Das zweite Gesicht von _Nele_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Newt saß nun bereits seit zwei Tagen hier fest, ohne Grindelwald noch einmal zu Gesicht bekommen zu haben. Er hatte also mehr als genug Zeit gehabt, um seine Gedanken zu ordnen, doch wirklich zur Ruhe kam er nicht. Zwei Tage war es bereits her, dass er Grindelwald gegenüber gestanden und heraus gefunden hatte, dass der Mann, den er seit mehr als zwei Jahren geglaubt hatte zu kennen niemand anderes war als der böseste und meistgesuchteste dunkle Zauberer aller Zeiten. Percival Graves, den er nicht nur als guten Freund sondern auch als seinen Vertrauten und Liebhaber angesehen hatte, war tatsächlich Gellert Grindelwald. Er hatte versucht es nicht zu glauben, es abzustreiten, aber mittlerweile führte kein Weg mehr daran vorbei, es sich einzugestehen. Grindelwald wusste Dinge über sie beide, die nur Percival hätte wissen können;  sagte Dinge zu ihm, wie nur Percival sie formuliert und ausgesprochen hätte. Newt hatte dem Falschen vertraut und das obwohl gerade er jemand war, der anderen Menschen eben nicht so leicht vertraute oder sich gar für sie öffnete. Umso stärker brannte das Gefühl von Verrat in seinem Bauch, wann immer er an seinen ehemaligen Freund dachte. Und doch war dies nichts im Vergleich zu dem herzzerreißenden Schmerz in seiner Brust wegen des Verlusts über Percival Graves. War es nicht seltsam, dass er um jemanden trauerte, der so nie existiert hatte? Und doch schmerzte es fast mehr, als wäre Percival tatsächlich gestorben. Der rothaarige Zauberer atmete zittrig ein und schüttelte kurz den Kopf, wollte gerade nicht schon wieder darüber nachdenken, zumal sich seine Gedanken die letzten zwei Tage doch sowieso um nichts anderes zu drehen schienen. Dass er hier völlig isoliert in diesem Zimmer saß machte die Sache dabei nicht unbedingt besser. Es war ein geräumiges Zimmer und recht edel ausgestattet mit einem ebenso geräumigen angrenzenden Bad. Er hatte ein Fenster von dem aus er hinaus auf die Straßen schauen konnte, das allerdings magisch gesichert war. Ohne seinen Zauberstab hatte er also keine Chance hier raus zu kommen. Drei mal täglich erschienen Mahlzeiten auf dem Tisch, die üppiger waren als alles was er in den letzten Monaten innerhalb einer ganzen Woche bekommen hatte. Er war zwar nicht explizit auf der Flucht gewesen wie viele andere Zauberer seit Grindelwalds Sieg und seiner Machtergreifung, aber er hatte sich dennoch so gut wie möglich im Untergrund gehalten. Und in einem Überwachungsstaat, wie dem von Grindelwald, war dies nicht gerade einfach gewesen, zumal er ja auch noch seine Geschöpfe bei sich hatte. Newt seufzte schwer und strich sich durch seine wirren Locken.   Seine Geschöpfe…   Er fragte sich wie es ihnen wohl ginge. Als Grindelwald ihn vor zwei Tagen hatte gefangen nehmen lassen, hatten sie natürlich seinen Koffer konfisziert und die Ungewissheit über ihre Unversehrtheit zehrte besonders an seinen Nerven. Nur Pickett hatte er retten können und das auch nur weil der kleine Bowtruckle wie immer in seiner Westentasche gesessen hatte.   Doch viel weiter kam Newt mit seinen Gedanken nicht, da plötzlich das Klicken des sich öffnenden Türschlosses den Raum durchdrang. Newt verspannte sich augenblicklich und schaute von seinem Platz auf dem Sofa zur Türe auf, die sich kurz danach bereits öffnete. Bei dem Anblick des Mannes, der hereintrat, erstarrte Newt allerdings und hatte das Gefühl sein Herz würde einen Moment aussetzen. Vor ihm stand Percival, gekleidet in einen schwarzen Anzug und betrachtete ihn mit ruhigem Blick aus diesen tiefen, dunklen Augen, die Newt gelernt hatte mehr als alles andere zu lieben. Doch nein… das war nicht Percival. Percival existierte nicht, hatte nie existiert, war nichts anderes als eine Farce von Grindelwald gewesen um das MACUSA zu unterwandern. Newt krallte seine Hände unbewusst in das Polster des Sofas und zwang sich dem durchdringenden Blick des anderen nicht auszuweichen. Der dunkelhaarige Zauberer hingegen wirkte wie immer völlig entspannt als er die Türe hinter sich schloss. Auf seine ausdruckslosen Züge legte sich nach einem Moment ein kleines Lächeln nachdem er den jüngeren von oben bis unten gemustert hatte. „Newt. Entschuldige, dass ich dich so lange habe warten lassen. Ich hatte die letzten zwei Tage viel zu tun.“ Ein Schauer rann Newts Rücken herunter als er die warme, melodiöse Stimme seines ehemaligen Liebhabers hörte, den er die letzten Monate sogar bereits für tot geglaubt hatte. Wie sehr wollte er gerade aufspringen und sich in die starken Arme des anderen werfen, sein Gesicht an dessen Brust vergraben und seine Arme um seine breiten Schultern schlingen. Und das Schlimmste war, Percival… nein, Grindelwald, schien es genau zu wissen. „Was wollen Sie von mir?“ fragte Newt schließlich, ohne auf die vertrauten Worte einzugehen; war dabei sogar selbst etwas überrascht, wie fest seine Stimme klang. Grindelwald schaute ihn einen Moment unbeeindruckt an, schüttelte dann aber schmunzelnd den Kopf und kam auf ihn zu. Kurz bevor er bei dem jüngeren Zauberer ankam, ließ er einen Stuhl mit einer Handbewegung herüber schlittern und nahm vor ihm Platz. „Ich denke, wir sollten reden.“ Er überschlug die Beine und faltete seine Hände in seinem Schoß und Newt wandte schließlich doch den Blick ab, wollte diese vertrauten Gesten, die so typisch für Percival waren nicht sehen. Reden wollte er also. Newt zweifelte stark daran. Eher wollte er ihn quälen mit diesem Aufzug, ihm noch einmal vorhalten, wie dumm er doch gewesen war ihm zu vertrauen. Oder er wollte noch mehr Informationen zu was auch immer, hatte vielleicht einen Plan wie er Newt immer noch ausnutzen konnte nach allem. Einige Momente schwiegen beide, dann seufzte Gellert jedoch und beugte sich etwas vor zu dem anderen, stützte dabei seine Ellenbogen auf seinen Knien ab. „Newt. Sieh mich an.“ Seine Stimme war ruhig, hatte fast einen warmen, bittenden Unterton während er den jüngeren abwartend anschaute. Doch dieser ließ den Blick stur abgewandt, hätte ihn selbst dann nicht ansehen können wenn er es gewollt hätte. Zu sehr fürchtete er, dass er unter Percivals Blick einknicken und vergessen könnte, wer ihm da eigentlich gegenüber saß. Aus dem Augenwinkel bemerkte er allerdings plötzlich eine Hand, die nach ihm griff. Bevor Newt überhaupt nachdenken konnte, war er bereits aufgesprungen, wich fast wie ein Tier, das man in die Ecke drängte zurück vor dem anderen. „Fassen Sie mich nicht an…!“ zischte er dem älteren Zauberer nun mit zitternder Stimme entgegen, während er sich hektisch im Raum umsah um irgendwie eine Fluchtmöglichkeit auszumachen. Doch außer der Türe blieb ihm keine Möglichkeit und dafür müsste er direkt an Grindelwald vorbei. Etwas wofür seine Chancen auf Erfolg selbst mit Zauberstab mehr als gering stünden. Dieser saß jedoch weiterhin ganz entspannt auf seinem Stuhl und hob beschwichtigend die Hände. „Wie ich bereits sagte, ich möchte nur mit dir reden, Newt.“   Doch der rothaarige Zauberer behielt ihn nicht weniger skeptisch im Blick, jederzeit fluchtbereit. „Worüber wollen Sie mit mir reden?“,  schnaubte er schließlich mit zusammen gezogenen Augenbrauen. Gellerts Mundwinkel zuckte kurz, offenbar zufrieden, dass Newt zumindest auf ihn reagierte und nachfragte. „Wie wäre es mit deinen Geschöpfen?“ schlug er mit einem wissenden Lächeln vor. Wenn es etwas gab, was Newt wichtiger als alles andere war, dann waren es seine magischen Tierwesen. Jeder Idiot konnte diese Schwäche des jüngeren Zauberers erkennen, erst recht Gellert Grindelwald, der fast ein gesamtes Jahr mit Newt verbracht hatte. Fast augenblicklich änderte sich Newts Haltung und er schaute den dunkelhaarigen mit großen Augen an. „Was… Wo sind sie? Wie geht es ihnen??“ fragte er sofort nach, konnte seine Sorge um seine geliebten Geschöpfe nicht mehr aus seiner Stimme halten. Gellert schüttelte erneut schmunzelnd den Kopf wegen der Berechenbarkeit des Jüngeren. Er erhob sich von seinem Stuhl und kam langsam auf Newt zu, behielt ihn dabei fest im Blick. Durch das Erwähnen seiner Geschöpfe hatte er zumindest soweit seine Aufmerksamkeit, dass der Rotschopf nicht weiter versuchte vor ihm zu flüchten sondern angespannt stehen blieb. Gellert blieb mit einem Lächeln dicht vor ihm stehen, versperrte ihm somit auch die letzte Fluchtmöglichkeit da der andere mit dem Rücken bereits an einem Bücherregal stand. „Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Ich vermute, sie vermissen dich.“ Über Newts Gesicht huschte ein kurzer gequälter Ausdruck. Natürlich vermissten sie ihn. Vermutlich wussten sie gar nicht, was plötzlich los war. Der einzige Mensch, dem sie vertrauten war plötzlich nicht mehr da und stattdessen kümmerten sich Fremde um sie, die gar keine Ahnung hatten wie man mit ihnen umzugehen hatte. Wenn sich überhaupt jemand um sie kümmerte… „Ich habe dich ebenfalls vermisst.“ drang plötzlich Percivals Stimme an sein Ohr. Newt hielt den Atem an und schloss unwillkürlich die Augen als er die ihm so vertraute, warme Hand an seiner Wange spürte. Er konnte die Wärme spüren, die vom Körper des anderen ausging. Nur ein wenig müsste er sich nach vorne lehnen, dann würde er den anderen spüren können. Er würde sich komplett fallen lassen können in die starken Arme, die ihn bisher immer und jederzeit aufgefangen hatten. Er könnte sein Gesicht an dessen Schulter vergraben, sich einen Moment verstecken vor all dem Leid und der Zerstörung, die er die letzten Monate mit angesehen hatte. Und Percival würde ihn festhalten, ihm süße Worte ins Ohr flüstern während ihn der dezente Geruch seines teuren Rasierwassers und der einzigartige Duft umgäbe, der so typisch Percival war. Aber es wäre falsch und doch nur eine trügerische Illusion… „Was willst du von mir…?“ flüsterte Newt schließlich mit fast gebrochener Stimme. Die Hand an seiner Wange wich nicht. Stattdessen spürte er wie der ältere Zauberer langsam, fast zärtlich mit seinem Daumen über seine Wange bis zu seinen Lippen strich. „Ich möchte dir die Chance geben hier sicher und zufrieden zu leben. Mit deinen Geschöpfen, wenn es das ist, was du möchtest.“ Newt öffnete langsam wieder die Augen, suchte unsicher den Blickkontakt mit dem schwarzhaarigen Zauberer. Er mochte vielleicht in vielerlei Hinsicht gutgläubig und manchmal auch naiv sein, aber dumm war er definitiv nicht. Wenn Gellert Grindelwald ihm etwas derartiges anbot, dann sicher nicht aus Herzensgüte und umsonst. „Und was… willst du im Gegenzug?“ fragte er zögerlich nach. Als sich auf Gellerts Lippen ein amüsiertes Schmunzeln legte, schauderte der rothaarige Zauberer und bereute schon fast seine Frage. „Nichts von Bedeutung. Für den Anfang, dass du dich möglichst ruhig verhältst und ansonsten… deine Gesellschaft. Wie ich bereits sagte, ich habe dich vermisst.“  Newt hingegen zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. Gesellschaft wollte er? Er konnte sich ansatzweise vorstellen, welche Art der Gesellschaft ihm da vorschwebte. „Du willst mich also als Spielzeug? Ist das Foltern und Töten von Muggeln bereits zu langweilig geworden?“ Gellert musste bei der gezischten Frage des Jüngeren leise lachen und zog seine Hand zurück, wobei Newt beschämt feststellen musste, dass er sie sich augenblicklich zurück an seiner Wange wünschte. „Wenn du es so sehen möchtest.“ antwortete Gellert recht unbeeindruckt, ließ den jungen Zauberer jedoch nicht zu Wort kommen bevor er fortfuhr. „Oder du siehst es einfach als eine freundliche Geste von jemandem, der dir wohlgesonnen ist. Nun…“.  Damit löste er sich nun ganz von Newt und trat einen Schritt zurück. „Möchtest du deine Geschöpfe sehen oder nicht?“ Was sollte Newt darauf schon antworten…? Fast augenblicklich senkte er den Blick, starrte stattdessen auf Grindelwalds schwarze, polierte Schuhe, die einen starken Kontrast zu seinen eigenen, abgenutzten, braunen Stiefeln bildeten. Er hatte kaum eine andere Wahl als zuzustimmen, was auch immer Grindelwald im Gegenzug als Bezahlung für sein ‚Wohlwollen‘ im Sinn hatte. Newt trug die Verantwortung für seine Geschöpfe und ohne ihn wären sie den Zauberern schutzlos ausgeliefert. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch, bevor er mit einem leisen „Ja…“ antwortete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)