kraft seines Miraculous in seinem ganzen Körper glühen. „Sollen wir gehen, M‘ Lady? Keine Sorge, ich pass auf dich auf.“ „ICH passe wohl eher auf DICH auf, Kitty.“ Sie grinste, wurde danach aber tot ernst. „Lass es uns angehen.“   .   Sie spürte das Ziehen bei jedem ihrer Schritte und doch hielt es sich in Grenzen. Mit jedem Meter, den sie über die in frühnächtliche Dunkelheit getauchten Dächer von Paris voran kamen, war sie zuversichtlicher es durchzustehen. Sie mussten trotzdem schnell arbeiten. Schnell und effizient. Bevor ihr am Ende doch noch die Kräfte ausgingen.   Es vergingen nur Minuten, bis sie den Rand der Absperrung erreicht hatten. Wie sie vermutet hatte, waren überall Polizisten stationiert, die jedoch nichts weiter taten, als hinter ihren Polizeiwagen zu sitzen und die Absperrung zu bewachen. „Alles in Ordnung, M‘ Lady?“ Sie wusste, dass er sich Sorgen um sie machte und es schmeichelte sie mehr, als sie zugeben würde. „Ja, ich bin okay. Es geht mir gut. Aber lass uns das hier schnell, aber vorsichtig, hinter uns bringen.“ Ein junger Zombiefan, der ständig für seine Theorien über Untote von seinen Klassenkameraden gehänselt wurde. So hatten es zumindest die Medien dargestellt. Sie musste sein Akuma schnellstens finden und beseitigen! Nur gut, dass es sich bei den wandelnden Gestalten dort unten wirklich um Zombies handelte. Sie erschauderte bei dem Gedanken. Zombies waren gruselig...   „Sie vermuten den Übeltäter in einem der verlassenen Lagerhäuser nahe dem Industriegebiet. Wir sollten da anfangen zu suchen.“ „Okay!“, stimmte sie seinem Vorschlag zu. Mit einem großen Satz sprangen die beiden Superhelden von dem Häuserdach, auf dem sie sich einen kurzen Überblick verschafft hatten, herunter und landeten genau vor der Absperrung und einem Haufen Journalisten. Sie musste sich beherrschen keine Grimasse zu ziehen, als der Schmerz des Aufpralls in ihrer Seite aufflammte. „Da sind Ladybug und Cat Noir!“, schallte es von allen Anwesenden und beide schauten medienwirksam zu der Meute zurück. „Wir übernehmen ab hier! Entschuldigt die Verspätung!“, grinste Cat Noir und posierte siegessicher für die Kamera. Als einen Moment später die Schreie der lebenden Zombies in ihrer Nähe erklangen, war die Show jedoch zu Ende. So schnell sie konnten eilten sie in Richtung Lagerhäuser, nicht ohne auf dem Weg den einen oder anderen Zombie zu Boden zu strecken.   Es wurde langsam dunkel und die Gegend war nur spärlich beleuchtet. Die Kämpfe zwischen den Verwandelten und der Polizei hatten einige sichtbare Spuren an den Gebäuden und Fahrzeugen hinterlassen. Trümmer säumten die Straße. Gebäude waren beschädigt und Putz und Ziegelsteine lagen auf den Gehwegen. Sie hoffte sehr, dass die Kraft ihre Miraculous in der Lage war, alles wieder herzustellen. „Da ist es!“, rief ihr Partner und zog ihre Aufmerksamkeit damit wieder auf ihre Mission. „Ich glaube, es ist nicht schwer herauszufinden, wo wir suchen müssen“, meinte sie, als sie beide vor einem der Lagerhäuser stoppten. Eine Menschenkette aus Zombies war rund um das Gebäude verteilt. Es war also unmöglich sich heimlich rein zu schleichen. „Na ja. Immerhin erspart uns das einiges an Arbeit“, scherzte Cat Noir und zückte seinen Stab. „Abschrecken kann uns das aber nicht. Überlass das mir!“ Er umfasste seine Partnerin sanft an der Hüfte, was sie dieses Mal ohne ihn wegzustoßen annahm. Er vergrößerte seinen Stab und schwang mit ihr damit in die Lüfte, nur um kurz darauf in Richtung des Lagerhauses zu kippen. Eines der Glasfenster auf dem Dach zersplitterte unter ihrem Gewicht, was die zwei geradewegs in das Dunkel des Lagerhauses fallen ließ. Trotz allem spürte sie keine Schmerzen, als sie auf dem Betonboden aufkamen, da Cat Noir ihren Sturz sanft abbremste.   Das Lagerhaus war dunkel und nur wenige Lampen brannten. Doch es war kaum genug, um die eigene Hand vor Augen zu sehen. Ihr Partner hatte da weit weniger Probleme, das war ihr bewusst. „Ihr habt lange gebraucht, Ladybug und Cat Noir. Ihr habt mich warten lassen.“ Eine kalte, dunkle Stimme hing in der Luft, doch Ladybug konnte ihren Ursprung nicht ausmachen. Es war einfach viel zu dunkel! „Ich brauche noch ihre Miraculous!“ „Es gab einige... Komplikationen, sonst hätten wir uns das natürlich nie erlaubt. Doch wir können auch nicht lange bleiben. Darum bringen wir es schnell hinter uns, Zomboy!“   Ladybug konnte ihre Gegner eher spüren, als sehen. Nur mit Mühe konnte sie sich gegen die angreifenden Zombies wehren. Den eigentlichen Bösewicht konnte sie nicht mal entdecken. Es war unmöglich so den Akuma zu finden! Sie musste sich wirklich etwas einfallen lassen… „Cat Noir! Kümmere dich nicht um die Zombies! Such den Übeltäter und finde sein Akuma! Ich übernehme den Rest!“ „In Ordnung, My Lady! Überlass das mir!“   Immer mehr Schatten waberten um sie herum. Schlugen nach ihr. Traten in ihre Richtung. Sie hatte kaum eine Chance gegen Gegner, die sie nicht sehen konnte. Nur ihr Stöhnen ging schwer wie Blei in der Luft. Ihre Verletzung schmerzte. Ihr Unterleib brannte wie Feuer. Jede Bewegung war eine zu viel. Immer öfter stand sie einfach nur da und nutze die paar Sekunden Pause vom Kampf, um ihren Atem etwas zur Ruhe kommen zu lassen. Doch lange würde sie das nicht mehr durchhalten. „Beeil dich doch, Adrien…“, murmelte sie beinahe unhörbar zu sich selbst, als sie ihr Jo-Jo wieder in Angriffsposition brachte.   Ein lauter Knall ließ die Superheldin aufschrecken. Auf der anderen Seite der Halle klaffte plötzlich ein Loch in der Wand, dort wo sich bis eben noch eine Tür befunden hatte. Leider war es draußen bereits zu Dunkel, damit Licht in das Gebäude fallen konnte, doch nahe Straßenlaternen tauchten einen kleinen Lichtkegel davor in sanftes Orange.   „Ladybug! Sein rechter Handschuh! Los!“ Als sie die Stimme ihres Partners nach langer Stille wieder hörte, fiel ihr ein Stein vom Herzen, von dem sie gar nicht wusste, dass er da war. Sie machte sich zu viele Sorgen, eindeutig. Dabei wusste sie, dass es niemandem gab, dem sie mehr vertrauen konnte. „Lucky Charm!“, rief sie und warf ihr Jo-Jo in die Luft. In einem hellen Lichtschein erschien ein Gegenstand, der ihr sanft in die Hände glitt. Etwas verdutzt starrte sie auf die kleine, rote Taschenlampe, die nun auf ihren Händen ruhte. „Und was soll ich damit jetzt machen?“, fragte sie sich selbst, während ein weiterer Angriff der Zombies auf sie zukam. Mit einem gekonnten Sprung katapultierte sie sich in Richtung der Stelle, an der sie Cat Noir vermutete. Tatsächlich lagen er und Zomboy rangelnd auf dem Boden, während der Superheld immer wieder versuchte, den speziellen Handschuh zu ergattern.   Schnell scannte Ladybug die Umgebung und wurde bald fündig. Mit wenigen Handgriffen schob sie einen Teil der übriggelassenen Ware so hin, dass ihr Plan perfekt aufgehen würde. „Cat Noir! Bring ihn hier her!“, rief sie ihrem Partner zu und winkte mit den Händen in seine Richtung. Dieser reagierte sofort und erkämpfte sich die Position, um den Kontrollierten mit einem heftigen Stoß dahin zu befördern, wo sie ihn haben wollte. „Das war es dann, Zomboy!“, rief sie, als der Schurke sich aufrappeln wollte, und knipste ihre Taschenlampe an. Wie sie geplant hatte, warfen die alten, zersplitterten Spiegel, die sie dort in einem Kreis drapiert hatte das Licht so gebündelt zurück, dass der inmitten Gefangene so stark geblendet wurde, dass er nichts mehr sehen konnte. Mit einem lässigen Schwung ihres Jo-Jos erwischte sie seine rechte Hand, die er praktischerweise schützend vor seine Augen hielt und zog den akumatisierten Gegenstand in ihre Richtung. „Beenden wir das!“ Mit einer schnellen Bewegung zerriss sie den Gegenstand und ein schwarzer Schmetterling flattertete in die Dunkelheit. Sofort ließ sie ihr Jo-Jo schwingen, um den Akuma zu erwischen, bevor er fliehen konnte. „Bye, bye, kleiner Schmetterling“, lächelte sie, als die kleine, weiße Gestalt geläutert in Richtung der Decke flog.   Nun gab es nur noch eins zu tun. „Miraculous Ladybug!“, rief sie und warf die Taschenlampe hoch in die Luft. Im selben Moment erfüllte ein rotes, glitzerndes Licht die Halle und wie durch Zauberhand schien sich alles wieder zu normalisieren. Die Zombies verwandelten sich zurück in Menschen und die Schäden am Gebäude verschwanden nach und nach von selbst. Zu ihrer Erleichterung reparierte sich auch die von Zomboy zerstörte Beleuchtung des Lagerhauses, durch das sie endlich wieder etwas erkennen konnte. „Gute Arbeit, Ladybug!“ Cat Noir tauchte im nächsten Moment neben ihr auf und sie spürte seinen Arm auf ihrer Schulter. „Sieht so aus, als wäre alles wieder normal.“ „Ein Glück!“, lächelte sie und sah erleichtert, dass keiner der Menschen einen bleibenden Schaden davon getragen zu haben schien.   Erst ein leises „Piep“ holte sie in die Wirklichkeit zurück. „Wir sollten schnellstmöglich zurück“, schlussfolgerte ihr Partner und sah sie aus besorgten Augen an. „Kommst du klar?“ Sie sah zurück und lächelte ihn an. „Bis zu dir zurück schaffe ich es wahrscheinlich nicht, aber ich habe auch nichts gegen einen kleinen Abendspaziergang.“ „Nichts lieber als das, M‘Lady.“   .   Die Wolken waren aufgeklart und der Mond zeigte sich von seiner schönste Seite, als Marinette und Adrien weit weg von der ehemaligen Sperrzone die Straße entlang spazierten. Marinette war mehr als nervös. Immerhin lief sie grade mit ihrem neuen Freund Hand in Hand über eine öffentliche Straße. Dort, wo sie jeder sehen konnte. Vielleicht sogar jemand den sie kannte… Sie konnte sich einfach nicht entscheiden, ob das gut war oder nicht. „Geht es dir gut, Marinette? Was macht deine Verletzung?“ Seine Stimme riss sie aus ihrem inneren Kampf. Die Verletzung, stimmt. Ihr Körper war im Kampf so voller Adrenalin gewesen, dass sie die Schmerzen beinahe vergessen hätte. Doch jetzt bohrten sie sich zurück in ihren Kopf. Und trotzdem gab es etwas, was dieses Gefühl null und nichtig machte. „Es tut weh. Glaube ich. Aber ich kann mich grade überhaupt nicht darauf konzentrieren.“ Sofort legte sich ein satter Rotschimmer auf ihre Wangen. Schnell drehte sie ihren Kopf in Richtung der angrenzenden Schaufenster, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie hörte ihn leise kichern. „Mach ich dich etwa nervös?“ Erschrocken zuckte sie zusammen, als seine Stimme ganz dicht an ihrem Ohr erklang. „Hör auf damit!“, quietschte sie kraftlos. Sie war immer noch so überwältigt von dem Gedanken, dass ihr Schwarm und ihr bester Freund ein und dieselbe Person waren und sie nun mit ihm zusammen war. So richtig zusammen. Für immer. „Du bist so süß, wenn du so schüchtern bist, M‘ Lady.“ „Und du bist so nervig, wenn du deine schlechten Sprüche raus kramst, Kitty.“ Sie wusste, dass sie keins ihrer Worte ernst meinte und nach seinem Kichern zu urteilen, wusste Adrien das auch ganz genau. „Steht’s zu Diensten, Marinette“, lächelte er und küsste sie liebevoll auf die Wange. „Ich liebe dich.“ Mit dem Satz hatte er all ihre spärlichen Barrieren aufgebrochen und sie wurde innerlich ganz ruhig. „Und ich liebe dich, Adrien.“   Ohne es zu bemerken, waren beide stehen geblieben und sahen sich tief in die Augen. Adrien beugte sich zu seiner Freundin hinunter und wollte sie grade auf den Mund küssen, als eine schrille Stimme sie beide aufschreckte. „Adrieeen! Was machst du denn noch so spät hier draußen?“ Ein blonder Wirbelwind fegte an Marinette vorbei und schob sie grob beiseite. Dabei verlor sie Adriens Hand aus ihrer. Auch das noch. Das hatte ihr gerade noch gefehlt… Wütend stemmte sie die Hände in die Hüfte. „Chloé! Könntest du dich bitte verziehen?“, meinte sie so unfreundlich wie möglich zu der reichen Blondine, die sie daraufhin nur verächtlich ansah. „Was? DU bist auch hier? Belästigst du meinen Adrien schon wieder mit deinem Gestottere?“ Und wieder mal zeige sich Marinette, dass man diese Frau einfach nicht mögen konnte. Das war ein Naturgesetz. Wie die Schwerkraft.   Adrien erwachte aus seiner Schockstarre und schob seine Klassenkameradin ein wenig unsanft von ihm weg. „Hey!“, protestierte diese, als sie dadurch gezwungen war, seinen Arm loszulassen. „Entschuldige, Chloé, aber der Tag war wirklich anstrengend genug. Außerdem finde ich es nicht besonders nett von dir, meine Freundin so unfreundlich zu behandeln.“ Die Augen der Blondine weiteten sich, als Adrien das Wort „Freundin“ erwähnte. Immer wieder huschten ihre Augen zwischen den beiden hin und her. „Freundin? Du bist wirklich mit jemandem wie ihr befreundet?“ Ihre Stimmlage war plötzlich deutlich höher als sonst. Anscheinend stand Chloé kurz vorm Hyperventilieren. Adrien lächelte nur. „Aber nicht doch. Du hast mich falsch verstanden.“ Er warf einen schnellen Blick auf Marinette, deren Wut komplett verraucht zu sein schien. Stattdessen beobachtete die Blauhaarige die Szene höchst amüsiert. „Na, so ein Glück! Nicht auszudenken, wenn du dich mit solchen Leuten abgeben musst! Vor allem, wenn du doch mich haben kannst!“ Nun war ihre Stimmlage fast wieder so kühl wie immer. „Aber Chloé, hör doch mal zu!“ Adrien grinste immer noch, als er sich neben Marinette stellte und seinen Arm um sie legte. „Sie ist nicht nur ‚eine‘ Freundin. Sie ist ‚meine‘ Freundin.“ Und wie zur Bestätigung seiner Worte küsste er sie sanft auf die Lippen. „Wenn du uns dann entschuldigst. Wir sehen uns in der Schule!“   Sie hörten das Kreischen und Fauchen immer noch, als sie schon um die Ecke in die nächste Straße gebogen waren. Und sie konnten nicht aufhören darüber zu lachen. „Das war ja an Dramatik kaum zu überbieten“, kicherte Marinette, die den kleinen Funken Mitleid für Chloé, der partout aufkommen wollte, so gut es ging unterdrückte. „Hat doch besser funktioniert, als gedacht. Bin schon sehr auf Montag gespannt.“ „Das wird anstrengend“, seufzte sie und das Lachen war ihr bei dem Gedanken daran vergangen. „Ach, nicht viel anstrengender, als unsere nächtlichen Parisrettungsmissionen.“ Er drückte sie näher an sich und sie kuschelte sich an seine Seite. „Das heißt, es wird jetzt Tag UND Nacht so anstrengend?“ Sie rieb sich mit den Fingern über ihre Schläfe. Na das waren ja Aussichten. „Es gibt nichts, was mir nicht schaffen, M‘ Lady.“ Er küsste ihr Haar und auf einmal schienen alle Sorgen wie weggeblasen. „Ja. Solange wir zusammen sind.“ Sie lächelte bei dem Gedanken. Nun konnte sie immer stark sein -Tag und Nacht -, denn er würde an ihrer Seite stehen. „Für immer und ewig.“   Für immer und ewig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)