undone von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Undone Kapitel 17 Träume? Soweit zurück wie sich Takanori erinnern könnte, waren seine Wunschvorstellungen immer recht simpel. Als er klein war, wollte er, dass seine Mama für immer bei ihm blieb. Später, als er auf eigenen Beinen sein Umfeld erkundete und das Lernen für sich entdeckte, war das Erringen von Wissen sein größter Wunsch. Es folgte der Wunsch nach Anerkennung, als er häufiger in Kontakt mit anderen Menschen kam. Schließlich wurden seine Träume durchzogen von vielerlei Sehnsüchten. Emotionale Bindungen, Erlebnisse, Besitztümer. Nie aber fesselte ihn etwas so sehr wie die Fantasievorstellung Akira nah bei sich zu wissen. Dieses Hirngespinst hatte sich langsam eingeschlichen und sich schließlich wie ein Parasit bei ihm eingenistet. Nicht nur von seinem Kopf, sondern auch von seinen Organen und seiner Seele Besitz ergriffen und alles andere war nichtig geworden. Diese Illusion hatte ihn voll in der Hand und bestimmte sein Tun, Denken und Handeln. Von seinen unbedeutenden Träumen seiner Kindheit, in denen zählte, wann er neue Buntstifte bekam, war nichts mehr übrig geblieben. Jeder Ansatz seines Denkens führte über Umwege doch wieder zu dem Ziel, Akira an seiner Seite zu behalten, ihn komplett für sich zu vereinnahmen. Vielleicht war er schon zu fanatisch und ertrank in dieser Utopie, die schließlich jäh in Fetzen gerissen wurde durch das Ableben seines Lieblingsmenschen. Mit diesem Hintergrund hatte die Bedeutung der „Fantasievorstellung“ ganz andere Farben angenommen. Sein Traum blieb unerfüllt, egal wie sehr er sich bemühte, egal wie sehr er wünschte, betete, hoffte. Ausgeträumt. Doch sein Verstand hatte es in all den Jahren nicht vermocht, Besitz über seinen Kopf, seine Organe und seine Seele zu ergreifen. Seine kleinen Träume von damals, die sich wandelten und durch größere Träume ersetzt wurden, hatten ihren Abschluss in der Selbsttäuschung „Akira“ gefunden. Und alles blieb unverändert. Danach kam nichts. Danach kam kein anderer, größerer Traum, der ihn je wieder so motiviert hatte und vermochte, von jeder Faser seines Körpers Besitz zu ergriffen. Und nun sagte man ihm, dass er aus eigener Kraft aus dieser Sackgasse kommen sollte? Wie vermessen! Takanori seufzte wiederum, als er zum wohl tausendsten Mal die krakeligen Worte schwarz auf weiß vor sich sah. Dieser blöde Brief! Sein Verstand schlug Purzelbäume. Endlich war jemand auf seiner Seite und es gab wieder Hoffnung, Takanori aus diesem Dilemma zu befreien. Doch Takanoris Herz war schwer. Ungestillte Sehnsucht gefolgt von Reue. Er wusste nicht, wie viele Chancen er hatte vorbeiziehen lassen. Die Wege der Vergangenheit waren wie das Geäst eines großen Baumes. Es gab Abzweigungen und Abbiegungen und je nachdem wie man sich entschied, führte einem der Weg weiter, verzweigte sich noch mehr und trug vielleicht sogar Blüten. Und das wiederum galt für alle Ebenen seines irdischen Lebens. Familie, Arbeit, Freunde. Sicherlich hatte irgend so ein Schwachmat einfach den Ast mit der Aufschrift „Akira“ böswillig abgeschnitten und ihm dadurch die Chance genommen, weiter zu wachsen, gar zu sprießen. „Ist doch alles Blödsinn!“, schimpfte Takanori und setzte sich schwungvoll auf. Es brachte nichts, den gesamten Vormittag auf der Couch zu liegen und über das Leben zu philosophieren. Vor allem nicht, über ungenutzte Chancen oder Dinge, die er nicht rückgängig machen konnte. Akira war weg und die Chance auf ein Happy End ebenso. Missmutig krallte sich Taka den Zettel, zerknüllte ihn und beförderte ihn entlang der kürzesten Flugbahn Richtung Mülleimer. Natürlich prallte die Papierkugel am Rand ab und blieb auf dem Boden liegen. „Ich weiß! Nichts läuft!“, sah er auch diesen Zufall als einen Wink des Schicksals. Er musste unbedingt raus und auf andere Gedanken kommen. Daher packte er kurzerhand das Nötigste. Diese miese Laune musste bis morgen verschwunden sein! ~*~ Der nächste Tag kam schneller als erwartet und schon nach dem Aufstehen machte sich dieses flaue Gefühl in Takas Magen breit. Er hatte doch einen Freund und er würde zu einem Date mit jemand anderem gehen. Damit war auch er nur einer dieser miesen Betrüger, der nur auf die Chance wartete, einen besseren Fang abzubekommen. Manchmal glaubte Takanori wirklich, dass er zu verklemmt war oder vielleicht auch einfach nur zu gut erzogen. Zu ehrlich? Die Zweifel über Untreue wichen, als der kleine Blonde die Tür seines begehbaren Kleiderschranks öffnete. Unmittelbar wurden sie durch Panik ersetzt. Alles wurde nicht besser, als er sich ins Gedächtnis rief, dass der Kerl, mit dem er sich heute treffen würde, etwas mit Mode am Hut hatte. Daher griff die Berufskrankheit und er würde garantiert von oben bis unten gemustert werden. Wertung inklusive. Keine Fehltritte! Bloß nicht! Sonst war er doch gleich wieder abgeschrieben. Da zählten auch innere Werte nichts mehr. Nicht, dass er wusste, ob es überhaupt Hoffnung auf mehr gab. Oder ob der Typ Interesse am eigenen Geschlecht hatte. Eigentlich wusste er nichts und das machte alles um ein Vielfaches schlimmer. Wenn das denn möglich war. „Atmen, Taka, atmen!“, redete sich der Designer gut zu, da er in Stresssituationen nicht selten den Kopf verlor. Dazu patschte er sich mit beiden Händen gegen die Wangen. „Schwarz! Schwarz geht immer!“, war der erste Gedanke und er griff zu einem längeren Shirt ohne Ärmel. Doch dann stutzte er. Besser nicht. Seine schwabbeligen Puddingärmchen wollte keiner sehen. Zu viel Haut zeigen beim ersten Date war unangebracht. Fehler retuschieren und den anderen nicht darauf aufmerksam machen. So war das doch. Ein Pullover. Genau. In Schwarz. …als würde er trauern! Okay, doch besser kein schwarz. Nicht, wenn er sich eh schon für Boots und seine dunkle Jeans entschieden hatte. Also sein weißer Pulli! Nein, das ging auch nicht. Hatte er den nicht erst neulich an, als sie sich gesehen hatten? Das war doch auch so eine ungeschriebene Regel: keine Klamotten zweimal anziehen bei einem Treffen. „Also doch schwarz…“, resignierte Taka und zog einen Hoodie heraus, den er an der Taille schnüren konnte. Er hielt inne. Schnüren… Taille?... Die Schnürung hing bei ihm sonstwo, da er so klein war. Taka sah zweifelnd drein und besah sich all seine Sachen, die vor ihm fein säuberlich auf einer Stange hingen. Wenn er ehrlich war, dann machte es doch eh den Anschein, als würde er eine Wegbeschreibung zum Ausgang für all seine Klamotten benötigen. Die meisten schlackerten an ihm herum. Erstens, weil sie Einheitsgröße hatten und zweitens, weil er es selbst lieber mochte, wenn die Sachen weiter waren und seinen Körper leger umspielten. Würden sie eng anliegen, sah man schließlich erst recht, wie mickrig er geraten war. Allerdings war das wiederum keine gute Grundlage, wenn man jemanden beeindrucken wollte. „Okay, scheiß drauf! Dann eben ablenken!“, redete er sich wieder Mut zu. Haare und Make-up. Wenn das gut wurde, dann guckte doch keiner mehr auf seine ollen Klamotten. Auch kein Modetyp. Nicht wenn er eigentlich Interesse an dem Mann dahinter hatte. Was ja hoffentlich der Fall war. Wenn nicht, dann würde er auch nicht wissen was er tun sollte. Doch möglicherweise verrannte er sich gerade in irgendwas. Wieso musste er nur immer an sich selbst zweifeln und sich damit noch dazu im Wege stehen? Boahr, das kotzte ihn selbst ja schon an. „Chill mal, Junge!“, flüsterte er leise vor sich hin und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. ~*~ Es war, wie es nun einmal war: Takanori konnte nicht aus seiner Haut. Geschweige denn, dass er es schaffte, seine negativ belasteten Gedanken unter Kontrolle zu bekommen oder seine Hoffnungen runter zu schrauben. Hätte er gewusst, was dieser lapidare Vorschlag des Kaffeetrinkens bei ihm auslöste, hätte er ihn wohl nie gemacht. Nun aber war es zu spät. Er saß auf der Couch, gebürstet und gestriegelt. Mehr ging einfach nicht. Wenn das nicht genügte, dann sollte er einen Haken an Akira Suzuki machen. War nicht so, dass er keine Alternative hatte. Klar, war er mit Kloe zusammen, jedoch vermochte dieser nicht im Geringsten ihn so nervös zu machen, wie sein neuer Bekannter. Nicht Bekannter. Unbekannter. Genau, Mister Unbekannt. Der machte ihn sogar wuschig, wenn er noch gar nicht hier war. Doch genau das änderte sich gerade in diesem Moment und der junge Japaner zuckte heftig zusammen, als seine Türklingel ertönte. Sofort schnippte er auf, krallte sich seine Umhängetasche vom Tisch und stürmte zur Tür. Sogar seine Schuhe hatte er, ganz untypisch, bereits angezogen und war damit in seiner Wohnung herumgelaufen. All das war seiner zügellosen Nervosität zu danken. An der Tür rutschte ihm erstmal der Hörer der Gegensprechanlage aus der Hand, sodass er diesen umständlich am Kabel wieder nach oben ziehen musste. „Komm runter!“, japste er hektisch in den Hörer, den er wieder in die Halterung knallte. Takanori drehte sich herum, um seinen Schlüssel noch aus dem Schloss zu ziehen und dann war er schon auf dem Weg nach unten, wenn der Fahrstuhl nicht so lange auf sich warten lassen würde. Ungeduldig trat er vor diesem von einem Fuß auf den anderen, bis sich endlich die Tür vor seiner Nase öffnete. Routiniert drückte er den Knopf mit der Aufschrift EG und hämmerte dann wie ein Blöder auf den Knopf darunter ein. Diese doofe Tür sollte sich schließen und ihn endlich nach unten bringen. Prüfend warf er noch einen Blick in den Spiegel an der Rückwand der kleinen Kabine, zupfte hier und da seine Haare zurecht. Unweigerlich musste er an eine Szene aus einer Serie denken. Der Schauspieler hatte sich dabei über den Daumen geleckt und anschließend seine Augenbrauen in Form gebracht. Taka wechselte einen fragenden Blick mit seinem Spiegelbild und tat diese Idee als Absurdum ab. Da öffnete sich eh mit einem leisen Bling ratternd die Fahrstuhltür und er trat nach draußen. Lange musste er nicht nach seiner Verabredung suchen, denn Akira stand ihm unmittelbar gegenüber und sah mal wieder zum Niederknien gut aus. Diese Baggys in Kombination mit den Boots machten ihn wirklich fertig. Vor allem da sie so tief hingen. Und die breite Gürtelschnalle betonte noch dazu seine Lendengegend. Eindeutige Signale für ihn. Für ihn, als Kerl, der auf Kerle steht. „Hey, musstest du lange warten?“, ging Takanori direkt zum Angriff über und vernahm das dunkle Lachen des anderen, welches von dem schwarzen Mundschutz, den er trug, abgedämpft wurde. „Du meinst die Frage ernst, oder?“, erwiderte sein Gegenüber. So recht verstand er das jedoch nicht. „Man könnte meinen, dass du nur drauf gewartet hast, abgeholt zu werden. Bin ich vielleicht zu spät?“, fragte der Größere mit einer Vertrautheit nach, als würden sie sich bereits Jahre kennen. Ein wenig ertappt fühlte sich Takanori daraufhin schon. „Ach was, ich war nur schneller im Bad fertig als erwartet. Für einen Kaffee muss man sich ja nicht so aufbrezeln…“ Er war so erbärmlich im Lügen. Noch peinlicher war es, wenn er sich ins Gedächtnis rief, wie oft er sich seinen Lidstrich neu nachgezogen hatte, weil der ihm nicht gefallen hatte. „Dafür siehst du aber aus wie frisch aus dem Ei gepellt…“ Ob Akira wusste, was er mit solchen Komplimenten bei ihm anstellte? „Ach was.“ Takanori winkte ab. „Aber wo hast du denn Koron gelassen? Ist er heute gar nicht mit?“, wollte er lieber zu einem weniger verfänglichen Thema wechseln, während sie ihren Weg nach draußen antraten. „Nein. Ich dachte, in Cafés ist er vielleicht nicht so gern gesehen. Daher hab ich ihn bei einem Bekannten gelassen. Ich hab aber gemeint, dass er mich kontaktieren kann, falls er mit dem Kleinen nicht klar kommt.“ „So ist das. Schade. Der Kleine ist schon herzallerliebst. Mit seinen kleinen Pfoten und der spitzen Nase. Außerdem macht er einen sehr aufgeweckten Eindruck.“ Zumindest das hatte Taka bei den letzten, ungeplanten Treffen so mitbekommen. „Viel zu aufgeweckt. Er lässt mich nachts kaum mehr schlafen. Andauernd legt er sich auf mein Gesicht. Das macht das Atmen nicht einfacher“, beschwerte sich der Größere und Takanori musste lachen. Er himmelte seinen Nebenmann regelrecht an. Tierlieb war er auch noch und die Vorstellung war zu herzerwärmend, wie die beiden in einem Bett lagen und Koron Akira voll unter Kontrolle hatte. Jedenfalls in seinem Kopf malte er sich das Bild untermalt mit Herzchen aus. „Ach komm. Das ist schon süß. Er meint das sicherlich nicht böse und will nur bei dir sein.“ „Daran zweifle ich noch. Vielleicht will er mich töten um an das Erbe ranzukommen.“ Wieder ließ Akira sein dunkles Lachen verlauten. „Gibt’s da denn so viel zu erben?“ Unangebrachte Frage. Aber immerhin scherzten sie bereits miteinander. Das beruhigte Taka ziemlich und seine Aufregung war koplett verflogen. „Och, das ein oder andere Motorrad. Der Mustang…“, dachte Akira nach und Taka klappte der Mund auf. Okay, das war definitiv heiß, wenn er sich diesen Typen auf einem Motorrad vorstellte. Gab es an diesem Kerl auch noch einen Haken? „Davon musst du mir unbedingt mehr erzählen. Aber lass erstmal rein gehen!“ Mittlerweile waren sie an dem Café angelangt, welches Takanori sich für ihr Date ausgesucht hatte. Es war nun nicht so, dass er diesen Ort besonders mochte oder ihn irgendwelche Erinnerungen hier her trieben, aber es bot sich aufgrund der Nähe zu seinem zu Hause an, den einen oder anderen Kaffee hier zu trinken. Drin steuerte der kleine Blonde die hintere, abgelegene Ecke an, in der sich ein paar Sitzplätze befanden, bei denen man ungestört war, da man sie auch nicht vom Eingang aus sehen konnte. Glücklicherweise waren zwei Plätze mit Sesseln frei und das Mädchen mit ihrem Laptop unweit von diesem Platz störte nicht weiter. Anscheinend lernte sie gerade eh für die Schule. Taka nahm seine Umhängetasche ab und ließ sie auf den Boden sinken, während sein Gegenüber nur seine Lederjacke auszog und diese über die Lehne schmiss. „Ich empfehle den Karamell-Latte. Der Ist echt gut. Heiß und auch kalt…“, blubberte der Kleinere, während er sich langsam hinsetzte. Bloß keine unüberlegten Bewegungen. Aus Erfahrung wusste er, dass er dazu neigte, schnell Sachen runter zu schmeißen. Und auf dem Tisch lagen doch ein paar Karten verstreut. „Bist du denn öfters hier?“, fragte Akira schließlich nach und zog damit wieder Takanoris Blick auf sich. Mit dem schlichten schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt, sah Akira gleich noch attraktiver aus. Taka konnte sich einfach nicht helfen. Es fiel ihm auch schwer seinen Blick von ihm zu nehmen. Jetzt, wo die Lederjacke weg war, konnte er auch endlich seine Figur besser ausmachen und die breiten Schultern, die wie ein spitzes V nach unten zu seinen Hüften… „Eh….“ Da war ja noch eine Frage. „Ja, schon. Einmal pro Woche sicherlich. Aber alleine. Und meist dann auch to go.“ Besser keine falschen Äußerungen fallen lassen. Nicht, dass sein Date noch dachte, er war Dauergast mit irgendwelchen Kerlen und das Ganze endete dann in einem billigen Hotel. „Verstehe. Ohne Kaffee geht es nicht, hn?“, mutmaßte der Braunhaarige und verschränkte seine Finger auf dem Tisch miteinander. Taka wusste nicht, warum sein Blick ausgerechnet auf Akiras Hände fiel, aber sie erinnerte ihn an etwas. Doch noch bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, trat die Bedienung zu ihnen heran und unterbrach sie. „Habt ihr euch schon entschieden?“, fragte das junge Mädchen in der rosa Schürze und lächelte die beiden an. „Für mich dann bitte den Karamell-Latte heiß und in groß“, gab Taka seine Bestellung auf und ebenso wie die Bedienung blickte er zu dem anderen. „Für mich erstmal nichts. Danke.“ Die Bedienung nickte, vermerkte, dass sie zwei Gläser Wasser bereitstellen würde und verschwand vorerst mit einem Hinweis, dass sie kurz warten sollten. „Du möchtest nichts?“, stutzte Takanori dann aber schon. Ob es an ihm lag und seine Begleitung einfach nur schnell wieder weg wollte? „Passt schon. Mit dem Ding kann man nicht so gut trinken.“ Akira deutete auf seinen Mundschutz. „Bist du krank? Du kannst ihn ruhig auch abnehmen. So schlecht sind meine Abwehrkräfte nicht“, bot der kleine Blonde an, doch er konnte an Akiras Augen erkennen, dass ihn das amüsierte. „Nein, daran liegt es nicht.“ Es war nur zu leicht zu erkennen, dass sich Taka nun aber auch eine Erklärung wünschte. Allein sein skeptischer Blick verriet das. So beugte sich Akira etwas weiter vor und deutete auch seinem Gegenüber an, dass der etwas näher zu ihm herankommen sollte. Dieser stummen Geste folgte der Kleinere sofort. „Weißt du, es darf keiner wissen, aber… ich arbeite Undercover“, folgte die Erklärung und Takanoris Augenbraue wanderte nach oben. Das war der Grund? „Nicht dein ernst!“, machte er seinem Unglauben Luft und lehnte sich zurück. Seine Hände verschränkte er im Schoß, während er den Witzbold eindringlich musterte. Der verarschte ihn doch! „Undercover?“, hakte er dann aber doch nochmal nach. „Pscht! Nicht so laut! Du weißt doch, alles top secret!“, sagte Akira verschwörerisch und blieb bei seiner Version. Taka aber schüttelte seinen Kopf. „Wer soll dir das bitte abnehmen? Guck dich an! Dein Erscheinungsbild eignet sich nicht gerade für Undercover. Das schreit eher nach „Hier! Guckt mich an!“. Also?“, forderte Takanori die Wahrheit ein. Ein wenig verstimmt verschränkte der Designer nun seine Arme vor der Brust. Er wollte sich nicht verschaukeln lassen. Die Lügen, die er bereits in der Modebranche gehört hatte, reichten aus. Sowas brauchte er nicht privat auch noch. Akiras Blick aber ging zur Bedienung, die den bestellten Kaffee sowie zwei Gläser Wasser brachte. So lange die Frau in Hörweite war, äußerte er sich nicht. Schließlich räusperte er sich, um ihr Gespräch wieder aufzunehmen. Die Abwehrhaltung des Designers war nicht zu übersehen. „Okay, erwischt. Es gibt nen anderen Grund.“ Akira lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. „Geht aber trotzdem drum, dass mich keiner erkennen soll. In Amerika bin ich kein unbeschriebenes Blatt und da muss ich immer vorsichtig sein, wenn ich auf die Straße gehe. Ich weiß nicht, in wie weit ich mich hier frei in der Öffentlichkeit bewegen kann. Ich hab dir ja gesagt, dass ich beruflich in Japan bin.“ Takanori starrte sein Date in die Augen, doch er konnte keinen Funken Unsicherheit darin erkennen. Also log er nicht. Taka ließ seine Arme wieder sinken, nickte leicht. Noch dazu war er ihm auch keine Rechenschaft schuldig. Das musste er sich auch vor Augen führen. „Na, okay. Ich denke, sowas kann schon unangenehm sein. Aber dann hätten wir auch woanders hingehen können.“ Natürlich wollte er, dass sich Akira wohl fühlte und nun saßen sie hier unter solchen Umständen. „Ach was. Mach dir keinen Kopf. Ich mag Kaffee eigentlich auch ganz gern.“ „Sollen wir vielleicht einen Strohhalm organisieren?“, schlug Takanori vor. Doch wieder vernahm er nur das leise Lachen des anderen. Das hörte sich aber auch so angenehm in seinen Ohren an. „Ich mag deine Art zu denken. So lösungsorientiert!“ Sofort musste der Blonde grinsen und beugte sich nach vorn zu seinem Kaffee. „Ich will nur nicht, dass du dir das entgehen lässt…“, versuchte er sich am Flirten. „Das schätze ich sehr. Ich passe dennoch. Der Stress bei meiner Suche hat sich leider etwas auf meinen Magen gelegt“, wies Akira das Angebot jedoch zurück, woraufhin Taka seinen Kopf schief legte. „Läuft nicht?“, erkundigte er sich, hob seine Tasse nun aber mit beiden Händen an und nippte an seinem Heißgetränk. Akira legte seinen Arm über die Lehne des Sessels und schüttelte seinen Kopf. „Nein. Das Gespräch lief nicht so berauschend bei NG. Das hatte ich ja schon erwähnt. Und bei den anderen Firmen, bei denen ich angefragt habe, hieß es entweder direkt, dass sie kein Interesse oder keine Ressourcen haben. Ich nehme aber mal eher an, dass die Schiss vorm Ausland haben.“ Der scharfe Tonfall seines Gegenübers entging auch Taka nicht. „Meinst du?“, warf er daher ein. „Ich denke schon. Die glauben, die Arbeitsweise ist total anders und dann noch das Hindernis der Fremdsprachen. Uhw, sie könnten ja über den Tisch gezogen werden. Was mich am meisten ankotzt ist, dass die nicht Tacheles reden, sondern immer nur herumdrucksen“, machte sich der Größere einmal Luft. Das imponierte Takanori dann doch. Nur selten traf man jemanden, der einem seine ehrliche Meinung sagte. Das wiederum schätzte der junge Japaner. Da wusste man zumindest, woran man war. „Vielleicht hast du wirklich Recht. NG ist auch so. Wenig Risiko und alles nur zum Wohle der Firma. Dabei denkt man, dass gerade in der Modebranche alles anders sein sollte. Die erfolgreichsten Designer kommen schließlich aus Europa. Da möchte man meinen, dass da einiges rüber schwappt.“ „Ist nur leider nicht so. Alle sind viel zu reserviert hier und riskieren nichts. Das ist echt deprimierend. Aber ich will dich auch nicht mit dem Business nerven…“, versuchte der Braunhaarige einen Themenwechsel vorzuschlagen. Takanori hingegen blockte dies ab. „Wohin denkst du? Ich finde das spannend. Schließlich interessiert mich das auch. Schon damals, als ich noch gemodelt habe, hab ich mir immer mal die andere Seite angesehen und mit den Designern gesprochen“, erinnerte sich der kleine Blonde. „Du hast mal gemodelt?“, hakte sein Date nach. Anscheinend konnte er damit Eindruck schinden. Dann mal los. Aber schön bescheiden bleiben. „Ja. Ist schon ein paar Jahre her, aber angefangen habe ich noch während der Schulzeit. Zusammen mit Freunden. Ich weiß nicht, ob dir Takashima Kouyou etwas sagt, aber das ist ein Freund von mir! Er ist in Amerika wohl recht bekannt.“ Unter Umständen konnte man auch mit Kouyou angeben. Doch Akira zuckte nur mit den Schultern. „Sorry, den Namen habe ich noch nie gehört. Aber was ist mit dir?“ Okay, der Plan ging daneben und Taka zog eine leichte Schnute. Angeben hatte er eigentlich auch gar nicht nötig. Vielleicht doch lieber bei der Wahrheit bleiben. „Nichts ist mit mir. Ich hab aufgehört mit dem Modeln. Bei einem Shooting gab es einen Zwischenfall und danach ging das einfach nicht mehr. Nun arbeite ich eben auf der anderen Seite. Mode entwerfen macht schließlich auch Spaß und Konzepte entwickeln.“ Er versuchte sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Mit den Geistern seiner Vergangenheit wollte er garantiert nicht seinen potenziellen neuen Freund vergraulen. „Schon schade. Ich kann mir dich richtig gut als Model vorstellen. Jetzt nicht als eines dieser Durchschnittsmodels. Eher so für speziellere Sachen. Du weißt schon, die Sachen, die dann auch interessant sind.“ Frech zwinkerte Akira seinem Gegenüber zu und sofort machte Takas Herz einen Hüpfer. Sofort trank er auf den Schrecken von seiner Tasse. Das war doch ein Kompliment, oder nicht? Sein Blut geriet schon allein bei sowas in Wallung? Was war bitte los? „Die Zeiten sind vorbei. Jetzt mache ich lieber selbst Mode. Zwar nicht so erfolgreich wie erhofft, aber vielleicht ändert sich das irgendwann noch“, sagte er kleinlaut. Besser man behelligte das Objekt seiner Begierde nicht mit seinen alltäglichen Problemen auf Arbeit. Schließlich sollte man doch einen guten Eindruck hinterlassen. Also auch das Pokerface aufrecht erhalten. „Aber hast du denn schon eine Notlösung, wie du weitersuchen könntest?“, legte Taka das Hauptaugenmerk wieder auf Akiras Belange. „Noch nicht wirklich. Ich werde wohl doch auf freischaffende Designer zurückgreifen müssen. Eben Leute, die Bock haben und nicht an irgendwelche Firmen gebunden sind. Vielleicht fahre ich mit denen besser. Nur aktuell fehlt mir das Knowhow dafür“, gestand der Braunhaarige und sah, wie es regelrecht in dem Kopf seines Gegenübers anfing zu rattern. Ohne dass es beabsichtigt war, schaltete sich Takas Helfersyndrom ein. Jedoch gefiel ihm der Gedanke, der ihm gerade gekommen war, nicht sonderlich gut. Es wäre ein Ansatz, aber ob sich daraus etwas Gutes entwickelte, stand auf einem anderen Blatt. „Also… Ich kenn schon noch ein paar Designer, die sich bereits einen Namen gemacht haben und sicherlich bei Collaborations nicht nein sagen würden“, erklärte der Kleinere unsicher und strich mit seinem Zeigefinger über den Rand seiner Tasse. „Weiß nur nicht, ob die bereit sind, auch exklusiv für jemanden zu arbeiten.“ „Oh… Erzähl mir mehr!“, biss Akira sofort an. „Na ja, als ich recht frisch in diesem Gebiet Fuß gefasst habe, bin ich immer mal zu Partys mitgenommen worden. Dort haben sich einige Designer und wichtige Leute aus der Branche getroffen. Also ein paar Bekannte von mir waren immer dabei. War ne gute Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und Networking zu betreiben. Mit Kontakten kommt man hier doch leichter weiter. Wenn du möchtest, dann kann ich mich mal erkundigen, ob es diese Veranstaltungen immer noch gibt und wo die stattfinden.“ Ein ungutes Gefühl machte sich breit. Wollte er sich wirklich auf diese Nummer einlassen, um bei seinem Schwarm zu punkten? „Klingt gut. Einen Versuch ist es jedenfalls Wert.“ „Klar, kein Thema.“ Da hatte Akira wohl nun die Entscheidung für ihn getroffen. „Ich frag einfach mal an und halt dich dann auf dem Laufenden. Bist du zeitlich denn sonst sehr eingespannt?“, fragte Takanori nach und sah nun doch wieder zu seiner Begleitung. Der war eh viel hübscher anzusehen als der doofe Kaffee. Ungutes Gefühl hin oder her. Er hatte eh gelernt, dass seine Gefühle ihn nur zu gern hintergingen. „Geht so. Ein paar Sachen fallen immer an und ich muss in absehbarer Zeit auch wieder zurückfliegen, aber ich hatte gehofft, dass ich bis dahin einen Designer gefunden habe und den gleich einpacken kann.“ Taka lächelte leicht. „Verstehe. Die Zeit drängt also. Vielleicht kannst du mir ja mal ein paar Sachen zeigen, was du dir so vorstellst?“ Unsicher sah er in die Augen des Größeren, der nun auch wieder näher heranrückte und sein Smartphone zwischen sie auf den Tisch schob. „Ich erwarte aber, dass du das niemanden verrätst“, stellte Akira eine Bedingung und öffnete einen Ordner auf seinem Handy. „Moment! War das gerade dein Motorrad?“, fragte Taka aufgeregt, da er meinte ein Bild erhascht zu haben. Akira war auch gewillt einen Ordner zurück zu gehen, verdeckte jedoch mit seiner Hand das Display. Und das Einzige, was Takanori in diesem Moment auffiel, waren die langen, filigranen Finger des anderen. Sicherlich fühlte es sich auch total toll an, von diesen berührt zu werden. Da ihm seine Gedanken doch ein wenig peinlich waren, ließ er ein paar seiner Ponyfransen in sein Gesicht fallen. Nicht, dass Akira noch merkte, wie er hier rot anlief. Das zu erklären, würde nur noch peinlicher werden. Wider Erwarten wurde ihm aber nur ein Foto eines schwarzen Motorrads ins Blickfeld geschoben. „Mein neues Baby. Hab ich vor eineinhalb Jahren direkt nach der Messe gekauft und importieren lassen. Teurer Spaß, sag ich dir. Aber allein die Optik ist der Hammer! Das Design macht voll was her und generell auch die schnittige Form“, geriet Akira direkt ins Schwärmen. Taka konnte das aufblitzen der Euphorie sofort in den Augen des anderen sehen. Es beschlich ihm das Gefühl, dass er gerade die Büchse der Pandora geöffnet hatte. „Und das ist meine Kawasaki Ninja. Eigentlich mein Liebling. Sie liegt übel gut auf der Straße. Ich hab sie damals günstig erworben, auch wenn ich die grüne Lackierung nicht so geil fand, die Eckdaten haben mich überzeugt. Ein Kumpel, so ein Internetfreak, hat mich dann drauf gebracht, dass man sie ja foliieren könnte. Na ja, hab ich dann auch gemacht. Also so sieht sie jetzt aus. Davor war sie grasgrün. Da finde ich es mit schwarz, grau und rot doch geiler. Danach hab ich mir noch ein älteres Modell gekauft. Auch von Kawasaki. War bei ner Auktion. Das hab ich dann mit Airbrush verschönern lassen. Leider hat’s mich einmal voll hingelegt und natürlich ist der Rahmen nun total verzogen. Kann man also vergessen. Nun steht sie in der Garage und verstaubt. Und das hier war mein allererstes Motorrad. Ein Geschenk von meinem Bruder. Natürlich hatte er keinen Peil von dem Zeug und hat sich die Kleine aufschwatzen lassen. Letztendlich hab ich stunden daran rumgeschraubt, ehe ich ordentlich damit fahren konnte. Das war vielleicht ne Arbeit. Da dachte man, dass sie nun fahrtüchtig ist, 10 Kilometer später war wieder was defekt. Du glaubst gar nicht, was ich daran alles ausgetauscht habe. Nie wieder, ey. Danach bin ich aber auch sofort auf die wirklich zuverlässigen Marken umgestiegen. Aber ich hab davon auch mehr Ahnung als der werte Herr. Da kommt mir so nen Schrotthaufen sicherlich nicht mehr ins Haus…“ ----------------------------------------------------------- Nach langer Abwesenheit gibt es nun wieder ein update. Ich hoffe, der der neue Teil fällt nicht allzu enttäuschend aus und schürt weitere Spekulationen. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich noch nicht wieder in die Story zurückgefunden habe, bemühe mich aber alles zu einem ordentlichen Ende zu bringen. ^^ Viel Spaß beim Lesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)