Unerkannt von Pei-Pei ================================================================================ Kapitel 1: Ich habe dich gesucht -------------------------------- Legenden sind Erzählungen. Erzählungen von Begebenheiten, dem Leben und dem Tod. Es gibt unzählige Legenden. Eine davon ist die Legende des Shikon no Tama - Ein Juwel, das seinem Besitzer all seine Wünsche erfüllen kann ~ Vor langer Zeit drohte die Welt in völliger Dunkelheit zu versinken und in die Hände der Yokai zu fallen. Eine mächtige Miko, die den Namen Midoriko trug, stellte sich der Gefahr entgegen und drängte die Yokai mit ihrer Macht zurück. Der Frieden schien nahe. Doch die Yokai akzeptierten ihre Niederlage nicht und sannen auf Rache. So verbündeten sie sich und verschmolzen miteinander. Durch ihren Hass und ihre verunreinigten Seelen erschufen sie einen Dämon, der an Macht und Boshaftigkeit seinesgleichen bei weitem übertraf. Midoriko stellte sich erneut dem Dämon. Ein unerbittlicher Kampf brach aus. Nach sieben Tagen und Nächten ohne Unterbrechung, verließen die Miko ihre Kräfte und ihre Seele drohte von dem Yokai verschlungen zu werden. Die Dunkelheit breitete sich von neuem aus. Midoriko wusste, dass sie die Welt diesem Schicksal nicht überlassen durfte. In ihrer Verzweiflung schickte sie ein Gebet an die Götter. Bat, sie zu erhören, ihr die Macht zu verleihen, um den Feind besiegen zu können. Und die Götter erhörten Midorikos Flehen. Aus den vier Seelen Aramitama (Mut), Nigimitama (Freundschaft), Kushimitama (Weisheit) und Sakimitama (Liebe) erschufen sie ein Juwel; das Shikon no Tama und schickten diesen Midoriko. Mit Hilfe dieses Juwels gelang es Midoriko, den Yokai zu besiegen und seine Seele im Inneren des Shikon zu versiegeln, auf das er niemals wieder zurückkehren konnte. Doch der Sieg forderte einen hohen Preis. Midoriko erlag ihren schweren Verletzungen und mit ihrem letzten Atemzug verschwand auch das Juwel wieder von dieser Welt. ~ Man sagt, in jeder Legende steckt ein Funke Wahrheit. Was, wenn dieser Funke tatsächlich existiert? Dieser Funke jedoch nicht das ist, was er zu sein scheint? Und die Welt, in der du bisher gelebt hast, dadurch vollkommen aus den Fugen gerät. *** Silbernes Haar wog zur Seite. Leise Schritte erklangen, vermischt mit tiefen Atemgeräuschen. Kurz darauf rümpfte er die Nase. Als klar und rein konnte man die Luft selbst soweit hier oben nicht bezeichnen. Das war sie schon lange nicht mehr. Doch daran hatte er sich gewöhnt. So wie an vieles andere in seinem Leben. Für eine Weile begutachtete er schweigend die Umgebung. Selbst seine Gedanken ruhten. Seine Augen glitten über die Dächer der Stadt, über die Hochhäuser, die sich in den Himmel streckten, zum Horizont. Der Lärm der tief untenliegenden Straßen drang nicht bis zu ihm hinauf. Aus diesem Grund liebte er seine Penthousewohnung. Seine Dachterrasse, die hoch über den meisten Häusern von Tokio lag. Er liebte die Stille, die hier oben seine Ohren umschmeichelte. Er neigte seinen Oberkörper etwas weiter nach vorne, legte seine Hände auf das Geländer. Sein Gesicht streckte er der leichten Brise, die soeben aufgekommen war, entgegen. Doch verschaffte diese keine Abkühlung auf seiner Haut, war genauso warm, wie die Luft um ihn herum. Tokio würde von neuem eine schwüle Sommernacht beschert werden. So wie die vielen Nächte zuvor. Obwohl gerade einmal Mai war und von Sommer noch nicht die Rede sein sollte. Ein Seufzen entglitt seiner Kehle, bevor seine goldgelben Augen wieder den Horizont fixierten. Das Licht der Sonne begann immer mehr zu schwinden. Einzelne Sterne säumten bereits den langsam verblassenden Himmel. Bald würde sie gänzlich verschwunden sein und die Nacht hereinbrechen. Sein Blick wanderte hinab, die Häuserschluchten hinunter. Ein Meer aus bunten Farben und Lichtern blitze zu ihm auf. Er wusste, dass viele jetzt erst langsam aus ihrem Dämmerschlaf erwachten. Andere einfach begierig auf die Dunkelheit warteten. Denn dann würde für sie die Zeit der Jagd anbrechen und sie konnten ihren Blutdurst stillen. Reichlich Auswahl gab es. Auch nachts wimmelte Tokio nur so vor Menschen. Das Buffet war reichlich gedeckt. Die Menschen selbst wussten, dass die Nacht gefährlich sein konnte. Es passieren konnte, dass einige nicht den nächsten Sonnenaufgang erleben würden. Doch hielt sie dieser Umstand nicht davon ab, dennoch in die Nacht hinauszugehen. Das Menschen verschwanden war nichts Ungewöhnliches. Jeder konnte einem Verbrechen zum Opfer fallen. Ebenfalls waren sie sich völlig bewusst, dass manche Verbrechen niemals aufgeklärt wurden. Doch trotz dieses Wissens, waren die Menschen der heutigen Zeit unbesorgter geworden, ihre Wachsamkeit hatte nachgelassen, was den Yokai zum Vorteil verhalf. Wenn die Menschheit wüsste, welche Wesen nachts unter ihnen umherstreiften, sie beobachteten, in den Schatten auf sie lauerten, würden diese nichts so gedankenlos durch Ginza flanieren. Doch so war es nicht. Die Menschen der unter ihm liegenden Welt glaubten schon lange nicht mehr an Yokai, Oni oder Hanyo. Für sie existierten solche Wesen nur in alten Legenden und Geschichten. Gruselgeschichten, die sich Kinder untereinander erzählten, um sich Angst einzujagen. Doch er wusste es besser. Schließlich war er selbst Teil dieser verborgenen Welt. Lebte Mitten unter den Menschen, unerkannt. Mächtige Magie behütete das Geheimnis. Verhinderte, dass die Menschen seine wahre Gestalt erkannten und seine Feinde ihm tagsüber nicht auflauern konnten. Nur nachts zeigten sich Shuryoka und die Gejagten in ihrer wahren Gestalt. Er war einer von ihnen. Ein Shuryoka. Ein Behüter, der die Unwissenden schütze. Ein Jäger in einem seit bereits Jahrhunderten andauernden Krieg. Aufgrund der Mordlust und dem Blutdurst einiger Yokai stand die Menschheit Japans vor mehreren Jahrhunderten fast vor der vollständigen Ausrottung. Um dieses Unheil abzuwenden, schlugen sich einige Yokai auf die Seite der Menschen, beschützten diese fort an vor ihresgleichen. Jene die nicht auf die Jagd und den Genuss von Menschenfleisch verzichten wollten. Eine Allianz zwischen Yokai und Menschen wurde geschlossen. Einige wenige Menschenfamilien – die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten - wurden in den Kreis aufgenommen, kämpften Seite an Seite mit mächtigen Yokaifamilien. Sie wurden zu Verbündeten; zum Schutz der Menschheit. Diese Allianz bestanden bis heute. Wachte im Verborgenen, denn der Kampf war noch nicht vorüber. Und er selbst wusste nicht, ob sich daran jemals etwas ändern würde. Aber vielleicht würde sich das Blatt in nächster Zeit zu ihren Gunsten wenden. Heute Nacht würde sich entscheiden, ob er derzeit die richtige Spur verfolgte oder ob diese, wie einige zuvor, wieder im Sand verliefen. Der Hanyo richtete sich auf, wandte sich um. Die Dunkelheit, sein ständiger Begleiter, war endlich hereingebrochen. Die Zeit der Jagd begann von neuem. ~ Leise Schritte erklangen. Sanft strich der Wind durch ihr schwarzes langes Haar, warf dieses auf. Dem Sonnenuntergang, der sich ihren Augen bot, schenkte sie keinerlei Beachtung. Ihre rehbraunen Augen blickten auf das marode Gebäude, das sich vor ihr erhob. Ein trauriges Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sich ein Bild über das baufällige Haus vor ihr legte. Sie dieses in seiner vollen Schönheit vor sich sah. Ein Lachen, von dem sie wusste, dass es nicht Wirklichkeit war, erklang in ihren Ohren. Die Schatten zweier Kinder rannten an ihr vorbei. In der Eingangstür sah sie zwei weitere Silhouetten. Bilder aus vergangener Zeit. Aus ihrer Vergangenheit. Ihre bis jetzt erhärteten Gesichtszüge wichen vollständig. Sehnsucht legte sich in den Blick der jungen Frau. Minuten vergingen, in denen sie einfach nur da stand. Sie dann wirsch ihren Kopf schüttelte. Sie hatte sich in ihren Erinnerungen verloren. Das wollte sie nicht. Umgehend wandte sie dem Gebäude den Rücken zu, setzte sich wieder in Bewegung. Sie war nicht weit gegangen als sie erneut inne hielt. Sachte streckte sie ihre Hand aus, spürte altes Holz, das von weichem Moos überzogen war, unter ihren Fingerkuppen. Die Überreste eines Zauns, der einst das mächtige Wesen, das sich vor ihr erhob, umgab. Ohne weiter darüber nachzudenken, überquerte sie die längst verfallene Absperrung und stand direkt vor dem Stamm des Baumes, bettete ihre Hand auf die Rinde. Gleichzeitig senkten sich ihre Lider. Ihr Kopf neigte sich nach vorne, sodass ihre Augen von ihren Haaren verdeckt wurden. Wind stob auf. Schmiegte sich sanft um ihren Körper, warf ihre Kleidung in Falten. „Ich weiß, es ist lange her.“, flüsterte sie als Antwort. „Ich habe etwas mitgebracht.“ Sie ging auf die Knie. Legte vorsichtig einen Strauß Chrysanthemen nieder. Leicht wogen die Blütenblätter im Wind hin und her. Vorsichtig tippte sie mit ihrem Finger dagegen, bevor sie sich wieder erhob. Ihr Blick richtete sich nach oben in die prachtvolle Krone des Baumes. „Ich bitte dich, wache weiter über sie, Goshinboku.“ Das zarte Rauschen der Blätter drang an ihre Ohren, einem Wispern gleich. Die Schwarzhaarige nickte, wandte sich dann um. Es war Zeit zu gehen. Oberhalb der vielen Stufen stoppte sie nochmals. Ihre Augen schauten auf die belebte Straße hinab, von niemanden bemerkt. Niemand sah zu ihr auf. Niemand nahm das alte Tempelgelände großartig wahr, auf dem sie sich befand. Sie mieden es, so wie sie die Gegenwart jener mied, die sie dort unten erblicken konnte. Sie gehörte nicht in ihre Welt, hatte noch nie dazu gehört. Denn auch wenn sie ihresgleichen war, so unterschieden sich ihre Lebensweisen drastisch voneinander. Keiner der dort unten anwesenden Menschen, würde jemals ihr Alter erreichen. Menschen wurden für gewöhnlich nicht so alt. Schließlich wandelte sie bereits stattliche 183 Jahre auf dieser Welt. Auf Außenstehende wirkte sie jedoch kaum älter als Mitte Zwanzig. Dies verdankte sie einem uralten Pakt mit Izanagi-sama, dem Gott des Lebens, sowie Fukurokujo-sama, dem Gott des langen Lebens, einem der Schichi Fukujin (sieben Glückgötter). Sie verliehen den menschlichen Shuryoka ein genauso langes Leben, wie es einem Yokai von Geburt an zustand. Der letzte rot flammende Streifen am Horizont verblasste. Yoki. Sie spürte es bereits in ihrer Nähe aufflackern. Yokai waren nicht weit. Doch im Moment bestand für sie kein Grund einzugreifen. Hier auf den überfüllten Straßen bestand keine große Gefahr. Die Yokai wussten, dass sie zu viel Aufsehen erregen würden. Aufsehen, das sie nicht gebrauchen konnten. Ebenfalls wusste sie, dass sie nicht alle Übergriffe verhindern konnte. Kein Shuryoka konnte überall gleichzeitig sein. Konnte nicht jeden vor Schaden bewahren. Nicht solange noch Krieg herrschte. Ein Umstand, der jeder Einzelne von ihnen als Last mit sich trug. Ihr Blick huschte noch einmal über ihre Schulter zurück, bevor sie die erste Stufe betrat. Unauffällig trat sie in die Menschenmassen hinein, schloss sich dem Strom eine Weile an, bevor sie in der Nähe einer dunklen Gasse aus dem Getümmel heraustrat. Vorsichtig sah sie sich noch einmal um, vergewisserte sich, dass sie nicht verfolgt wurde, tatsächlich niemandem aufgefallen war. Auch wenn sie seit vielen Jahren nicht mehr in Tokio gewesen war, sie erst vor kurzem in ihre Heimatstadt zurückgekehrt war, musste sie vorsichtig vorgehen. Bis jetzt war sie noch nicht entdeckt worden und so sollte es auch vorerst bleiben. Je länger sie unerkannt blieb, desto leicht war es für sie, sich die Informationen zu beschaffen, die sie benötigte. Schnellen Schrittes trat sie in die Gasse ein, verschwand in der dort herrschenden Schwärze. Die Zeit der Vorbereitung und des Wartens war endgültig vorbei. Heute Nacht würde sie endlich wieder auf die Jagd gehen. ~ Ein Knacken gefolgt von einem genüsslichen Schmatzen erfüllte die sonstige Stille im Raum. Die Zunge des Yokai glitt über seine Lippen, beseitigte damit die letzten Spuren von Blut, die dort hafteten. Seine dumpfen Augen besahen sich noch einmal sein Opfer, das mit Angst verzehrtem Gesicht vor ihm lag. Der Brustkorb der Frau war aufgebrochen. Ihr Herz fehlte. Ein Erzittern überkam Juromaru bei diesem Anblick. Seine Nasenflügel bebten als er den Geruch des noch warmen Blutes zu seinen Füßen, in seine Lungen ein sog – berauschte ihn. Der Geschmack des Fleisches ließ ihm immer noch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Trieb sein Verlangen noch weiter an. Zu seinem großen Bedauern war die Jagd viel schneller vorbei, als er es sich erhoffte. Genaugenommen hatte sie bereits geendet, bevor sie überhaupt begann. Die schrillen Schreie des Weibs kamen ihm noch einmal in den Sinn. Angewidert verzog er seinen Mund. Das war das Einzige gewesen, was dieses Miststück gekonnt hatte; schreien. Anstatt ihm eine amüsante Hetzjagd durch einen Teil des Gebäudes zu bieten, hatte sie nur starr vor Angst vor ihm gestanden, bevor sie lauthals um Hilfe schrie. Ihre Schreie hatten ihr nichts genützt. Ein skurriles Lächeln verzog seine Lippen, als er noch einmal daran zurückdachte, wie die Erkenntnis in die Augen seiner Beute getreten war. Die Erkenntnis, dass niemand hier war, der sie retten würde. Nun ja, zumindest auf dieser Ebene hatte sie ihn kurz erheitert. Aber was konnte man auch von einer solch niederen Kreatur erwarten. Er hoffte, dass wenigstens sein Bruder etwas mehr Spaß fand. ~ Durch die zersplitterte Glasfront trat Kagome lautlos in das Gebäude ein. Ihr Blick wanderte nach links. Der Sicherheitsbeamten, der normalerweise dort saß, war weit und breit nicht zu sehen. Das Flackern des Bildschirms war neben der Notbeleuchtung die einzige Lichtquelle. Ihr ungutes Gefühl nahm zu. Die Schwarzhaarige hob ihre Hand, zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und schritt weiter voran. Sie konnte das Yoki des Dämons spüren, fast greifen. Von überall her strömte es auf sie ein. Achtsam lugte sie um eine Ecke und hielt augenblicklich in ihrer Bewegung inne. Dort, vor ihr, bot sich ein Bild des Grauens. Blut befleckte die Wände und den Boden. Einige Spritzer hatten sogar die hohe Decke erreicht. Schwer hing der süßliche Geruch in der Luft, drehte ihr den Magen um. Sofort hob sie ihren Arm an, bedeckte ihre Nase, bevor sie völlig in den Flur eintrat und ihre Augen sogleich aufrissen. Entsetzt stieß Kagome die Luft aus, trat wieder einen Schritt zurück. Denn erst jetzt erkannte sie das gesamte Ausmaß. Wo sie auch hinsah; überall lagen zerfetzte Körper, Leichenteile und Innereien. Der abgetrennte Kopf eines Mannes sah aus hohlen Augen zu ihr auf. „Kami.“, stieß sie hervor. Selbst für eine erfahrene Shuryoka, wie sie es war, war dieser Anblick erschreckend. Ein Geräusch ließ sie aufhorchen Ein heißeres Kichern erklang. „Sieh an. Was haben wir denn da?“ Etwas huschte durch die Dunkelheit, für ihre Augen zu schnell. „Was für ein hübscher Anblick.“ Erneut folgte eine Bewegung, deren Richtung sie jedoch nur erahnen konnte. Was war das für ein Yokai, verflucht noch mal? „Deine Leber werde ich mir schmecken lassen.“ Kaum, dass die Worte ausgesprochen worden waren, erlosch die Notbeleuchtung und Kagome konnte nur noch etwas silbern aufblitzen sehen, das auf sie zukam. ~ Juromarus ausdruckslosen Augen wanderten durch eins der vielen Fenster hinaus. Das Licht des Mondes nahm bereits ab. Es war Zeit sich auf die Suche nach seinem Bruder zu machen. Seine Augen wanderten hinab zu seiner blutverschmierten Hand, die die Schriftrolle, die sie besorgen sollten, umschloss. Ihr Auftrag war erfüllt. Die Belohnung damit sicher. Langsam, fast träge, wandte er sich von der Leiche ab, als er inne hielt, seinen Kopf anhob. Juromarus Augen formten sich zu Schlitzen. Aufmerksam glitten diese umher. Er hatte den Bannkreis, der um das Haus errichtet worden war, wahrgenommen. Abrupt wirbelte er herum, wollte durch die Tür eilen, als er von neuem stockte, die Silhouette im Türrahmen entdeckte. „Hast du es eilig, Juromaru?“, ertönte es sarkastisch, dunkel. Der angesprochene Yokai trat einen Schritt zurück, fasste sein Gegenüber ins Auge. Sein Mund öffnete sich. Ein unheimliches Ächzen trat über seine Lippen. Der Hanyo ließ während dessen seinen Blick über das Opfer zu Füßen Juromarus gleiten. Die Angst, die die Frau empfunden hatte, bewohnte immer noch diesen Raum, konnte von ihm gespürt werden. Juromarus Grausamkeit zog sich durch das ganze Haus. Die in ihm herrschende Wut wurde dadurch noch mehr angefacht. Er hatte es nicht verhindern können, war erneut zu spät gekommen. Dafür würde Juromaru büßen. Heute Nacht würde er ihm nicht entwischen. Er erkannte die Schriftrolle in der Hand seines Gegners. In dieser Schriftrolle würde er finden, was er suchte. Und die Tatsache, dass Naraku die Schriftrolle ebenfalls begehrte, bestärkte ihn noch darin. Er hob seinen Blick wieder an. „Deine Stimme scheint dir abhandengekommen zu sein.“, stieß er unter einem dunklen Knurren sarkastisch hervor und griff an. ~ Gerade duckte sich Kagome vor einem Angriff ihres Gegners. Dieser kleine Yokai war verdammt schnell; zu schnell für ihren Pfeil. Sie besaß derzeit keine Möglichkeit ihr Ziel anzuvisieren. Das Einzige, was sie derzeit tun konnte war zu parieren, ihn nicht allzu nahe kommen zu lassen, während sie sich überlegte, wie sie den Yokai anderweitig zur Strecke bringen konnte. Ihr Gegner strotzte gerade so vor Energie. Kein Wunder. Seine Kraftreserven waren frisch aufgetankt, was sich bemerkbar machte. Die Shuryoka sprintete die Treppe hinauf, riss ihren Bogen nach oben und holte aus. Der Angreifer änderte die Richtung, gewann wieder Abstand zu ihr. Pure Freude lag in seinem Blick. Wer hätte gedacht, dass dieser Abend noch so amüsant werden würde? Ein helles Licht holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Gerade noch im letzten Moment konnte er ausweichen, tauchte wieder in die Dunkelheit ein. „Mist.“ Schnell sah sich Kagome um. Er war hier. Der Abstand hatte sich jedoch um einiges vergrößert. Verdammt, sie hatte keine Zeit diesem Yokai hinterher zu jagen. Ihr war nicht der Bannkreis entgangen, der über das Gebäude gespannt worden war. Ein weiterer Shuryoka war hier. Das war nicht gut. Sie musste sich beeilen und wenn möglich, verschwinden, bevor sie mit diesem aufeinander traf. Sie musste finden, wonach sie suchte und hoffen, dass sie noch nicht zu spät kam. Sie setzte zum Lauf an, als das Geräusch von zersplitterndem Glas zu ihr heran drang. Kagome riss ihren Kopf zur Seite. Am gegenüberliegenden Treppenaufgang schoss ein Körper durch die Luft, kam kurz vor den Stufen, die wieder ins Erdgeschoss führten, auf dem Boden auf. Sie erkannte einen weiteren Yokai. Ein Knurren legte sich in ihre Ohren. Ein rotes Gewand, was in der Dunkelheit aufzuflammen schien. Silberneres Haar, indem sich das Mondlicht brach. Jäger und Gejagter standen nun vor ihr. Inu Yashas Handknochen knackten. Sein Knurren wurde noch dunkler, als er Juromarus hämisches Grinsen sah. Dieser verdammte Mistkerl schien das hier recht amüsant zu finden. Auch wenn sein Körper, der bereits erhebliche Spuren des Kampfes aufwies, eine andere Sprache sprach. Und Juromaru würde noch früh genug erkennen, dass er ihn keinesfalls als sein kleines Spielzeug betrachten durfte. Doch zum Zeitpunkt der Erkenntnis, würde es für den Yokai bereits zu spät sein. Er würde in dieser Nacht sein Leben verlieren. Denn er war im Besitz dessen, was er brauchte. Außerdem hatte er mit diesem Bastard noch eine offene Rechnung zu begleichen, genauso wie mit seinem Bruder. Aber mit diesem würde er sich später beschäftigen. Jetzt wäre erst einem Juromaru an der Reihe. Kaum gedacht, erhob er auch schon wieder sein Schwert. Er roch den Wind, der sich um die Klinge schmiegte. „Kaze…“ Inu Yasha brach ab, sprang geschickt zur Seite. Seine Augen folgten sofort dem silbernen Schweif, der in einer entlegenen Ecke verschwand. Juromaru nutzte die Gelegenheit, bewegte sich ebenfalls in die Richtung. „Inu Yasha. Was für eine Freude dich heute Abend hier anzutreffen.“ Der stumme Yokai trat aus dem Schatten hinaus in das Licht des Mondes. Auf seiner Schulter saß eine Kreatur, dessen Körper, der einer Schlange glich. Statt Händen zierten silberfarbene Sicheln seine dünnen Arme. Sein Gesicht glich dem von Juromaru wie ein Ei dem anderen. - Inu Yasha! - Kagomes Augen weiteten sich. Ihr Blick haftete auf dem silberhaarigen Hanyo. Ihr Herz schlug zugleich wild gegen ihren Brustkorb. Nach ihm hatte sie gesucht! „Dann spielen wir mal ein kleines Spiel, Bruder.“, erklang Kageromarus dunkle Stimme. Kaum gesprochen, verschwand er auch schon von Juromarus Schulter. Inu Yashas Augen bewegten sich durch den Raum. Seine Sinne sagten ihm eindeutig, dass Kageromaru um ihn herum huschte. Nur war es ihm nicht möglich, seinen Standort auszumachen. Dafür war dieser kleine Bastard einfach zu schnell. Juromaru trat einen kleinen Schritt auf Inu Yasha zu, was sofort die Aufmerksamkeit des Hanyo erregte. „Pass auf.“, entwich es Kagome, die Kageromaru hinter Inu Yasha entdeckte. Zugleich ließ sie die Sehne ihres Bogens los. Der Shuryoka sprang gewarnt zur Seite. Sein Blick wandte sich erstaunt in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war. Erst jetzt bemerkte er die Anwesenheit der jungen Frau. Kagomes Pfeil verfehlte, genau wie sie erwartete, das Ziel. Mit einem Fluch auf den Lippen schulterte sie ihren Bogen und zog ihr Katana. Juromaru unterdessen nutze die Lücke, stürzte blitzschnell auf Inu Yasha zu. Er und sein Bruder würden diese Angelegenheit jetzt ein für allemal beenden. Er holte aus, schlug nach dem Hanyo, doch seine Faust verfehlte. Ein wütendes Fauchen schlug hierauf dem Shuryoka entgegen, der bereits wieder in Angriffsstellung vor dem Yokai stand. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie die ihm Unbekannte den Angriff von Kageromaru mit ihrem Katana parierte. Er wandte sich wieder seinem Kampf zu. Juromaru war im Besitz dessen, worauf er aus war. Ihm ganz alleine galt seine gesamte Aufmerksamkeit. Ohne eine Andeutung griff Inu Yasha an. Juromaru merkte, wie er ein Teil seines Haars verlor, als er zur Seite rollte, dabei die Schriftrolle verlor, dem er jedoch nicht weiter groß Beachtung schenkte. Er hatte derzeit ein anders Ziel. Inu Yasha hob Tessaiga, wehrte einen Überraschungsangriff von Kageromaru ab. Juromaru stieß sich von Boden ab und warf sich mit voller Wucht gegen Inu Yasha. Diese stöhnte auf, als sich die Schulter des Yokai in seinen Magen grub, verlor seinen Halt und ging zu Boden. Juromaru war sofort über ihm. Mit weit aufgerissenem Maul beugte er sich über den Hanyo, im Begriff zuzubeißen. „Das kannst du vergessen.“ Inu Yasha riss seine Faust nach oben, schlug dem Yokai mitten ins Gesicht. Kagome war hochkonzentrierte. Eine zarte Blutspur floss ihr Bein hinab. Kageromaru hatte sie dort erwischt, als sie Inu Yasha zur Hilfe kommen wollte. Das würde er ihr büßen. Immer wieder schlossen sich ihre Augen, folgte der Spur, die Kageromaru durch seine Fortbewegung um sie herum hinterließ, spürte einzig und alleine sein Yoki. Sie kehrte noch weiter in sich. Die Kampfgeräusche hinter ihr verklangen. Ihr Arm hing schlaff an ihr hinab. Ihr Geist tastete sich weiter voran. Der Griff um ihr Katana wurde stärker und mit einer schnellen fließenden Bewegung schnitt sie mit der Klinge durch die Luft. Ein Schmerzensschrei erklang. Als sie ihre Augen öffnete, sah sie die halbe abgetrennte Klinge, die zu ihren Füßen lag. Sie hatte ihn erwischt. Kaum, dass Juromaru den Schrei seines Bruders hörte, zog er ich umgehend von Inu Yasha zurück. Der Hanyo sprang auf seine Füße. Erkannte gerade noch, wie etwas Silbernes im Mund des Yokai verschwand, bevor sich dieser von dem Shuryoka abwandte und wütend fauchend auf Kagome zusprang. „Verschinde da!“, blaffte er. „Kaze no Kizu!“ Juromarus Augen rissen auf, als er die Energie wahrnahm, die auf ihn zuschoss. Den Fehler erkannte, den er aus blinder Wut seinerseits gerade gemacht hatte. Er wusste, es gab kein Entkommen mehr. In der Luft nahm er das Gesicht der jungen Frau wahr, die ihm mit einem wissentlichen Lächeln entgegen sah. Er warf ihr ein hassverzehrtes Fauchen entgegen, bevor die Kaze no Kizu seinen Körper zerriss. Das Licht der Kaze no Kizu war noch nicht gänzlich verblasst, da griff Kagome bereits nach der Schriftrolle zu ihren Füßen, erhob sich wieder. „Was fällt dir ein, dich in meinen Kampf einzumischen?“, keifte Inu Yasha los, trat mit drohenden Schritten an sie heran. Kagome schreckte nicht zurück, was ihn nicht verwunderte. Sie musste eine Shuryoka sein. Genauso wie er einer war. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber warum war sie hier? Shuryoka kamen sich untereinander nichts ins Gehege, jagten alleine. Doch anstatt einem Wort, streckte ihm die Unbekannte stumm die Schriftrolle entgegen. Schnell griff er nach dieser, bevor er sich seine Gegenüber wieder genauer betrachtete. „Ich warte immer noch auf eine Antwort. Was zum Teufel willst du hier?“, kam es ruppig über seine Lippen. Sie schnaubte hörbar auf. „Zunächst einmal könntest du etwas freundlicher zu mir sein, Ito Inu Yasha.“ Seine Ohren begannen zu zucken. Woher kannte sie seinen vollen Namen? Sie bemerkte sofort die Wachsamkeit, die sich in seinen Blick legte, redete aber unbeirrt weiter, nachdem sie ihre Arme überschlagen hatte. „Schließlich habe ich verhindert, dass dir dieser Kageromaru ein hübsches Loch in deinen Bauch gerissen hat. „ „Darum hab ich dich nicht gebeten. Und das beantwortet immer noch nicht meine Frage.“ Seine Stimme war kalt und eine unterschwellige Drohung lag darin, was die Miko jedoch nicht sonderlich beeindruckte. Nicht einmal ein Wimpernschlag war zu sehen, was ihm doch unbewusst imponierte. Souverän überging sie seinen ersten Satz. Nahm sich der Frage an. „Mein Name lautet Higurashi Kagome. Und ich bin hier, weil ich nach dir gesucht habe, Inu Yasha.“ Erstaunen spiegelte sich in seinem Gesicht wieder .Irgendwie wurde diese Sache immer verrückter. Sie war auf der Suche nach ihm? Ebenfalls arbeitete sein Gehirn derzeit auf Hochtouren. Higurashi. Dieser Name sagte ihm etwas. Kagomes Stimme holte ihn wieder aus seiner Gedankenwelt zurück. „Ich bin hier um mit dir auf die Jagd zu gehen.“ Jetzt war es offensichtlich. Eine Verrückte stand vor ihm. Eine andere Erklärung hierfür gab es nicht. „Vergiss es.“ Sein Blick bohrte sich tief in den ihren. „Jäger unterschiedlicher Familien jagen nicht zusammen.“ Jedes einzelne Wort stieß er mit unmissverständlichem Nachdruck aus. „Solltest du eine Shuryoka sein, solltest du das wissen. Du hättest dich mir nicht einmal zu erkennen geben dürfen. Geschweige denn, in meinen Kampf einmischen dürfen.“ Kagome nickte. Sie wusste selbst, dass sie derzeit eine der obersten Regeln brach, die ihnen auferlegt worden waren und doch konnte sie nicht anders. Sie musste ihn unbedingt überzeugen. Egal wie. „Hör mir bitte zu.“ Aus einem Impuls heraus, griff sie nach seinem Arm. Nur Sekunden vergingen, bis ihre Hand grob von Inu Yasha entfernt wurde. „Warum sollte ich?“ Inu Yasha hob seinen Blick. Bald würde die Sonne aufgehen. Ebenfalls würde der Bannkreis bald verschwinden, was zeitgleich bedeutete, dass es Zeit war zu gehen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er Kagome den Rücken zu. „Warte.“ „Das Gespräch ist hiermit beendet und wage es nicht noch einmal, mir in die Quere zu kommen, sonst…...“ Die Drohung ließ der Hanyo offen und war verschwunden. Kagome strich sich durchs Haar, blies die Luft aus, so dass ihr Pony aufwirbelte. Das erste Gespräch war ja super verlaufen. Sie hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Aber das der Hanyo gleich so auf stur schaltete. „Ein harter Brocken“, flüsterte sie zu sich selbst, bevor sich ein Lächeln auf ihre Lippen legte. Aber wenn Inu Yasha dachte, dass sie sich von so einer - in ihren Augen - kleinen Drohung ins Bockshorn jagen ließ, lag er falsch. Leider wusste er noch nicht, wie hartnäckig sie sein konnte. Und so gerne sie sich einfach umdrehen und wieder dieses Land verlassen würde, so konnte sie nicht. Augenblicklich fröstelte es Kagome. Sie musste Inu Yasha so schnell wie möglich überzeugen. Die Miko hatte sich bereits einige Straßen von dem Haus des Geschehens entfernt, als der Bannkreis in sich zusammen fiel. Langsam, fast gemächlich, schlenderte die Miko durch die noch derzeit leblose Straße, in dem Wissen, dass sie einige der wenigen in Tokio war, die sich vor der Dunkelheit nicht fürchten musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)