flickering flames and cigarette smoke von Naenia ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Diese Welt hat schon immer in Flammen gestanden, jeder Moment, jeder Gedanke – der Brand schwelt nicht erst seit der Apokalypse – das Feuer ist immer da gewesen, er hat die Flammen nur noch nicht gesehen.   •   Am Horizont glüht die Abendsonne tiefrot, während schwarze Wolken den Himmel mehr und mehr bedecken. Ein Sturm zieht auf. Die Luft flirrt feucht-elektrisiert vor Daryls Augen, bis Ricks Konturen schließlich im Regenschauer verschwimmen. Sie laufen seit Stunden in die falsche Richtung – auch wenn es wahrscheinlich ohnehin keine richtige mehr gibt – mit schweren Rücksäcken und dem Krächzen der Zombies im Nacken, das erst jetzt im Wetterrauschen untergeht. Die Biester werden langsamer und verlieren ihre Spur, doch gleichzeitig wird der Regen immer stärker. Blitze zucken durch die zu früh hereingebrochene Nacht; sie werden ewig brauchen, bis sie das Camp wiederfinden, denn der unebene Boden unter seinen Stiefeln gibt schlammig nach, lässt ihn mit jedem Schritt tiefer in die Erde sinken, die sich unter dem rutschigen Unterholz des Waldes verbirgt. Das kostet zu viel Zeit. „Rick“, presst Daryl außer Atem hervor, während er sich die nassen Strähnen aus der Stirn wischt, die ihm die Sicht weiter erschweren. „Ich weiß“, gibt Rick zurück und rutscht auf einem verborgenen Ast fast aus. Er schwankt, verliert aber nicht das Gleichgewicht und fängt den Sturz ab, bevor etwas passieren kann. Daryl reagiert trotzdem – es ist ein Reflex. „Vorsicht“, zischt er und ist so schnell neben Rick, dass es ihn selbst wundert. Er greift nach Ricks Arm und hält ihn fest, zu fest wahrscheinlich, aber in dieser Welt passiert es zu leicht, dass einem etwas durch die Finger rinnt, wenn man nicht gut genug darauf aufpasst. Rick atmet schwer. „Schon okay, nichts passiert.“ Er hält sich trotzdem an Daryl fest, auch noch, als er im nächsten Moment ihre Reise mit bestimmten Schritten fortsetzt. „Komm, ich kann da drüben irgendwas sehen. Vielleicht können wir uns dort unterstellen und warten, dass das Gewitter nachlässt.“ Daryl stimmt ihm zu, gibt jetzt den Takt ihrer Schritte vor und dirigiert Rick über die Gefahren des Waldes hinweg. Das hier ist immer noch sein Revier, auch wenn er trotzdem sofort jeder Anweisung blind folgen würde. „Da drüben!“, vernimmt er dann den erleichterten Ruf neben sich. „Eine Hütte“, bestätigt er, als er vom Boden hochsieht, „Gut.“   •   Der Regen klebt noch immer feucht in seinem Haar und hängt schwer an seiner Kleidung, aber es ist nicht kalt. Nicht wenn Ricks Hitze neben ihm schwelt. Er lehnt an der Wand und seufzt, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Hier sind wir sicher“, flüstert er atemlos und steckt den Revolver zurück in seinen Gürtel. Draußen wütet der Sturm, zerrt an den morschen Dielen der kleinen Hütte und lässt diese Sicherheit trügerisch wirken. Daryl sieht sich hektisch um, taxiert die vernagelten Fenster, kontrolliert nochmal die verbarrikadierte Tür und bleibt schließlich an Ricks Augen hängen, in denen das Adrenalin noch fiebrig glänzt. „Wir sind sicher“, wiederholt Rick als sich ihre Blicke treffen und Daryl nickt. Das Blut pulsiert auch in seinen Adern. Es rauscht in seinen Ohren mit dem Grollen des Donners und kocht, obwohl es abkühlen müsste – die Flucht ist geglückt, die Gefahr gebannt, zumindest für die nächsten Stunden. Der Regen tropft durch das rissige Dach, weicht staubig-modrige Möbel weiter auf und bringt sie dazu, sich dichter aneinander zu drängen – es ist zumindest für Daryl eine willkommene Ausrede, um Ricks Nähe zu suchen. Dabei denkt er an all die flüchtigen Berührungen: an Hände, die in letzter Zeit immer etwas zu lange auf seinem Körper verweilen, auch, wenn sie nicht allein sind; er denkt an tiefe Blicke, die brechen, noch bevor er die Absicht dahinter versteht, und an Worte, deren Nachhall ihn nachts um den Schlaf bringt. Rick Grimes hat sich in ein Rätsel verwandelt, dessen Parameter er nicht versteht. Er weicht die Begrenzungen ihrer Beziehung mehr und mehr auf – nach Shane, nach Lory – Daryl kann sich kaum an das flüchtige Davor erinnern, das sie als Fremde, als Feinde vorgestellt hat. Er erinnert sich nur an die seltsame Anziehung, an Loyalität und beständig wachsendes Vertrauen, das im Feuer der Vorhölle geschmiedet wurde: Es ist Eisen und Stahl, ein Blick, eine Geste, wortloses Verständnis in jeder Bewegung: Sie sind das perfekte Paar, ein Team, Brüder im Geist und noch so viel mehr. Nicht nur auf dem Schlachtfeld, auch in diesem Zwischenraum, zu zweit – allein, miteinander. Rick lässt den Rucksack fallen, Daryl legt die Armbrust ab und zieht den tropfnassen Poncho aus. „Daryl“, flüstert Rick und schon der Klang seines Namens entfacht Flammen unter seiner Haut – Ah, es ist eine dieser Nächte.   •   Dieses Feuer zwischen ihnen glüht mit der Kraft von tausend Sonnen und verbrennt jeden seiner Gedanken zu Asche, bis dort nichts mehr ist, nur das vergängliche Gefühl von Ricks Fingern auf seiner Haut, Ricks Atem an seinem Hals, Ricks Körper, der sich gegen ihn drängt. Daryl stöhnt, heiß und heiser. Rick küsst jeden Laut von seinen Lippen und presst sich dichter an ihn. Daryl spürt das feuchte Holz der Wand in seinem Rücken und das brennende Verlangen vor sich. Er vergräbt die Hände im festen Stoff von Ricks Hemd und zerrt es ihm von den Schultern, der nächste Kuss ist härter – auch in der Hütte tobt jetzt der Sturm.   •   Sein Herz schlägt langsamer, das Tosen des Windes ist jetzt nicht mehr als ein Flüstern in den Rissen der Wände. Rick leuchtet im Halbdunkel neben ihm, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen und die Zigarette zwischen den Fingern. „Es ist vorbei“, sagt er und entlässt den Rauch aus seinen Lungen. Daryl nickt, nimmt Rick die Zigarette ab und atmet den letzten Zug tief ein, bevor er sie neben sich ausdrückt. „Sollen wir los?“ Rick seufzt, schließt die Augen für einen Moment, und für Daryl sieht es so aus, als denke Rick ernsthaft darüber nach, die Hütte noch nicht zu verlassen, auch wenn es dafür keinen logischen Grund gibt. Dann drückt er sich doch vom Boden ab und steht auf. „Sollten wir.“ Er hält ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen und obwohl Daryl das sehr gut allein kann, nimmt er an. Rick lächelt, lässt Daryls Hand nicht los, auch als er längst steht. „Aber wir könnten ja wiederkommen…“ Seine Augen funkeln wie Feuer und Daryl steht in Flammen, hat sich längst daran verbrannt – vielleicht wird er am Rauch ersticken, aber das ist es wert. Also küsst er Rick nochmal, bevor er sich den Rucksack überwirft und die Armbrust schultert. „Gehen wir.“   •   Diese Welt hat schon immer in Flammen gestanden, jeder Moment, jeder Gedanke – der Brand schwelt nicht erst seit der Apokalypse – das Feuer ist immer da gewesen, doch jetzt kann er die flackernden Flammen sehen und sich im dunklen Rauch auflösen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)