undone von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 28: ------------ Undone Kapitel 28 Verdammt! Es ist viel zu früh am Morgen. Einfach nicht meine Zeit. Ich gähne herzhaft, während ich mich nochmals suchend umsehe. Irgendwo hier muss doch dieses doofe Gebäude sein. Gut, dass ich etwas früher los bin, aber ich weiß dennoch nicht, wo ich hin muss. Du arbeitest hier in dem Gebäude, aber da steht ne andere Nummer dran, als bei der Adresse, die ich bekommen habe. Häh? Wo zum Gummibärchen muss ich hin? Und da zieht es an der Leine und auf einmal spüre ich keinen Widerstand mehr. Skeptisch sehe ich nach unten. Koron ist weg! Ausgebüchst! Ey, wie kann das denn sein? Das hat mir gerade noch gefehlt! „Nicht, Koron! Komm her!“, rufe ich meinen Begleiter, doch der hat nichts Besseres zu tun als sich zwischen gepflanzten Sträuchern durch in einen kleinen Vorgarten zu flüchten. Natürlich war ich nicht schnell genug, um ihn noch zu fassen. Das kann doch alles nicht wahr sein. Für Versteckspiele habe ich keine Zeit! Und wie komme ich da jetzt rein? Scheiße! „Koron, bei Fuß?!“, versuche ich mein Glück, aber natürlich hat noch niemand dem Kleinen beigebracht, auf irgendwelche Befehle zu hören. Ich laufe an der Hecke auf und ab und versuchte zu sehen, wo sich mein Haustier befindet, aber keine Chance. Von hier aus kann ich ihn nicht sehen, auch wenn ich mich hinhocke nicht. Auf einmal werde ich angesprochen und meine Augen weiten sich geschockt. Du bist es, der mir seine Hilfe anbietet und ich bin einfach nur vollkommen überrumpelt. Mein Fluchtinstinkt steigt, auch wenn ich es zuckersüß finde, dass du mir so frei heraus deine Unterstützung zusicherst. Ich erkläre dir die Situation kurz und du nimmst dich meiner an. Wenig später habe ich den kleinen Ausreißer wieder. Dein Lächeln ist so niedlich. Ob dir das überhaupt bewusst ist? Trotzdem hoffe ich, dass du nicht mitbekommst, wer hier überhaupt vor dir steht. Unser Aufeinandertreffen hatte ich mir nämlich anders ausgemalt. Doch wie war das: Man malt sich 5000 Szenarien aus und dann trifft 5001 zu. Ich bin im Kopf noch ganz benebelt, als ich schließlich meinen Termin bei deinem großen Boss wahrnehme. Nicht gerade die besten Voraussetzungen solch einen Termin schick über die Bühne zu bekommen, aber nun weiß ich erst Recht, warum ich dich wieder bei mir haben will. Das Gespräch an sich verläuft allerdings nicht zu meiner Zufriedenheit. Floskeln über Floskeln. Durch die Blume wird mir mitgeteilt, dass er keine Vorteile davon hat, einen Mitarbeiter gehen zu lassen und dass ich für die Ausfälle nicht aufkommen könnte. Ob der denkt, dass ich wen abwerben will? Jedenfalls ist der Typ total oberflächlich, redet andauernd von irgendwelchen Bilanzen und Verdiensten und Ausfällen und irgendwann resigniere ich einfach. Ich bedanke mich für das Gespräch und verschwinde einfach. So ein Arsch, ey. Typisch Geschäftsmann! Nur auf Profit aus und das einzige, was ich mitbekommen habe ist: Er lässt niemanden aus seiner Firma gehen, denn seine Mitarbeiter sind die Goldesel, die ihn immer reicher machen. Heißt also, wenn ich dich haben will, dann brauch ich dich aus freien Stücken. Es missfällt mir, dass ich das alles nicht verkürzen kam. Heißt also, dass ich mir einen guten Plan ausdenken muss, wie ich dich ködern kann, bei mir einzusteigen. Es hätte ja auch mal alles zu meiner Zufriedenheit laufen können. Mal einfach, ohne Umwege. Tja, nur nicht in meinem Leben. Aber ein Mann wächst ja bekanntlich an seinen Herausforderungen. Bla, bla, bla. Das deprimiert mich wiederum total. ~*~*~ Mit den eher unschönen News im Gepäck melde ich mich bei meinem Informanten. Vielleicht hat der einen guten Plan B, wie ich dich doch noch auf den schnellsten Weg zu meinem Designer machen kann. Sonst fällt ihm doch auch immer etwas Brauchbares ein. „Puh! Also reicht nicht mit nen paar Scheinchen beim Big Boss zu winken?“, fasst er das Ergebnis meiner Bemühungen nochmal zusammen. „Nein!“, näsele ich. „Anscheinend nicht. Keine Ahnung was für eine Stellung er in seiner Abteilung inne hat, aber der Typ meinte, dass er ihn nicht so einfach ersetzen kann und er sieht keinen Grund, warum er mir einen seiner besten Leute überlassen sollte. Er muss schließlich ein gut laufendes Geschäft leiten. Uhw…“, ziehe ich meine unschönen Erlebnisse der letzten halben Stunde in den Dreck. Manchmal muss man eben einfach mal richtig gediegen lästern, um sich wieder besser zu fühlen. „Heißt, wir manipulieren NG?“, kommt sofort ein Vorschlag von meinem Kumpel. „Wenn du nen Plan hast wie, dann joahr… Meinen Segen hast du. Machen wir das! Geschieht diesen Sesselpupser nur recht! Hättest mal sehen sollen, wie der hinter seinem prolligen Schreibtisch saß und mich angeguckt hat. War wohl schon nen Fehler, dass ich in Lederjacke und nicht gestriegelt und gebügelt da hin gegangen bin!“ „Du im Anzug? No way!“, lacht mein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. „Du weißt, wie ich das meine. Kleider machen Leute. Mehr Schein als Sein. But back to basic: Ich hab spontan keine Idee, wie ich an Taka rankommen soll…“, teile ich meine Unzufriedenheit mit. „Ich mach mir nen paar Gedanken und halt dich dann auf dem Laufenden. Aber ich bin mir sicher, mir fällt das was Schönes ein. Ah, apropos schön: Kou kommt wieder! Glaub, der hat nen schlechtes Gewissen!“ „Wie bitte?!“ Ich blinzle. Ist heute Tag der schlechten Nachrichten oder was? „Kou ist wieder auf den Weg nach Japan. Will Taka besuchen und redete irgendwas von, es wäre besser, wenn er ein paar Tage bei ihm wäre. Hat mir jedenfalls seinen Terminplan auf’n Tisch geknallt und gemeint, ich soll schieben, was zu schieben geht und den Rest dann eben absagen. Und dann ist er arschwackelnd abgedampft!“ „Was nen Scheiß! Der soll gefälligst bleiben, wo er ist! Den kann ich aktuell nicht hier gebrauchen…“ Entnervt atme ich aus. Heißt für mich also, dass ich in den nächsten Tagen gewisse Gegenden akribisch meiden sollte. Zumindest für die Zeit, in der Kou hier ist. Manchmal entpuppt sich so eine riesige Stadt wie Tokio als eine Parkbank. Aber auf Begegnungen mit dieser gewissen Person kann ich gerade echt pfeifen. „Schick mir einfach alle Infos, die du hast. Damit ich weiß, was er plant“, beauftrage ich meinen Kumpel mit einer weiteren Aufgabe. Ich habe einfach keinen Nerv für das alles. „Du, da hab ich keine Infos. Ich nehm aber an, dass er in nem Hotel in der Nähe sein wird oder sich direkt bei Taka einnistet. Da sitzt du gerade eher an der Quelle. Ach ja, ich hab ihm gesagt, dass ich keine Ahnung habe, wo du bist. Ich glaube, er ist misstrauisch.“ „Hm…“, murre ich. „Dass aber auch nichts mal so laufen kann, wie ich es gern hätte. Danke für die Warnung. Kümmer dich erstmal um Kouyous Termine und wenn dir was wegen NG einfällt, lass es mich wissen.“ Ich hab jetzt keinen Bock mehr zu telefonieren oder mir Gedanken zu machen, wie ich mein Ziel schnell erreiche. Es nervt einfach nur tierisch, wenn einem immer wieder neue Steine in den Weg gelegt werden. ~*~*~ Muss dieser unterbelichtete Typ mich gerade jetzt anrufen? Reicht ja nicht, dass ich mich nicht mehr so hier bewegen kann, wie ich es bisher gewöhnt war. Nö, kaum habe ich mal die Chance, dich wieder zu beschatten, kommt der mir in die Quere und dann muss ich mich ihm gegenüber noch so normal wie möglich verhalten, damit er ja nichts mitbekommt. Natürlich habe ich dich direkt aus den Augen verloren. Das kann doch nicht wahr sein. Instinktiv laufe ich in die Richtung, die du sonst auch immer einschlägst, in der Hoffnung, dich wiederzufinden. Doch ich suche vergebens. Wieder einmal wünsche ich mir, dir einen Peilsender unterzuschieben. Ich weiß, wie krankhaft dieser Gedanke ist und dass ich damit eine Grenze überschreiten würde, aber es wäre bei weitem komfortabler. Ich würde immer wissen, wo du bist und könnte dieses Wissen ausnutzen. Alles wäre so viel einfacher, so weniger zeitintensiv. Nur dir wäre das bestimmt nicht recht und sicherlich würdest du mir sowas von derbe den Arsch aufreißen, wenn du es erfährst. Also lasse ich es lieber sein. Es ist schließlich so auch schon kompliziert genug zwischen uns - auch ohne weitere Fehltritte meinerseits. Es wäre fatal, wenn ich es noch schlimmer machen würde. Dessen bin ich mir deutlich bewusst. Generell weiß ich nicht, wie du reagierst, wenn du die ganze Wahrheit erfährst. ~*~*~ Scheiße, ey, diese Suche nach dir ist wie bekannte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es nervt mich immer noch total, dass Kou überhaupt wieder hier ist und sich bei dir eingenistet hat. Deswegen muss ich mich größtenteils von dir fernhalten. Mir aber auch noch dazwischen funken, wenn ich dir heimlich nachlaufen will, geht echt nicht. Der hätte dich all die Jahre doch haben können! Aber nö, er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und nun nervt er hier rum und beansprucht dich für sich. Das kotzt mich an! Der ist so ein Störenfried. Sonst hat er auch nie Zeit und kümmert sich nur um seine Celebritys oder sein Aussehen. Aber kaum versuche ich Kontakt mit dir aufzunehmen, steht der auf der Matte. Es hat Ewigkeiten gedauert, ehe ich dich wiedergefunden habe. Dort sitzt du, auf der Bank, mit deinen Einkäufen und du siehst glücklich aus. Zumindest macht es für mich den Anschein, denn ein zufriedenes Lächeln umspielt deine wunderschönen Lippen. Wie sehr ich mich doch nach ihnen sehne. Eigentlich nach dir generell. So gern möchte ich dich in den Arm nehmen, Zeit mit dir verbringen und alles nachholen. Es nervt mich an, dass dein Boss dich mir nicht einfach so überlässt, aber das dachte ich mir bereits. Trotzdem werde ich nicht aufgeben, bis du mit mir kommst. „Guck mal, Koron… Bällchen… das magst du doch so, ne?... Dann lauf, mein kleiner Freund!“, sage ich zu meinem temporären Haustier im Flüsterton und werfe den Ball in deine Richtung. Kurzzeitig tut es mir leid, dass ich dich am Bein getroffen habe, aber Koron ist schon losgestürmt. Natürlich muss ich diese Gunst der Stunde ausnutzen und dich in ein erneutes Gespräch verwickeln. ~*~*~ Das ist er also, ja? Dein neuer Lover? Der passt gar nicht zu dir! Viel zu groß. Außerdem guckt der total pissig und nen Arsch hat der auch nicht in der Hose. Eigentlich will ich gar nicht wissen, wie du zu dem gekommen bist. Aber ich kann es nicht leiden, wie er seine Hand auf deiner Hüfte hat und wie er dich ansieht. Als will er dich direkt im Fahrstuhl begatten. Ich hasse es, wie er sich zu deinem Ohr beugt und dir einen Kuss auf die Schläfe gibt. Ich hasse diesen Kerl, ohne ihn zu kennen, aber ich will nicht, dass jemand anderes dich anfasst. Vor allem will ich nicht, dass jemand anderes in den Genuss deiner Zuneigung kommt. Vor allem nicht so ein dahergelaufener Straßenköter. Seine Haare sehen voll abgefressen aus und sicherlich bringt der es im Bett gar nicht. Wobei ich es mir gar nicht vorstellen will, dass du mit ihm ins Bett gehst. So viel zu, du stehst auf Männer. Hat mir Kou ja brühwarm erzählt, obwohl ich das schon lange wusste. Nur der Kerl ist doch kein Mann, das ist eine Vogelscheuche. Leider eine Vogelscheuche, die nun mit dir in deiner Wohnung seinen Spaß haben darf. Verrecken soll er! Mir ist übel! Es fühlt sich an, als läge ein Felsbrocken in meinem Magen. Die Eifersucht frisst mich auf. Wieso ausgerechnet dieser Typ? Warum überhaupt jemand anderes als ich? Kannst du mir das mal verraten? Vehement zermartere ich mir den Kopf, wie ich das unterbinden kann. Gibt es nicht etwas, was ich tun kann, um euch zu stören? Irgendwas? Klingeln? Postbote spielen? Aber nein, das würde euch sicherlich nicht von eurem Vorhaben abbringen. Es macht mich wahnsinnig zu wissen, dass ihr euch nun küsst, anfasst, intimer werdet, während ich hier wie ein Stalker vor deiner Wohnung wie auf heißen Kohlen sitze und mir nichts einfällt, was ich tun kann. Ich will dir nichts Böses, aber eins ist mir klar: Der Typ muss weg! Egal wie! Er hat dich nicht verdient. Außer mir sollte dich keiner anfassen dürfen. Fakt! Oh, fuck! Da ist Kou!, schießt es mir durch den Kopf, als meine Augen unseren langjährigen Freund erblicken. Sofort verschwinde ich noch weiter in den Schatten des Baumes, hinter dem ich mich verstecke, um ja nicht gesehen zu werden. Aber unser toller Freund ist mal wieder zu sehr mit seinem Smartphone beschäftigt, um seine Umgebung wahrzunehmen. Wohl ein Glücksfall für mich in diesem Moment. Und das in jeglicher Hinsicht. Schließlich wird er nun zu euch nach oben kommen. Sicherlich stört er. Och, das tut mir aber leid! Nein, ich bin ganz und gar nicht gehässig. ~*~*~ Ich sehe nach unten auf die Tanzfläche. Eine sich stetig bewegende Masse, doch du stichst mal wieder heraus mit deinen blonden Haaren. Nicht, dass die Haarfarbe eine Rolle spielen würde, dich erkenne ich unter Tausenden. Aber du warst dir deiner Wirkung auf mich noch nie bewusst. Gern wäre ich jetzt dort unten bei dir zwischen all den Engeln und Teufeln, von denen du wohl der gefährlichste, aber auch der anbetungswürdigste bist. Ich verfluche alle, die so nah bei dir sein dürfen. Alles was ich tun kann ist, dich aus der Ferne zu beobachten und mich in der Anonymität der Masse zu verstecken. Wieder werde ich von einem Mädchen angesprochen, gebe ihr einen Drink aus, um nicht weiter aufzufallen. Auch mit ihr unterhalte ich mich kurz, kann mich aber nicht zusammenreißen und mein Blick sucht dich erneut. Wie sehr ich Kouyou in diesem Moment doch verabscheue. Er darf bei dir sein, er darf Zeit mit dir verbringen und er genießt deine volle Aufmerksamkeit. Sogar ein aufrichtiges Lächeln schenkst du ihm. Ich hingegen bin einfach nur enttäuscht, weil er dir nur etwas vorspielt. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie er dir noch unter die Augen treten kann. So ein Heuchler! Er war nicht da, als du jemanden gebraucht hast und doch nimmst du ihn einfach so an, machst ihm keine Vorwürfe und genießt eure unbeschwerte Zeit. Er hat es nicht verdient, dass du ihn so behandelst und in dein Herz schließt, obwohl du ihm nicht einmal halb so wichtig bist. Er hat dich zurückgelassen und heuchelt dir jetzt eine Freundschaft vor. Den Kouyou von damals gibt es schon lange nicht mehr und ich bin mir sicher, dass du ihn nur der alten Zeiten willen erträgst. Zumindest hoffe ich das für mich. Wenn du mich fragst, hat er sich bereits in der Schule von uns distanziert, als plötzlich Weiber und nur noch seine Karriere wichtig waren. Nie hatte er Zeit für uns, aber wir mussten welche für ihn haben. Er ist egoistisch und sieht nur seinen Vorteil. Das ist mit mittlerweile klar geworden. Ihn brauchst du definitiv nicht an deiner Seite. Da ist sowieso einzig und allein nur Platz für mich. ~*~*~ Das war es also, unser erstes „offizielles“ Date. Ja, Mann! Ich hab dich gelangweilt. Das hab ich doch gesehen. Wie sich deine Mundwinkel immer wieder gekräuselt haben. Deinen Missmut konntest du immer schon nur schwer verstecken. Aber was soll ich machen? Ich muss mein Geflecht aus Lügen aufrecht erhalten – dir zu Liebe. Schließlich kann ich schlecht aus dem Nähkästchen plaudern, sagen, wie mein Leben in Amerika vor sich geht, wie ich mit Kou im Meer schwimmen geh oder zusammen mit meiner Familie im Garten grille. Mein Leben ohne dich ist weitergegangen und ich muss mit Bedacht auswählen, welche Informationen ich dir zugänglich machen kann und welche nicht. Ich hoffe einfach, dass ich es bei dir nicht total verbockt habe. Das wäre wohl „the worst case“. Mir ist doch selbst aufgefallen, dass sich unser Treffen in eine völlig falsche Richtung entwickelt, aber immerhin hast du mir zugesichert, dass du mir helfen willst. Eine doofe Grundlage, um dich wiederzusehen, aber immerhin überhaupt eine Chance an dich heran zu kommen. Hätte schlimmer werden können. Immerhin bist du nicht schreiend davon gelaufen. Gut, das ist kein wirklicher Trost, aber ich muss meine nächsten Schritte sorgfältiger planen, damit ich dich nicht vergraule. Damals war das alles so viel einfacher. Zum Glück hat sich Kou wieder verpisst. Der steht mir nun wenigstens nicht mehr im Weg. ~*~*~ „Huh?“ Ich blinzle, da ich glaube, mich verguckt zu haben. Aber nein, da bist du ja wirklich und gehst in Richtung der Bahnstation. Sofort checke ich meine Uhr. Gut, deine Termine kenne ich nicht, aber dennoch interessiert es mich, wohin du gehst, zu so später Stunde. Eigentlich war ich nur zufällig mit Koron hier unterwegs, eben einfach, weil ich oft vor deiner Wohnung herumschleiche, zu deinem Fenster nach oben gucke und mir wünsche einfach neben dir auf der Couch hocken und quatschen zu können. Nun aber befinde ich mich auf einer erneuten geheimen Mission. Beinah hättest du mich erwischt, wie ich dir folge, denn du schmeißt eine Dose runter, nachdem du dir einen Kaffee aus dem Automaten gezogen hast. Ohne das in Ordnung zu bringen gehst du weiter. Anscheinend hast du es wirklich eilig. Aber ich bin so nett und hebe die Dose im Vorbeigehen auf, stecke sie in den Mülleimer und folge dir mit sicherem Abstand. An der Bahnstation angekommen nehme ich Koron auf den Arm und ziehe meine Suica aus der Tasche meiner Lederjacke. Ich knalle sie auf den Laser und schiebe mich durch die Schranke, habe heute wirklich Mühe, dich nicht zu verlieren. Aber gut, es ist Rush Hour. Viele Menschen sind hier unterwegs und strömen mir entgegen. Trotzdem schlängle ich mich durch die Leute, die in die gleiche Richtung gehen, wie du auch. Manchmal ist es mühsam so eine kleine Person im Auge zu behalten. Aber dann ist abzusehen, welche Bahn du nehmen willst. Absichtlich steige ich bei einer anderen Tür in den Wagon, grummel aber, da einfach zu viele Menschen hier sind, sodass ich dich von meiner Position aus gar nicht mehr sehen kann. Das nervt doch. Immer wieder verfolge ich den Strom der aussteigenden und einsteigenden Menschen, versuche auszumachen, ob du die Bahn verlässt. Aber das ist einfach nur kompliziert. Erst drei Stationen später kann ich durchatmen, denn du bist noch immer in der Bahn, nur hast dich nahe an der Tür in die Ecke gequetscht. Ich kann das verstehen. Bei so vielen Leuten ist Bahnfahren nicht gerade angenehm. Während ich mich in eine Position bringe, aus der ich dich beobachten kann und vor mich hin träume, entschließt du, auszusteigen. Trotzdem reagiere ich geistesgegenwärtig und schiebe mich mit anderen Menschen aus der Bahn und dann suche ich dich panisch. Zum Glück sticht dein blonder Haarschopf aus der Masse heraus und meine kleine Verfolgungsjagd geht weiter. Sie endet schließlich vor einem Restaurant vor dem du stehen bleibst. Ich beobachte dich aus sicherer Entfernung von der anderen Straßenseite aus. Der auf mich niederprasselnde Regen verkörpert perfekt meine Gefühle, als ich sehe, warum du hier bist. Du triffst dich mit deinem Freund und direkt bin ich angefressen und traurig. Ich will nicht, dass du dich mit ihm triffst, ihn datest. Bin ich dir so egal? Wir haben uns doch getroffen. Das war ein verdammtes Date! Oder nicht? War das so scheiße für dich? Bin ich gar keine Option? Stillschweigend beobachte ich, wie ihr im Restaurant verschwindet und mir wird ganz schwer ums Herz. Sehnsucht kann echt beschissen sein. „Komm, Koron, wir gehen nach Hause. Der Tag ist gelaufen…“, versuche ich mich etwas mit meinem Begleiter abzulenken, aber der Liebeskummer knabbert weiter an mir und ich kann nichts dagegen tun. Wie gern wäre ich jetzt mit dir zusammen in diesem Restaurant. Aber nein, ich bin ja auf der Business-Schiene gelandet… ~*~*~ Unfassbar, dass du mich wirklich auf eine dieser merkwürdigen Partys schleppst. Deine Hilfsbereitschaft in Ehren, aber durch meinen Informanten habe ich schon einiges mehr über diese merkwürdigen Freaks erfahren. Noch dazu ist das alles eh nur ein Vorwand, um Zeit mit dir verbringen zu können. Ein guter Vorwand, denn er zeigt Wirkung. Eigentlich habe ich schon ganz genaue Vorstellungen von dem Designer, den ich suche. Genau genommen habe ich ihn bereits gefunden, nur er scheint noch nichts davon zu wissen. Trotzdem freut es mich, dass du mehr über meine Firma wissen willst, über meinen Wohnort, über die Aufgaben der Person, die du sein wirst. Aber ich übe mich in Geduld, ertrage sogar die Gesellschaft dieser Snobs, wobei die beiden Frauen eigentlich ganz nett waren. Ich meine, die eine sogar schon mal gesehen zu haben, vor einigen Jahren. Aber ich kann voll und ganz auf meine Tarnung vertrauen. Manchmal bin sogar ich selbst geschockt, wenn ich mich im Spiegel sehe. Von meinem damaligen Selbst ist kaum etwas übrig geblieben, so sehr habe ich mich äußerlich verändert. Meine Haut ist sehr viel gebräunter als es damals der Fall war und auch meine einst blonden Haare habe ich seit geraumer Zeit dunkel gefärbt, um möglichst nichts mehr gemein zu haben mit dem Akira von damals. Noch dazu bin ich sehr viel muskulöser geworden. Während unserer Schulzeit war ich einfach nur ein Lauch. Schlacksig und nur wenig definiert. Umso mehr kommt mir das heute zu Gute. Auch der Babyspeck an meinen Wangen ist endlich weg. Der hatte mich schließlich am meisten genervt gehabt. Damit sah ich teils aus wie ein Hamster. Und außerdem bin ich um 0,5cm gewachsen! Da verteilt sich alles natürlich auch total anders… Ja, okay, augenscheinlich bin ich nicht gewachsen, was auch nicht so schlimm ist, denn du auch nicht! Nichtsdestotrotz sehe ich dir an, dass dir etwas Unbehagen bereitet. Jedenfalls wirkst du teilweise angespannt. Ich weiß nur noch nicht, was es ist, aber mein Tipp lautet: Takeru. Durch meinen kleinen Helfer in Amerika habe ich das ein oder andere über ihn in Erfahrung bringen lassen und er ist nicht gerade die Person, die ich mit dir allein lassen würde. Auch, wenn mir gerade etwas an deinem scharfsinnigen Blick nicht gefällt. Ob du etwas bemerkt hast? Bloß nicht! Ungalant lenke ich ab, was bei dir nur noch mehr Misstrauen weckt. Doch dann entscheidest du dich, dass es jetzt Zeit ist, sich mit Takeru auf einen Umtrunk zu treffen. Ich folge dir selbstverständlich. Ich werde nicht von deiner Seite weichen und diesem Kerl eine Möglichkeit geben, seine Finger an dich zu legen. Weder ihm, noch jemand anderen. Es fällt mir zunehmend schwerer gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Ich kann den Typen nicht leiden. Fraglich ist, wie du glauben kannst, ich würde mit dem klar kommen. Als schließlich dein sogenannter Lover auftaucht, muss ich mich zusammenreißen, dass selbst mir nicht die Gesichtszüge entgleisen. Was zur Hölle geht hier ab? Dieses bla bla von Takeru ist echt nicht auszuhalten. Soll er sagen, dass er den Kerl fickt! Mann, ey. Wie ich es nicht leiden kann, wenn man um den heißen Brei drum herum redet. Und ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie es dir gerade ergeht. Ich sehe regelrecht, wie etwas in dir zu Bruch geht. Auch dein Blick ist ganz komisch. In deinem Kopf arbeitet es und dann verschwindest du. Rauchen angeblich. Sofort mache ich mir furchtbare Sorgen. Da bin ich schon bei dir und kann trotzdem nichts für dich tun. Es tut mir leid. „Was hat er denn?“, fragt Takeru verwirrt nach und auch er blickt in die Richtung, in der du verschwunden bist. Anscheinend hat er echt keinen blassen Schimmer, was er dir antut. Idiot! „Augenscheinlich ein Problem mit Schlampen!“, kann ich mir einen zynischen Kommentar nicht verkneifen. „Wie bitte?“, entrüstet sich Takeru, doch ich lasse ihn eiskalt mit dem Wort „Nevermind!“ stehen. Gerade bleibt wohl nur, Schadensbegrenzung zu betreiben. Aber hey, anscheinend ist heute mein Glückstag, denn das Lover-Problem hat sich gerade von selbst gelöst. Bin ich also ohne mein Zutun einen Schritt weiter gekommen und habe freie Fahrt bei dir, auch wenn es mir Angst macht, wie ich dich jetzt vorfinden werde. Wieder habe ich es zugelassen, dass dir jemand wehtut, dabei habe ich selbst noch so viele Risse in deiner Seele zu kitten und weiß noch nicht, wie ich das anstellen soll. Sicherlich wurde es in den letzten paar Minuten nicht einfacher, an dich ran zu kommen. ~*~*~ Fuck! Fuck! Fuck! Wieso habe ich mich nur nicht unter Kontrolle? Wenn es um dich geht, verliere ich wirklich meine Nerven! Ich wollte dich nicht so überrumpeln und deine Situation auch nicht ausnutzen. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so komisch warst und ich wollte dich aufbauen, dir gut zureden, irgendwas für dich tun. Doch stattdessen habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Ja, Mann, mir ist eine Sicherung durchgebrannt, als du mich angerempelt hast. Ich bin sicher kein Heiliger, aber deinen Frust wegen solchen Lackaffen, wollte ich nicht auf mit sitzen lassen. Es hat mich gekränkt und irgendwas in mir schrie einfach danach, dass du doch eh zu mir gehörst. Trotzdem hätte ich nicht einfach handeln sollen. Was soll das auch? Dir die Augen zuhalten! Dich küssen! Und dann fast noch jegliche Selbstbeherrschung verlieren und dir vielleicht noch die Zunge in den Hals stecken? Ich musste weg – dringend. Da war ich dir jahrelang nicht mehr so nah und dann verbocke ich es total. Ich bin so ein Versager! Unseren ersten Kuss hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt und nun bebt mein ganzer Körper und schreit nach mehr. Ich bin so am Arsch… und du willst sicher nun nichts mehr mit mir zu tun haben. Das kann ich dir nicht einmal übel nehmen. Da stolpert ein Fremder in dein Leben, du bist so nett und bietest deine Hilfe an und ich raste bei der ersten Gelegenheit aus und stürze mich wie ein hungriger Zombie auf dich. Das war wieder mal eine Glanzparade. Ich weiß echt nicht, wo das noch hinführen soll. Einfach nur mal denken, bevor ich alles nur wieder verbocke! Aber der Ratschlag kommt zu spät… ~*~*~ Total gefrustet liege ich bereits im Bett und gehe immer wieder in Gedanken diesen Abend durch. Was ich hätte doch anders machen können, doch mir ist bewusst, dass ich jetzt nichts mehr ändern kann. Dein Freund entpuppt sich als Niete und ich knutsch dich ab. Du bist emotional total am Tiefpunkt und ich knutsch dich ab. Sicherlich war dir zum Heulen zu Mute und ich knutsch dich ab! Schwungvoll setze ich mich auf und knautsche mein Kopfkissen zusammen. Innerlich bin ich aufgewühlt. Mein ganzer Körper steht unter Spannung und ich weiß nicht, wie ich mich wieder einkriegen soll. Altah! Wie kann man nur so bescheuert sein? Laut murrend schlage ich auf mein Kopfkissen ein und neben mir ist Koron direkt parat und knurrt das feindliche Kissen an. Abwehrhaltung inklusive. Aber eigentlich weiß er gar nicht, was los ist, denn sein Köpfchen hebt sich recht schnell und er guckt treudoof zu mir nach oben. „Schon gut, Kleiner!“, sagte ich verständnisvoll zu ihm. Er spürt sicherlich, dass mit mir irgendwas nicht stimmt. Ich hebe ihn also hoch, stupse meine Nase gegen die meines kleinen Hundes. „Weißt du, Taka ist sauer auf mich und ich weiß nicht, wie ich das wieder hinkriegen soll, dass er mich mag“, versuche ich Koron alles zu erklären und nehme ihn dann wie ein Baby in den Arm und wiege ihn hin und her. „Die Situation ist eh schon total verfahren und dann mach ich es nur noch schlimmer. Dabei möchte ich eigentlich, dass er mich mehr als nur gern hat und mit mir nach Amerika kommt. Nur zwischen uns liegt so viel im Argen. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles klären soll!“ Kellertief seufzend lass ich mich wieder zurück auf die Matratze fallen und hebe Koron mit meinen Händen hoch, sehe ihn an. „Das alles war ganz anders geplant. So langsam… weiß ich nicht mehr weiter. Jedes Fettnäpfchen nehme ich mit. Meine Ausgangsposition ist auch nicht die Beste. Und ich kann ihn ja schlecht ne Keule über den Kopf ziehen und dann in meine Höhle verschleppen. Wir sind ja nicht bei den Neandertalern.“ So scherzhaft das auch gemeint ist, es verdeutlicht mir immer mehr, wie aussichtslos es ist, aus meiner Zwickmühle zu entkommen. Die eh schon geringen Chancen verbaue ich mir nur durch meine eigene Dummheit. Liebevoll setze ich Koron auf meiner Brust ab. Der rollt sich gleich wieder ein und zieht es vor, zu schlafen. Recht hat er. So ein sorgloses Hundeleben wünschte ich mir auch. Und wie niedlich er dabei aussieht. Instinktiv greife ich zu meinem Smartphone und mache ein Foto von ihm. Noch während ich mich im Kameramodus befinde, zeigt mir das Wunder der Technik eine einkommende Nachricht an. Ich bin erstaun, denn sie kommt von dir. Damit habe ich im Leben nicht gerechnet. Noch weniger damit, dass du dich bei mir entschuldigst. Vielleicht ist ja doch noch nicht jegliche Hoffnung verloren. ~*~*~ Es wird immer anstrengender sich um den kleinen Wirbelwind zu kümmern. Koron wird kontinuierlich aufgeweckter, was cool ist, aber eigentlich sollte er sich nicht allzu sehr an mich gewöhnen. Schließlich ist er dein Hund. Das wiederum hält mich aber nicht davon ab, ihn zu verwöhnen. Daher gönnen wir uns heute eine kleine Shoppingtour. Über die unterrichte ich dich natürlich unmittelbar, um dich wieder in einen kleinen Mailaustausch zu verwickeln. Ich mag es so, Nachrichten von dir zu bekommen. Das heißt, dass du dich für mich interessierst und mir die Tür zu deinem Leben öffnest. Du gibst mir dadurch die Chance, dich besser kennenzulernen, ein Vertrauensverhältnis zu dir aufzubauen. Das macht mich so ungemein glücklich, das glaubst du gar nicht. Doch neben dem allgemeinen Smalltalk schneidest du heute unliebsamere Themen an. Stress auf Arbeit also. Ein fast schon bösartiges Lächeln legt sich auf meine Lippen. Es tut mir ja leid, zu solchen Mitteln greifen zu müssen, aber es geht nun einmal nicht mehr anders. Ich bin da relativ schmerzfrei. Schließlich habe ich mir in den Kopf gesetzt, dich mit mir zu nehmen und ich werde nicht aufhören, bis du einwilligst. Dafür greife ich auch zu unlauteren Mitteln. Du musst schon verstehen, dass ich das für uns tue. >Danke Yuu, super Arbeit. Wie immer.<, tippe ich eine Nachricht und schicke sie ab. Es ist gut, einen so fähigen Mann an der Hand zu haben. Das wird mir immer wieder ins Gedächtnis gerufen. Zwar hat mir die Mail von ihm mit deinem Video ziemlich den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe schmerzlich realisiert, wie sehr ich dich im Stich gelassen habe, aber ich will das alles wieder gutmachen. Mit deinen Fehltritten lieferst du mir regelrecht schon neuen Nährboden für weitere Handlungen. Eigentlich müsste ich dir dankbar sein, denn ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, wie ich weiter hätte agieren sollen. Doch dann bekomme ich deinen kleinen Privatporno geschickt und schon öffnen sich mir verschlossene Türen. Früher war ich nie so eine intrigante Bitch, aber vielleicht ist das auch der Einfluss von Yuu. Seitdem ich ihn kenne, sehe ich viele Dinge anders. Aber ihm bin ich dankbar. Er unterstützt mich und er hatte immer ein offenes Ohr, wenn ich mal wieder down war. Ich hatte jemanden an meiner Seite, du nicht. Das ist doch unfair. Ich weiß, dass diese Sache schon eine Weile her ist, aber ich hätte es niemals zulassen dürfen, dass du so benutzt wirst, dass dich seelisch jemand so kaputt macht und mit dir spielt. Ich bin sicher, dass auch ich daran eine Teilschuld trage, Kou ebenso. Fakt ist, das hast du nicht verdient. Es wäre so ein leichtes gewesen, dich vor diesen Dingen zu bewahren. Kou hat einfach nicht auf dich aufgepasst und sein Versprechen mir gegenüber gebrochen. Das kann ich nicht so einfach hinnehmen. Wenn er unfähig ist, dich vor diesen Dämonen zu schützen, dann muss ich das eben selbst in die Hand nehmen. Und am besten kann ich das, wenn du dich in meiner Nähe befindet. Daher werde ich dich nicht mehr mit Samtpfoten anfassen. Ich muss es hinnehmen, dass ich dir weitere Wunden zufüge, aber ich kann sie alle versorgen, wenn wir nur wieder zusammen sind. Du gehörst zu mir und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt! ~*~*~ Wie zu erwarten war, das Schloss deiner Wohnungstür hält einfach nichts aus. Soll mir nur Recht sein. Nun sehen wir uns doch mal um, wie du so lebst. Die Tür lehne ich hinter mir an und ziehe auch sorgsam meine Schuhe aus, ehe ich durch dein Wohnzimmer streife. Nett hast du es hier. „Tja, Koron… Das hätte dein zu Hause werden können. Aber du musstest ja ausbüchsen…“ Ich schüttle meinen Kopf und widme mich dann gleich deiner CD-Sammlung. Feldforschung nenne ich das, denn ich möchte wissen, wie sich dein Geschmack so verändert hat. Es dauert nicht lange und ich sehe CDs, die eigentlich nicht zu dir passen, nicht zu dir gehören und dann sehe ich das Album auf dem mein Name steht – fein säuberlich vom Künstler darauf notiert. „Altah… du kleiner Langfinger! Und ich wundere mich, wo die abgeblieben ist. Das kannst du aber vergessen!“, rede ich mit mir selbst und klappe meine Umhängetasche auf. Und schon befindet sich meine CD wieder in meinem Besitz. Echt unglaublich. Dennoch muss ich ein wenig schmunzeln. Du hast also immer noch Sachen von mir, die du aufbewahrst. Mir wird sofort warm ums Herz. Ich wusste, dass du mich liebst und ich liebe dich auch, mehr als alles andere auf dieser Welt. Und das werde ich dir schon noch beweisen. Doch wenn du noch CDs von mir hast, dann muss es hier irgendwo sicherlich auch noch Fotos von uns geben. Mein Blick fällt auf das Sideboard und ich öffne die Tür. „Bingo…“ Du warst schon immer sehr einfach gestrickt, was deine Ordnung anbelangte. So ziehe ich ein Album heraus und stelle meine Umhängetasche erstmal neben mir ab. Sehr schnell werde ich in einem Album fündig und wie war das mit gleiches Recht für alle. Du hast meine CDs, ich klau dir deine Fotos. Also verschwinden auch einige von unseren Aufnahmen von damals in meiner Tasche. Verträumt sehe ich eines der Fotos an. Du bist so verdammt hübsch. Es ist niedlich, wie du ein duck-face machst und so tust, als würdest du schmollen. Doch dann zucke ich zusammen. Koron gibt komische Geräusche von sich und ich wirble herum, lasse die Fotos auf den Boden liegen und versuche den kleinen Störenfried auszumachen. „Was machst du da denn schon wieder?...“, frage ich in den Raum und sehe den total zerstreuten Haufen dreckiger Wäsche, in dem mein temporärer kleiner Freund freudig herumspringt und… „Eh… Das ist… anscheinend jetzt kaputt!“ Mit großen Augen sehe ich Koron nach, der ein Stück Stoff in Maul davonträgt. Wie eine Trophäe. Ich beuge mich nach unten und hebe das Shirt auf, welches die gleiche Farbe wie der Stofffetzen hat. Eh ja, da fehlt ein Stück. Bedröppelt sehe ich zu dem kleinen Kaputtmacher, der auch noch freudig darauf herumkaut. „Och, Koron, du kannst doch hier nicht einfach alles kaputt machen! Und nun?“ Ich seufze entnervt. Einfach liegen lassen kann ich das Ding ja schlecht. Also so war das nun echt nicht geplant. Manno. „Okay, dann nehm ich das auch noch mit… Vielleicht kann man das noch retten!“, resigniere ich und entwende Koron, ganz zu seinem Missfallen, das Stück Stoff und stopfe alles in meine Umhängetasche, die ich schließlich auf der Couch parke. Und da sehe ich noch etwas, was mir gehört: Mein Feuerzeug. Ich nehme es in die Hand und klappe den Deckel auf. Dann entzünde ich es und schmunzle. Hach ja, die guten alten Erinnerungen. Doch das Feuerzeug lege ich wieder zurück. Ich rauche nicht mehr, habe also auch keine Verwendung mehr dafür und ich will dir schließlich nicht alles nehmen, was die Erinnerung an mich am Leben hält. Schließlich flaniere ich weiter durch deine Wohnung, sehe mich hier und da um und mache mir in der Küche etwas zu trinken. Während ich meinen Kaffee so schlürfe, fällt mir deine Tasse auf. Irgendwie ist das so kitschig, dass es schon wieder süß ist. Und wenn ich mich hier so umgucke, ja, ich würde total gern mit dir hier wohnen. Da könnten wir zusammen frühstücken, nachdem wir am Morgen in deinem Bett die Laken zerwühlt haben. Oder abends zusammen auf der Couch sitzen, die Füße auf dem Tisch und ich lege einen Arm um dich. Das wäre schön. Jeder noch so banale Moment mit dir wäre schön. Endlich hätte alles wieder einen Sinn. Verträumt dreinblickend lehne ich meinen Kopf an den Türrahmen deiner Küche und seufze leise vor mich hin. Hoffentlich kannst du mir vergeben, dass ich dir so einen Schrecken einjage, aber es ist nur zu deinem Besten. Hastig leere ich meine Tasse, wasche sie dann aber ab und deine ebenfalls. Ich will dir nicht mehr Mühe machen als eh schon. Ich glaube sowieso, dass du andere Dinge im Kopf haben wirst, wenn du nach Hause kommst. Sorry… Trotzdem muss ich eine Sache noch erledigen. Daher gehe ich zum Ende des Flures und betrete dein Badezimmer. Okay, ich gestehe, während meiner Zeit in Amiland habe ich doch mehr Gruselfilme geguckt, als eigentlich gut für mich wäre. Daher stammen wohl auch meine verqueren Gedanken. So, hier muss doch auch irgendwas sein, was ich für meinen kleinen, perfiden Plan benutzen kann. Und dann fällt mein Blick auf deinen roten Lipgloss. Okay, nicht der stilechte rote Lippenstift, aber ich will mal nicht so sein. Ich schnappe mir also meinen „Stift“ und schmeiße ausversehen mit dem Ärmel deine Zahnpasta auf den Boden. Das ist wieder so typisch für mich. Aber ich habe erst meine Mission zu erfüllen. Kommen wir also vorerst zu meiner kleinen Message – nur für dich. Recht akkurat male ich die Worte „KILL MY PAST“ in Großbuchstaben an deinen Spiegel. Hier und da muss ich nochmal nachmalen, da alles nicht so deutlich zu lesen ist, wie ich es gern hätte. Aber als ich fertig bin, ist es perfekt und dein Lipgloss so ziemlich leer. Ups. Na ja, keine Zeit für Reue. Dann kauf ich dir eben später einen neuen. Wird schon nicht so schlimm sein. Gerade sehe ich mir nochmal mein Kunstwerk an, als ich schon wieder knurrende Geräusche höre und instinktiv sehe ich nach unten. „Oh Gott, bist du wahnsinnig? Du kannst hier doch nicht… Na ja, kannst du anscheinend schon, aber… Nun lass doch mal die Zahnpasta los!“, sage ich zu Koron, der wohl gerade seinen Todeskampf mit der weißen Tube ausfechtet. Seufzend hebe ich also den kleinen Hund auf meinen Arm und schüttle meinen Kopf. „Du bist ein kleiner Kaputtmacher! Echt mal! Muss ich dich auch noch erziehen?“, schimpfe ich Koron halbherzig. Beiläufig leg ich den Lipgloss auf den Waschbeckenrand ab und verlasse mit meinem Komplizen dein Badezimmer. Schließlich habe ich alles erledigt, was ich erledigen wollte und es ist besser, wenn ich hier verschwinde, bevor du von der Arbeit zurück kommst. Nur weil du beabsichtigst, länger zu arbeiten, heißt das noch lange nicht, dass es auch wirklich so ist. Auf dem Weg nach draußen schnappe ich mir noch meine Tasche und ziehe meine Schuhe wieder an. Deine Wohnungstür aber lehne ich nur an. Du sollst gleich sehen, was hier Sache ist. Ein bisschen stolz bin ich auf meinen kleinen, fiesen Plan, auch wenn ich dich eigentlich lieber in den Arm nehmen möchte, um dir zu sagen, dass alles gut wird. ~*~*~ >Wie sieht’s aus? Du und ich? Heute? Bei mir?< Wieder und wieder lese ich die Nachricht, die ich von dir vor ein paar Minuten bekommen habe. Ich schlucke, aber meine Kehle ist trocken. Geht es nur mir so, oder lese ich da etwas zwischen den Zeilen? Hatten wir uns eben nicht noch darüber ausgetauscht, wie niedlich Koron doch ist? Und jetzt kommt aus dem nichts DAS?! Soll ich lachen oder weinen? In meinem Kopf jedenfalls läuft gerade ein Porno ab – du in der Hauptrolle. >Klar, bin 20 Uhr da<, tippen meine Finger wie von selbst. Vielleicht will er sich auch nur so treffen? Trotzdem kann ich nicht unterdrücken, dass ich gerade wie ein Schulmädchen fühle, dass von ihrem Schwarm angelächelt wurde. Scheiße, was machst du nur mit mir? Und was mache ich, wenn… wenn du wirklich DAS willst? ~*~*~ Dein Atem geht gleichmäßig. Du bist direkt eingeschlafen. Selbst wenn es nicht sehr bequem aussieht, wie du daliegst. Aber du scheinst zufrieden zu sein. Hätte ich gewusst, wie schön es mit dir ist, hätte ich niemals deinen Wunsch akzeptiert. Ich hätte mich über dich hinweg gesetzt und dich einfach für mich beansprucht. Das hätte uns so viel erspart. Zärtlich lasse ich meine Fingerspitzen über deine Hüfte tänzeln. Es ist so schön dich bei mir zu haben, so schön dir zuzusehen, wie du schläfst. Mein Herz rast und ich weiß genau, dass ich dich nicht wieder hergeben werde. Du gehörst einfach zu mir und ich werde alles dafür tun, dich bei mir zu behalten. Wäre ich da gewesen, hätte ich es niemals zugelassen, dass dir jemand schadet oder leid zufügt. Ich hätte immer auf dich aufgepasst und wär für dich da gewesen. Jede einzelne Träne hätte ich getrocknet. Von jetzt an wird sich alles ändern. Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich dich liebe. Von Tag zu Tag mehr, seit du mir trotzig vorgeworfen hast, dir Kouyou wegzunehmen. Lächelnd beuge ich mich zu deinem Ohr. „Du und ich, für immer… versprochen, Taka-chan…“, wispere ich leise und komme nicht drum herum, dir noch einen Kuss auf die Wange zu geben. Ich fühle mich wie in Watte gepackt. Alles ist so unwirklich und doch liegen wir nackt in deinem Bett. Am liebsten würde ich noch länger hier bleiben, dir einfach nur zusehen und es genießen, bei dir zu sein, aber die Nacht ist bereits vorangeschritten und ich weiß, dass heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, dir nach dem Aufwachen gegenüber zu treten. Ich eise mich los von meiner schlafenden Schönheit und ziehe mich wieder an. Bitte sei einfach nicht so enttäuscht, wenn ich morgen früh nicht bei dir bin. Gern wäre ich es, aber die Vernunft spricht eine andere Sprache. Trotzdem hinterlasse ich dir noch eine kurze Notiz. Wieder eine dieser Notlügen. Vernünftig sein ist doof, besonders, wenn mein innigster Wunsch deswegen hinten anstehen muss. Wenn du aber mit mir kommst, sage ich dir alles, offenbare ich dir alles und dann können wir beide endlich zusammen glücklich sein. Nur nicht heute, nicht hier und nicht jetzt, denn ich weiß, dass du mich von dir stoßen würdest, wenn ich diese Sache nicht mit genügend Feingefühl angehe. ~*~*~ Verwirrt sehe ich mein Handy an, da es klingelt. Aber außer Yuu und dir hat niemand diese Nummer und dein Name wird definitiv nicht angezeigt. Kurzzeitig werde ich nervös, entscheide mich aber trotz aller Bedenken, ranzugehen. „Die Katze ist im Sack!“, vernehme ich die amüsierte Stimme von Yuu und sofort beruhigt sich mein Herzschlag wieder. Muss der mir so einen Schrecken mit seinem Anruf einjagen? „Eh… Was bitte?“, frage ich nach, denn ich verstehe nicht, was er von mir will. „Der Adler ist gelandet!“, versucht er es weiter. „Was für ein Adler?“ So langsam wird mir das zu blöd. „Der Vogel ist im Nest?... Och, Mensch, Akira!“, beschwert er sich. „Bilde dich in Geheimagentensprache!“, schimpft er mich und über meinem Kopf schweben noch immer tausend Fragezeichen. Ich verstehe wirklich nicht, was er von mir will. „Big News! Soeben ist die Bewerbung von Taka-chan rein geflattert! Congratulations!“, formuliert er es nun so, dass auch ich als Nullchecker, endlich verstehe, was er von mir will. Direkt klappt mir der Mund auf. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. „Echt jetzt?“, frage ich ungläubig nach und er lacht nur. „Ja, echt jetzt. Ich dachte, ich ruf dich gleich an, weil dich das interessieren dürfte. Ich würde sagen, unser Plan ist aufgegangen, hn?“ Auch Yuu klingt regelrecht zufrieden und ich kann es mir nicht verkneifen zu sagen: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“ „Mein Plan!“, wirft mein Gesprächspartner ein. „Ja, Mann, dein Plan. Aber mir egal, so lange ich kriege, was ich will! Nimm an! Sofort!“, will ich alles in trockenen Tüchern wissen. Scheiße. Das ist die beste Nachricht, die man mir hätte überbringen können. Du willst mit nach Amerika! Endlich werden wir wieder zusammen sein – ein Herz und eine Seele! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)