Der Drache und die Nacht von Arianrhod- (OneShots) ================================================================================ [April | Geranie] Ränke und Schwüre ----------------------------------- Die lange Klinge des Katanas gleißte im Schein der Sonne und Kaguras Blick war über den Rücken der Waffe fest auf ihren Gegner gerichtet. Jeder seiner Bewegungen folgte sie mit den Augen, um keine Gelegenheit, keine Lücke in der beinahe perfekten Verteidigung zu verpassen. Macbeth aus dem Haus Oración war ein hervorragender Fechter, präzise, schnell und klug. Er war ein wirklich furchterregender und würdiger Gegner. Kagura genoss diese kleinen Übungskämpfe, denn sie fand nicht mehr viele Streiter, die in ihrer Liga spielten. Auch wenn sie alle so taten, als würden sie ein Duell mit ihr ablehnen, weil sie eine Frau war, so wusste sie doch, dass sie in Wahrheit Angst hatten, von ihr geschlagen zu werden. Im Hintergrund verschwamm die Hecke, die den kleinen Sandplatz abgrenzte, zu einer einzigen grünen Fläche, und die Hauswand der Schwerthalle war nur eine weiße Mauer, an der die Welt zu enden schien. Ansonsten nahm sie nichts weiter wahr als den jungen Mann, der ihr gegenüberstand, schlank und athletisch gebaut, mit einem geradezu zart zu nennenden Gesicht und feinen Zügen. Seine Augen waren bodenlos schwarz und waren umrahmt Wimpern, um die ihn viele Frauen beneideten. Es war ein lauer Tag und der sanfte Maienwind kühlte Kaguras erhitztes Gesicht ab und schlüpfte in ihren Kragen. Das einfache Hemd klebte an ihrem schweißnassen Rücken und unter ihren hohen Lederstiefeln knirschte der Sand. Ihr Haar lag in einem langen, geflochtenen Zopf schwer über ihrer Schulter. Durch ihre gesammelte Konzentration drang nur wenig, das nicht direkt Macbeth und die Klingen betraf, alles vermischte sich zu einer Masse an Farben und Geräuschen. Von Ferne drang der Lärm der Stadt zu ihr herüber, die Stimmen der Gärtner auf der anderen Seite der Hecke, Vogelgezwitscher… Macbeth‘ Florett zuckte blitzartig nach vorne und Kagura zog ihr Katana herum. Die Klingen klirrten aufeinander und sie führten drei, vier Schläge gegeneinander. Ihre Füße führten den bekannten Tanz auf, glitten durch den Sand, hielten sie von dem Gegner fern und brachten sie näher aneinander. Diese Bewegungen waren ihr vertraut. Da, eine Lücke! Kagura machte einen Ausfallschritt zur Seite, ließ die dünne Klinge ihres Kontrahenten an dem Katana entlangleiten. Mit einer fließenden Bewegung löste sie die Waffen voneinander und schlug zu, traf…! Macbeth stieß ein leises Ächzen aus, eher eine Zurkenntnisnahme der Wunde als ein tatsächlicher Schmerzenslaut. Es war nur eine dünne Linie auf seinem Oberarm, aus der nur wenig Blut quoll, ein Schmiss, der nicht der Rede wert war. In ein paar Tagen würde sie wieder verschwunden sein. Kagura hatte gewonnen – für heute. Bei ihrem nächsten Kampf konnte es wieder anders aussehen, da sie ähnlich stark waren. Für einen Moment blieben sie in der finalen Pose erstarrt stehen, dann lösten sie sich voneinander und grüßten mit leichten Verbeugungen. „Guter Kampf.“, erklärte Macbeth, während sie nebeneinander zur Schwerthalle hinübergingen. Mit einer eleganten Bewegung schob er sein Florett in die Scheide zurück. „Du bist in letzter Zeit guter Stimmung, Mylady.“ Kagura runzelte die Stirn und nickte einen Moment später. Sie konnte das kleine Lächeln nicht unterdrücken, das an ihren Mundwinkeln zupfte. Aber warum sollte sie? Das Leben war schön. Es gab nur einen kleinen Schönheitsfehler, der ihm die Perfektion nahm, nach der sie sich sehnte… „Ich freue mich sehr für meinen Bruder. Er ist so guter Dinge, seit er die Verlobung bekannt gegeben hat.“, gab sie zu und hob ihre Scheide auf, die sie an die Wand gelehnt hatte. Sie gestattete ihrem kleinen Lächeln größer zu werden. Ihren Bruder so glücklich zu sehen machte auch sie glücklich. „Er hat geglaubt, niemals die Liebe zu finden, nach der er suchte. Nicht nachdem…“ Sie verstummte. Zwar kannte jeder die skandalöse Geschichte um ihren Bruder, Lord Simon Mikazuchi, Erza Scarlet, dem Mündel von Großherzog Dreyar, und dem verwegenen Gentlemandieb, den man Skyfall nannte und dessen wahre Identität im Schatten lag. Doch sie musste keine schlafenden Hunde wecken. „Er hat geglaubt, seine Chance verloren zu haben, und jetzt hat er doch noch jemanden gefunden, der seine Gefühle erwidert, wie er es verdient.“ Kagura nickte bekräftigend. Nach dem Skandal hatte Simon seine Forschungsreisen wiederaufgenommen und sie hatten ihn weiter von der Heimat weggeführt als je zuvor. Vielleicht hatte er das gebraucht um endlich die Frau zu finden, die ihn verdiente. Macbeth nickte höflich, obwohl auf seinem Gesicht abzulesen war, dass ihn das Thema nicht interessierte. „Und du? Hast du einen in deiner langen Liste an Verehrern, den du näher in Betracht ziehst?“ Sie warf ihm einen scharfen Seitenblick zu, aber sein Gesicht war undurchdringlich. Doch der seltsame Unterton in seiner Stimme machte sie vorsichtig. „Ich mache mir nichts aus ihnen.“, antwortete sie dann langsam und dankte ihm mit einem Nicken, als er ihr die Tür öffnete. „Keiner von ihnen hat es je geschafft, mein Interesse zu wecken. Und Langeweile ist keine gute Voraussetzung für eine Beziehung.“ Natürlich war das nicht der eigentliche Grund. Da war noch etwas sehr viel Wichtigeres – die Tatsache, dass sie ihr Herz bereits verschenkt hatte und sich nicht vorstellen konnte, einen anderen Mann an ihrer Seite zu haben als diesen einen, nach dem sie sich sehnte. Immerhin wurden in ihren Kreisen viele Ehen aus politischen und geschäftlichen Gründen beschlossen, Liebe hatte damit oft nicht viel tu tun. Aber ihr Bruder drängte sie nicht dazu, sich einen Verlobten zu suchen und er war mit seiner Braut, einer ehemaligen Priesterin aus dem Ausland noch dazu, ebenfalls nicht den konventionellen Weg gegangen. Aber das war Tradition in der Familie, wenn sie sich so ansah, dass ihr Vater ebenfalls eine fremde Prinzessin geheiratet hatte und zudem erst sehr spät. Neben ihr lachte Macbeth leise. „Dein Mann würde es dir nicht danken.“, gab er zu und fuhr fort, ohne ihr eine Gelegenheit zum Antworten zu lassen: „Mein Vater lässt Hinweise fallen, dass es langsam an der Zeit ist, dass ich mir eine Braut suchen. Und natürlich, wer alles in Frage kommt.“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu und blieb stehen. „Soll ich dir viel Glück wünschen?“ „Meistens fällt dein Name in diesen Gesprächen.“, war die trockene Antwort und sie schenkte ihm einen wenig beeindruckten Blick. Macbeth war eine der letzten Personen, die sie jemals dafür in Betracht ziehen würde, dazu war er ihr ein zu teurer Freund. Allerdings wäre ein Bündnis zwischen ihren Häusern ein guter Schachzug, darum wunderte es sie nicht. Macbeth breitete die Arme aus, so dass sein Florett fast die Wand berührte. „Oh, ich habe ihm gesagt, dass du kein Interesse hast.“ Auf gar keinen Fall! Selbst nicht, wenn ihr Herz nicht schon längst für jenen anderen Mann schlug – einen Mann, den sie niemals haben konnte… „Ich wollte dich nur vorwarnen.“, erklärte er ihr und setzte seinen Weg zu den Kammern fort, in denen sie sich ihrer Trainingskleidung entledigen und frisch machen konnten. „Damit du nicht aus allen Wolken fällst, wenn mein Vater an deinen Bruder herantritt.“ Nach einem Moment nickte sie dankbar. „Ich werde es mir merken.“ Vielleicht sollte sie direkt zu ihrem Bruder gehen und ihm davon berichten, damit er jegliche Angebote rundheraus ausschlagen konnte. Zumal ihr Onkel sie dazu drängen würde, wenn er Wind davon bekäme… Weiter kamen sie mit dem Gespräch nicht, denn sie erreichten endlich ihr Ziel, und Kagura stieß die Tür auf, die sie in einen kleinen Raum führte. Dort wartete bereits eine Waschschüssel mit warmem Wasser auf sie. Ihre Kleider hingen über dem hölzernen Sichtschutz und die Wände waren beinahe kahl bis auf einen altbackenen Wandteppich mit einer märchenhaften Waldszene. Nachdem sie sich einer kurzen Katzenwäsche unterzogen hatte, um den schlimmsten Dreck loszuwerden, schlüpfte sie in das lange, fließende Kleid, das einer Dame ihres Standes angemessen war. Sie würde nachher im Haupthaus ein ausgiebiges Bad nehmen; die Diener hatten es wahrscheinlich bereits vorbereitet. Sie fand Macbeth vor der Schwerthalle auf dem kleinen Hof, der ebenfalls von dem Stall und dem Gesindeflügel des Hauses eingegrenzt wurde. Ein großer Brunnen befand sich ein seiner Mitte, der sich häufig in Benutzung befand, so wie auch jetzt. Zwei Stallburschen füllten mehrere Eimer. Etwas entfernt diskutierte ein Hilfskoch mit einem Lieferanten, dessen Haar von der Sonne ausgebleicht war. Nach einem Moment erkannte Kagura auch den Grund, warum ihr Freund noch immer vor der Tür stand. Denn als sie zu ihm, trat bemerkte sie, dass er mit Onkel Michello, dem jüngeren Bruder ihres verstorbenen Vaters, sprach. Michello war ein vom Alter geschrumpfter Mann mit noch erstaunlich braunem Haar und einem kräftigen Schnauzer. Er trug wie immer einen erlesenen Anzug aus feinstem Stoff und mit großartigen Stickereien darauf und stützte sich schwer auf einen Stock, in dem eine Klinge verborgen war. Früher einmal war er ein großartiger Fechter gewesen, aber das Alter und das Leben waren nicht gnädig zu ihm gewesen. Eine Kriegsverletzung zwang ihn zu dauerhaftem Humpeln, da er das rechte Bein nicht mehr richtig bewegen konnte. „… diese Verbrecher uns um das Geschäft gebracht haben.“, beschwerte sich der alte Mann gerade. Macbeth nickte wie mechanisch und so wie Kagura ihn kannte, hörte er nicht einmal zu. „Und mein Neffe tut rein gar nichts dagegen, er ist zu beschäftigt mit dieser…“ Michello unterbrach sich, vermutlich um nicht etwas zu sagen, das unakzeptabel war. Es war kein Geheimnis, dass er Simons Braut nicht mochte. Nicht nur, dass er Eclair für ein völlig unangemessen hielt, sondern auch und vor allem, weil dadurch mit Erben für Simon zu rechnen waren. Michellos eigene Erblinie hatte dadurch keinerlei Chancen mehr auf den Titel und die Ländereien von Haus Mikazuchi. Seine Enkelin Michelia war etwas älter als Kagura, bereits verheiratet und im Moment schwanger und Kagura mochte sie sehr. Weder sie noch ihr Ehemann hatten Interesse an diesem Erbe, aber das war dem alten Mann egal. Er hatte Pläne und Ziele und er tat alles dafür, sie umzusetzen – er flüsterte in die Ohren von Stadträten und Lords, er bestach Händler und Zunftmeister, er streute Gerüchte, er schürte den Hass zwischen den Häusern Mikazuchi und Lore… Wenn Kagura nicht so ein ehrlicher, ehrbarer Mensch wäre, hätte sie längst überlegt, wie sie ihn loswerden konnte. Aber so blieb ihr nichts anderes, als die Zähne zusammenzubeißen und scharf dazwischen zu gehen: „Sage nichts, dass du später bereuen wirst, Onkel. Freue dich lieber darüber, dass dein Neffe so glücklich ist. Und über welches Problem machst du dir jetzt wieder Sorgen?“ Michello warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Wie schön, dich zu sehen, meine Nichte.“, antwortete er mit einem aufgesetzten Lächeln. „Aber dieses Problem soll dich nicht beunruhigen, ich werde es schon allein lösen, ohne dich oder Simon damit belästigen zu müssen. Es wird nicht mehr lange bestehen.“ In seiner Stimme lag ein zufrieden-bösartiger Unterton, der Kagura einen Schauer über den Rücken jagte. Von was sprach er…? Sollte sie Simon warnen, dass da etwas im Gange war…? Wenn ihr Bruder noch nicht einmal davon wusste… Und es konnte so leicht auf ihn zurückfallen! Doch dann huschte sein Blick abschätzig zu dem Katana, das sie bei sich trug. „Ich sehe, du gehst immer noch einem Zeitvertreib nach, der einer jungen Frau wie dir nicht angemessen ist.“ Kaguras Gesicht jedoch blieb unbewegt, sie hielt nicht viel von falschen Höflichkeiten. „Meine Zerstreuung ist meine Sache und lenkt mich nicht von meinen Studien und Pflichten ab.“ Macbeth räusperte sich, ehe sie zu einer Entscheidung kam, ob sie tiefer in ihren Onkel dringen sollte. „Entschuldigt mich, aber ich werde Zuhause erwartet.“ Er reichte ihr den Arm. „Begleite mich zur Tür.“ Sie hängte sich dankbar bei ihm unter und ließ sich davonführen. Michellos Doppelzüngigkeit und Intrigen zu ertragen fiel ihr auch an ihren besten Tagen schwer. „Von wem sprach er?“, wollte sie in der Hoffnung wissen, dass ihr Trainingspartner gut genug zugehört hatte, um zumindest das behalten zu haben. „Haus Lore.“, war die umgehende Antwort und Kagura sog erschrocken die Luft ein. Eigentlich hätte sie diese Antwort erwarten sollen, aber trotzdem… Es machte ihr Angst. Nicht um ihrer selbst willen, aber um die Person, die ihr so wichtig geworden war… Wenn Michello beschlossen hatte, jetzt seinen Zug zu machen, dann… Ja, was würde das bedeuten? Wo würde das enden? Macbeth warf ihr einen neugierigen Blick zu, doch er ging nicht auf ihre Überreaktion ein. „Der Grund, warum sich mein Vater noch überlegt bezüglich eines Hochzeitsangebotes. Er hält diese Fehde für nicht sonderlich fruchtbar.“ Kagura verzog das Gesicht. „Ich auch nicht.“ Und das nicht nur, weil sie unnötige Gewalt verabscheute. Diese Fehde zwischen den beiden Hohen Häusern zog sich schon über Generationen hinweg. Niemand wusste mehr genau, wie sie begonnen hatte, aber die Geschichten sagten, dass eine Frau involviert gewesen war. Sie nickte dem Koch zu, der ihre Geste höflich erwiderte, als sie ihn und den Lieferanten passierten; anscheinend hatten die beiden ihre Unstimmigkeiten geklärt. Aber was meinte ihr Onkel damit, dass das Problem nicht mehr lange bestehen würde…? Sie furchte die Stirn und überlegte, was er geplant haben könnte. Ganz sicher nichts Gutes… „Mylady!“ Überrascht blieb sie stehen und wandte sich zu dem Besitzer der dunklen Stimme um. Sie gehörte dem Lieferanten, einem jungen Mann, der sich mit natürlichem Selbstbewusstsein hielt und katzenhafter Anmut bewegte. Er hielt ihr etwas hin, das Lächeln auf seinen Lippen freundlich. „Mylady, mir scheint, Ihr habt etwas verloren.“ Blondes Haar fiel ihm in ein Gesicht, das schwer zu vergessen war, und sie wusste, sie hatte ihn schon einmal gesehen. Er machte eine Bewegung mit der Hand, was ihre Aufmerksamkeit darauf und den Gegenstand darin zog. Es war ein kleines Buch mit einem dunklen Ledereinband ohne Beschriftung. Ein violettes Satinband, in dem ein paar Blumen steckten, hielt es geschlossen und der Einband war staubig vom Boden. Sie hatte es noch nie zuvor gesehen. „Hier, bitte, Mylady.“, sagte er mit Nachdruck und streckte es weiter aus. „Nichte, belästigt dich dieser … Mann?“, mischte sich Michello ein. „Ich werde ihn entfer-“ Ohne weiter darüber nachzudenken, griff Kagura zu und nahm das Büchlein entgegen. „Nein, Onkel, er gab mir nur etwas zurück, das ich verloren habe.“ Sie klopfte den schmalen Band ab und schenkte dem jungen Mann ein zuvorkommendes Lächeln. „Vielen Dank, es soll nicht dein Schaden sein.“ „Bemüht Euch nicht, Mylady.“, wehrte er ab und trat einen Schritt zurück. „Ich muss jetzt weiter. Einen schönen Tag wünsche ich Euch Herrschaften.“ Er deutete eine Verbeugung in Michellos Richtung an, die auf Kagura eindeutig spöttisch wirkte, und beschleunigte seinen Schritt, um durch das Lieferantentor zu verschwinden. „Was wollte dieser Bengel?“, empörte sich Michello bei dem Koch, der ihm einen erstaunten Blick zuwarf und dann die Kiste anhob, die er in den Armen hielt. „Er hat unsere Gewürze geliefert, Mylord.“ Kagura wandte sich ab, ehe ihr Onkel auch sie anpöbeln konnte. Sie zog an Macbeth‘ Arm. „Komm. Wir wollen uns nicht länger damit aufhalten.“ Er folgte ihr wortlos den Weg zum Haupttor hinunter. „Verloren?“, spöttelte er neben ihr, als sie nur noch einige Meter von dem bewachten Tor entfernt waren und damit gut außerhalb der Hörweite ihres Onkels. „Seit wann bringst du Bücher zu unseren Kämpfen mit?“ Sie hielt es fest in der Hand, ehe sie es in die Tasche ihres Kleides schob, vorsichtig, damit die Blumen nicht zerknickten. „Es ist ein besonderes Geschenk.“, antwortete sie, obwohl sie wusste, dass er erkannt hatte, dass ihr das Buch fremd war. Aber ihre Worte waren dennoch keine Lüge. Dieser Gedanke brachte leichte Röte auf ihre Wangen, die sich heißer anfühlten als vorhin in der Hitze des Gefechts. Sie hatte diesen Lieferanten schon vorher gesehen, drei, vier Mal, stets flüchtig und nur am Rande ihres Umkreises. Aber es reichte um zu wissen, zu welchem Haus er gehörte. Und die Blumen… Sie verdrängte den Gedanken und verabschiedete sich erst von Macbeth, der glücklicherweise nicht weiter nachfragte. Hoffentlich konnte sie so weit auf ihn zählen, dass er mit dieser Information, die sie ihm heute unfreiwillig gegeben hatte, nicht hausieren ging. Zwar zählte sie ihn zu ihren guten und teuren Freunden, doch in diesem intriganten Spiel der Häuser wusste man erst hinterher, wem man wirklich vertrauen konnte. Mit raschen Schritten eilte sie dann zu dem herrschaftlichen Anwesen zurück, das ihrem Bruder gehörte, um in ihr Badezimmer zu stürmen. Die Dienstmädchen kannten sie inzwischen gut genug, dass die Wanne bereits mit Wasser gefüllt war. Rosenblätter schwammen auf der Oberfläche und es duftete zart nach den Blumen. Sie schickte die Magd weg, die ihr ein Tablett mit Tee und feinem Gebäck brachte. „Ich wünsche, ein ausgiebiges Bad zu nehmen und nicht gestört zu werden.“, erklärte sie der jungen Frau, als diese ihre Last auf dem kleinen Tisch neben der tatzenfüßigen Badewanne abstellte. Das Mädchen knickste höflich und verschwand wieder, so dass Kagura hinter ihr abschließen konnte. Endlich konnte sie das kleine Buch wieder aus der Rocktasche ziehen und sie löste mit zitternden Fingern das violette Band. Ein kurzer Blick in die Lektüre zeigte, dass es sich um Liebesgedichte handelte, ein jedes vermutlich sorgfältig ausgesucht und in diesem persönlichen Einzelband abgedruckt. Später, nachts, wenn niemand sie stören würde, wenn sie sich ganz ihrer romantischen Ader hingeben konnte, ohne dass jemand sie beobachtete, würde sie sie lesen. Sie würde wissen, dass jedes einzelne von Herzen kam. Allein diese Kenntnis würde sie in einen Wirbel der Gefühle stürzen, der sie mit sich zu reißen drohte. Manchmal fühlte sie sich, als würden ihre Emotionen sie in die Himmel erheben, und manchmal, als würde sie darunter ersticken. Doch jetzt war das Buch nur eine Nebensache und sie legte es auf das Tablett. Das violette Band fiel achtlos daneben und sie hob die Blumen hoch – sie bildete Dolden von mehreren Blüten und trugen dunkelgrünes Laub. Es waren exakt vier Stück. Die zarten Blüten selbst waren weiß, mit einem rosafarbenen, gewellten Rand, und dufteten leicht. Geranien, erkannte Kagura und senkte sie wieder. Sie brauchte einen Moment, um sich an die Bedeutung dahinter zu erinnern. Blumen waren die Art, wie sie mit dem Mann kommunizierte, der so unerwartet ihr Herz gestohlen hatte. Jetzt schlug es verwirrend schnell, nur weil sie seine Nachricht in der Hand hielt, und sie war viel nervöser, als je bei einem Kampf. Wie schaffte er es nur, dass er ihre sonst so kühle, beherrschte Fassade einfach so durchbrechen und sie so aus dem Gleichgewicht bringen konnte? Sie presste die Hand auf die Brust und schloss die Augen, um die aufgewühlten Gefühle wieder zur beruhigen. Die Pelargonie bedeutete Ich erwarte dich an der bekannten Stelle, fiel ihr dann wieder ein und sie runzelte die Stirn. Sie wollten sich sowieso treffen, übermorgen, denn niemand durfte davon erfahren. Warum also plötzlich heute, jetzt sofort gar…? Nach einem Moment schüttelte sie entschlossen den Kopf. Für solche Gedanken hatte sie keine Zeit. Er würde es ihr erklären, wenn sie einander sahen, was nicht mehr lang dauern würde. Ein Blick aus dem Fenster zur Turmuhr zeigte, dass drei Uhr bereits einige Zeit hinter ihnen lag und sie musste ein Stück gehen, um die bekannte Stelle zu erreichen. Sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren. ~~*~~❀~~*~~ Wenn Kagura sich umdrehte und zurückblickte, konnte sie die hohe, geradezu fragil wirkende Kuppel des kolossalen Wintergartens erkennen, der aus weißen Metallstreben erbaut worden war. Das blank polierte Glas warf das Licht der Sonne zurück, so dass sie hell erstrahlte. Die hohen, alten Bäume, die das Gebäude umgaben, versperrten Kagura den Blick auf die eigentliche Struktur und den schön angelegten Platz darum herum. Mehrere Wege führten von ihm weg, doch der alte Plattenpfad, den sie genommen hatte, wurde nur selten genutzt. Meistens waren es Pärchen, die sich unter sich sein wollten, oder einfach Personen, die die Einsamkeit und Ruhe suchten. Wer hierher kam, verschloss Augen und Ohren vor allen anderen Besuchern, das war die ungeschriebene Regel. Auch Kagura eilte mit gesenktem Kopf den Weg entlang um niemandes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie wusste, dass sie nicht beobachtet wurde, ansonsten hätte sie sich eine bessere Verkleidung gesucht als einen Militärmantel und Männerhosen. Aber niemand hatte sie gehen sehen; alle vermuteten, dass sie noch in der Wanne saß. Doch sie hatte nur ein kurzes Bad genommen, um dem Verwahrer ihres Herzens nicht von dem Übungskampf verschwitzt und verdreckt gegenübertreten zu müssen, und war dann in ihre Kleider geschlüpft. Es war bereits kurz nach vier, als sie den Botanischen Garten erreicht hatte, ein wunderschöner, weitläufiger Park, der Jahr um Jahr mehr Besucher anzog, die ihn und die Attraktionen sehen wollten, die er zu bieten hatte. Das Vogelhaus, der Wintergarten mit seinen farbenfrohen Schmetterlingen, die Rosen, die jetzt langsam erste Blüten öffneten, und das Heckenlabyrinth, das so einen großen Spaß darstellte… Aber dies hier war im ältesten Teil des Botanischen Gartens, der dessen Herz darstellte und kunstvoll verwildert und überwuchert gehalten wurde. Nur wenige Leuten suchen ihn auf, da er sich fernab von allen Straßen und Schauplätzen befand. Der Weg hierher war weit, weswegen es mühsam war, ihn zu erreichen. Die zahlreichen Bäume mit ihrem überhängenden Blätterdach, das hohe, dichte Gras und das viele Moos, das sich über die manchmal schon baufälligen Steinmauern, die Findlinge und die alten Brunnen und Statuen zog, erschufen eine geradezu magische, feenhafte Atmosphäre. So manch romantischer Geist war davon schon zu poetischen Ausschweifungen verführte worden. Schon als Kind hatte Kagura mit ihrem Bruder hier gespielt, als ihre Eltern sie zu nachmittäglichen oder abendlichen Picknicks hierher gebracht hatten. Es war ihr einer der liebsten Orte auf der Welt, hier hatte sie auch ihren Liebsten getroffen. Jetzt hatte Simon selten Zeit, herzukommen. Vielleicht würde sich das in Zukunft wieder ändern, wenn Eclair ihn aus seiner Arbeit herausholen würde… Kagura schüttelte den Gedanken ab und blickte sich kurz um, doch außer einem Mann, der in die andere Richtung schlenderte, war niemand zu sehen. Also betrat sie einen schmalen Trampelpfad, der im Unterholz kaum zu erkennen war, duckte sich unter einigen tiefhängenden Ästen hindurch und schob sich an einigen Büschen und Felsen vorbei um eine kleine Lichtung zu erreichen, die noch einmal magischer wirkte. Vielleicht lag es an dem Licht, das hier offen hereinfiel, während alles Andere um sie herum dunkler erschien. Ein alter Pavillon, zu dem drei Stufen hinaufführten, erbaut aus Säulen und vollendet mit einem von Patina grün gefärbten Kuppeldach erhob sich in der Mitte der freien Fläche und darin wartete jemand. Es war ein hochgewachsener Mann in edler Kleidung, der ihr den Rücken zukehrte. Trotzdem erkannte sie ihn sofort, nicht nur, weil sie ihn erwartet hatte, auch an dem vertrauten Schwung seiner Schultern, die Art, wie er den Kopf hielt oder die Hände hinter dem Rücken verschränkte… Sein Anblick allein brauchte ihr Herz dazu, einen Moment auszusetzen und dann doppelt so schnell weiterzuschlagen. Er war schlank und dennoch muskulös und strahlte ein Flair von Eleganz und Noblesse. Das lange, blonde Haar hatte er im Nacken mit einer einfachen, schwarzen Schleife zusammengebunden und sein Zylinder, die Handschuhe und der Stock lagen neben ihm auf der halbrunden Bank. Die Aura von gelassener Ruhe, die ihn umgab, fügte sich einfach in die magische Atmosphäre ein, als wäre er ein Teil dieses Ortes. Sie braucht einen Moment, um sich zu sammeln und eilte dann auf ihn zu. Ihre Schnürstiefel verursachten genug Geräusch auf dem unebenen Boden, dass er sich umdrehte, als sie gerade ausrief: „Rufus!“ Ihre Schritte wurden unwillkürlich schneller. „Kagura!“ Ein erfreutes Lächeln huschte über sein schmales, edles Gesicht, als er sie erkannte, und die Erleichterung malte sich offen auf seinen Zügen aus. Nach ein, zwei Momenten, während denen er sie einfach nur wie verzaubert anstarrte, löste er sich aus seiner Starre und kam rasch auf sie zu, so dass sie sich kurz vor den Stufen trafen. Bei dem vertrauten Klang seiner Stimme, ließ sie all ihre berühmte Selbstbeherrschung fallen und warf sich in seine Arme, um sich ihn zu schmiegen. Sie presste das Gesicht gegen seine Schulter und sog tief seinen maskulinen Geruch ein, der ihr schon so vertraut war. Ein wohliger Schauer durchfuhr sie, als er ihr einen Kuss auf das Haar drückte, während er sie fest an sich zog. Endlich! Wie lange war es her, dass sie nicht mehr in seinen Armen liegen konnte? Wie lange, dass sie ihn küssen und ansehen und halten konnte? Wie lange, dass sie einfach nur in seiner Gegenwart sein konnte? Gefühle, die sie sonst unterdrückte und tief in sich verschloss, um nicht in Verzweiflung und Angst zu vergehen, drangen an die Oberfläche. Das Glück, das sie verspürte, wann immer sie in seiner Nähe war, verbreitete ein warmes Gefühl in ihrem Körper. Zwei lange Wochen hatten sie sich nicht mehr gesehen. Zwei lange Wochen, in denen sie sich nach ihm gesehnt hatte, in denen sie nach einer Möglichkeit gesucht hatte, ihn doch irgendwie zu treffen, in denen sie sich gewünscht hatte, dass die Fehde, die sie entzweite, nicht existierte. Onkel Michello würde nichts gegen Simons Ehe mit Eclair tun, auch wenn er sie nicht guthieß, immerhin war sie eine der verehrten Phönixpriesterinnen gewesen. Doch Kaguras Liebe… Das war unmöglich. Rufus gehörte dem Haus Lore an und zwischen ihnen standen Hass und Blut und Tod. Michello würde sie lieber mit bloßen Händen umbringen, als zuzulassen, dass sie jemanden aus dem Hause Lore heiratete. Nicht, dass er dazu wirklich in der Lage wäre… Nicht ein einem ehrenhaften Zweikampf zumindest. Auch nicht, wenn er seinen besten Kämpfer schickte. Aber selbst sie würde nicht die ganze Welt bekämpfen können. Denn Michello war nicht das Oberhaupt ihres Hauses, aber er hielt Macht in den Händen, wusste, wie man die Fäden spann und die Geschichten wob, um sie alle ins Verderben zu stürzen. Sie wusste, er würde es tun, selbst wenn sie ihn mit sich rissen. Aber ihm standen noch so viele andere Möglichkeiten offen und vielleicht schreckte er noch nicht einmal vor Mord zurück… Rufus war es, der sie aus den Gedanken riss, indem er sich wieder von ihr löste. Er nahm eine ihrer Hände in seine und führte sie nach oben, so dass er einen Kuss auf ihren Handrücken pressen konnte. „Ich bin so erfreut, dass du kommen konntest.“ In seiner Stimme schwang ein bedrückter Unterton mit, trotz dem Lächeln, das seine schmalen Lippen zierte, und in seinen grünen Augen stand Sorge. Das, zusammen mit der Tatsache, dass er ihr Treffen verschoben hatte, verstärkte ihr ungutes Gefühl. Trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, seine Hände in ihre zu nehmen und sie beruhigend zu drücken. Dann reckte sie sich zu ihm und küsste ihn vorsichtig auf den Mundwinkel. Einen Moment verweilte sie in dieser Position, genoss es einfach, in seiner Nähe zu sehen und den hoffnungsvollen Ausdruck in seinem Gesicht, die sehnsüchtig geschlossenen Augen… Dann trat sie wieder einen Schritt zurück, seine Hände noch immer fest zwischen ihren, während er sie forschend ansah. „Was ist geschehen? Warum wolltest du mich jetzt schon sehen?“ Rufus‘ Blick glitt an ihr vorbei und er holte tief Luft. „Einiges.“, erklärte er dann kurz angebunden. „Ich muss noch heute Abend die Stadt für einige Tage verlassen und ich wollte dich noch sehen. Ich weiß auch nicht, wann ich zurückkommen werde.“ Sie runzelte die Stirn. „Aber das ist nicht alles.“, stellte sie nach einem Moment fest. Er schüttelte den Kopf, aber statt einer Antwort führte er sie zu der Bank hinüber, damit sie sich setzen konnten. „Nein.“ Er ließ sie los und wandte sich ab, so dass er nach vorne blickte. Sein Gesicht war ernst, die Augenbrauen zusammengezogen und der Zug um seinen Mund war hart. „Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein oder mit dir sprechen. Ich sollte dir nicht einmal nahe kommen! Aber ich muss dich warnen.“ „Warnen?“ Er nickte, aber anstatt zu antworten, presste er die Lippen zusammen und sagte gar nichts. Anscheinend war das eine sehr schwerwiegende Sache und nach dem, was er vorhin gesagt hatte, konnte er in große Schwierigkeiten kommen, weil er überhaupt hier war. Aber mit wem? Und dass er trotzdem hier war… Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, ihr wurde schwindelig vor Freude, dass sie ihm so viel bedeutete. Aber seine Worte erinnerten sie noch an etwas anderes. „Mein Onkel hat vor, das Haus Lore zu vernichten. Er hat einen Plan und klang sehr sicher, als er davon sprach.“ Rufus wandte ihr den Kopf zu und runzelte ihr die Stirn. „Hat er das gesagt?“ Er klang allerdings nicht sehr beunruhigt. „Nicht in diesen Worten.“, erklärte sie. „Nur, dass dein Haus bald kein Problem mehr für uns darstellen wird.“ Aber allein das klang beunruhigend. Doch Rufus nickte nur langsam, den Blick nachdenklich zur Seite gerichtet. Sein genialer Verstand arbeitete, das konnte sie sehen, aber er schwieg weiterhin. „Mehr kann ich dir nicht sagen, ich habe eben erst davon erfahren.“ Sie griff nach seinen Fingern, aber er erwiderte den Händedruck nicht. Etwas Großes beunruhigte ihn. Wenn er nur mit der Sprache herausrücken würde…! „Dein Onkel steht unter Beobachtung durch die Krone.“, erklärte er schließlich nach einem langen Moment des Schweigens. „Er ist in einige illegale und fürchterliche Geschäfte verstrickt, aus denen er sich bald nicht mehr herauswinden kann. Ich bin hier, um dich deswegen zu warnen – es ist nur noch eine Frage der Zeit, bevor alles zusammenbricht.“ Er hob den Blick und sah ihr in die Augen. „Ich denke nicht, dass du da mit hineingezogen wirst. Aber dein Bruder…“ „Mein Bruder hat nichts mit irgendwelchen krummen Geschäften zu tun!“, empörte sie sich und auch wenn sie wusste, dass Rufus dies nicht meinte, entzog sie ihm ihre Hand und stand auf, um sich ein paar Schritte zu entfernen. Niemals würde Simon Hand in Hand mit Michello arbeiten, schon gar nicht bei illegalen Geschäften! Das hatte er gar nicht nötig! Sie straffte die Schultern, aber sie konnte nicht verhindern, dass sie sich verkrampfte, als er sagte: „Ich weiß. Aber es könnte alles auf ihn zurückfallen. Ich verspreche dir, ich werde alles tun, um Lord Mikazuchi von dem Verdacht zu befreien, aber…“ Sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen. „Aber?“ „Ich kann nichts versprechen. Tatsächlich…“ Er verstummte, dann blickte er sich um, als befürchtete er, dass sie jemand belauschen könnte, und winkte sie näher. Nach einem kurzen Zögern folgte sie der Aufforderung und kehrte zur Bank zurück, um sich zu setzen. Es war nicht Rufus‘ Schuld. Sie glaubte ihm. Aber es ging hier um ihren geliebten Bruder. „Tatsächlich glaube ich, dass dein Onkel die Beweise absichtlich so legt, dass dein Bruder mit hineingezogen wird.“ Kagura wollte wütend aufspringen und alles verneinen, stattdessen runzelte sie die Stirn und nickte nach einem Moment. „Das macht Sinn.“, gab sie zu. Michello hatte es noch nicht aufgegeben, nach dem Titel zu greifen und auf diese Weise könnte er sich des unliebsamen Neffen entledigen, der ihm schon wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. „Er könnte von Anfang an planen, dass es sowieso auffliegt, nur dass aller Verdacht auf Simon gelenkt wird. Aber…“ Sie verstummte und presste unzufrieden die Lippen aufeinander. Doch es war noch nicht alles verloren, sagte sie sich. Sie war hier. Sie wusste jetzt davon. Sie hatte Verbündete, auf die sie zählen konnte. Sie konnte ihren Bruder noch retten. Ihre Familie war das Wichtigste. „Was kann ich tun?“ Rufus hob die Schultern. „Verschaffe deinem Bruder ein Alibi für jede Minute, die dir möglich ist. Vielleicht sorgst du dafür, dass er auf euer Gestüt reist. Hat seine Verlobte es bereits gesehen? Das ist so abseits, dass er von dort kaum etwas tun kann.“ „Das ist eine gute Idee.“ Sie nickte. „Ich werde Eclair zur Hilfe ziehen. Aber… Wo gehst du hin?“ Ihr Bruder war ihr wichtig, aber Rufus ebenfalls. Sie musste wissen, dass er wenigstens in Sicherheit war, wenn sie nur so wenig für Simon tun konnte. Rufus, der selbst in dieser Situation Gefahren auf sich nahm, um sie zu warnen. Der versprach, alles zu tun, um ihren Bruder zu schützen, obwohl zwischen ihren Häusern eine solche Kluft bestand. Der vermutlich allein dafür, dass er mit ihr sprach, als Verräter gebrandmarkt werden konnte. „Das kann ich dir nicht sagen.“, wehrte er ab. „Aber es wird uns hoffentlich das letzte Puzzleteil in diesem Spiel liefern, so dass wir gefährlichen Leuten das Handwerk legen können.“ „Leute, zu denen mein Onkel gehört.“, saget sie, aber er schüttelte den Kopf. „Leute, mit denen er Geschäfte macht. Aber sie spielen in einer völlig anderen Liga als er. Bitte, sei vorsichtig.“ Sie lächelte. „Das sagst du mir?“, wollte sie wissen und wandte sich ihm zu, so dass sie ihn direkt ansehen konnte. „Während du es bist, der sich in die Gefahr stürzt?“ Sie beugte sich vor und küsste ihn, richtig diesmal und länger. Ihre Lippen kribbelten unter den leichten Berührung, als er den Kuss erwiderte, der so sanft war und doch so viel sagte. Ihre Finger verschränkten sich miteinander und seine Wärme schien in sie einzusickern, obwohl sie sich kaum berührten. Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, blickte sie ihm tief in die Augen. „Komm zurück.“, sagte sie. „Und sorge dafür, dass mein Onkel seine gerechte Strafe erhält, ohne uns andere mit hineinzuziehen.“ Sie senkte für einen Moment die Lider, ehe sie ihren Blick entschlossen wieder auf ihn richtete. „Ich vertraue dir unser Schicksal an.“ Er sah nicht weg, als er erneut ihre Hand zu den Lippen führte, um einen Kuss darauf zu drücken, heißt und schwer wie ein heiliger Schwur. Ein Schwur, den sie auch in seinem intensiven Blick erkennen konnte, und den er mit Worten besiegelte. „Ich verspreche es.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)