Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 44. “I’ll drive you to the hospital.” (PantherlilyShagotte) ----------------------------------------------------------- Schwer atmend stützte Shagotte sich mit der linken Hand am Rand des Waschbeckens ab, den Blick eisern auf den metallenen Wasserhahn gerichtet, obwohl ihr ein Blick in den Spiegel ohnehin nur einen Schemen gezeigt hätte. Es war finsterste Nacht und um die Anderen nicht zu wecken, hatte Shagotte darauf verzichtet, im Gemeinschaftsbad das Licht anzuschalten. Es war endlich alles ruhig, sie hatten endlich eine Pause, Shagotte wollte nicht diejenige sein, die sie alle wieder an das erinnerte, was sie durchgemacht hatten. Um genau zu sein, wollte sie sich selbst nicht daran erinnern, was sie durchgemacht hatte. Sie wollte sich auf das konzentrieren, was sie erreicht hatte, und auf das, was sie noch erreichen wollte. Sie wollte zurück nach Hause, zu ihrer Tochter, wollte wieder den süßen, unschuldigen Kleinkindgeruch einatmen, wollte ihr Kind aufwachsen sehen… Der Gedanke an Charle ließ Shagotte beinahe würgen. Wieder zwang sie sich, tief einzuatmen, um der Übelkeit Herr zu werden. Charle ging es gut, ermahnte sie sich. Ihre Tochter war bei Lucky und Marl gut aufgehoben. Es fehlte ihr an nichts… Nur an ihrer eigenen Mutter, die wegen ihrer dummen Ideale in einen Krieg am anderen Ende der Welt gerannt war, der Charle sowieso nie erreichen würde… Zitternd griff Shagotte nach dem Regler des Wasserhahns und ließ eiskaltes Wasser ins Becken fließen. Sie erschauderte, als ihre Finger unter den Strahl gerieten, aber sie zwang sich, wieder tief durchzuatmen und sich das Wasser ins Gesicht zu klatschen. Es war schwer mit nur einer Hand. Vieles war mit nur einer Hand schwer, hatte Shagotte bereits festgestellt. Wie umarmte man mit nur einer Hand sein eigenes Kind…? „Shagotte?“ Die dunkle Männerstimme ließ Shagotte zusammen zucken und herum wirbeln. In der Tür stand ein breitschultriger, hochgewachsener Schatten. Bei der Statur kämen mehrere Männer ihres Teams in Frage, aber Shagotte wusste dennoch sofort, um wen es sich dabei handelte. „Pantherlily…“ „Hast du wieder Schmerzen?“ Ein Hauch von Sorge schwang in der Stimme mit. Aufrichtige, sanfte Sorge. Bei seinem Äußeren traute niemand es dem dunkelhäutigen Soldaten jemals zu, aber aus ihrer Gruppe war er einer der aufmerksamsten Gesellen, immer voller Fürsorge und Mitgefühl. „Keine, die ich nicht schon kenne“, erwiderte Shagotte hastig und drehte das Wasser wieder ab. „Tut mir Leid, wenn ich dich geweckt habe.“ Sie griff nach einem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab, um nicht in Pantherlilys Richtung blicken zu müssen. Es war wahrscheinlich dumm, womöglich sogar unvernünftig, aber Shagotte wollte sich selbst nicht eingestehen, wie schwer ihr ihre Verletzung zu schaffen machte. Darüber zu reden, machte es so viel realer, so viel schmerzhafter – und gab ihr gleichzeitig das Gefühl, weinerlich zu sein. Sie hatte gewusst, dass so etwas passieren könnte. Sie alle hatten es gewusst und sie alle hatten für ihre Ideale bereits den Preis bezahlt. Pantherlily trug diesen Preis im Gesicht, gezeichnet für den Rest seines Lebens. Genau wie Igneel und Silver… Und Grandine, die gute, sanfte Grandine… ob sie jemals wieder aufhören konnte zu zittern? Der Gedanke an ihre erste und beste Freundin entlockte Shagotte ein schweres Seufzen. Grandine sagte immer, dass sie es nicht bereute, hierher gekommen zu sein, auch wenn darüber ihre Ehe in die Brüche gegangen war. Aber die Maßnahmen, zu denen Grandine vor wenigen Wochen gezwungen gewesen war, um ihre schwer verletzten Kameraden zu retten, machten ihr beinahe schwerer zu schaffen als den Betroffenen. Shagotte sah es ihrer Freundin Tag für Tag an, dass sie sich fragte, ob es andere Wege gegeben hätte. Wege, die weniger… Spuren hinterlassen hätten. Dabei machten Shagotte und die Anderen ihr nicht den geringsten Vorwurf. Wie könnten sie auch? Sie verdankten der Feldärztin ihre Leben… „Du weißt, was Grandine gesagt hat, du sollst…“ „Die Schmerzen ernst nehmen, ich weiß“, unterbrach Shagotte den Soldaten mit einem bitteren Seufzen. „Pantherlily, du weißt genauso gut wie ich, dass diese Schmerzen nicht wirklich da sind. Das ist alles Einbildung, mehr nicht. Mir geht es gut!“ Dieses Mal war es Pantherlily, der schwer einatmete, und für einen Moment fragte Shagotte sich, ob sie ihn verärgert hatte. Es war schwer, ihn zu verärgern, eigentlich hatte sie ihn nur einmal wirklich wütend erlebt, als es eine hässliche Auseinandersetzung hier in der Kaserne wegen Igneel und Weißlogia gegeben hatte. Die homophoben Anfeindungen hatten den Mann, der wegen seiner eigenen Dunkelhäutigkeit bereits so viel hatte mit anhören müssen, ohne jemals mit der Wimper zu zucken, bis aufs Blut gereizt. Nicht nur ihn, musste man der Fairness halber sagen. Metallicana und Silver hatten sich davon genauso anstacheln lassen, aber bei Pantherlily war es so furchteinflößend gewesen, gerade weil niemand ihm einen solchen Ausbruch zugetraut hätte. „Geh’ in dein Zimmer und zieh’ dich um. Ich fahre dich ins Krankenhaus.“ Für einige Sekunden war Shagotte zu verblüfft, um etwas darauf erwidern zu können. Das war auch nicht Pantherlilys Art. Er versuchte nie, Andere von etwas zu überzeugen. Zumindest nicht so. Wenn überhaupt, dann indem er dezente Andeutungen einstreute, um seine Gesprächspartner zur Einsicht zu führen, aber nicht so… so unnachgiebig. „Nein“, erwiderte Shagotte, als sie ihre Fassung zurück erlangt hatte. „Mir fehlt nichts, ich muss nicht dorthin.“ Langsam kam Pantherlilys dunkle Gestalt auf sie zu. Als er direkt vor ihr stand, war Shagotte dazu gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen. Er überragte sie um mindestens zwei Köpfe. Sie konnte nur die Gesichtskonturen und das Weiße in seinen Augen erkennen, aber es war genug, um zu wissen, dass er fest entschlossen zu ihr hinunter blickte. Ein Schauder lief Shagottes Rücken hinunter, den sie nicht richtig zu definieren wusste. „Dir wurde vor einem Monat der rechte Arm amputiert, Shagotte, und du hast Schmerzen. Grandine hat Nachtschicht. Ich fahre dich ins Krankenhaus.“ „Grandine hat genug um die Ohren, das sind nur Phantomschmerzen“, protestierte Shagotte und blinzelte heftig, auch wenn sie sich selbst nicht erklären konnte, warum. Die Berührung an ihrer Wange war hauchzart, nur ein sanftes Streichen rauer, dicker Finger, aber sie ließ Shagotte zittern. Sie wich nicht zurück, als Pantherlily noch näher an sie heran trat und sie behutsam in die Arme schloss. Dieses Mal waren seine Stimme nur ein sanftes Flüstern, aber dahinter verbargen sich so viele andere ungesagte Dinge. Worte des Trosts und der Anteilnahme und des Beistands. Und ein Versprechen, das Shagotte während ihres Schmerzdeliriums in den Tagen vor der Amputation zu hören geglaubt hatte. Ein Versprechen, das über den Dienst hier am Ende der Welt hinaus gehen sollte. Ein Versprechen, das so weit ging, dass Shagotte sich selbst einfach einreden musste, dass es nur Einbildung gewesen war, egal wie intensiv sie sich auch heute noch an das Gefühl der starken, rauen Hände erinnern konnte, die ihre eigene, leblose hielten… Obwohl nur zum dritten Mal gesagt, drangen diese Worte nun so tief in Shagottes Inneres vor, dass sie nicht mehr protestieren konnte. Sie lehnte zaghaft den Kopf gegen Pantherlilys breite Brust und nickte schweigend und schicksalsergeben in die Dunkelheit. „Ich fahre dich ins Krankenhaus…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)