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Yajuu 3

-battles against insanity-
von

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Interlude: Nokogiri

„Alles in Ordnung bei dir? Du hast ganz schöne Augenringe, wenn ich das mal sagen darf.“, riss Ty ihn aus den Gedanken. Es war schon spät am Abend, aber Kei weigerte sich schlafen zu gehen. Etwas, was er immer öfter machte, seit der Alkohol die Träume auch nicht mehr fern halten konnte. Und mit jeder Nacht wurden sie bizarrer. Es begann immer real. Dann kniete Kei wieder im Schlamm und musste mit ansehen, wie Jade vor seinen Augen starb, aber dann begann sich die Szene immer zu verzerren und am Ende eines jeden Traumes sah Kei überall nur noch Blut. Es trieb ihn allmählich in den Wahnsinn und sein einziges Hilfsmittel dagegen, war einfach so wenig wie möglich zu schlafen. So schlug er sich Nacht um Nacht um die Ohren und natürlich forderte das seinen Tribut. Seine Augenringe waren mittlerweile so dunkel, dass man meinen konnte, es handle sich um Make up. Das sein Magen ihm ebenfalls zunehmend Probleme bereitet, half dabei ganz und gar nicht weiter.
 

Und trotzdem log er und versteckte seine Probleme so gut er konnte. „Ja, alles Bestens, nur viel zu tun, weißt du ja.“, gab Kei recht kurz angebunden zurück. Es war nicht mal völlig gelogen. Immerhin stieg die Anzahl seiner Patienten immer weiter an. Mittlerweile waren fast alle Betten seiner stationären Abteilung belegt. Es fehlte wirklich jemand, der die Hunter mal auf Trab hielt.
 

„Mag ja sein, aber das erklärt nicht, wieso du nicht mehr schläfst.“, meinte Ty trocken zurück. Dieses Mal ließ er sich nicht so leicht von Kei abspeisen.
 

Dieser blickte kurz grimmig drein, doch dann wich seiner Mimik wieder dem gelangweilten Gesichtsausdruck, den er meistens zeigte. „Ich weiß nicht, was du meinst.“, bluffte er eiskalt.
 

Ty schnaubte genervt aus. „Du weißt ganz genau, was ich meine. Herr Gott nochmal, man sieht es dir aus Meilen Entfernung an.“
 

Kei schwieg. Er wusste nicht recht, was er dazu sagen sollte.
 

„Was genau träumst du, dass es so schlimm ist, dass du es nicht sehen kannst?“ Kei fühlte sich ertappt und blickte nun mit verzweifelter Mine zu Ty hoch.
 

„Frag mich das nicht.“, gab er knapp zurück und hoffte inständig, dass Ty Ruhe geben würde, doch dieser dachte nicht daran. Nicht dieses Mal.
 

„Ist es Jades Tod?“, fragte er nun frei heraus und sofort flackerten eben jene Bilder vor Keis innerem Auge auf, gefolgt von einem so heftigen Stich in die Magengrube, dass er verkrampfte. Gequält atmete er ein und klammerte sich dabei so sehr an sein Glas, dass es zersprang. Sofort floss Blut auf den Tresen. Als Kei all das Blut bemerkte, wie es sich langsam ausbreitete, zog sich sein Magen nur noch mehr zusammen. Ty war alarmiert und auch einige Exile die in der Nähe saßen, drehten sich verwirrt um.
 

„Hey man, alles in Ordnung? Ich wollte nicht…“, begann Ty etwas überfordert zu reden und zückte sofort ein Tuch, um all das Blut und das Glas wegzubekommen. Er konnte hören, wie Keis Puls in die Höhe schoss, dann Ty das Tuch fast schon panisch aus der Hand riss und das Blut selbst davon wischte. Umso erstaunter war Ty, dass die Wunden nach nur den paar Sekunden bereits verschwunden waren.
 

„Schon gut.“, keuchte Kei noch immer angestrengt, „Gib mir einfach ein Neues und ich bin zufrieden.“ Obwohl Ty nicht fand, dass es eine gute Idee war, ihm einfach einen neuen Drink zu geben, fühlte er sich irgendwie schuldig für all das. Kei verschwand zur Toilette um sich das Blut abzuwaschen und Ty war gerade dabei ein neues Glas zu holen, als die Tür klingelte und eine Gruppen Menschen eintrat. Guter Stimmung gingen zu einem der Tische und setzten sich, während sich einer der Gäste von der Gruppe löste und zum Tresen kam, um eine Bestellung aufzugeben.
 

„Guten Abend!“, begrüßte der Mensch ihn gut gelaunt und schon leicht angetrunken, „Fünf große Bier bitte.“
 

„Kommt sofort.“, gab Ty zurück und stellte Keis Drink schon mal wieder auf seinen Platz und machte sich dann daran, die Bestellung zu erfüllen. Der Typ hatte bereits die ersten drei Bier zu seinen Freunden getragen, als er wiederkam, um die restlichen beiden zu holen, da kaum auch Kei zurück und erstarrte augenblicklich, als er den Menschen sah. Dieser hatte Kei noch nicht bemerkt, aber Ty beobachtete Keis Reaktion ganz genau. Er wurde kreidebleich und schien für einen Moment regelrecht Angst zu haben.
 

Da drehte sich auch der Gast um und blickte Kei genau in die Augen. Im ersten Moment schaute er noch neutral, schien ihn nicht zu erkennen, aber dann änderte sich auch sein Gesichtsausdruck schlagartig und hätte beinahe die Biergläser fallen lassen.
 

„Kei?!“, rief der Typ mit einer Mischung aus Überraschung, Freude und Entsetzen aus.
 

Einen Moment antwortete Kei nicht, doch dann kam ein entrüstetes: „Jack…“, zurück und Ty wurde klar, dass die beiden sich von früher kannten. Waren wahrscheinlich sogar befreundet gewesen.
 

„Mein Gott, du lebst ja noch. Und ich dachte, du wärst längst tot. Wo warst du die letzten Monate nur?“
 

Kei war das ganze sichtlich unangenehm. „Naja…“, begann er zögerlich, „Hat sich einiges in meinem Leben geändert…“ Mehr schien er dazu nicht sagen zu wollen. Jack hatte unterdessen die Biergläser wieder auf dem Tresen abgestellt und kam Kei ein Stück näher.
 

„Hab dich fast nicht wiedererkannt. Du siehst so… anders aus.“ Da lachte Kei kurz auf, äußerte sich aber nicht weiter dazu. Stattdessen meinte Jack nun weiter: „Aber sag mal… Wie geht es dir? Ich hätte nicht gedacht, dass du noch so lange lebst und offenbar scheint es dir ja nicht so schlecht zu gehen, wie ich vermutet hatte.“
 

Da Kei ihm ja schlecht die Wahrheit sagen konnte, versuchte er der Frage irgendwie auszuweichen. Sein Glück war tatsächlich, dass er durch den Schlafmangel wenigstens nicht hundert Prozent gesund aussah, denn das hätte wirklich Fragen aufgeworfen.
 

„Scheine wohl Glück zu haben.“, sagte er also stattdessen, „Zieht sich bei mir wohl länger hin, was?“ Jack nickte nur perplex und schien die Tatsache wohl hinzunehmen. Da er angetrunken war, hinterfragte er das zum Glück nicht weiter. Er seufzte einmal laut auf und legte Kei dann eine Hand auf die Schulter. „Hab dich echt vermisst. Seit wir das letzte Mal telefoniert haben, ist ja schon bald ein Jahr vergangen.“
 

Es stimmte. Kurz nach seiner Krankschreibung hatten Kei und Jack noch manchmal telefoniert, jedoch nur so lange, bis Keis Gesundheitszustand zu schlecht dafür geworden war. Das lag jetzt tatsächlich schon bald ein Jahr zurück. Wie doch die Zeit raste, wunderte sich Kei und da wurde ihm bewusst, dass dies bedeutete, dass auch Jade schon ein halbes Jahr nicht mehr lebte. Ein kleiner Stich fuhr ihm durch das Herz, aber er zeigte es nicht. Stattdessen antwortete er: „Ja, hab dich auch vermisst, mein Freund.“ Und das meinte er auch so. Immerhin war Jack sein bester Freund seit Kindertagen gewesen. Es gab nicht viele Personen, die er vermisste, aber Jack gehörte definitiv dazu. Er gehörte quasi zur Familie, die Kei seit jener Zeit auch nicht mehr gesehen oder gesprochen hatte. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, ihnen zu beichten, dass er an Yrida erkrankt war und hatte es daher vorgezogen den Kontakt abzubrechen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass er seine Familie schrecklich vermisste und doch wusste, dass er sie nicht einfach besuchen konnte. Sonst würde er auch sie ins Fadenkreuz der Hunter geraten lassen und das wollte Kei nicht riskieren.
 

Nun hörte er Jack fröhlich auflachen. „Freut mich auf jeden Fall, dich mal wiederzusehen. Und? Hast du eigentlich schon eine neue Freundin gefunden? Vielleicht dieses Mal eine, die kein Exile ist?“
 

Jack hatte gar nicht gemerkt, was er da gerade unbedachter Weise von sich gegeben hatte und vor allem vor wem er es gesagt hatte. Kei jedoch, der trotz einiger Drinks noch immer völlig nüchtern war, realisierte sofort, was sein bester Freund da soeben gesagt hatte. Nicht nur wusste Jack, dass Jade nicht mehr lebte, er wusste auch, dass sie ein Exile gewesen war.
 

Kei erstarrte für einen Moment. Jack mochte wie ein Bruder für ihn sein, aber Jade war sein Leben gewesen.

„Woher wusstest du das?“, presste er mit unterdrücktem Zorn hervor und Jack blickte ihn verwirrt an.

„Wusste ich was?“, fragte er.
 

„Jade. Woher weißt du, dass sie nicht mehr lebt? Woher weißt du, was sie war?“, In Kei brodelte es immer heftiger, was auch Ty nicht entging, der die Sache angespannt verfolgte.
 

Jetzt realisierte auch Jack endlich, was er eben preisgegeben hatte und die Reue kam sofort. „Oh shit… Kei, ich… Ich meine… Du musste das verstehen. Ich musste es melden! Kaum warst du weg, sind keine Blutkonserven mehr verschwunden. Ich hatte schon vorher den Verdacht, aber da musste ich nur noch eins und eins zusammenzählen…“ Jack blickte drein, wie ein verletzter Hund. Angst trat auf sein Gesicht. Kei stand jedoch noch immer wie angewurzelt da und rührte sich nicht, während Jack einige Schritte nach hinten wegging.
 

„Du hast sie gemeldet.“, Es war keine Frage, sondern eine bittere Feststellung, „Wegen dir ist Jade gestorben.“

„Kei… Ich weiß, dass sie deine Verlobte war, aber sie war eine Exile, verdammt! Das hätte nie im Leben gut gehen können. Ich meine, ich wette du bist nur wegen ihr überhaupt erst krank geworden! Kümmert dich das denn gar nicht? Und überhaupt, du kannst von Glück reden, dass die Hunter dich für diesen Verrat nicht auch exekutiert haben.“, versuchte sich Jack zu verteidigen. Er schien nicht zu wissen, dass die Hunter genau das auch zu tun versucht hatten.

Aber Kei zuckte nur mit den Schultern. „Selbst wenn es so wäre, es ist mir egal.“, war seine schlichte Antwort, „Ich würde es jederzeit wieder für sie tun.“
 

Ein Glas zersprang. Kei sah nicht hin, aber einer der Gäste musste wohl sein Glas fallen gelassen haben. Jack lenkte es jedoch kurz ab.
 

„Ich bring dich um.“, flüsterte Kei finster vor sich hin. Er konnte nicht mehr rational denken. Das ging einfach nicht und er sah für den Moment nur noch rot. Als Jack sich irritiert zu ihm umdrehte, sah er Kei bereits auf ihn losgehen. Er riss Jack mit solch einer Wucht zu Boden, dass die Gläser in den Regalen klirrten. Jack keuchte auf und versuchte sich irgendwie zu wehren, aber er kam einfach nicht gegen Kei an. Da wurde Kei nach hinten weggezerrt. Er sträubte sich mit aller Macht dagegen, aber er musste sich fügen und als Jack aufblickte, erkannte er den Barkeeper, der Kei fest umklammert hielt und diesen grimmig anstarrte.
 

„Lass mich los!“, schimpfte Kei lautstark. So außer sich vor Zorn hatte ihn Jack noch nie erlebt und er fragte sich, was mit seinem besten Freund geschehen war. Vom ausgeglichenen, lebensfrohen Menschen von früher war nichts mehr geblieben. Jack fragte sich, ob es tatsächlich seine Schuld war, dass Kei nun in so einem Zustand war und doch war er noch immer der Meinung, dass Richtige getan zu haben. Er hatte seinen besten Freund doch nur vor einer Gefahr schützen wollen, vor der er selbst die Augen verschlossen hatte.
 

„Du solltest wohl besser gehen.“, richtete der Barkeeper nun das Wort an Jack, welcher sich mit Hilfe seiner Begleiter wieder vom Boden hochrappelte. Er nickte wie ein verschrecktes Reh und wenig später war die Gruppe aus der Bar verschwunden. Doch Kei randalierte noch immer und wollte ihnen hinterher. Ty und ein weiterer Exile zerrten ihn nach draußen in den Innenhof der Bar, was erstaunlich schwierig war.

„Krieg dich wieder ein!“, schrie Ty Kei an und ließ Kei dann los, welcher sich wutentbrannt zu ihm umdrehte.

„Er hat Jade auf dem Gewissen!“, schrie Kei zurück, „Und ich werde das ganz sicher nicht tolerieren! Also lass mich gefälligst durch!“
 

„Das werde ich nicht tun.“, konterte Ty standhaft, „Rund um meine Bar ist es absolut verboten Menschen zu verletzen. Das gilt auch für dich, kapiert? Oder willst du die Hunter gleich selbst einladen?!“
 

Kei schnaufte zornig, aber tatsächlich schienen Tys Worte zu ihm durchzudringen. Er wurde tatsächlich etwas ruhiger. „Und was soll ich dann deiner Meinung nach tun? Es einfach so akzeptieren? Ich dachte Jade wäre eine Freundin von dir gewesen? Du hast mich dafür gehasst, dass sie sterben musste, aber bei ihm ist es dir egal?“
 

„Natürlich nicht. Ich würde ihn auch selbst dafür lynchen, aber ich halte mich an unsere Regeln hier.“, gab Ty sofort zurück und blickte Kei todernst an. „Deswegen wirst du jetzt nach Hause gehen und wieder runterkommen. Wenn du dich unbedingt an diesem Menschen rächen willst, können wir ein anderes Mal darüber sprechen, aber ganz sicher nicht heute.“
 

Für einen Moment starrte Kei Ty sauer an, aber dann machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte davon. Er sagte kein Wort mehr und als er in der ehemaligen Werkstatt verschwunden war, atmete Ty erleichtert auf. Der Exile der ihm geholfen hatte, Kei zu bändigen, sah auch erleichtert aus.
 

„Man, und ich dachte schon, der springt dich gleich auch noch an.“, seufzte der Exile und blickte dabei auf die Stelle, auf der eben noch Kei gestanden hatte. Tiefe Furchen zogen sich dort durch den Boden. „Ty… Wie lange soll das noch so weitergehen? Findest du nicht, du solltest mal mit ihm reden?“
 

Ty massierte sich erschöpft zwischen den Augenbrauen und seufzte. Es war offensichtlich, dass Kei allmählich zur Gefahr wurde. Immerhin hatte er weder gemerkt, dass er in der Bar ein Glas zum Bersten gebracht hatte, noch das seine Aura auch den Boden so verwüstet hatte. Für alle war es offenkundig, dass Kei kein Mensch mehr war, aber er selbst schien es einfach nicht zu bemerken. Es war schleichend passiert. Als Ty Kei hergebracht hatte, war dieser tatsächlich noch ein Mensch gewesen, dem ein Hauch Exile angehangen hatte. Aber mit jeder Woche die vergangen war, war der menschliche Geruch immer schwächer geworden. Mittlerweile war er für Ty und die anderen Exile kaum noch wahrnehmbar und alle wussten, dass Kei mittlerweile völlig ausgehungert war, ohne es zu merken. Immerhin zeigte er das typische Verhalten eines hungernden Exile. Die Alpträume und die Magenkrämpfe, die ihn besonders beim Geruch und Anblick von Blut heimsuchten, waren der beste Beweis dafür. Wann immer sich Kei aufregte, schlug außerdem seine Aura aus und richtete zunehmend Schaden an. Es war beängstigend zu sehen, wie gefährlich dieser Exile binnen dieser kurzen Zeit geworden war und es selbst nicht realisierte.
 

„Jade hat da echt eine Bestie erschaffen.“, seufzte Ty müde, „Ich denke nicht, dass irgendeiner in dieser Stadt eine Chance gegen ihn hätte, sollte er ernst machen.“
 

„Aber ihn im Unwissen zu lassen und so zu riskieren, dass er seine Macht unwillkürlich einsetzt, ist auch keine Lösung. Das könnte sogar noch gefährlicher für uns ein, als es ihm einfach zu sagen.“, erwiderte sein Kumpel und er hatte ja Recht. Trotzdem hoffte Ty noch immer, dass Kei es selbst bemerken würde.
 

„In Ordnung… Wir warten noch bis zum Ende der Woche und wenn er es bis dahin nicht selbst merkt, rede ich mit ihm.“, beschloss Ty widerwillig. Es war Donnerstag, also waren es noch drei Tage bis dahin. In Anbetracht dessen, wie ausgehungert Kei schon war, hoffte er einfach, dass sein Körper ihn vorher auf den Boden der Tatsachen bringen würde.

Aber alles sollte anders kommen, denn zwei Tage später kam ein Exile in Tys Bar gestürmt. Er schien völlig durch den Wind und nachdem er sich versichert hatte, dass keine Menschen anwesend waren, erklärte er: „Die Hunter haben Kei!“

Ty fiel beinahe das Glas aus der Hand, das er gerade abwusch.

„Bitte was?“, rief er aufgebracht.
 

„Es stimmt. Ich hab sie gesehen, wie sie ihn ins Hauptquartier gebracht haben. Der Mensch von neulich muss ihn gemeldet haben.“ Ty knirschte verärgert mit den Zähnen. Er wusste, dass Kei gestern Nacht ausgegangen war, um im nahegelegen Park spazieren zu gehen. Das machte er manchmal, denn er meinte, dass die Eulen ihn nachts beruhigen würden. Dabei mussten die Hunter ihn wohl erwischt haben.
 

„Was machen wir jetzt?“, fragte der Exile nun nach. Kei war sehr wichtig für die Exile in der Stadt. Sie wollten ihren Arzt nicht einfach verlieren und sofort meldete sich bei Ty das schlechte Gewissen. Vielleicht hätte er doch etwas wegen des Menschen unternehmen sollen. Er hatte Jade doch versprochen, dass er auf Kei Acht geben würde. Aber was sollte er schon tun? Im Hauptquartier der Hunter wimmelte es nur von Feinden. Dort hineinzuspazieren, um einen Exile zu befreien, glich einem Selbstmordkommando. Es war einfach unmöglich.
 

„Vielleicht befragen sie ihn ja nur…“, meinte ein anderer Exile, woraufhin jemand rief: „Klar doch. Er sollte exekutiert werden, da lassen die ihn doch nicht wieder laufen!“
 

Unbehagen machte sich breit. Kei war verloren, das wussten alle hier.
 

Die Stunden vergingen. Immer mehr Exile hatten von der Nachricht erfahren und waren in Tys Bar erschienen. Jeder wollte wissen, was der Stand der Dinge war, obwohl letztlich niemand etwas wusste. So wurde viel spekuliert und diskutiert, doch zu einem Ergebnis kamen sie nicht.
 

Das alles zog sich so lange hin, bis einer der Exile einen Anruf bekam, woraufhin dieser in die Menge schrie, dass Ty den Fernseher einschalten solle. Er wechselte auf den örtlichen Nachrichtenkanal, wo zur Überraschung Aller eine Live Berichterstattung außerhalb des Hunterhauptquartieres stattfand. Der ganze Innenhof wurde von Huntern umstellt und man konnte klar und deutlich einen Alarm aus dem Gebäude hören. Ein Helikopter zeigte die Bilder und im Hintergrund hörte man eine Sprecherin sagen: „… und nun warten alle angespannt, wie sich die Lage noch entwickeln wird.“

„Mensch, das müssen alle Hunter aus der Stadt sein, die sich da versammelt haben.“, stellte einer der Exile verwundert fest und Ty konnte nur zustimmend nicken. Was ging da nur ab? Das musste er sich aus der Nähe anschauen und so machten er und ein paar andere Exile sich auf den Weg, während der Rest in der Bar verblieb und wie gebannt auf die Übertragung schaute.
 


 

Ein paar Stunden zuvor.
 

„Rede endlich! Wer hat dir geholfen, dich zu verstecken?!“, hörte er den Hunter schreien und spürte sogleich den Schlag, der ihn den Kopf zur Seite wegriss. Keis Lippe platzte auf und ein dünner Rinnsal Blut bildete sich. Außerdem blutete seine Nase. Könnte gebrochen sein, aber das war Kei egal. Es würde ja eh gleich verheilen. Das änderte aber nichts an den Schmerzen, die er bei jedem neuen Schlag trotzdem spürte und seinen Hass nur noch weiter schwelen ließen.

Er hatte nicht aufgepasst und so hatte er sich plötzlich auf dem Heimweg vom Park von mehreren Hunter umstellt gesehen, die ihn hierher gebracht hatten. Kei hasste sich selbst dafür, dass er so dumm gewesen war, aber es war geschehen und er konnte es nicht ändern. Nun versuchten sie seit Stunden aus ihm herauszubekommen, wo er sich die letzten Monate versteckt gehalten hatte und vor allem, wer ihm geholfen hatte. Außerdem wollten sie natürlich wissen, wie Kei die Exekution überlebt hatte. Aber er weigerte sich auch nur eine Frage zu beantworten. Sehr zum Ärger der Hunter. Der Mann, der ihn hauptsächlich verhörte, wurde immer ungeduldiger und die Schläge immer brutaler. Kei, der auf einem unbequemen Stuhl saß, die Hände hinter der Lehne gefesselt, ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er hatte schon schlimmeres erlebt als das.
 

„Du kannst nicht ewig schweigen!“, fluchte der Hunter nun und verpasste Kei einen so heftigen Tritt, dass er mitsamt Stuhl zu Boden krachte. „Tse… Wir machen nachher weiter.“, meinte der Hunter nun grimmig, „Du passt auf ihn auf, bis ich wieder da bin.“ Im Raum anwesend waren noch zwei weitere Hunter, die aber nur schweigend zugesehen hatten. Beide richteten Kei nun wieder auf, dann verließ einer der beiden zusammen mit dem Anführer den Verhörraum. Zurück blieb eine junge Frau, die offenbar noch sehr neu in dem Geschäft war. Sie wirkte nervös.
 

Kei hatte das längst bemerkt, dass sie Angst vor ihm hatte, obwohl er bisher nicht einen Ton gesagt hatte. Er hatte sich ja nicht einmal gewehrt, als sie ihn verprügelt hatten. Trotzdem sah man ihr das Unbehagen deutlich an. Am Arm hatte sie einige Wunden, sicher von Aufträgen in letzter Zeit und sie begann vor lauter Nervosität, diese aufzukratzen.
 

Minutenlang verharrten sie so schweigend. Kei starrte gedankenverloren auf den Boden, wo er einige seiner Blutstropfen schimmern sah. Sein Verstand driftete immer weiter ab und wäre er nicht gefesselt gewesen, wäre er vielleicht sogar vom Stuhl gekippt. In regelmäßigen Abständen ging ein Zwicken durch seinen Magen, doch der Anblick und Geruch seines Blutes machte die Sache plötzlich noch so viel schlimmer. Da verkrampfte sein Magen plötzlich so heftig, dass Kei zusammenfuhr. Es erschreckte die junge Hunterin so sehr, dass sie sich vor Schreck einer der Wunden wieder aufriss. Ein leises „Au“ war zu hören und plötzlich war Keis Aufmerksamkeit völlig auf sie gerichtet. Unbewusst starrte er sie an wie ein ausgehungertes Raubtier. Er sah das Blut, dass ihren Arm herablief und was noch schlimmer war, er konnte es auch riechen.
 

Da die junge Frau kein Taschentuch oder Ähnliches dabei hatte, versuchte sie die Wunde mit der anderen Hand abzudecken, aber es gelang ihr nicht wirklich. Als sie den Blick hob, sah sie, dass Kei sie beobachtete. Er hörte, wie ihr Puls langsam in die Höhe schoss, was ihn irgendwie noch mehr anstachelte.

„W…Was schaust du so?“, fragte sie nervös und versuchte dabei standhaft zu klingen.
 

Kei, der ihre Wunde noch immer nicht aus den Augen ließ, gab nun gelangweilt zurück: „Du solltest sie nicht aufkratzen. Das gibt nur unschöne Narben.“
 

Sie war überrascht. Es war das erste Mal das Kei sprach, seit er hier angekommen war.

„Das ist doch halb so wild.“, versuchte sie sich rauszureden und ging unmerklich einen Schritt nach hinten weg.

Da begann Kei zu Lächeln und plötzlich starrte er genau in ihre Augen. „Amüsant.“

„W…Was ist amüsant?“, fragte sie wie ein aufgeschrecktes Reh, als sie sah, dass Kei sich von dem Stuhl erhob und auf sie zukam. Sie wollte ihre Waffe zücken, aber gleichzeitig wollte sie hier weg und rannte schon fast zur Tür. Gerade als sie diese erreichte, kam jedoch hinter ihr eine Hand hervorgeschnellt und drückte gegen die Tür, sodass sie diese nicht öffnen konnte. Zu ihrem Entsetzen waren die Fesseln gerissen. Mit der anderen Hand packte Kei nun ihren blutenden Arm und betrachtete ihn sich einen Moment gedankenverloren.
 

„Ich finde es amüsant, dass du mir gerade geholfen hast, etwas zu realisieren, was mir bisher einfach nicht bewusst war.“, erklärte er kryptisch.
 

„U…Und das wäre?“, stotterte sie aufgeregt. Sie wollte fliehen, fühlte sich wie die Maus vor der Katze. Sie konnte ihre Waffen nicht ziehen, da sie zu nah an der Tür stand und Kei sie nicht wegließ.
 

Da lachte er kurz auf.
 

„Nur dass ich verdammt hungrig bin.“, war alles was sie noch hörte, dann spürte sie schon den gleißenden Schmerz in ihrem Hals. Sie wollte schreien, konnte es aber nicht und dann wurde alles schwarz um sie herum.
 

Die Frau war so schnell gestorben, dass es Kei schon fast surreal vorkam. Er ließ sie los, sie rutschte zu Boden und er war irgendwie enttäuscht. Es grämte ihn, dass sie kaum gereicht hatte, um auch nur den gröbsten Hunger zu stillen. Aber zu seinem Glück wimmelte es hier ja nur von Menschen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die arme Frau ganz schön zugerichtet hatte. Auch seine Hände waren voller Blut, das er nun genüsslich ableckte, während er zurück zu dem Stuhl ging und sich wieder setzte. Er wartete nicht lange, da kamen die beiden Hunter von vorhin zurück. Kaum traten sie ein, sahen sie all das Blut und doch reagierten sie viel zu langsam. Kei hatte bereits beide gepackt und rücklings gen Boden befördert. Unbewusst knurrte er die beiden an.
 

„Zahltag.“, knurrte er laut und nur Sekunden später hatte er auch diesen beiden das Leben ausgehaucht. Sein Jagdtrieb war geweckt und er lief gerade erst warm. Als er wenig später die massive Stahltür mit seinen Klingen aus den Angeln riss, ging der Alarm los, aber genau darauf hatte er auch gehofft. Er wollte so viele Hunter wie möglich erwischen. Jetzt war ihm selbst nicht klar, wieso er es vorher nicht bemerkt hatte, aber ihm war schlagartig bewusst geworden, zu was er geworden war. Als er sich all der Macht bewusst wurde, die in ihm brodelte und nur darauf wartete nach all den Monaten endlich einmal freigelassen zu werden, war sein Entschluss bereits gefallen. Heute würde er zum Jäger werden.

Und so war Kei binnen Minuten zum Staatsfeind Nummer eins geworden.
 

Die Hunter, die auf solch eine Situation überhaupt nicht vorbereitet gewesen waren, kamen anfangs nicht einmal zum Kämpfen. Vielmehr war es ein einseitiges Gemetzel. Zumindest so lange, bis Kei sich nach draußen vorgearbeitet hatte. Der Innenhof war voller Hunter. Er vermutete, dass die ganze Stadt sich wohl versammelt hatte. Ihm war das nur Recht. Als er auf den Hof hinaustrat, blieb er stehen und schaute sich in aller Ruhe um.
 

„Hey!“, rief er schließlich in die Menge, „Irgendwo unter euch ist das Team, das die Harpyie auf dem Gewissen hat. Ich glaube, ich habt doch nach mir gesucht, nicht wahr?“
 

Ein Raunen ging durch die Menge und nach kurzer Zeit traten jene fünf Hunter nach vorne, deren Gesichter sich so tief ins Keis Gedächtnis eingebrannt hatte, dass er sie niemals vergessen würde. Er knurrte, als er sie erkannte. „So sieht man sich wieder. Dieses Mal werdet ihr im Schlamm kriechen, das schwöre ich!“ Dann explodierte seine Aura regelrecht, was sogar für einen Moment die Kameras der umgebenden Medien störte.
 

Ty und jene Exile, die ihn begleitet hatten und mittlerweile aus sicherer Entfernung das Hauptquartier im Blick hatten, stellte es die Haare auf, als die Aura sie erreichte. Regelrecht gebannt starrten sie nach unten, wo sich plötzlich ein riesiger, weißer Exile erhob. Allein seine Anwesenheit war einschüchternd, aber als er sich zu bewegen begann, rollten sehr schnell die ersten Köpfe. Die Hunter, die in den letzten Jahren so erfolgreich jeden Exile, den sie aufgespürt hatten, eliminiert hatten, wurden plötzlich ausradiert. Von nur einem sehr wütenden, hasserfüllten und ausgehungerten jungen Exile. Selbst als der Überraschungseffekt verflogen war und die restlichen Hunter sich darauf einstellten, stellte sich schnell heraus, dass sie keine Chance hatten. Hinzu kam Keis wahnsinnige Regenerationskraft. Wann immer die Hunter ihn doch erwischten, was tödlich hätte sein können, verheilten die Wunden einfach wieder, als sei nichts gewesen. Es war gleichermaßen beeindruckend und furchteinflößend und Ty, sowie allen anderen Anwesenden waren klar, dass dort ein Exile der schwarzen Liste geboren war.
 

Schließlich lebten nur noch fünf Hunter. Diese speziellen Fünf, die sich Kei für den Schluss aufbewahrt hatte. Obwohl einer der Fünf ihn damals nur in den Schlamm gedrückt hatte und am eigentlichen Kampf gegen Jade keinen Anteil gehabt hatte, hatte Kei auch ihn bis zum Schluss am Leben gelassen. Die ganze Gruppe sollte leiden. Kei erhob sich vor ihnen wie ein Berg und für einen Moment schien die Zeit völlig still zu stehen.



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