Anthea- The one and only von FairyTailsFilomena (Diebe im Olymp) ================================================================================ Kapitel 1: 01 ------------- Mein Name ist Anthea Morgan. Ich bin zwölf Jahre alt und bis vor einigen Monaten habe ich, zusammen mit drei anderen Freunden, die Yancy Academy besucht. Die Yancy Academy ist eine Internat für Problemkinder, das in der nähe von New York liegt. Bin ich ein Problemkind? Das kann man irgendwie schon so sagen. Ich könnte überall in meinem Leben anfangen, um das zu Beweisen. Meinem Klassenkamerad und Freund Percy Jackson ging es genauso. Jedes mal, wenn irgendwas passierte, waren wir beide nicht weit. Aber wirklich schlimm wurde es erst im letzten Mai, als wir eine Klassenfahrt nach Manhattan gemacht haben- achtundzwanzig vollkommen durchgeknallte Kinder und nur zwei Lehrer in einem gelben Schulbus, unterwegs zum Metropolitan Museum of Art, um sich antiken griechischen und römischen Kram anzusehen. Ich weiß, es klingt wie pure Folter. Die meisten Schulausflüge von Yancy waren pure Folter. Dieser Ausflug wurde von Mr Brunner geleitet, unserem Lateinlehrer, und da haben wir uns doch Hoffnungen gemacht. Grover, Percys bester Freund, und Percy saßen im Bus hinter Ajax und mir. Mr Brunner war ein Mann in mittleren Jahren, der in einem motorisierten Rollstuhl saß. Er hatte schütteres Haar, einen struppigen Bart und trug eine ausgefranste College Jacke, die immer nach Kaffee roch. Eigentlich würde man ich absolut nicht für cool halten, aber er erzählte Geschichten und Witze und ließ uns im Unterricht Spiele machen. Er hatte eine Umfangreiche Sammlung von römischen Rüstungen und Waffen. Deshalb war er der einzige Lehrer, bei dem wir, also Percy und ich, im Unterricht nicht eingeschlafen bin. Ich hoffte also, dass dieser Ausflug ganz nett sein würde. Na ja, zumindest betete ich, dass wir dieses mal keinen ärger bekamen. Aber da lag ich offenkundig falsch. Bei sämtlichen Klassenfahrten hatten wir immer Pech. Wie damals, als wir das Schlachtfeld von Saratoga besucht haben. Da passierte dieses Unglück mit dem Gewehr. Es hieß, es war nicht geladen und ich hatte natürlich nicht auf den Schulbus gezielt. Percy, der schon immer mein Klassenkamerad, Nachbar und guter Kumpel gewesen war, hatte zu selben Zeit unabsichtlich eine Kanone auf den Schulbus abgefeuert. Natürlich auch ohne Absicht. Aber von der Schule geflogen sind wir trotzdem. Und in der Schule davor hatten wir bei einem Besuch in einem Wasserpark dafür gesorgt, das wir alle noch einmal Nass wurden, als wir beim rumalbern aus versehen gegen einen Hebel gestolpert sind, der den Steg zum Ausgang auf und zu klappte. Und auf der Schule davor... ähm... lassen wir das, ihr wisst schon, was ich meine. Auf diesem Ausflug sollte alles gut gehen, dazu war ich ganz fest entschlossen. Während der ganzen Fahrt in die Stadt musste ich tatenlos zusehen, wie James Potter, der schwarzhaarige, sommersprossige Kleptomane, meinen besten Freund Ajax immerzu Stückchen von einem Marmeladen Brot an den Hinterkopf warf. Percy knurrte hinter mir ebenfalls. Ajax und Grover waren ein leichtes Opfer. Sie waren beide schwächlich. Sie weinten, wenn etwas schief ging. Sicher hatten beide mehrere Klassen wiederholen müssen, Ajax und Grover waren die einzigen bei uns, die Akne, und in Grovers Falls sogar erste Bartflaumen, im Gesicht hatten. Ajax und Grover waren zu allem Überfluss auch noch Behindert. Sie hatten es schriftlich, dass sie bis an ihr Lebensende von Sportunterricht befreit waren. Ajax und Grover hatten eine Art Muskelkrankheit in den Beinen und dadurch einen komischen Gang. Und beiden schien jeder Schritt weh zu tun. Aber ihr solltet Ajax und Grover mal loswetzen sehen, wenn es in der Schulmensa Kartoffel Gyros und Enchiladas gab. Jedenfalls beschmiss James Potter ihn mit Brotklumpen, die in seinen Weißblonden Locken kleben blieben und er wusste, dass ich ihm nichts tun würde. Ich war ohnehin auf Bewährung. Percy ebenfalls. Der Rektor hatte uns mit sofortigem Rausschmiss gedroht, wenn auf diesem Schulausflug irgendwas Schlimmes, Peinliches oder auch nur leicht Amüsantes passierte. "Ich bring ihn um", murmelte ich. Percy stimmte mir zu. Ajax und Grover versuchten uns zu beruhigen. "Ist schon gut. Ich ess gern Marmelade", sagte Ajax. Er wich einem weiteren Brocken von James Mittagessen aus, der dann Grover traf. "Das reicht." Ich wollte aufstehen, aber Ajax zog mich zurück auf meinen Sitz, Percy schlag einen Arm um meinen Hals und Grover hielt meinen anderen Arm fest. "Du bist auf Bewährung", mahnten alle drei gleichzeitig. "Und du weißt, wem sie die Schuld zuschieben werden, wenn irgendwas schiefgeht, nämlich uns beiden." Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte James Potter an Ort und Stelle eine reingesemmelt. Von der Schule zu fliegen wäre noch gar nichts gewesen im Vergleich zu den Scherereien, die ich nun bald am Hals haben würde. Und wie es das Schicksal so will, ist auch Percy mit von der Partie. Mr Brunner führte und durch das Museum. Er fuhr in seinem Rollstuhl vor uns her durch weite Glaerien mit lautem Echo, vorbei an Marmorstatuen und Glaskästen voller unralter scwarzer und oragefarbener Töpfersachen. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass dieser Kram zwei- oder dreitausend Jahre überlebt hatte. Mr Brunner versammelte uns vor einer fast vier Meter hohen Steinsäule, auf der eine Sphinx saß, und erzählte uns, dass das eine Grabsäule sei, eine Stele, für ein Mädchen in ungefähr unserem Alter. Er erzählte uns, was an den Seiten in den Stein geritzt war. Ich versuchte, mir das alles anzuhören, weil es ja irgendwie doch interessant war, aber alles um mich herum quasselten, und immer, wenn ich oder Percy "Haltet doch mal die Klappe" sagten, starrte die andere Lehrerin, Mrs Dodds, uns wütend an. Mrs Dodds war eine kleine Mathelehrerin aus Georgia und trug dast immer eine schwarze Lederjacke, obwohl sie schon fünfzig war. Sie sah fies genug aus, um auf einer Harley voll in deinen Schrank zu brettern. Sie war mitten im Schuljahr nac Yancy gekommen, als unser letzter Mathelehrer einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Vom ersten Tag an war Mrs Dodds hin und weg von James Potter, Percy und mich dagegen hielt sie für die reine Teufelsbrut. Sie zeigte immer wieder mit ihrem krummen Finger auf mich oder Percy, je nach dem wer gerade näher dran war, und sagte honigsüß: "So, mein Herzchen", und dann wussten wir, dass uns ein Monat Nachsitzen bevorstand. Einmal, nachdem ich bis Mitternacht Auflösungen aus alten Mathebüchern hatte ausradieren müssen, sagte ich zu Ajax, Percy und Grover, dass ich mir gar nicht vorstellen, dass Mrs Dodds ein Mensch sei. Ajax schaute mich mit ganz ernster Miene an und sagte: "Du weißt gar nicht, wie Recht du hast." Grovers Gesicht sah dabei auch nicht besser aus. Mr Brunner redete noch immer über griechische Grabkunst. Da riss James Potter, Gott, wie ich ihn hasste, einen blöden Witz über den nackten Typen oben auf der Stele und ich fuhr herum und sagte: "Kannst du jetzt endlich mal die Klappe halten?" Percy legte mir eine Hand auf die Schulter. Das sagte ich lauter, als ich es vorgehabt hätte. Die ganze Gruppe prustete los. Mit Ausnahme meiner Freunde. Mr Brunner hörte mitten in der Geschichte auf. "Miss Morgan", sagte er. "Möchten Sie einen Kommentar abgeben?" Mein Gesicht war knallrot. Ich sagte: "Nein, Sir." Mr Brunner zeigte auf eins der Bilder auf der Stele. "Vielleicht könnten Sie uns sagen, was dieses Bild darstellt?" Ich schaute mir die in Stein geritze Zeichnung an und war erleichtert, dass ich das Bild kannte. "Das ist Krionos, der seine Kinder frisst, oder?" "Ja", sagte Mr Brunner, war damit aber offenbar noch nicht zufrieden. "Und das hat er getan, weil..." "Na ja..." Ich zerbrach mir den Kopf, um mich zu erinnern. Percy flüsterte mir von hinten die Antworten zu, die ich brav wiederholte. "Kronos war der König der Titanen. Und... er misstraute seinen Kindern, die Götter waren. Seine Mutter Gaia... hatte ihn gewarnt, dass eines seiner Kinder ihn stürzen würde. Und, also, ähem, hat Kronos sie gegessen, stimmts? Aber seine Frau hat Zeus als Baby versteckt und Kronos einen Stein zu essen gegeben. Und als Zeus später größer wurde, hat er seinen Vater dazu gebracht, seine Geschwister wieder zu erbrechen..." "Bähh!", sagte eins von den Mädchen irgendwo hinter mir. "...Und dann gab es einen Kampf zwischen Göttern und Titanen", fügte ich hinzu, dank Percy. "Und die Götter haben gewonnen." In der Gruppe kicherten einige. Hinter mir murmelte James Potter einem Freund zu: "Als ob wir das im wirklichen Leben zu irgendwas brauchen könnten. Als wenn jemand sagen würde, bitte erklären Sie uns, warum Kronos seine Kinder verspeist hat." "Und warum, Miss Morgan", sagte Mr Brunner, "um Mr Potters hervorragende Frage anders zu formulieren, spielt das im wirklichen Leben eine Rolle?" "Reingefallen", murmelte Ajax und Grover grinste. "Schnauze!", zischte James und sein Gesicht war dunkelrot. Wenigstens war James auch erwischt worden. Mr Brunner war der einzige, der jemals hörte, wenn er etwas Falsches sagte. Der Mann hatte wirklich Fledermausohren. Ich dachte einen Moment lang nach und zuckte dann mit den Schultern. "Tut mir leid, Sir. Ich weiß es nicht." "Ah ja." Mr Brunner machte ein sehr enttäuschtes Gesicht. "Na wenigstens ein halber Punkt, Miss Morgan. Zeus hat Kronos eine Mischung aus Senf und Wein gegeben, worauf der seine anderen fünf Kinder auswürgete, die, als unsterbliche Gottheiten, vollständig unverdaut im Magen des Titanen überlebt hatten und herangewachsen waren. Die Götter überwältigten Kronos dann, schnitten ihn mit seiner eigenen Sense in Stücke und verstreuten seine Überreste im Tartarus, dem dunkelsten Teil der Unterwelt. Und an der fröhlichen Stelle legen wir jetzt die Mitagspause ein. Mrs Dodds, würden Sie uns wieder nach Draußen führen?" Die Klasse lief schwatzend hinter Mrs Dodds nach draußen aber die letzten Fragen waren den anderen Mädchen auf den Magen geschlagen und die Jungen rempelten sich die ganze Zeit gegenseitig an und benahmen sich wie Idioten. Ajax, Percy, Grover und ich wollten gerade hinterher gehen, als Mr Brunner sagte: "Miss Morgan?" Ich wusste, das er mich noch einmal anreden würde. Die anderen drei gingen voraus und ich drehte mich zu Mr Brunner um. "Sir?" "Finde eine Antwort auf meine Frage", sagte er. "Über die Titanen?" "Über das wirkliche Leben, was der Unterricht damit zu tun hat. Was du davon lernst", sagte er, "ist von ungeheurer Wichtigkeit. Und ich werde von dir nur das Beste akzeptieren, Anthea Morgan." Ich wurde wütend, Mr Brunner setzte mich und Percy dermaßen unter druck. Klar, es war schon lustig, wenn er an Wettkampftagen eine römische Rüstung anlegte, "Waffen, hoch!" brüllte und uns, Schwetspitze auf die Kreide gerichtet, aufforderte, an die Tafel zu rennen und ale Griechen und Römer aufzuzählen, die je gelebt hatten. Aber Mr Brunner erwartete, dass wir genauso gut waren wie alle anderen, obwohl wir beide Legastheniker und extrem hyperaktiv waren und in unserem beider ganzen leben nie eine bessere Note als befriedigend hatten. Nein, das stimmt nicht- er erwartete nicht, das Percy und ich ebenso gut waren, sondern besser. Aber wir konnten uns die ganzen Namen und Fakten einfach nicht merken, geschweige denn sie richtig zu schreiben. Und wir beide lernten oft und viel zusammen. Sogar, wenn wir unsere Mütter besuchten, die uns dann noch zusätzlich halfen. Dann sagte er, ich solle nach draußen gehen und mein Mittagessen zu mir nehmen. Die ganze Klasse hatte sich auf der Vordertreppe des Museums verteilt, von wo man den Verkehr auf der Fifth Avenue beobachten konnte. Über uns braute sich ein gewaltiger Sturm zusammen, mit schwärzeren Wolken, als ich jemals in der Stadt gesehen hatte. Das Wetter war im ganzen Staat New York seit Weihnachten schon komisch gewesen. Wir hatten heftige Schneestürme gehabt, Überschwemmungen und Lauffeuer, die durch Blitzeinschläge entstanden waren. Es hätte mich keines Wegs überrascht, wenn hier ein Hurrikan aufgeschlagen wäre. Die anderen, außer meinen Freunden, schienen nichts davon zu bemerken. Percy schaute ebso sorgenvoll in den Himmel wie ich. Wir setzten uns auf den Brunnenrand, weit weg von den anderen. Vielleicht würde man uns nicht sofort zu den Idioten da drüben zählen. Nicht zu dieser Schule- die Schule für Versager, die auf keiner anderen Schule zurechtkamen. "Musst du Nachsitzen?", fragten Ajax und Percy wie aus einem Munde. "Nein,", sagte ich. "Aber Mr Brunner kann mich langsam mal in Ruhe lassen. Ich bin eben keine Inteligenzbestie." "Ich weiß, was du meinst", sagte Percy mitfühlend. Eine weile sagte niemand etwas, aber Grover starrte schon lange auf meinen Apfel. "Darf ich den haben?", fragte er schließlich und ich gab ihm den Apfel. Zusammen mit Percy schaute ich mir den Taxi Verkehr an. Wir unterhielten uns über unsere Mütter. Sie wohnten gar nicht so weit voneinander entfernt und wir fuhren immer zu viert in kurze Ferientage. Wir beide hatten Mom und Sally seit Weihnachten nicht mehr gesehen und wir überlegten ernsthaft, uns in ein Taxi zu setzten und nach Hause zu fahren. Sally und Mom saßen um sie Uhrzeit meistens zusammen auf dem Balkon und Unterhielten sich. Mom und Sally waren sich sehr ähnlich. Sie haben fast ihre gesamte Kindheit miteinander verbracht. Sie hätten sich gefreut und hätten Percy und mich sicherlich umarmt und wären erfreut gewesen, uns zu sehen. Aber spätestens Sally währe auch enttäuscht gewesen und hätte uns persönlich nach Yancy zurück gebracht. Sally hätte Percy und mich daran erinnert, das wir beide bereits die sechste Schule in sechs Jahren besuchen und wir uns mehr Mühe geben sollten. Ich hätte weder Sallys noch Moms traurige Blicke ertragen und Percy sowieso nicht. Ich wollte gerade meinen Toast auspacken, als James Potter mit seinen hässlichen Freunden vor uns auftauchte- er hatte es wahscheinlich satt, Touristen zu beklauen- und die Reste seines Proviants in Grovers Schoß fallen ließ. "Hoppla." Er ginste Percy an und zeigte dabei seine Zähne, die er offensichtlich lange nicht gepflegt hatte. Dieser versuchte ganz cool zu bleiben. Ich auch. Der Schulpsychologe hatte uns geraten, langsam bis zehn zu zählen um uns zu beruhigen. Aber das half mir jetzt nicht. Und Percy war ebenso wütend. Ich spürte ein unangenehmes ziehen im Bauch und auf einmal war James nicht mehr da. Percy und ich konnten uns nicht daran erinnern, James angefasst zu haben, aber er saß im Brunnen auf seinem Hintern und schrie: "Anthea und Percy haben mich geschupst!" Sofort stand Mrs Dodds neben uns. Ein paar von den anderen flüsterten: "Habt ihr gesehen..." "... das Wasser... " "... als ob es ihn gepackt hätte..." Percy und ich sagen uns an und hatten keine Ahnung, wovon die anderen redeten. Wir wussten nur, das wir jetzt neuen ärger hatten. Kaum hatte Mrs Dodds sich davon überzeugt, dass der arme kleine James nicht verletzt war, und ihm versprochen, ihm im Museumsladen ein neues Hemd zu kaufen und überhaupt, machte sie sich über uns her. In ihren Augen blitzte ein triumphirendes Feuer, als warte sie bereits das ganze Jahr darauf. "So, meine Herzchen..." "Ich weiß", knurrte ich. "Einen Monat Bücher radieren", sagte Percy. Das war wohl nicht die passende Antwort. "Kommt mit", sagte Mrs Dodds. Grover und Ajax sahen aus, als würden sie gleich tot umfallen. Und drei Sekunden später wusste ich auch, warum. "Halt", schrie Ajax. "Ich war das. Ich hab ihn geschupst." Grover stellte sich neben Ajax. "Und ich hab nachgeholfen." Percy und ich starrten Grover und Ajax mit großen Augen an. Die beiden hatten eine heidenangst von Mrs Dodds. Sie starrte die beiden so wütend an, das ich deren Herzstillstand beinahe hören konnte. "Das glaube ich Ihnen beiden nicht, Mr Underwood und Mr Sakris." "Aber-" "Sie- bleiben- hier!" Die beiden sahen erst uns und dann sich verzweifelt an. "Schon gut", sagte Percy zu ihnen. "Danke, dass du es versucht hast." James Potter feixte. Ich verpasste ihm meinen Dich-bring-ich-nachher-um-Blick. "Herzchen", bellte Mrs Dodds hinter mir. "Sofort!" Ich schaute Percy an, der noch immer James anstarrte. Dann drehten wir uns um, aber Mrs Dodds stand nicht mehr hinter uns. Sie stand vor dem Museumseingang, ganz oben auf der Treppe, und winkte uns ungeduldig zu. Wie war sie da so schnell hingekommen? Wir liefen hinter Mrs Dodds her. Ich drehte mich auf halber Treppe noch einmal um und Percy lief in mich hinein. "Pass doch auf", murmelte er. Ich schaute nach oben. Mrs Dodds war schon wieder verschwunden. "Wie macht sie das?", fragte ich und Percy antwortete grummelnd: "Ich hab das auch gemerkt. Die alte Schreckschraube ist ziemlich schnell." Jetzt stand sie nämlich im Museum, hinten in der Eingangshalle. Na gut, dachte ich. "Bestimmt sollen wir James ein neues Hemd kaufen", sagte ich und Percy nickte. Aber das hatte Mrs Dodds doch nicht vor. Wir folgten ihr weiter ins Museum hinein. Als Percy und ich sie dann endlich eingeholt hatten, standen wir wieder mitten in der griechisch-römischen Abteilung. Außer uns dreien war niemand sonst da. Mrs Dodds stand mit verschränkten Armen vor einem riesigen Marmorfries, der die Griechischen Gottheiten zeigte. Als wir hinter ihr standen, stieß sie ein kehliges Geräusch aus. Wie ein Knurren. Auch ohne das Geräusch waäre ich nervös geworden. Es ist komisch, mit einem Lehrer oder einer Lehrerin allein zu sein, und das gilt vor allem für Mrs Dodds. Selbst wenn Percy dabei war. "Ihr macht wirklich Probleme, Herzchen", sagte sie. Wir gingen auf Nummer sicher und sagten: "Ja, Ma'am" Sie zupfte an ihren Ärmeln. "Habt ihr wirklich gedacht, ihr würdet damit durchkommen, Herzchen?" Ihr blick war jetzt mehr als nur böse. Percy und ich sahen und an und ich zog eine Augenbraue in die höhe, während er seine zusammen zog. Sie ist eine Lehrerin, dachte ich nervös. Natürlich wird sie uns nichts tun. "Ähm.. wir werden uns noch größere Mühe geben, Ma'am", sagte Percy. Ich wurde langsam wirklich wütend. Was dachte sie sich dabei, uns so zu ärgern? Außerdem war James ja wohl selber schuld! Donnerschläge ließen das Gebäude erbeben. "Wir sind keine Trottel, Anthea Morgan und Percy Jackson", sagte Mrs Dodds. "Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir euch finden würden. Gebt alles zu und keiner wird leiden müssen." Ich wusste nicht, wovon sie redete. Ein Blick auf Pecy verriet mir, dass er genau so Ratlos war wie ich. "Na?", fragte sie gebieterisch und sah erst Percy und dann mich an. Percy reagierte zuerst: "Ma'am, ich weiß nicht..." "Eure Zeit ist um", fuchte sie und ihre Augen glühten wie Grillkohlen. Ihre Finger wurden länger und verwandelten sich in Krallen. Ihre Jacke zerschmolz zu großen Fledermausflügeln. Sie war kein Mensch und ich krallte mich ein Percys Shirt. Mrs Dodds war eine schrumpelige alte Hexe mit Krallen, Flügeln und einem Maul voll spitzer Zähne und sie wollte uns in kleine Fetzen reißen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde es noch seltsamer. Mr Brunner, der noch eine Minute zuvor vor dem Museum gesessen hatte, kam mit einem Kugelschreiber in der Hand durch die Gallerie gerollt. "Waffen ho, Percy", rief er und warf den Kugelschreiber furch die Luft. Mrs Dodds sprang auf uns zu. Ich stieß Percy ein stück beiseite und duckte mich mit einem aufschrei. Ich spürte einen kurzen schmerz an meinem Ohr. Der Kugelschreiber landete zwischen Percy und mir und er griff danach. Als der Kugelschreiber seine Hand berührte, war er ken Kugelschreiber mhr. Sondern ein Schwert. Mr Brunners Bronzeschwet, das er immer bei Schulwettbewerben schwenkte. Mrs Dodds fuh mit mörderischen Blick zu uns herum. Ich stand schon wieder, aber meine Kie zitterten wie Espenlaub. Percy zitterte ebenfalls so sehr, das er beinahe das Schwert hatte fallen lassen. Sie fauchte ihn an: "Stirb, Herzchen!" Und dann flog sie auf uns zu. Mich durchfuhr ein entsetzliches Gefühl. Und dann tat er das einzig natürliche: er schwang das Schwert. Die Klinge traf ihe Schulter und durchschnitt ihren Körper wie weiche Butter. Ssssssss Mrs Dodds war ein Sandhaufen, der vor einen Ventilator geraten war. Sie explodierte zu gelbem Staub, verschwand auf der Stelle und alles stank nach Schwefel. Wir waren allein. Percy hielt den Kugelscheiber in der Hand. Mr Bruner war nicht da. Niemand war da außer Percy und mir. Wir zitterten beide noch immer. Wir schauten uns an. "Dein Ohr", sagte Percy und ich fasste mir an die schmerzende stelle. Es brannte sofort und als ich meine Hand zurück zog, klebte Blut daran. Hatten wir uns das nur eingebildet? Es war doch niemand außer uns hier! Aber das Blut sagte etwas anderes. Wir gingen langsam wieder nach draußen. Mir war schlecht und Percy war auch blass. Draußen regnete es. Grover und Ajax saßen vor dem Brunnen und hielten sich einen Plan vom Museum über die Köpfe. James Potter stand nach seinem Bad im Brunnen noch immer triefend da und knurrte seine Freunde an. Als er uns sah, sagte er: "Ich hoffe doch sehr, das Mrs Flor hat euch ordentlich den Arsch versohlt." Percy und ich fragten gleichzeitig: "Wer?" "Unsere Lehrerin, ihr Idioten!" Ich stutzte. Wir hatten keine Lehrerin namens Mrs Flor. Percy fragte James, wovon er redete. Aber der verdrehte nur die Augen uns ließ uns stehen. Wir fragten Grover, wo Mrs Dodds steckte. Er fragte: "Wer?" Aber vorher zögerte er kurz und weder er noch Ajax sahen uns nicht an. Ich dachte, er wollte uns auf den Arm nehmen. "Hör auf, blödsinn zu reden, Grover", sagte ich. Percy ergänzte: "Das ist ernst." Über uns grollte der Donner. Ich sah Mr Brunner unter seinem roten Schirm sitzen, er las ein Buch, als ob er sich keinen Zentimeter bewegt. Percy ging zu ihm hinüber. Er schaute auf und wirkte ein wenig zerstreut. "Ach, das ist sicher mein Kugelschreiber. Bitte bringen Sie in Zukunft eigene Schreibgeräte mit, Mr Jackson", hörte ich ihn sagen und Percy reichte ihm den Stift. "Sir", fragte er. "Wo ist Mrs Dodds?" Er starrte ihn verständnislos an, lugte kurz zu mir rüber und sah dann wieder Percy an. "Wer?" "Die Lehrerin, die mitgekommen ist. Mrs Dodds. Unsere Matheleherin." Er runzelte die Stirn und beugte sich mit leicht besorgter Miene vor. "Percy, hier ist keine Mrs Dodds mitgekommen. Soviel ich weiß, hat es an der Yancy Academy nie eine Mrs Dodds gegeben. Bist du vielleicht krank" Aber der Blick, mit dem er uns ansah, sagte das komplette Gegenteil. Kapitel 2: 02 ------------- An seltsame Erlebnisse ab und zu waren wir ja gewöhnt, aber meistens gingen die schnell vorbei. Aber diese Wahnsinnshalluzination war zu viel für uns. Das ganze restliche Schuljahr über schienen uns alle nur noch auf den Arm nehmen zu wollen. Die anderen waren der Felsenfesten Meinung, das Mrs Flor- eine lebhafte blonde Frau, die Percy und ich zum ersten mal im Leben an dem Tag sahen, als wir zur Rückfahrt wieder in den Bus stiegen- schon seit vor Weihnachten bei uns Mathe unterrichtet hätte. Immer wieder erwähnten Percy und ich den anderen gegenüber Mrs Dodds, in der Hoffnung, ihnen einen Kommentar zu entlocken. Aber sie starrten und jedes mal an, als seien wir Psychos. Beinahe hätten wir ihnen am Ende geglaubt- es hatte nie eine Mrs Dodds gegeben. Wir bildeten und langsam echt ein, wir hätten beide zufällig das selbe geträumt. Aber nur fast. Grover und Ajax jedoch konnten uns nicht an der Nase herum führen. Wann immer wir ihnen gegenüber den Namen Dodds nannten, wurden sie nervös und behaupteten dann, nie von ihr gehört zu haben. Aber Percy und ich wussen, das die beiden uns anlogen. Irgendwas lief hier gewaltig falsch. Irgendwas war im Museum passiert. Tagsüber hatte keiner von uns Zeit, darüber nachzudenken, aber nachts ließen uns Visionen von Mrs Dodds mit Krallen und Lederflügeln in kaltem Schweiß gebadet aus dem Bett fahren. Einmal war ich mit so viel schwung aufgewacht, das ich glatt aus dem Bett gefallen bin. Das Wetter blieb weiterhin seltsam, was unsere Stimmung nicht gerade besserte. Eines Nachts blies der Wind die Fenster aus dem Schlafsaal der Jungen. Einige Tage später wütete der größte jemals im Tal des hudson beobachtete Tornado knappe fünfundsiebzig Kilometer von der Yancy Academy entfernt. Und ei aktuelles Thema, das wir in Sozialkundeunterricht besprachen, war die ungewöhnlich hohe Anzahl von Sportflugzeugen, die in diesem Jahr bei plötzlichen Windböhen in den Atlantik gestürzt waren. Percy und ich waren meistens gereizt und genervt. Mich erwischte es sogar noch schlimmer als Percy. Ständig geriet ich mit James Potter und seinen dämlichen Freunden aneinander. In fast jeder Unterrichtsstunde wurde ich auf den Gang geschickt. Aber Percy wurde mindestens ebenso oft aus dem Unterricht geschmissen. Als uns dann Mr Tulloch, unser Englischlehrer, zum Millionsten mal fragte, wieso wir als einzige zu faul seien, um für die Rechtsschreibtests zu lernen, drehten wir durch. Percy nannte ihn einen alten Hahnrei und ich knurrte ihm Idiot entgegen. Weder ich noch Percy wussten überhaupt, was ein Hahnrei war, aber es hörte sich gut an. In der folgenden Woche schickte der Rektor unseren Müttern einen Brief, in dem es offiziell verkündet wurde: Im nächste Schuljahr waren wir nicht länger Schüler der Yancy Academy. Schön, dachte ich mir. Soll mir nur recht sein. Wir hatten Heimweh. Wir wollten bei meiner Mom in unserer winzigen Wohnung in der Upper East Side sein, auch wenn ich dann auf eine Öffentliche Schule gehen und mich mit meinem widerlichen Stiefvater und seinen bescheuerten, Playstation spielenden Freunden rumschlagen müsste. Und treotzdem... es gab Dinge in Yancy, die uns fehlen würden. Darüber waren Percy und ich uns einig. Der Blick aus unseren Schlafsaalfenster auf die Wälder, der Hudso River in der Ferne, der Duft der Fichten und der Pilze im Herbst, Grover und Ajax würde uns fehlen. Sie waren beide unsere besten Freunde, obwohl sie reichlich seltam waren. Wir fragen uns, wie die beiden ohne uns das kommende Schuljahr überleben sollten. Und vor allem, da waren Percy und ich uns mehr als einig, würde uns der Lateinunterricht fehelen- Mr Brunnersverrückte Wettbewerbe und seine Überzeugung, dass wir, die schlechtesten Schüler überhaubt, gute leistungen erbringen könnten. Als die Examenswoche nächer rückte, büffelten wir beide nur für die Lateinklausur. Ich hatte nicht vergessen, das Mr Brunner mir gesagt hatte, für mich sei das ein lebenswichtiges Thema. Ich wusste nciht, warum, aber inzwischen glaubte ich ihm. Am Abend vor der Klausur, Percy und ich versuchten schon den ganzen Tag, uns beim lernen gegenseitig zu helfen, waren wir so frustriert, dass Percy das Lexikon der griechischen Mythologie quer durch den Schlaafsaal feuerte. Die Wörter begannen, von der seite zu rutschen und die Buchstaben fuhren Achterbahn mit einem Skateboard. Es war schlicht unmöglich, sich den Unterschied zwischen Chiron und Charon oder zwischen Polydektes und Polydeukes zu merken. Und die Konjugation der lateinischen Vergen? Vergesst es. Percy lief im Zimmer hin und her, während ich gegen sein Bett gelehnt da stand und ihn beobachtete. Ich dachte an Mr Brunners ernste Miene und an seine tausend Jahre alten Augen. Ich holte tief Luft und hob das Lexikon auf. "Wir brauchen Hilfe, Percy" sagte ich und er unterbrach sein auf und ab Tigern um an mir vorbei in den Flur zu laufen. Wir hatten noch nie einen Lehrer um Hilfe gebeten. Aber wenn wir Mr Brunner fragten, würde er uns eventuell ein paar Tipps geben. Und ich könnte mich schon mal im vorraus für die miese Note, die ich höchstwahrscheinlich produzieren würde. Ich wollte ihn nicht in dem Glauben zurück lassen, ich hätte es nicht versucht. Percy ging vor mir her nach unten zu den Arbeitszimmern der Lehrer. Die meisten waren dunkel und leer, aber Mr Brunners Tür stand offen, das Licht aus dem Fenster seiner Tür fiel in den Gang. Wir waren einige Schritte von der Türklinke entfernt, als wir aus dem Zimmer Stimmen hörten. Mr Brunner stellte eine Frage. Eine Stimme, die nur Grover gehören konnte, sagte: "... Sorgen um Percy und Anthea, Sir." Percy erstarrte so plötzlich, das ich gegen ihn stieß. Ich wollte nicht lauschen und zupfte an Percys Ärmel, aber er scheuchte nur meine Hand weg. Erst, als ich Ajax' Stimme hörte, schlich ich näher an die Tür heran. "... allein in diesem Sommer", sagte Ajax gerade. "Ich meine, eine Wohlgesinne hier in der Schule! Jetzt wissen wir es es mit sicherheit und sie wissen es auch." "Wir würden alles nur noch schlimmer machen, wenn wir sie zur Eile antreiben", sagte Mr Brunner. "Die beiden müssen erst noch reifer werden." "Aber sie haben vielleicht keine Zeit mehr", sagte Grover. "Die Sommersonnenwende ist Stichtag und.." "Wir müssen ihne sie entscheiden, Jungs. Sollen sie ihre Unwissenheit noch genießen, solange es noch möglich ist." "Beide haben sie gesehen..." sagte Ajax. "Einbildung", sagte Mr Brunner eindringlich. "Die Undurchsichtigkeit des Ganzen wird sie davon überzeugen." "Sir, ich... ich darf nicht noch einmal meine Pflicht vernachlässigen." Grovers Stimme bebte. "Sie wissen, was das bedeuten würde." "Du hast deine Pflicht nicht vernachlässigt", sagte Mr Brunner freundlich. "Ich hätte sie gleich durchschauen müssen. Aber jetzt wollen wir uns den Kopf darüber zerbrechen, wie wir Percy und Anthea bis zum nächsten Herbst am Leben erhalten können..." Das Lexikon der griechischen Mythologie rutschte mir aus der Hand und knallte auf den Boden. Percy fuhr erschrocken zu mir herum. Mr Brunner verstummte. Er hob das Lexikon schnell auf und mir schlug das Herz bis zum Hals. Wir liefen rückwärts den Gang entlang. Ein Schatten glitt über das bunte Glas in Mr Brunners Arbeitszimmertür, der Schatten von entwas viel Größerem als einem an den Rollstuhl gefesselten Lehrer, etwas, das dem Bogen eines Schützen zum verwechseln ähnlich sah. Percy öffnete die nächstbeste Tür und wir verschwanden in einem Zimmer. Einige Sekunden darauf hörten wir ein langsames Klapper-di-klapp, wie von mit Stoff uwickelten Holzklötzen, und dann schien direkt vor der Tür ein Tier herumzuschnüffeln. Ich atmete unregelmäßig und laut, sodass Percy mir den Mund zu hielt. Eine große dunkle Gestalt blieb vor dem Türfenster stehen und ging dann endlich weiter. Irgendwo auf dem Gang hörte ich Mr Brunner. "Nichts", murmelte er. "Seit der Wintersommerwende bin ich mit den Nerven zu Fuß." "Ich auch", sagte Ajax. "Aber ich hätte schwören können..." "Geht wieder auf euer Zimmer", sagte Mr Brunner zu Ajax und Grover. "Morgen habt ihr einen langen Tag voller Klausuren." "Erinnern Sie uns bloß nicht daran", sagte Grover. Das Licht erlosch und Percy ließ mich wieder los. Wir warteten in der Dunkelheit, eine Ewigkeit, wie uns schien. Ich begleitete Percy zu seinem Schlafsaal, da ich noch einige Sachen bei ihm hatte, die ich brauchte. Grover lag auf seinem Bett und büffelte Latein, als ob er den ganzen Abend nichts anderes getan hätte. Ajax lag ebenfalls in seinem Bett, aber er hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen. "Hallo", sagte Grover zu uns und schaute uns mit roten Augen an. "Meint ihr, ihr schafft die Klausur?" Percy und ich sahen uns kurz an, aber gaben ihm keine Antwort. "Ihr seht echt scheußlich aus." Er runzelte die Stirn. "Ist euch irgendwas passiert?" "Wir sind... einfach nur müde", murmelte Percy und reichte mir meinen Kugelschreiber. Ich ging aus dem Schlafsaal, drehte mich an der Tür noch mal um und sah, das Percy sich von Grover weg gedreht hatte. "Gute Nacht", sagte ich zu den beiden und sie wünschten mir ebenfalls eine angenehme Nachtruhe. Ich grübelte auf dem kurzen Weg in meinen Schlafsaal. Ich konnte nicht glauben, was ich gerade gehört hatte. Am liebsten hätte ich gern geglaubt, das ich mir das alles nur eingebildet hatte. Aber eins stand fest: Grover, Ajax und Mr Brunner redeten hinter Percys und meinem Rücken über uns. Und sie glaubten, dass uns irgendeine Gefahr drohte. Am nächsten Nachmittag kam ich einige Minuten vor Percy aus der dreistündigen Lateinklausur und sowohl seine als auch meine Augen trieften von den ganzen römischen und griechischen Namen, die wir falsch geschrieben hatten. Da rief Mr Brunner uns noch einmal herein. Einen schrecklichen Moment lang dachte ich, er hätte herausgefunden, dass Percy und ich ihn am Vorabend belauscht hatten, aber das schien nicht der Fall zu sein. Percy, Anthea", sagte er. "Nehmt euch das nicht so zu Herzen, das ihr die Yancy Academy verlassen müsst. Glaubt mir, es ist.... es ist wirklich besser so." Er hörte sich freundlich an, aber seine Worte waren mir doch peinlich und Percy war auch die schamesröte ins Gesicht gestiegen. Obwohl er leise sprach, konnten ihn die anderen, die gerade mit der Klausur fertig wurden, ihn hören. James Potter feixte und machte mit dem Mund spöttische kleine Kussbewegungen. Percy murmelte: "Schon gut, Sir." "Ich meine..." Me brunner rollte seinen Stuhl vor und zurück und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. "Das ist einfach nicht der richtige Ort für euch. Es war schlich eine Frage der Zeit, Kinder." Meine Augen brannten und ich spürte, das Percy sich in mein T-Shirt am Rücken krallte und mir seine Fingerknöchel, wahrscheinlich unabsichtlich, in die Wirbelsäule bohrte. Hier erzählte uns unser erster und einziger Lieblingslehrer vor den Ohren der ganzen verdammten Klasse, dass wir nicht gut genug seien. Nachdem er das ganze Schuljahr über behauptet hatte, an uns zu glauben, gab er jetzt so einfach zu, das wir den Rausschmiss verdient hatten. "Na fein", sagte Percy und seine Hand in meinem Rücken zitterte. "Nein, nein", sagte Mr Brunner. "Ach, verflixt um die Ecke noch mal. Was ich zu sagen versuche... Ihr seid nicht normal, Kinder. Das ist kein Grund zur..." "Danke", platze es aus mir heraus. "Vielen Dank, Sir, dass Sie mich daran erinnern." "Anthea..." Aber wir waren nicht mehr da. Percy hatte mich an meinem T-Shirt aus dem Raum gezogen. Am letzen Schultag half Percy mir dabei, meine Sachen zusammen zu suchen und in den Koffer zu packen. Er war schon lange feritg mit seinen Sachen. Die anderen Schüler juxten herum und redeten über ihre Ferienpläne. Eine würde in der Schweiz wandern gehen. Ein anderer wollte für einen Monat auf eine Karibikkreuzfahrt. Sie waren alle Problemjugendliche, wie ich, aber sie waren reiche Problemjugendliche. Ihre Papis waren Geschäftsführer oder Botschafter oder Promis. Percy und ich waren Niemand und kam aus einer Familie von Niemandem. Sie fragten mich, was ich im Sommer machen würde, und ich sagte, ich wollte zurück in die Stadt. Was ich ihnen nicht sagte, war, dass ich mir einen Sommerjib suchen müsste. Ich würde Hunde ausführen oder Zeitschriften verkaufen oder in einem Café arbeiten müssen und mir in meiber Freizeit darüber den Kopf zerbrechen, wo ich eine neue Schule für den Herbst finden würde. Hoffentlich konnten Mom und Sally sich einigen und Percy und ich konnten wieder zusammen auf eine Schule gehen. Vielleicht sogar wieder in eine Klasse. "Ach", sagte ein Typ. "Klingt klasse." Dann redeten sie weiter, als ob es mich nie gegeben hätte. Die einzigen, bei denen es mir vor dem Abschied grauste, waren Grover und Ajax, aber dann stellte sich heraus, dass das nicht nötig gewesen wäre. Sie wollten mit demselben Bus wie Percy und ich nach Manhattan fahren und da saßen wir wieder zusammen, unterwegs in die Stadt. Wir saßen auf den hintersten Plätzen und sowohl Grover als auch Ajax schauten nervös im Mittelgang umher und die übrigen Fahrgäste an. Mir ging auf, dass sie immer nervös und fahrig waren, wenn wir die Yancy Academy verließen. Sie schienen ständig mit irgendwelchen Unglücken zu rechnen. Bisher habe ich angenommen, das sie Angst hatten, schickaniert zu werden. Aber hier im Bus war nieand, der sie schikanieren könne. Irgendwann schien Percy es nicht mehr aushalten zu können. "Haltet ihr Ausschau nach Wohlgesinnten?" Ajax zuckte so hefitg zusammen, das er fast nach vorn gegippt und auf dem Gang gelandet wäre. Grover wäre fast an die Decke gegangen. "Wa... wovon redest du?" Er gestand, dass wir in der Nacht vor der Klausur ihn, Ajax und Mr Brunner belauscht hatten. Ajax war weiß wie eine frisch gestrichene Wand. Grovers Augen zuckten. "Wie viel habt ihr gehört?" "Ach... nicht viel. Was bedeutet das mit der Sommersonnenwende als Stichtag?" Er wand sich und er und Ajax schauten sicht verzweifelt an. "Hör mal Percy... Anthea.. ahm.. Wir haben uns einfach sorgen um eucht gemacht, versteht ihr? Ich meine, wo ihr Halluzinationen von dämonischen Matheleherinnen habt..." "Grover...", sagte ich. "Und ich habe Mr Brunner gesagt, dass ihr vielleicht übermäßig unter Stress steht. Es gibt schießlich keine Mrs Dodds und..." "Grover, du bist in echt mieser Lügner", sagte Percy. Seine Ohren wurden rosa. Dann fischte er eine schmuddelige Visitenkarte aus seine Hemdtasche. "Behalt die einfach, ja? Falls du mich in diesem Sommer irgendwann besuchst." Die Karte war in Schnörkelschrift bedruckt, der pure Mord für meine legaasthenischen Augen, aber endlich konnte ic so ungefähr Folgendes lesen: Grover Underwood- Hüter Half-Blood Hill Long Island, New York (800)009-009 Percy fragte: "Was ist Half..." "Sag das nicht laut", keuchte Ajax. "Das ist unsere... ähem, Sommeradresse." Mein Herz wurde schwer. Grover und Ajax hatten ein Sommerhaus. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass er so reich wie die anderen in Yancy sein könnte. "Na gut", sagte Percy düster. "Falls ich, also falls ich dein Landhaus besuchen will" Er nickte. Oder.. oder wenn du mich brauchst. Und du auch, Anthea." Er gab mir ebenfalls eine Visitenkarte. "Warum sollte ich dich brauchen?" Das klang gröber, als ich es gemeint hatte. Grover errötete bis hinunter zu seinem Adamsapfel. "Hört mal, Freunde, Tatsache ist, ich... wir... müssen euch sozusagen beschützen." Percy und ich starrten die beiden Jungs an. Das ganze Schuljahr hindurch waren Percy und ich in Schlägerein verwickelt gewesen, um die beiden vor Schikanen zu retten. Ich hatte nicht schlafen können vor Angst, dass die nächstes Jahr ohne Percy und mich zusammengeschlagen werden könnten. Aber jetzt führten sie sich auf, als wären sie diejenigen, die uns verteidigten. "Grover", sagte Percy. "Und wovor genau beschützt du uns?" Unter unseren Füßen hörten wir ein lautes, bohrendes Geräusch. Schwarzer Rauch quoll aus dem Armaturenbrett und im ganzen Bus stank es wie faule Eier. Ich verzog das Gesicht. Der Fahrer fluchte und fuhr der schlingernden Bus auf den Seitenstreifen des Highways. Nachdem er sich einige Minuten lang mit Klappern und Kliren am Motor zu schaffen gemacht hatte, verkündete der Fahrer, dass wir aussteigen müssten. Grover, Ajax, Percy und ich kletterte mit den anderen Fahrgästen nach draußen. Wir befanden uns irgendwo auf offener Strecke- es war keine Gegend, die man sich merken würde, wenn man dort eine Panne hatte. Auf unserer Straßenseite gab es nur Ahornbäume und Abfall, der aus vorüberfahrenden Autos geworfen worden war. Auf der anderen Seite, hinter vier in der Nachmittagshitze flirrenden Fahrspuren, stand eine altmodische Obstbude. Das Obst, das da verkauft wurde, sah wirklich gut aus: überquellende Kisten mit blutroten Kirschen und Äpfeln, Walnüssen und Aprikosen und Apfelweinflaschen in einem mit Eis gefüllten Holzbottisch. Es gab keine Kundschaft, es gab nur drei alte Damen, die in Schaukelstühlen im Schatten der Ahornbäume saßen und das größte paar Socken strickten, das ich je gesehen hatte. Also, es waren Socken, groß wie Pullover, aber es waren einwandfrei Socken. Ich stieß Percy an, der schräg hinter mir stand. Die Frau rechts strickte die eine Socke. Die Frau links strickte die andere. Die Frau in der Mitte hatte einen riesigen Korb voll elektrisch-blauem Garn auf dem Schoß. "Was machen sie da?" fragte Percy. Ich antwortete: "Keine Ahnung. Aber die Socken sind ja riesig." Alle dreh sahen uralt aus, sie hatte bleiche, verschrumpelte Gesichte, silberne, mit schwarzen Kopftüchern nach hinten gebundene Haare und knochige Arme, die aus verschossenen Baumwollkleidern ragten. Das Seltsamste war, dass sie abwechslend Percy und mich anzuschauen schienen. Ich blickte zu Ajax und Grover hinüber, um eine Bemerkung darüber zu machen, und sah, das ihre Gesichte leichenblass geworden waren. Grovers Nase zuckte. "Jungs?", fragte Percy. "He, was ist?" Sagt mir, dass sie euch nicht ansehen. Aber das tun sie, oder?", fragte Ajax. "Ja. Komisch was?" Glaubst du, die Socken würden mir passen?", antwortete Percy. Grover schimpfte: "Das ist nicht lustig, Percy. Das ist absolut überhaupt nicht witzig." Die alte Dame in der Mitte zog eine riesige Schere hervor- golden und silbern und lang wie eine Schafschere. Ich hörte, wie Ajax den Atem anhielt. "Wir steigen wieder in den Bus", sagte er zu uns. "Los." "Was?", fragten Percy und ich zeitgleich. "Da drinnen sind tausend Grad", fügte Percy hinzu. "Kommt schon." Grover öffnete die Tür und stieg als ester ein, Percy und ich blieben abe an Ort und Stelle stehen. Die alten Damen starrten uns noch immer von der anderen Seite her an. Die in der Mitte zerschnitt den Faden und ich hätte schwören können, dass ich das über die vier Fahrspuren hinweg gehört hatte. Ihre beiden Freundinnen rollten die elecktrisch-blauen Socken auf und ich fragte mich, für wen die wohl bestimmt sein könnten, für Sasquatch oder Godzilla. Hinten am Bus riss der Fahrer ein riesiges rauchendes Metallteil aus dem Motor. Der Bus bebte und der Motor erwachte brüllend zum Leben. Die Fahrgäste jubelten. "Ja, verdammt", schrie der Fahrer. Er schlug mit seinem Hut gegen den Bus. "Und jetzt alle wieder an Bord!" Als wir wieder losfuhren, hatte ich das Gefühl, Fiebe zu haben, wie eine Grippe. Ajax sah nicht viel besser aus. Er zitterte und seine Zähne klapperten. "Grover?", fragte Percy. Grover zitterte ebenfalls. "Ja." "Was verheimlichst du uns?" Er fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. "Percy, Anthea, was habt ihr da vorhin an der Ostbude gesehen?" "Du meinst die alten Damen? Was ist denn mit denen?", fragte Percy und ich stellte ebenfalls eine: "Die sind aber ncht wie... Mrs Dodds, oder?" Seine Miene war schwer zu deuten, aber ich hatte den Eindruck, dass diese Obstverkäuferinnen etwas viel, viel Schlimmeres waren als Mrs Dodds. Ajax schaute aus dem Fenster und Grover sagte: "Erzähtl einfach, was ihr gesehen habt." Percy übernahm. "Die in der Mitte hat eine Schrere hervorgezogen und das Garn durchgeschnitten." Grover und Ajax wimmerten und bewegten seine Finger, wie um sich zu bekreuzigen, aber es war kein Kreuzzeichen. Es war etwas anderes, etwas noch Älteres. Grover sagte: "Ihr habt gesehen, wie sie den Faden durchtrennt hat." "Ja. Na und?" Aber noch während ich das sagte, wusste ich, dass es sehr wichtig gewesen war. "Das kann einfach nicht sein", murmelte Grover. Er fing an, an seinem Daumen zu nagen. "Ich will nicht, dass es wieder so kommt wie beim letzten Mal." "Wie beim letzten Mal?" fragte Percy. Ajax murmelte: "Immer in der 6. Klasse, Drüber kommen sie nie hinaus." "Jungs", sagte ich, denn jetzt machten sie mir wirklich Angst. "Wovon redet ihr?" Auf einen schlag sahen uns Grover und Ajax Todernst an. Wie aus der Pistole geschossen fragten beide Synchron: "Lasst uns euch vom Busbahnhof nach Hause bringen. Versprecht es." Percy und ich sahen uns erstaunt an, aber stimmten der seltsamen Bitte zu. "Ist das eine Art Aberglaube?", fragte Percy. Keine Antwort. "Grover- das Fadendurchtrennen. Bedeutet das, dass jemand sterben muss?" Grover und Ajax starrten uns verzweifelt an, als überlegten sie schon, welche Blumen sich am besten auf Percys und meinem Sarg machten. Kapitel 3: 03 ------------- Wir müssen Beichten: Percy und ich haben Grover und Ajax einfach stehen lassen, sowie wir den Busbahnhof erreicht hatten. Ja, ich weiß, ich weiß. Das war nicht fair. Aber die Blicke der beiden und deren verhalten machte uns beide fix und fertig. Sie starrten uns abwechselnd an und Grover murmelte: "Warum passiert das immer wieder?" Ajax schien im unbeabsichtigt zu antworten: "Warum muss es immer in der 6. Klasse sein?" Und wann immer er sich aufregte, drehte Grovers Blase durch, deshalb war es nicht besonders überraschend, als er uns, kaum waren wir aus dem Bus gestiegen, bat auf ihn zu warten, und dann zu den Toiletten wetzte. Eine halbe Minute später musste Ajax ebenfalls die Toilette aufsuchen, aber im Gegensatz zu Grover war es bei Ajax der Kaffee, der ihm jetzt auf den Leim ging. Aber statt zu warten, holten wir unsere Koffer, liefen nach draußen und setzten uns in das erstbeste Taxi. "Ecke East One Hundred and Fourth und York", sagte Percy dem Fahrer. Ja, Percy und ich teilten uns auch eine Adresse. Percy wohnte ein Stockwerk über mir. Kurz etwas über unsere Mütter, ehe ihr sie kennen lernt. Meine Mom heißt Johanna Morgan und Percys heißt Sally Jackson. Sie sind die tollsten Menschen der ganzen Welt. Aber leider bestätigt das meine und Percys Theorie, das die besten Menschen echt das größte Pech haben. Sallys Eltern sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als sie fünf war, und sie wurde von einem Onkel großgezogen, der sich kaum um sie kümmerte. Zu der Zeit hat sie auch meine Mom kennen gelernt. Sie haben die ganze Zeit zusammen gehalten. Sally wollte Schriftstellerin werden und deshalb sparte sie die ganze High-School-Zeit hindurch, um dann ein College mit gutem Unterricht für kreatives Schreiben besuchen zu können. Mom wollte Künstlerin werden, aber meine Mom half Sally dann lieber beim sparen. Aber dann bekam ihr Onkel Krebs und Sally und Mom sind im letzten Jahr von der Schule abgegangen, um ihn zu pflegen. Meine Mom wollte Sally damit nicht allein lassen. Nach seinem Tod saßen sie dann da, ohne Geld, ohne Familie und ohne Schulabschluss. Das einzig gute, was den beiden je passiert st, war, dass sie unsere Väter kennen gelernt haben. Aber weder ich noch Percy konnten uns richtig erinnern. Aber seltsamerweise haben wir das selbe in Erinnerung: Ein warmes Glühen und eventuell eine Spur eines Lächelns. Leider sprechen weder Mom noch Sally gerne über Percys und meinen Vater. Es macht sie beide unsagbar traurig und es gibt keine Fotos. Ihr müsst wissen, das weder Mom und Dad, noch Sally und Percys Dad verheiratet waren. Und selbst unsere Mütter kennen den jeweils anderen Vater nicht. Sie wussten nur, dass die beiden sich kannten und jeweils Mom und Sally ihre Beziehung geheim halten sollten, da Dad und Pecys Vater Reich und Wichtig waren. Dann gingen sie eines Tages auf irgendeine Reise über den Atlantik und kamen nie wieder. Mom sagt immer, sie sind auf See geblieben. Nicht tot. Auf See geblieben. Mom und Sally haben dann Abendkurse gemacht um den Schulabschluss nachzuholen. Nebenbei haben sie allerlei Jobs angenommen und uns allein Großgezogen. Mom ud Sally haben sich nie beklagt, wurden nie wütend. Kein einziges mal. Aber Percy und ich wussten ganz genau, das wir alles andere als pflegeleichte Kinder waren. Und dann haben sie beide geheiratet. Sally hat Gabe Ugliano geheiratet und Mom Julian Daegan. Gabe war ungefähr in den ersten dreißig Sekunden, die wir ihn kannten, nett und dann entpuppte er sich als Mistkerl von Weltklasse. Leider war Julian nicht viel besser und das einzige, was Percy und mich wunderte, war, dass die beiden keine Brüder waren. Als wir klein waren haben wir Gabe immer Gabe den Stinker genannt und Julian war einfach der Idiot. Tut mir leid, aber so ist das eben. Gabe stinkt wie schimmelige Knoblauchpizza, die in eine Turnhose gewickelt ist. Und Julian würde ohne Mom nicht mal eine halbe Stunde überleben. Ach was, nicht mal eine Minute. Der bekam ja nicht mal eine Glühbirne gewechselt. Zu viert haben wir unseren Müttern das Leben ziemlich schwer gemacht. So wie Gabe der Stinker und der Idiot Sally und Mom behandelt haben, wie er und Percy und Julian und ich uns gefetzt haben... Also, unsere Heimkehr ist da ein sehr gutes Beispiel. Ich betrat zusammen mit Percy seine kleine Wohnung und hoffte, das meine Mom schon von der Arbeit nach Hause gekommen wäre. Mom kommt immer mit Sally zusammen nach Hause. Aber im Wohnzimmer saß nur Gabe der Stinker seinen Kumpels beim Poker. Julian saß vor dem winzigen Fernseher und spielte irgendein Spiel. Der Fernsehr brüllte. Auf dem Teppich lagen überall Pommes und Bierdosen. Ich wette, in Moms Wohnung sah es genau so aus. Gabe schaute kaum auf, geschweige denn Julian, sondern nuschelte, seine Zigarre im Mund: "Da seid ihr ja wieder." "Wo ist meine Mom?", fragte Percy. "Bei der Arbeit", sagte Gabe. "Hast du Geld?" Das wars. Kein Willkommen zu Hause. Schön, euch zu sehen. Wie waren denn die letzten sechs Monate so für euch? Aber immerhin bekam Percy mehr von Gabe zu hören als ich von Julian. Die beiden hatten zugenommen. Gabe sah aus wie ein Wahlross ohne Stoßzahn, in Kleidern von der Heilsarmee. Julian sah noch schlimmer aus. Gabe hatte ungefähr drei Haare auf dem Kopf, die er sorgfältig auf seinem kahlen Schädel verteilt hatte, als ob ihn das verschönern könnte. Julian dagegen hatte schulterlange fettige schwarze Haare. Zusammen leiteten Gabe und Julian den Electronics Mega Mart in Queens, aber wie man sieht saßen sie meistens zu Hause rum. Percy und ich fragten uns schon seit Ewigkeiten, warum die beiden nicht schon längst gefeuert wurden. Sie holten einfach weiter ihr Gehalt ab und gaben das Geld für Zigarren, von denen uns schlecht wurde, Spiele und natürlich Bier. Immer Bier. Wenn sie zuhause war, erwartete Gabe von Percy Geld für seine bescheuerten Pokerrunden. Das nannte er "unser Geheimnis unter Jungs". Das ich aber ein Mädchen war störte ihn nicht. Und es bedeutete, dass er Percy und mich zu Brei schlagen würde, wenn wir Mom und Sally davon erzählten. "Ich hab kein Geld", sagte Percy. Und das stimmte sogar. Er hatte den Rest seines Taschengeldes in eine neue Jacke investiert. Das Taxi habe ich bezahlt. Gabe hob eine schmierige Augenbraue. Gabe konnte Geld riechen, wie ein Bluthund eben Blut riecht, und das fanden Percy und ich erstaunlich, schließlich hätte sein eigener Gestank alles andere neutralisieren müssen. "Ihr habt am Busbahnhof ein Taxi genommen", sagte er. "Hast vermutlich mit nem Zwanziger bezahlt. Hast sechs oder sieben Eier zurück bekommen. Und wer unter diesem Dach leben will, muss sich an den Kosten beteiligen. Hab ich Recht, Eddie?" Eddie, der Hausmeister bei uns im Block, schaute Percy mit einem Hauch von Mitgefühl an. "Hör doch auf, Gabe", sagte er. "Die Kleinen sind doch gerade erst angekommen." "Hab ich Recht?", fragte Gabe noch einmal. Eddie schaute düster in eine Schüssel mit Erdnussflipps. Die beiden anderen Typen ließen einträchtig einen fahren. Widerlich. Da ich hinter Percy stand konnte ich ihm unauffällig den Rest von der Taxifahrt in die Hand drücken. "Schön", sagte er. Er tat so, als fischte er das Geld aus der Hosentasche und warf dann das Geld auf den Tisch. "Hoffentlich verlierst du", sagte ich. "Eure Zeugnisse sind gekommen, ihr Genies!", rief er hinter uns her. Endlich schien auch Julian halbwegs erwacht zu sein. "An eurer Stelle wäre ich nicht so hochnäsig!", ergänzte Julian Gabe. Percy knallte mit der Tür zu seinem Zimmer, das eigentlich gar nicht seins war. In den Schulmonaten war es Gabes 'Arbeitszimmer'. Er arbeitete dort zwar nicht, sondern las alte Autozeitungen, aber er fand es wunderbar, Percys Sachen in den Schrank zu pfeffern und seine ekelhaften schimmeligen Stiefel auf seine Fensterbank zu stellen und sich ansonsten seht große Mühe zu geben, dass alles nach seinem widerlichen Rasierwasser und seinen Zigarren und abgestandenem Bier roch. Er ließ seinen Koffer auf das Bett fallen und ich stellte meinen vor das Fenster. "Trautes Heim, Glück allein", sagte er zerknirscht. "Gabes Gestank ist schlimmer als die Alpträume von Mrs Dodds" sagte ich. Percy schnaubte und sagte: "Oder das Geräusch, mit dem die Obstverkäuferin den Faden durchgeschnitten hatte." Wir sahen uns an. "Ich glaube, wir hätten die beiden nicht alleine lassen sollen. Die kriegen die Krise" sagte ich und setzte mich neben Percy im Schneidersitz auf sein Bett. "Ach, die kommen schon zurecht. Außerdem haben Ajax und Grover mir eine heidenangst gemacht. Die sahen so aus, als würden wir gleich sterben." Mir wurde plötzlich eiskalt. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwer- irgendwas- nach uns Ausschau hielt und vielleicht gerade die Treppe hoch kam und dabei lange, entsetzlich scharfe Krallen ausfuhr. Dann hörte ich die Stimmen von Mom und Sally: "Percy?" "Thea?" Sally öffnete die Zimmertür und eine Angst schmolz dahin. Mom uns Sally konnten dafür sorgen, dass Percy und ich uns wohl fühlten, einfach indem sie ins Zimmer kommen. Sally umarmte Percy fest und ich sprang Mom in die Arme. Ihr lächeln ist warm wie ein Sommertag. Ihre feuerroten Haare hatten hier uns da einige graue Strähnen, genau wie Sallys braune Haare, aber für uns sind Mom und Sally niemals alt. Wenn Mom und Sally Percy und mich ansehen, sehen sie stets unsere guten Seiten und nie unsere schlechten. Ich habe nie gehört, dass sie laut geworden sind oder zu irgendwem ein unfreundliches Wort gesagt haben, nicht mal zu Gabe oder Julian. "Ach, Percy!", hörte ich Sally sagen. "Hallo, meine Süße!" Mom drückte mich ganz fest. Dann tauschten Sally und Mom. Sally strich mit zusätzlich durch die Haare. "Ich kann es kaum fassen. Ihr zwei seid seit Weihnachten gewachsen." Ihre rot-weiß-blaue Sweet-on-America-Uniformen dufteten nach allem, was auf der Welt wunderbar ist: Schokolade, Lakritz und was sie in dem Süßigkeitenkiosk in der Grand Central Station sonst noch verkauften. Sie hatten uns jeweils eine riesige Tüte voller "Gratisproben" mitgebracht, das machten Mom und Sally immer, wenn Percy und ich nach Hause kamen. Mom, Sally und Percy setzten sich nebeneinander auf die Bettkante und ich setzte mich auf Moms Schoß. Sofort fing sie an mit meinen Haaren zu spielen. Sally fuhr Percy durch die Haare während er sich über Blaubeerschnecken her machte. Sally und Mom wollten alles wissen, was wir nicht in unseren Briefen geschrieben haben. Keiner der beiden erwähnte unseren Rausschmiss mit einer Silbe. Der schien weder Sally noch Mom weiter zu stören. Aber war allen in Ordnung mit uns? Ging es ihren Kleinen wirklich gut? Percy sagte: "Du drückst mich ja tot" und "Hände weg" und so, aber ich wusste ganz genau, das er sich unheimlich darüber freute, Sally zu sehen. Aus dem Nachbarzimmer brüllte Gabe: "He, Sally, wie wär's mit etwas Bohnendip, hä?" Ich konnte Percys Zähne knirschen hören. Sally ist wirklich die liebste Frau auf der Welt, zusammen mit Mom. Anstatt mit Gabe und Julian sollte sie mit Millionären Verheiratet sein, die Mom und Sally auf Händen trugen und jeden Wunsch von den Augen ablasen. Wir versuchten die Letzten Tage an der Yancy fröhlich zu erzählen. Percy und ich behaupteten beide, das der Rausschmiss und nicht so viel ausmachte. Immerhin hatten wie dieses mal fast ein Jahr durchgehalten und sogar neue Freunde gefunden. Percy und ich waren zumindest in Latein besser geworden und mal ernsthaft, die Prügelein waren nicht mal ansatzweise so schlimm, wie der Rektor behauptete. Die Yancy Academy hatte und im Grunde eigentlich sehr gefallen. Ernsthaft. So, wie Percy und ich es erzählten, klang das Jahr richtig gut. Fast hätten wir uns die Geschichte selbst abgekauft. Wir redeten weiter über Grover, Ajax und Mr Brunner. Nicht mal mehr James Potter war so schrecklich. Bis Percy beim Ausflug im Museum ankam. "Was?", fragte meine Mom. Sally schaute zwischen Percy und mir hin uns her und Mom wurde auch ein ganz kleines bisschen nervös wurde. "Hat euch da etwas Angst gemacht?", fragte Sally. "Nein, Mom", sagte Percy und ich schüttelte den Kopf. Ich fand es furchtbar, Mom und Sally anzulügen. Ich wollte so dringend von Mrs Dodds und den drei alten Damen mit dem Faden erzählen, aber ich dachte, das würde sich blödsinnig anhören. Sally schob die Lippen vor. Sie wusste, das wir ihr etwas verschwiegen, aber Sally bedrängte uns nicht. "Ich habe eine Überraschung für euch", sagte Sally. "Wir fahren an den Strand." Percys Augen wurden groß. "Montauk?" "Drei Nächte- in derselben Hütte." "Wann?" Sally lächelte. "Ich muss mich nur noch schnell umziehen." "Mom, fahren wir auch mit?", fragte ich. Aber Mom schaute mich mitleidig an. "Also bleiben wir hier", sagte ich ein wenig niedergeschlagen. Mom und Sally hatten dort Percys und meinen Dad kennen gelernt. "Wir nicht, nur ich. Leider haben wir nicht beide frei bekommen. Deshalb kann nur Sally mit euch mit kommen." "Yaay." Ich warf die Arme in die Luft und fiel Mom um den Hals. Zwar war ich auch traurig, das sie nicht mitkommen konnte, aber ich liebte diesen Strand. Mom, Percy und Sally lachten. Wir waren schon zwei Jahre nicht mehr in Montauk gewesen, weil Gabe und Julian einstimmig behauptet hatten, wir hätten nicht genug Geld. Gabe erschien in der Tür und knurrte: "Bohnendip, Sally, hast du mich nicht gehört?" Percy starrte ihn wütend an und auch mein Blick dürfte tödlich gewesen sein. Schade, das Blicke nicht töten konnten. Aber Mom schaute Percy und mich an und dann schauten Percy und ich uns an. Wir wussten, das Mom uns ein Geschäft vorschlug: Seid jetzt mal nett zu Gabe. Nur bis wir nach Montauk aufbrechen können. Und dann sind wir ja weg von hier. "Ich war schon unterwegs, Schatz", sagte Sally zu Gabe. Uäh. "Wir mussten uns nur kurz über unseren Ausflug reden." Gabe kniff die Augen zusammen. Ich ahnte böses. "Den Ausflug? Soll das heißen, dass das wirklich dein Ernst war?" "Ich habs ja gewusst", knurrte ich. "Er lässt uns nicht weg", sagte Percy ebenfalls knurrend. "Natürlich tut er das", sagte Sally gelassen. "Dein Stiefvater macht sich nur Sorgen wegen des Geldes. Das ist alles. Außerdem", fügte sie hinzu, "muss Gabriel sich nicht mit Bohnendip zufriedengeben. Ich werde ihm genug Sieben-Lagen-Dip für das ganze Wochenende machen. Guacamole. Sour Cream. Alles." Das besänftigte Gabe ein wenig. "Und das Geld für euren Ausflug nimmst du aus deiner Kleiderkasse, ja?" "Sicher, Schatz", sagte Sally. "Und du fährst mit meinem Wagen nur direkt hin und zurück und nirgendwo anders hin." "Wir werden vorsichtig sein." Gabe kratzte sein Doppelkinn. "Vielleicht, wenn du dich mit dem Superdip beeilst. Und wenn die Kinder sich dafür entschuldigen,dass sie meine Pokerrunde unterbrochen haben." Vielleicht, wenn ich dir den Hals umdrehe, dachte ich. Aber Moms Blick im Nacken mahnte mich, Gabe heute nicht zu reizen. Warum ließen Mom und Sally sich so viel von dieses Widerlichen Stinkbeuteln gefallen? Ich hätte das ganze Haus zusammen schreien können. Was zum Henker interessierte es sie, was die Vollidioten dachten? "Tut mir leid", murmelte Percy. "Tut mir wirklich sehr leid, dass ich deine unvorstellbar wichtige Pokerrunde unterbrochen habe." Gabe sah mich an. Eigentlich wollte ich gar nichts sagen, aber Percy kniff mir unauffällig in den Oberschenkel und sah mich drohend an. "Ja, tut mir auch leid. Bitte geh sofort weiterspielen", gab ich nach und rieb mir die schmerzende Stelle. Gabe kniff die Augen zusammen. Vermutlich versuchte er mit seinem Erbsenhirn irgendwo Sarkasmus zu entdecken. "Na, von mir aus", entschied er. Aber dann ging er zu den anderen und brüllte ins Wohnzimmer: "Hey, Julian, die Göre will mit Sally und dem Kleinen weg." "Das Kind bleibt hier!", kam es zurück. Ich spürte, wie sich mein gesamter Körper spannte wie eine Feder und Tränen stiegen mir in die Augen. Was erlaubte sich dieser schmierige Haufen Pferdemist eigentlich? Moms Griff um meine Taille wurde fester und Percy hielt mich am Ellenbogen fest. "Benimm dich, Anthea!", raunte er mir ins Ohr. "Ich klär das, Schätzchen", flüsterte Mom in mein anderes Ohr. Mom hob mich von ihrem Schoß und setzte mich neben Percy ab, der meinen Arm nicht losgelassen hatte. Er rückte näher an mich heran und drückte mich. "Johanna schafft das schon, du kommst mit." Mir war klar, dass Percy mich beruhigen wollte, aber ich war geladen wie ein Blitz. Mom ging ins Wohnzimmer und Sally drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Danke, ihr süßen", sagte Sally. "In Montauk reden wir dann über... das was ihr vergessen habt zu erzählen, okay?" Einen Moment lang glaubte ich, Besorgnis in ihren Augen zu sehen- dieselbe Furcht die ich bei Grover und Ajax auf der Busfahrt bemerkt hab-, und auch Sally schien dieselbe Kälte in der Luft wahrzunehmen. Aber dann war ihr Lächeln wieder da und ich nahm an, dass ich mich geirrt hatte. Sie strich Percy noch einmal durch die Haare und zwinkerte mir zu und ging dann in die Küche um Gabe seinen Superdip zu machen. Ich schaute Percy an. "Ich will unbedingt mitkommen", sagte ich mit belegter Stimme. Percy strich mir über den Rücken und ich spürte, das die hitze, die mich wie Blitze durchzuckte, abkühlte. Eine Stunde darauf waren wir aufgebrochen. Mom hatte es geschafft, Julian zu überreden. Allerdings musste ich tatsächlich noch Tränen vergießen, ehe er mich los schickte um meine Sachen zu holen. Gabe unterbrach seine Pokerpartie gerade lange genug, um zuzusehen, wie Percy und ich unsere und Sallys Taschen in den Wagen wuchteten. Er jammerte die ganze Zeit darüber, dass ihm jetzt das ganze Wochenende lang Sallys Kochkünste- und, schlimmer noch, sein 78er Camaro- fehlen würde. "Nicht einen Kratzer auf meinem Wagen, ihr Genies", warnte er uns, als Percy die letzte Tasche hineinhob. "Nicht den geringsten kleinen Kratzer." Als ob einer von uns fahren würde. Wir sind zwölf. Aber Gabe war das egal. Auch wenn eine Möwe auch nur den geringsten Klecks auf dem Autolack fallen ließe, dann würde er entweder Percy oder mich dafür verantwortlich machen. Wohl ehr Percy. Während ich zusah, wie er zum Wohnblock zurückschlurfte, konnte ich im Augenwinkel sehen, das Percy rot vor Wut wurde. Dann tat er etwas, das ich nicht erklären kann. Als Gabe die Tür erreichte, machte er die Handbewegung von Ajax und Grover im Bus nach, eine Art Geste, die das Böse abwehren soll: Er hielt eine Hand gekrümmt über sein Herz und schob sie dann in Gabes Richtung. Die Tür knallte dermaßen hart zu, dass sie Gabe am Hintern traf und ihn wie ein Kanonengeschoss die Treppe hochfliegen ließ. Ich musste lachen und Percy drückte mir grinsend die Hand auf den Mund. "Sei still", sagte er leise lachend. Percy lies mich zuerst hinten einsteigen, ehe er es sich auf dem Beifharersitz gemütlich machte. Dann bat er Sally, Gas zu geben. Die Hütte, die wir schon oft gemietet hatten, lag am Südufer, ziemlich weit oben an der Spitze von Long Island. Sie sah aus wie eine halb in den Dünen versunkene kleine pastellfarbene Schachtel mit verschlossenen Vorhängen. Es gab immer Sand in der Bettwäsche und in jeder Ecke mindestens zwanzig Spinnen und meistens war das Meer viel zu kalt zum schwimmen. Ich liebte es dort. Mom, Sally, Percy und ich waren schon her gekommen, als Percy und ich noch Babys waren. Mom und Sally sogar noch länger. Sie hatten es nie wirklich gesagt, aber Percy und ich wussten, warum der Strand Mom und Sally so unglaublich viel bedeutete. Hier hatten sie unsere Väter kennen gelernt. Als wir uns Montauk näherten, konnte ich im Rückspiegel sehen, das Sally immer jünger zu werden schien. Jahre der Sorge und der Arbeit verschwanden aus ihrem Gesicht. Ihre Augen nahmen die Farbe des Meeres an. Wir trafen bei Sonnenuntergang ein, rissen alle Fenster auf und machten wie immer erstmal alles sauber. Mom fehlte mir schon jetzt. Dann liefen wir über den Strand und fütterten die Möwen mit blauen und lilanden Maischips und aßen blaue und lilande Gummibärchen, blaues und lilandes Salzwassertoffee und die vielen anderen Gratisproben , die Sally und Mom aus dem Laden mitgebracht hatten. Ich sollte das mit den blauen und lilanden Süßigkeiten erklären. Gabe hatte Sally einmal gesagt, blaue Süßigkeiten gebe es nicht. Julian hat dasselbe meiner Mom mit lilanden Süßigkeiten gesagt. Darüber stritten sie sich, worüber Percy und ich ehrlich gesagt geschmunzelt haben. Aber seither haben Sally und Mom sich alle Mühe gegeben, blau und lila zu essen. Sie backten blaue und lilande Geburtstagskuchen. Sie mixten Blaubeesmothies und Heidelbeersmothies. Sally kaufte Totillachips aus Blaumais. Die beiden brachten blaue und lilande Bonbons aus dem Laden mit. Und das- sowie die Tatsche, das sie ihre eigenen Namen, Jackson und Morgan, statt sich Mrs Ungliano und Mrs Daegan- bewies doch sehr, dass sie sich nicht total haben einwickeln lassen. Mom und Sally hatten ebenso rebellische Seiten wie Percy und ich. Als es dunkel wurde, machten wir ein Feuer. Wir brieten Hot Dogs und Marshmallows. Sally erzählte von früher, als sie noch klein gewesen war, bevor ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Sie erzählte von Büchern, die sie irgendwann mal schreiben wollte, wenn sie genug Geld gespart hätte, um im Süßigkeitenladen aufzuhören. Percy und ich sahen uns eine Minute an, ehe er das Thema Anschnitt, an das wir immer denken mussten, wenn Mom und Sally mit uns hier her kamen: Unsere Väter. Und dafür musste meine Mom nicht mal anwesend sein: Sally wusste alles. Sally traten Tränen in die Augen. Ich nahm an, sie wird das selbe sagen, wie immer, aber ich liebte es, ihr zuzuhören und Percy konnte die Geschichten auch nicht oft genug hören. Sie fing mit Percys Dad an. "Er war lieb, Percy", sagte sie. "Groß, gut aussehend und mächtig. Aber auch sanft. Du hast seine dunklen Haare, weiß du, und seine grünen Augen." Sally fischte ein lilandes Gummibärchen aus der Tüte. "Ich wünschte, er könnte dich sehen, Percy. Er wäre so stolz." Percy hat mir mal erzählt, dass er gern wüsste, wieso sie das meinte. Seine genauen Worte waren: "Was ist denn so toll an mir? Ein leghastenischer, hyperaktiver Junge mit einem miesen Zeugnis, der jedes Jahr von einer anderen Schule fliegt." Aber ganz ehrlich? Ich finde Percy toll so, wie er ist. "Wie alt war ich?", fragte Percy. "Ich meine... als er gegangen ist." Sally schaute in das prasselnde Feuer. "Er war nur einen Sommer bei mir, Percy. Hier an diesem Strand. In dieser Hütte." "Aber... er hat mich doch als Baby gekannt." "Nein, mein Schatz. Er wusste, dass ich ein Baby erwartete, aber er hat dich nie gesehen. Er musste uns noch vor deiner Geburt verlassen." "Aber dann kennt mein Dad mich ja auch nicht", sagte ich. "Ich bin ja drei Monate jünger als Percy." Sally lächelte. "Ja, Süße. Dein Vater hat dich leider auch nie gesehen und ich wiederum habe ihn nie zu Gesicht bekommen. Aber auch er wusste, das Johanna ein Baby erwartete. Und wie du weißt, bin ich wirklich sehr sehr froh, das ihr bei mir seid." Ja, das wusste ich. "Ja. Du und Mom habt mir ja oft erzählt, das es mich beinahe nicht gegeben hätte." "Genau. Du und Johanna hatten wirklich riesiges Glück. Ich weiß noch, wie die Ärzte nach dem Flugzeugabsturz um eure Leben gekämpft haben." Mom musst mit dem Flugzeug fliegen, weil sie wegen mir in ein weit entferntes Krankenhaus musste. Es war kurz vor meiner Geburt aber das Flugzeug wurde von drei Blitzen gleichzeitig getroffen und ist ins Meer gestürzt. Nur Mom und ich haben wie durch ein Wunder überlebt. Aber für mich wäre beinahe jede Hilfe zu spät gekommen. Aber diese Auskunft machte mich auch stutzig. Ich war ganz sicher, mich ein wenig an meinen Vater zu erinnern.. da war... eine spur von einem Lächeln, ein warmes glühen oder sowas. Ich war immer davon ausgegangen, das er mich noch kennengelernt hatte, ehe er weg musste. Mom hat das nie so gesagt, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass es so sein müsste. Und jetzt zu hören, dass er mich nie auch nur gesehen hatte... Ich war wütend auf meinen Vater. Percys Blick hatte sich ebenfalls ein wenig verdüstert. Vielleicht war das blöd von mir, aber ich war wütend, weil er mit Percys Dad auf diese bescheuerte Seereise gegangen war und meine Mom nicht vorher geheiratet hatte. Er hatte uns verlassen und jetzt hatten wir Julian Daegan am Hals. "Werdet ihr uns wieder wegschicken?", fragte Percy Sally. "Auf ein anderes Internat?", fragte ich weiter. Sie zog einen Marshmallow vom Feuer. "Ich weiß es nicht, meine Süßen." Ihre Stimme klang belegt. "Ich glaube.... ich glaube, wir werden etwas unternehmen müssen." "Weil Johanna und du Thea und mich nicht im Haus haben wollt?" Dafür schlug ich ihm seitlich auf den Hüftknochen. Hoffentlich bereute er diese furchtbare Frage schon. Sally traten wieder Tränen in die Augen. Sie nahm Percys Hand. "Aber Jungs, nein. Ich... wir müssen das tun. Euretwegen. Wir müssen euch wegschicken." Ja, Sally sagte manchmal 'Jungs' wenn sie von Percy und mir redete. Ihre Worte erinnerten mich stark an die, die Mr Brunner uns an den Kopf geschmissen hatte: dass es besser für Percy und mich ist, wenn wir die Yancy Academy verlassen. "Weil wir nicht normal sind", sagte ich. "Bei dir klingt das, als wäre es eine Krankheit, Anthea. Aber ihr wisst eben nicht, wie wichtig ihr seid. Johanna und ich dachten, das ihr auf der Yancy Academy weit genug entfernt wärt, das ihr endlich in Sicherheit wärt." "In Sicherheit wovor?", fragten Percy und ich gleichzeitig. Sie schaute abwechselnd Percy und mir in die Augen. Plötzlich erinnerte ich mich an all die seltsamen Dinge, die Percy und mir passiert sind und die wir versuchten zu vergessen. In der dritten Klasse hatte uns auf dem Schulhof ein großer Mann mit schwarzem Trenchcoat aufgelauert. Erst als die Lehrer ihm mit der Polizei gedroht haben, ging er knurrend weg. Keiner der Lehrer hatte Percy und mir geglaubt, dass der Mann nur ein Auge mitten auf der Stirn hatte. Und davor- das war meine früheste Erinnerung. Percy und ich waren noch im Kindergarten und die Kindergärtnerin hatte uns zum schlafen hingelegt, aber in Percys und meinem Bett war eine Schlange. Mom und Sally schrien wie am Spieß, als sie Percy mit dem schlaffen, schuppigen Seil spielte, das er auf irgendeine Weise erwürgt hatte. Auf jeder Schule war irgendwas unheimliches passiert, etwas Bedrohliches, und deshalb hatte ich wechseln müssen. Auf einmal wusste ich, das wir Sally von den drei alten Damen an der Obstbude erzählen müssen und von Mrs Dodds im Museum, von unserer seltsamen Halluzination, das Percy unsere Mathelehrerin mit einem Schwert zu Staub zerschlagen hatte. Aber ich wollte ihr das alles nicht erzählen. Ich hatte das ungute Gefühl, dass diese Mitteilungen unseren Aufenthalt in Montauk vorzeitig beenden würden und das wollte ich auf gar keinen Fall. "Johanna und ich haben versucht, euch so nah wie möglich bei uns zu behalten", sagte Sally, "Sie haben uns gesagt, dass das ein Fehler wäre. Aber es gibt nur eine Möglichkeit, Kinder- den Ort, von dem eure Väter gesagt haben, Johanna und ich sollten euch hinschicken. Und das.. das bringen wir nicht übers Herz." "Unsere Väter wollen uns auf eine Besondere Schule schicken?", fragte Percy. "Keine Schule", sagte Sally leise. "Ein Sommercamp." Warum sollten unsere Väter, die es nicht mal für nötig gehalten haben wenigstens bis zu unserer Geburt zu bleiben, mit Mom und Sally über ein blödes Sommercamp reden? Und wenn es so wichtig war, weshalb haben sie nicht schon vorher darüber geredet? "Es tut mir leid, meine Süßen", sagte Sally, als sie unsere Blicke bemerkte. "Aber ich kann nicht darüber sprechen. Ich- wir könnten euch einfach nicht dorthin schicken. Das wäre vielleicht ein Abschied für immer." Percy und ich sahen uns an, dann wieder zu Sally. "Für immer? Aber wenn es doch nur ein Sommercamp ist...", sagte Percy. Sally drehte sich zum Feuer und wir konnten sehen, das sie in Tränen ausbrechen würde, wenn wir ihr jetzt weiter Löcher in den Bauch fragen würden. In der Nach hatte ich einen ziemlich lebhaften Traum. Am Strand wütete ein Sturm und zwei wunderschöne Tiere, ein weißes Pferd und ein goldener Adler, versuchten sich in der Brandung gegenseitig umzubringen. Der Adler sauste auf das Pferd zu und zerfetzte die Schnauze mit seinen Klauen. Das Pferd bäumte sich auf und trat dem Adler in die prächtigen Schwingen. Während des Kampfes grollte es und die Erde bebte. Irgendwo im Erdinneren forderte eine Stimme die beiden auf, sich noch härter zu bekämpfen. Ich rannte auf sie zu und hatte plötzlich Percy an meiner Seite. "Wir müssen sie aufhalten! Sie dürfen nicht weiter kämpfen!", sagte er mir mit einer Stimme, die ein Echo warf. Aber wir bewegten uns wie in Zeitlupe, wir würden zu spät kommen. Ich sah den Adler wieder herabstoßen, sein spitzer Schnabel zielte auf die Augen des Pferdes und ich schrie: "Stop! Nein!" Ich fuhr ihm Bett hoch uns stieß gegen Percys Kopf. "Au! Percy, was soll das?" Als ich meine Stimme erhob, hielt er mir den Mund zu. "Sein leise! Mom schläft noch. Sag mal, was hast du denn geträumt? Du hast mich zwei mal geschlagen." Draußen stürmte es wirklich, ein Sturm von der Stärke, die Bäume entwurzelt und Häuser einstürzen lässt. "Ich hab etwas sehr seltsames geträumt", sagte ich zu Percy. "Du kamst auch darin vor. Es hat gestürmt, so wie jetzt. Und am Strand haben ein Pferd und ein Adler gekämpft." Ich schaute wieder aus dem Fenster, aber am Strand waren kein Pferd und kein Adler, es gab nur Blitze und meterhohe Wellen. Percy schaute mich komisch an und ich erzählte ihm den Rest. Und dann kam wieder etwas komisches: Percy hatte genau dasselbe geträumt, nur, das unsere Rollen vertauscht waren. Vom nächsten Donnerschlag wurde Sally wach. Sie setzte sich mit großen Augen auf und sagte: "Hurrikan." Ich wusste, dass das nicht sein konnte. So früh im Sommer gab es auf Long Island nie Hurrikane. Aber das Meer schien das vollkommen vergessen zu haben. Durch das Gebrüll des Windes hörte ich von irgendwo in der Ferne eine Grollen, ein wütendes und gequältes Geräusch, bei dem nicht nur mir die Haare zu berge standen. Und dann war da ein Geräusch, das viel näher war und so klang, als würden Holzhämmer auf den Sand schlagen. Und eine verzweifelte Stimme- jemand schrie und hämmerte an unsere Haustür. Sally sprang im Nachthemd aus dem Bett und riss den Riegel zurück. Draußen im strömenden Regen stand Grover. Aber er war... irgendwie doch nicht Grover. "Ganze Nacht gesucht", keuchte er mit tränenerstickter Stimme. "Was habt ihr euch dabei gedacht?" Sally schaute und voller entsetzen an. Nicht wegen Grover, sondern weil er überhaupt hier war. "Jungs", fragte sie und musste schreien um durch den Regen und Wind hindurch gehört zu werden, "was ist in der Schule passiert? Warum habt ihr nichts gesagt?" Ich stand wie erstarrt vor dem Bett und glotzte Grover an. Ich konnte nicht begreifen, was ich sah. "O Zeu kai alloi theoi!", schrie Grover. "Er ist gleich hinter mir. Habt ihr es ihr denn nicht erzählt?" Ich war zu erschüttert, um zu bemerken, das Grover gerade auf Altgriechisch geflucht hatte und ich das sehr gut verstand. Ich war zu erschüttert, um zu fragen, was um Himmels willen er hier mitten in der Nacht machte. Grover trug keine Hose- und dort wo seine Beine hätten sein müssen.... wo zwei Füße sein müssten... Sally schaute uns streng an und sagte in einem Tonfall, den ich noch nie zuvor bei ihr gehört hatte: "Percy und Anthea, raus damit!" Percy stammelte etwas über die alten Damen am Obststand und ich murmelte das Erlebnis mit Mrs Dodds und Sally starrte uns an. Ihr Gesicht sah im Licht von Blitzen so bleich aus wie eine Tote. Sie packte ihre Handtasche und warf uns unsere Regenjacken zu und sagte: "Zum Auto. Alle drei. Los!" Grover rannte zum Camaro- nun, er rannte nicht direkt. Er trabte, er schüttelte sein zottiges Hinterteil und plötzlich ergab die Geschichte mit den Muskelproblemen in seinen Beinen einen Sinn. Ich wusste jetzt, warum Grover und Ajax so schnell laufen konnten, und beim Gehen trotzdem hinkten. Denn dort, wo seine Füße hätten sein sollen, waren keine Füße. Dort waren gespaltene Hufe. Und noch was fiel mir auf: Wo zum Teufel war Ajax geblieben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)