Der Drache und die Nacht von Arianrhod- (OneShots) ================================================================================ [April | Schlüsselblume] Open your Heart ---------------------------------------- „Hey, Juvia. Du bist eine Frau.“, stellte Natsu fest und zuckte zusammen, als sie einen schrillen Schrei ausstieß. Sie sprang wie gestochen von ihrem Stuhl auf und wirbelte herum, um Natsu direkt anzusehen. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen und sie atmete schwer. „Du musst mich nicht so erschrecken!“, maulte Natsu. „Warn mich, ehe du so losbrüllst.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und verlagerte sein Gewicht, so dass er nicht von dem Ast fiel. „Er…erschrecken?“, stotterte Juvia, noch immer blass, die Hand auf ihr Herz gepresst. Sie war eine hübsche, junge Frau mit offenem, niedlichen Gesicht und mandelförmigen, blauen Augen. Ebenfalls blaue Locken fielen auf ihre schmalen Schultern und ringelten sich auf ihrem dünnen Pullover. Dann verfinsterte sich schlagartig ihr Gesicht. „Du hast Juvia erschreckt!“, warf sie ihm vor und ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Sie stemmte die Hände in die Hüften und Natsu zog erschrocken den Kopf ein. Juvia war eine sanfte Frau, die selten zornig wurde, aber wenn, dann sollte man sich in Acht nehmen. Auch jetzt war sie noch nicht fertig und zeterte los: „Du kannst nicht einfach so lautlos auftauchen und Leute ansprechen, die gar nicht wissen, dass du da bist! Oder auf Bäume klettern um zu Fenstern hochzukommen! Das ist gefährlich! Und niemand erwartet es und außerdem ist es unhöflich, durch Fenster zu schauen! Kein Wunder, dass Lucy sich immer beschwert!“ Natsu setzte sich so erschrocken auf, dass er bedenklich auf seinem schmalen Sitz wankte. „Lucy beschwert sich…?“ Aber warum sollte sie das tun? Er klopfte in der Regel sogar an, wenn er mit ihr sprechen wollte! Aber wenn er recht nachdachte, war sie nie sehr glücklich darüber, wenn er so unangemeldet vor ihrem Fenster auftauchte. Juvias Gesicht wurde wieder weicher und ihre Haltung lockerte sich. Dann trat sie nach vorn und nahm einen Stapel Bücher, eine Kiste voller bunter Garnrollen und eine handgemachte Gray-sama-Puppe von der Fensterbank. Wenig feierlich lud sie alles auf ihren Arbeitstisch ab, auf dem ihre Nähmaschine stand. Sie hatte dort konzentriert an etwas Kleinem gearbeitet, als Natsu dazugekommen war. Langsam begriff er, warum sie so überrascht über sein Auftauchen gewesen war. Doch sie schien ihm das nicht nachzutragen und hatte sich schon wieder beruhigt. Einladend hielt sie das Fenster auf und machte eine kleine Handbewegung in den Raum hinein. „Jetzt komm erstmal rein, Natsu.“ Sein Gesicht hellte sich auf und er kletterte von dem Ast in ihr Nähzimmer. Es war ein kleiner, gemütlicher Raum mit Holzboden und weißen Wänden und Decke, in dem es stets angenehm duftete, und der hell und freundlich war. Er war ganz in Weiß und Blau gehalten, nur vor einer der oberen Ecken hing ein rosa Sonnenschirm. Unter der Dachschräge hatte ein hohes Tagesbett mit Schubladen seinen Platz gefunden, als Sofa doppelte und mit einem Quilt abgedeckt war, den Juvia selbst gemacht hatte. Daneben standen ein kleiner Diwan und ein niedriger, antiker Holztisch mit Kerzen darauf. An der Wand gegenüber hingen zahlreiche Regalbretter, auf denen Kisten, Stoff, Wolle und andere Arbeitsmaterialen untergebracht war. Unter der breiten Fensterfront befand sich neben dem großen Arbeitstisch noch eine Kommode, auf der eine Parade von Stofftieren sich breitgemacht hatte. „Ha, ein Drache!“, freute Natsu sich, als er eine grüne, geflügelte Plüschechse unter ihnen entdeckte, und zog sie aus dem Gewühl von Kuscheltieren heraus. Ein kleines Pony segelte dabei auf den Boden, aber Natsu hielt den niedlichen Drachen hoch, damit er ihn genauer ansehen konnte. Ein Paar aufgenähter Augen blickte ihm freundlich entgegen und er hatte kleine Flügel und winzige, dicke Hörnchen auf dem Kopf. Sein Fell war kuschelig weich und sogar ein wenig fluffig. „Man, ist der cool!“ „Natsu kann ihn haben, wenn er will.“, bot Juvia mit einem kleinen Lächeln an und er sah sie kurz an, drauf und dran, das Angebot sofort anzunehmen. Dann wanderte sein Blick zu den anderen Tieren, die geduldig und offensichtlich neu auf der Kommode hockten. Neben der Nähmaschine wartete ein schwarzweißer Hund darauf, fertiggestellt und ausgepolstert zu werden. „Das sind so viele! Und sie sind alle so toll!“ Er schaute wieder zu ihr hinüber. „Wofür brauchst du diese Armee überhaupt?“ Verlegen strich Juvia sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Sie sind für Mister Makarovs Kindertombola. Bis zum Sommerfest braucht Juvia eine ganze Menge von ihnen!“ „Oh.“ Natsu zog ein enttäuschtes Gesicht. „Ich mochte dich wirklich“, sagte er zu dem Drachen und setzte ihn zu seinen Kameraden zurück. „aber bei einem Kind bist du besser aufgehoben.“ „Juvia kann dir auch einen machen, wenn das vorbei ist.“, bot die Frau ihm an und verschränkte die Finger ineinander. Natsus Augen leuchteten auf. „Einen Roten!“ „Einen Roten.“, stimmte sie zu und hob das Pony auf, um es zu den anderen Tieren zurückzusetzen. „Was willst du überhaupt von Juvia?“ „Oh…“ Für einen Moment starrte er sie verwirrt an, dann erinnerte er sich an den eigentlichen Grund, warum er überhaupt hergekommen war, und erklärte erneut überzeugt: „Du bist eine Frau!“ Sie runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Soll Juvia ärgerlich sein, weil du das noch nicht früher bemerkt hast?“ Natsu stutzte und dachte an seine Worte zurück. Jetzt im Nachhinein, nachdem sie ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, konnte er sehen, dass seine Worte unglücklich gewählt waren. Lucy hätte ihn dafür vermutlich gehörig den Kopf gewaschen. Aber Lucy war ja auch der Grund für sein Problem. „Uh…“ Nervös rieb er sich den Hinterkopf. „Ich meine, natürlich bist du eine Frau! Ich wusste das schon! Theoretisch…! Ich meine, das hat noch nie eine Rolle gespielt? Und darum ist es mir noch nie aufgefallen und du bist halt einer meiner Kumpel und immer für jeden Blödsinn zu haben wie die anderen Jungs und… ich meine…“ Einen Blick auf ihr finsteres Gesicht zeigte, dass er sein Grab tiefer schaufelte, also lenkte er ein: „So hab ich das wirklich nicht gemeint…“ Warum waren Frauen immer so kompliziert! Aber war er nicht gerade darum hergekommen? Weil er dachte, dass eine Frau die kniffligen und unerforschlichen Gedanken einer anderen Frau eher nachvollziehen konnte…? Juvia wirkte noch immer nicht beruhigt und langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Wer sollte ihm helfen, wenn nicht sie!? Er hatte alle Hoffnungen in sie gesetzt. Lucy kam nicht in Frage, weil sie ja der Grund für alles war, Levy war gar nicht da, Cana würde ihn gnadenlos aufziehen und so weit, sich an Erza zu wenden, war er dann doch nicht. Juvia, die freundliche, gutmütige, arglose Juvia, die doch irgendwie immer so viel Durchblick hatte, schien die perfekte Wahl gewesen zu sein. Wenn er nur nicht immer gleich in irgendein Fettnäpfchen treten würde, von dem er noch nicht mal wusste, dass es da war! Und jetzt hatte er sie verärgert! Außerdem sah ihr finsteres Gesicht wirklich furchterregend aus und… Zuckten da etwa ihre Mundwinkel? Einen Moment später kicherte sie los. „Du bist wirklich leicht an der Nase herumzuführen!“, triumphierte sie und brach in Gelächter aus. Erleichtert sackte Natsu in sich zusammen. Sie war nicht böse auf ihn! Sie hatte ihn nur aufgezogen. Kompliziert und fies! Frauen! „Ich bin zu dir gekommen, um um deinen Rat zu fragen, und du machst sowas mit mir! Unfair!“, beschwerte er sich und sie beruhigte sich wieder. „Du hast Juvia auch zu Tode erschreckt.“, verteidigte sie sich und ging um ihn herum, um auf das Tagesbett zu klettern. Auf halbem Wege fuhr sie allerdings noch einmal herum und deutete anklagend mit dem Finger auf ihn. „Komm nie wieder durch das Fenster!“ Er fuhr erschrocken zurück bei ihrer heftigen Bewegung, um nicht ihren Zeigefinger in die Nase zu kriegen. „Aber das ist einfacher so!“, beschwerte er sich und folgte ihr, um sich schwer auf den Diwan fallen zu lassen. Das Fenster war doch wirklich viel leichter zu erreichen als den ganzen Weg um das Haus zu gehen, sich den Blicken der zu neugierigen Nachbarin auszusetzen, die ihre krumme Nase in alles steckte, was sie nichts anging, an der Tür zu klingeln und dann darauf zu warten, bis jemand öffnete. „Du bist der einzige, der lieber über einen Baum in den zweiten Stock klettert als an der Tür zu warten. Aber jetzt raus mit der Sprache, worum geht es?“, unterbrach sie sein innerliches Lamentieren und er setzte sich gerader auf. „Du weißt, dass ich Lucy mag.“, fing er an. „Ich meine, mögen wie in wirklich richtig in echt mögen und…“ „Natsu, jeder weiß, dass du Lucy magst.“, unterbrach sie ihn sachlich und schlug die Beine unter, nachdem sie ihre Kätzchenhausschuhe von den Füßen gestreift hatte. Schmerzlich verzog er das Gesicht. Er wusste ja, dass er nicht sonderlich subtil war, aber so direkt brauchte sie ihm das auch nicht unter die Nase zu reiben! Aber wo sie recht hatte, hatte sie recht, also ließ er die Behauptung so stehen und fügte nur hinzu: „Außer Lucy.“ Juvia seufzte und ihr Gesicht war plötzlich ernst und jede Heiterkeit daraus verschwunden. „Lucy weiß es auch.“ Sie kratzte sich an der Nase. „Sie kennt dich viel zu gut, um es nicht zu wissen.“ Frustriert warf er die Arme hoch und ließ sich gegen die Lehen fallen. „Aber warum blockt sie dann immer ab, wenn ich versuche, es anzusprechen?“ An der Decke hing eine Lichterkette mit Blumen, bemerkte er beiläufig, das war ihm noch nie vorher aufgefallen. Der Raum hatte einen wirklich ausgesprochen femininen Touch. „Ich meine, sie mag mich auch, oder nicht?“ Abrupt setzte er sich auf. „Oder?“, wollte er misstrauisch wissen. Er hatte doch die Signale, die sie aussendete, nicht fehlinterpretiert, richtig? Blockte sie deswegen ab? Weil sie ihre Freundschaft nicht mit unerwiderten Liebesgeständnissen verkomplizieren wollte? „Lucy mag dich auch.“, beruhigte Juvia ihn. „Aber warum tut sie dann so, als wäre da nichts!“, jammerte Natsu und raufte sich dramatisch die Haare. „Sie tut einfach so, als wäre alles in Ordnung und wie früher, als wäre da nicht… nicht inzwischen mehr zwischen uns! Warum macht sie alles so kompliziert! Ist es etwas frauiges? Du bist auch eine Frau, Juvia! Sag mir, was das bedeuten soll.“ „Frauiges?“, wiederholte Juvia amüsiert und kicherte, ehe sie sich wieder fing. „Es bedeutet, dass sie sich selbst im Weg herumsteht, die Nudel.“ „Okay.“ Das half ihm jetzt auch nicht viel weiter. Die Antwort machte genauso wenig Sinn wie Lucys Verhalten! Er würde nie wieder daran zweifeln, dass Juvia auch weiblich war. „Aber wie kriege ich sie vom Weg geschafft? Oder besser, wie kriege ich sie dazu, auf mich zuzukommen? Und warum tut sie das überhaupt!“ Sie rollte mit den Augen, als würde sie an seinem Verstand zweifelnd. „Du weißt, was letztes Mal passiert ist.“, wies sie auf und er wusste genau, auf welche Ereignisse sie anspielte. „Ich meine, du bist es, der das alles hautnah miterlebt hat, vor allem das mit Dan.“ Natsu knurrte automatisch, als der Name fiel. Er erinnerte sich noch gut daran, wie alles rausgekommen war und welchen Stein das losgetreten hatte. Juvia unterschlug, wie groß ihre Rolle in dem Nachspiel dieses Debakels gewesen war, als es darum ging Lucy danach wieder aufzubauen. Er sank tiefer in die Kissen. „Aber ich bin nicht Dan. Ich bin nicht so ein Arsch und ich meine es ernst! Ich würde nie jemanden so betrügen und hintergehen!“ Juvia beugte sich vor und tätschelte sein Knie. „Juvia weiß das. Im Grunde ihres Herzens weiß Lucy es auch. Aber die Sache mit Hibiki hilft auch nicht gerade. Du bist nun mal ihr bester Freund und sie will das auf keinen Fall verlieren.“ Natsu grunzte unwillig. Lucy würde ihn niemals verlieren, ob das mit ihnen klappte oder nicht? Sie war seine Freundin, ein Teil seiner unkonventionellen Familie, und wenn er eines war, dann loyal zu dieser. Und Lucy wusste das ganz genau! Er verstand schon, dass es mit Lucys anderer gescheiteter Beziehung zusammenhing. Es gab nichts, dass man Hibiki vorwerfen konnte, nicht wie Dan, der sich irgendwie überall nach weiblicher Gesellschaft umgeschaut hatte. Lucy und Hibiki dagegen waren seit der Oberstufe Freunde gewesen – und genau das war das Problem. Sie hatten sich nicht mehr gesehen, seit die Beziehung in die Brüche gegangen war, und Lucy vermisste ihn. Natsu verstand nicht wirklich, warum die beiden sich nicht einfach zusammensetzten und darüber redeten oder was auch immer intellektuelle Leute so taten, wenn sie Probleme hatten. Lisanna und er waren nach der Trennung noch immer gute Freunde. Dann hatte es halt mit ihnen als Paar nicht funktioniert, na und? Das hieß nicht, dass sie sich nicht mehr mochten! Sie hingen noch immer regelmäßig zusammen rum. „Juvia weiß, dass du niemals so handeln und allen Kontakt abbrechen würdest. Lucy weiß es eigentlich auch, aber sie hat etwas Angst vor einer neuen Beziehung und ihr Herz darum verschlossen. Du musst ihr einfach zeigen, dass deine Gefühle ehrlich sind, etwas tun, dass ihr sagt dein Herz ist bei mir sicher, du kannst mir den Schlüssel dazu geben.“ Natsus Gesicht wurde bei der kleinen Rede immer länger. Juvia hatte ein begeistertes Funkeln in den Augen, ein breites Lächeln im Gesicht und ihre Hände waren vor der Brust verschränkt. „Dass sie dich ruhig hineinlassen kann, dass du sie niemals allein lässt, auch wenn es nicht klappen würde – was es absolut tun wird! – und ihr Vertrauen in dich gerechtfertigt ist. Dass sie immer auf dich zählen kann. Dass du…“ „Okay, okay, ich hab verstanden!“ Er lehnte sich in die Kissen zurück und starrte nachdenklich an die Decke. Juvia saß geduldig daneben und wartete ab, bis er sich nach ein, zwei Minuten wieder aufrichtete. „Ich hab keine Idee, kannst du mir helfen?“ Sie grinste, als hätte sie nur darauf gewartet. „Aber natürlich!“ Dann beugte sie sich vor, ihr Gesicht plötzlich wieder bedrohlich finster, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Es war, als wäre sie von einer finsteren Aura umgeben, die sie sonst nur ausstrahlte, wenn jemand Gray drohte. „Aber dir sei gesagt, wenn du Lucy weh tust, gibt es keinen Ort auf der Welt, wo du dich vor Juvia verstecken könntest!“ Automatisch nickte er abgehakt, die Augen starr geweitet. Er kam nicht einmal dazu zu versichern, dass er absolut nicht vorhatte, Lucy auf irgendeine Art weh zu tun. Dafür liebte er sie viel zu sehr! Sonnig lächelnd setzte Juvia sich wieder auf und hob die Hand. „Zuerst gehst du zum Blumenladen und besorgst dir einen schönen Strauß Schlüsselblumen.“ „Blumen?“ „Genau, Lucy mag Blumen.“ Sie machte eine demonstrative Handbewegung, die den Ernst der Lage unterstreichen sollte. „Okay, wenn du meinst.“ Er zuckte mit den Schultern. Blumen waren nicht sein Ding, tatsächlich war Lisanna die einzige seiner Freundinnen, der er jemals welche geschenkt hatte. Und das war eine Topfpflanze gewesen, die er gewonnen hatte. Soweit er wusste, hatte sie sie immer noch. „Juvia meint. Glaub Juvia, sie weiß, wovon sie spricht! Überlege dir gut, wo du sie übergeben willst. Dräng Lucy aber nicht in die Ecke, sonst wird sie nur sauer auf dich. Dann sag ihr, was du für sie fühlst und dass sie dir ihr Herz ruhig überlassen kann und du es sicher für sie aufbewahren wirst. Du musst keine großen Schwüre, sei einfach du selbst und vor allem, sei ehrlich. Und im Anschluss führst du sie ins Planetarium aus. Es wird dir auch gefallen, glaub mir.“ „Okay, Blumen, ehrliche Worte, Planetarium.“ Er nickte; das würde er hinbekommen. Dann fiel ihm allerdings noch etwas Wichtiges auf, das fehlte. „Gibt’s dann auch was zu essen?“ Sie schmunzelte. „Das hängt ja wohl von dir ab, oder? Und jetzt ab, Juvia muss einen Dalmatiner fertigmachen.“ Sie machte scheuchende Handbewegungen und rutschte von dem Tagesbett. Enthusiastisch sprang Natsu ebenfalls auf, erfüllt von frischer Energie, den Plan sofort in Tat umzusetzen. Der Besuch bei Juvia war, trotz der Anfangsschwierigkeiten, doch eine gute Idee gewesen! Mit diesem Plan konnte ja nichts mehr schiefgehen! Optimistisch marschierte er auf das offene Fenster zu und kletterte auf die Fensterbank. „Natsu, wir haben…“, begann Juvia hinter ihm und er rutschte auf den Ast, ehe er sich zu ihr umdrehte. „Was?“ „…eine Tür…“, vollendete sie den Satz. „Türen sind was für Langweiler.“, grinste er und kletterte geschickt vom Baum, um danach schnurstracks die Straße anzusteuern. Gerade, als er über den Gartenzaun stieg, rief sie, halb aus dem Fenster gebeugt: „Viel Glück!“ Er wandte sich zu ihr zu und salutierte lässig, eh er sich wieder umdrehte und seinen Weg fortsetzte. Wenn das alles sauber über die Bühne lief, konnten sie ja mal auf ein Double Date gehen. Den Mädels würde das sicher gefallen. „Und denk daran, es müssen Schlüsselblumen sein!“, rief sie hinter ihm her. „Lass dir auf keinen Fall etwas anderes aufschwatzen! Sie sind gelb!“ ~~*~~❀~~*~~ Fröhliches Gelächter und euphorische Stimmen erfüllten die Luft. Sie waren gemischt mit den Geräuschen von hunderten Füßen, die über den Pflasterstein trampelten, dem Gedudel von poppiger Jahrmarktsmusik, spitzen Schreien, die von den aufregenderen Fahrgeschäften herüberdrangen, und Hundegebell. Es war das perfekte Wetter für einen Tag im Freien, kräftiger Sonnenschein, als wäre schon Sommer, aber ein lauer Wind, der die erhitzten Gemüter und Gesichter etwas abkühlte, und doch keine zu große Hitze. Es duftete nach Frühlingsblumen, gebrannten Mandeln und Bratwürsten und die Stimmung war allgemein gehoben und enthusiastisch. Wie immer war Mister Makarovs Jährlicher Markt für Minis, dessen Gewinn an diverse Kinderhilfsorganisationen ging, ein gigantisches Ereignis. Der Jahrmarkt hatte als winzig kleines Sommerfest begonnen, damals, als Opa Makarov noch keine Dreißig war, mit Kaffee, selbstgebackenem Kuchen und einer Tombola. Im Laufe der Jahre war er allerdings explodiert und inzwischen ein festes Ereignis in Magnolia, zu dem man sogar aus dem Ausland anreiste. Inzwischen hatten Profis die Unterhaltung übernommen und die meisten von ihnen überließen Makarov sogar einen Teil ihrer eigenen Gewinne, um die Spendenkasse noch ein wenig zu polstern. Der Alte übernahm jetzt nur noch die Organisation, seit ein paar Jahren mit mal mehr, mal weniger eifrigen Helfern. Die Tombola allerdings, deren Stand im Schatten der großartigen Kardiakathedrale aufgebaut worden war, ließ er sich ebenfalls nicht nehmen. Im Moment wurde sie von Juvia gemanagt, deren Kuscheltiere einen wichtigen Teil der Preise darstellten. Sie fanden einigen Anklang, wenn Natsu sich so umsah. In den fünf Minuten, während der er bereits in der Nähe stand und sich zu sammeln versuchte, hatte er gesehen, wie sie ihre Visitenkarte an drei interessierte Eltern weitergab. Er selbst hatte sich eine Pause von seinem eigenen Job ergattert, immerhin hatte er noch etwas Wichtiges vor. Vermutlich musste er sich nachher noch bei Gray dafür bedanken, der gerade Doppelschicht schob… Aber Lucy war selbst diesen Preis wert! Endlich hatte Juvia mal eine kleine Verschnaufpause und er nutzte sie, um zu ihr vorzudringen. „Hast du sie noch?“, verlangte er ohne Überleitung zu wissen und sie verdrehte die Augen. Die Idee mit dem Planetarium hatte er verworfen. Erstens gab sein Budget das im Moment nicht her und zweitens hatten sie gerade alle so viel für das Festival zu tun, dass sie so bald eh keinen Termin gefunden hätten. Also behielt er die Idee für ein späteres Date im Hinterkopf und hatte sich etwas anderes überlegt. Juvia schien nicht allzu böse darüber zu sein und hatte ihm versprochen, die Schlüsselblumen an dem besonderen Tag zu hüten, damit Lucy sie nicht zu früh sah. „Juvia verwahrt sie sicher.“ Sie holte unter ihrem mit einem weißen Tischtuch abgedeckten Tisch ein Glas hervor, in dem ein kleiner, aber hübscher Strauß von Schlüsselblumen steckte. Es waren hübsche Blumen, hellgrüne, fleischige Blätter und Dolden mit lauter kleinen, leuchtend gelben Blüten daran. Es hatte ihn einige Nerven gekostet, den Strauß zu bekommen. Warum hatte die blöde Blumenverkäuferin auch nicht einsehen wollen, dass er tatsächlich Schlüsselblumen wollte und keine doofen Rosen? Es war ihm absolut egal, ob Rosen romantischer waren oder so ein Blödsinn; darum hatte er sich nie gekümmert. Juvia wusste schon, was sie tat, und sie hatte auf Schlüsselblumen bestanden. Letztendlich war er zufrieden mit dem Ergebnis und sie sahen auch noch gut und frisch aus, obwohl Juvia sie schon seit der Mittagspause für ihn versteckte, während der er sie abgeholt hatte. Sie stellte sie wieder weg und wedelte scheuchend mit der Hand. „Geh jetzt, damit du es dir nicht noch einmal anders überlegst!“ „Keine Sorge, das werde ich auf keinen Fall!“, versprach er und machte sich schon auf den Weg. „Halte die für mich bereit, ich bin bald wieder da.“ „Lucy ist bei den Losverkäufern unten am Brunnen!“, rief Juvia hinter ihm her. „Viel Glück!“ Natsu winkte ihr und stürmte ohne weitere Rücksicht auf Verluste los. Dass ihm ein Chor von Beschwerden und Flüchen folgte, störte ihn nicht sonderlich, die Leute würden so einen kleinen Rempler schon überleben. Bald hatte er den genannten Brunnen erreicht, der sich auf einem zweiten, etwas kleineren Platz erhob. Auch hier herrschte ein Gewimmel an Leuten, Verkaufsbuden säumten die Wege und eine Ecke war für die Achterbahn abgetrennt worden. Der Markt versprach auch dieses Jahr, ein voller Erfolg zu werden. Trotz der Menschenmenge entdeckte er Lucy ohne größere Probleme. Sie stand bei Wendy und Romeo, die sich direkt neben dem Brunnen um den Verkauf der Lose kümmerten, und redete leise mit dem jüngeren Mädchen. Ihr langes Haar, das ihr offen über die schon jetzt leicht gebräunten Schultern floss, glänzte golden im Sonnenschein. Neben einem Top und einer dünnen Jacke trug sie nur einen kurzen Rock und hohe Stiefel, die ihre wohlgeformten Beine zeigten. Sie war so in ihr Gespräch vertieft, dass sie gar nicht merkte, wie er näherkam. Dass sie ihm den Rücken zuwandte, half ihr nicht gerade, also schlich er sich an sie heran, während er Wendy mit einem verschwörerisch auf die Lippen gelegten Finger bedeutete, dass sie still sein sollte. Kaum hatte er sie erreicht, piekte er Lucy mit einem lauten „Buh!“ die Zeigefinger in die Seiten. Sie sprang mindestens einen halben Meter in die Höhe und stieß einen so schrillen Schrei aus, dass sich mehrere Leute zu ihr umdrehten. Natsu platze laut lachend heraus, während sie wütend zu ihm herumwirbelte. „Natsu! Was soll das!“, beschwerte sie sich lautstark und blies erzürnt die Backen auf. Auf diese Weise sah sie wirklich äußerst niedlich aus und ihre Augen funkelten feurig. Romeo und selbst Wendy hinter ihr kicherten leise und Natsu erklärte: „Immer wachsam sein!“ „Wenn man so blöde Freunde hat wie du, bleibt mir wohl kaum etwas anderes übrig!“, schimpfte sie lautstark und boxte ihm leicht gegen die Schulter. Doch an ihren belustigt funkelnden Augen und den leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln war zu erkennen, dass sie ihm nicht wirklich böse war. Natsu presste sich übertrieben getroffen die Hände auf das Herz. „Du verletzt mich!“, beschwerte er sich dramatisch und zwinkerte Wendy zu, die ihr Lachen inzwischen hinter beiden Händen versteckte. „Sagst ausgerechnet du.“, brummte Lucy und Natsu ließ die Fassade wieder fallen. „Komm, du hast jetzt Mittagspause und wir werden sie zusammen verbringen.“, bestimmte er und packte Lucy an den Schultern, um sie auf die nächste Würstchenbude zu zu lenken. „Ihr zwei Kids kommt auch ohne uns klar!“, warf er den beiden anderen zu. „Viel Spaß ihr zwei!“, rief Romeo hinter ihnen her, während Natsu Lucy wie einen Rammbock vor sich herschob und versuchte, mit ihr die Menge zu teilen. Sie brauchte einige Augenblicke, um sich zu fangen und zu befreien und warf ihm einen gespielt wütenden Blick zu. „Wie kommst du auf die Idee, ich wollte unbedingt mit dir meine Pause verbringen?“, stellte sie eine rhetorische Frage. „Weil ich toll bin und du mich liebst?“ Er grinste sie dreist an. „Da-das glaubst aber nur du!“, antwortete sie etwas zu heftig, aber sie konnte den Rotschimmer nicht unterdrücken, der sich auf ihre Wangen legte. Natsu lachte triumphierend und reihte sich in der momentan zum Glück kurzen Schlange bei dem Wurstverkäufer ein. „Was willst du haben, Currywurst?“, wollte er wissen, während er das kurze Menü studierte. Der Duft des gebratenen Essens ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die junge Frau mit dem violetten Haar und der Brille an der Kasse winkte ihnen kurz zu, während sie die Aufträge an ihre beiden Kollegen weitergab, die im Hintergrund des Imbisswagens im Akkord arbeiteten. Dadurch ging die Schlange sehr rasch voran. Auch die drei gehörten zu Makarovs persönlichen Helfern, auch wenn ihr Cateringjob sie unter die Profis einreihte. „Ich hab eigentlich gar keinen Hunger.“, wehrte Lucy ab, aber ihr Blick hing einen Moment zu lange auf den lecker vor sich hin brutzelnden Würstchen. Also warf Natsu ihr einen unbeeindruckten Blick zu. „Ach ja? Warum sabberst du dann?“ „Ich sabbere nicht!“, empörte sich Lucy, aber sie wischte sich unwillkürlich den Mund ab und er griente. „Was darf’s sein, ihr zwei?“, wollte die Kassiererin dann schon von ihnen wissen. „Eine einfache Rote und eine Currywurst, danke, Laki.“, verlangte Natsu und blickte zu Lucy hinüber. „Und du?“ Für einen Moment schien sie mit sich zu ringen, dann zuckte sie mit den Schultern und bestellte nun doch eine Bratwurst im Brötchen. „Kommt sofort.“, bestätigte die Kassiererin und wandte sich ab. „Zieh nicht so ein finsteres Gesicht.“, wies Natsu derweil seine Begleiterin an. „Wenn man dich so sieht, würde man meinen, es sei eine Qual, mit mir unterwegs zu sein!“ „Manchmal bist du tatsächlich ein echter Quälgeist.“, stichelte Lucy zurück, wirkte aber schon wieder viel munterer. „Du hast Glück, dass ich dich so mag.“ „Soso, du magst mich also.“, zog Natsu sie auf und grinste sie überlegen an, als sie ihn mit großen Augen anstarrte und sich dann langsam rot verfärbte. Offensichtlich hatte sie mehr gesagt, als sie eigentlich wollte. „Nein, tu ich gar nicht!“, widersprach sie sofort und es fehlte nur noch, dass sie die Fäuste ballte und mit dem Fuß aufstampfte, damit sie komplett wie eine Fünfjährige wirkte. „Tust du dohoch.“, singsangte Natsu zurück und grinste selbstgefällig. Lucy verschränkte die Arme vor der Brust und drehte demonstrativ den Kopf weg. „Nein.“ „Doch!“ „Nein.“ „Do-!“ „Hey, ihr zwei, nicht streiten.“, unterbrach Laki sie mit einem Lächeln und ihrer Bestellung. „Kannst du das alles so tragen, Natsu? Vielleicht solltest du nächstes Mal zweimal vorbeikommen.“ „Zweimal abholen ist was für Weicheier.“, belehrte er sie und reichte Lucy ihr Würstchen, ehe er den Geldbeutel zückte und einen Schein auf den Tresen legte. „Behalt den Rest.“, sagte er übertrieben großzügig. Laki machte eine scheuchende Handbewegung. „Halt den Verkehr nicht auf, du Knirps.“ Damit wandte sie sich wieder ab, um die nächste Bestellung entgegen zu nehmen. Natsu sammelte sein Essen ein und schloss dann zu Lucy auf, die sich bereits aus dem gröbsten Gedränge löste. Sich am Rand haltend, wo weniger los war, setzten sie ihren Weg über den Markt fort. „Ich kann selber zahlen.“, informierte sie ihn nach ein paar Schritten. „Ich weiß, aber ich hab dich trotzdem eingeladen.“ Frech streckte er ihr die Zunge heraus. Für einen Moment starrte sie ihn an, dann wandte sie sich mit einem Kopfschütteln ab und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Nur du bringst mich dazu, sowas zu machen!“ „Ich bin halt unwiderstehlich.“, versicherte Natsu ihr und sie verdrehte die Augen. „Das glaubst auch nur du.“ Eine Weile schlenderten sie über Nichtigkeiten plaudernd über den Markt, während sie sich ihren Würsten widmeten. Natsu brauchte ein paar Augenblicke, um herauszufinden, wie er das mit dem Essen am besten anfing, ohne dass er etwas auf den Boden warf. Aber dann bekam er den Bogen schnell raus und war noch vor Lucy fertig, die nur mit kleinen Bissen an ihrer Wurst knabberte. Mit einer Serviette wischte er sich die Finger ab und beschloss, dass es jetzt langsam an der Zeit war, das Wichtige Thema™ zu tackeln. „Warum magst du mich nicht?“, wollte er wissen und schlug sich dann fast vor die Stirn. Toller Anfang, er war ein absolutes Genie! Nicht. Doch seine Stimme klang wohl trübsinniger als geplant, denn ihr Kopf ruckte so schnell herum, dass ihr Nacken knackte, und sie versicherte: „Aber ich mag dich!“ Für einen Moment blieb es still zwischen ihnen, dann redete sie hastig weiter: „Du bist mein bester Freund! Das vorhin war nur ein Witz, das weißt du doch, oder? Ich könnte dich niemals hassen! Du gehörst zu den mir wichtigsten Menschen, natürlich lie-mag ich dich!“ Natsu schenkte ihr einen zweifelnden Blick. „Ehrlich! Du bist mir wichtiger als all-“ Sie unterbrach sich und stopfte sich den ganzen Rest ihrer Mahlzeit in den Mund, um sich nicht noch weiter hineinzureiten. Der zu große Bissen beulte ihre Backen aus, so dass sie aussah wie ein Streifenhörnchen, das sich zu großzügig bei der Futterkiste bedient hatte. Belustigt schnaubend wandte er sich ab, um nicht vollends in Gelächter ausbrechen. Gespielt verärgert boxte sie ihm gegen die Schulter, aber dazu, zu sprechen, war sie nicht in der Lage. Eigentlich war das die Gelegenheit, dass sie mal zuhörte und nicht sofort widersprach! Sich zusammenreißend wandte er sich ihr wieder zu und schob sie zwischen zwei Buden, so dass sie etwas abseits standen. „Du weißt genau, von was ich rede. Ich mag dich. Ich meine, richtig mögen. Aber in letzter Zeit tust du so, als ob du verdammt seist, auf ewig allein zu bleiben, und willst gar nicht mehr ausgehen.“ Lucy hob die Hand um ihm zu bedeuten, dass sie etwas sagen wollte, aber sie hatte immer noch große Ähnlichkeit mit einem Hamster. Er grinste sie mitleidig an – ihn hätte das nicht aufgehalten – und sprach einfach weiter: „Ich habe aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass du die Mädelsabende in letzter Zeit alle sausen lässt, rundheraus abblockst, wenn sich jemand auch nur mit dir unterhalten will, und sowieso so tust, als müsstest du mit jedem Problem allein fertig werden. Schließ mich nicht aus, bitte?“ Sie kaute hastig weiter und versuchte, den gigantischen Happen hinunterzuschlucken, aber anscheinend hatte sie mehr abgebissen, als sie vertrug. Dazu, ihn einfach stehen zu lassen, war sie zu höflich – oder wollte einfach zu sehr das letzte Wort haben. „Ich meine, ich weiß, dass Dan dich verletzt hat. Aber Dan ist ein Arsch und die meisten Männer sind nicht so. Ich bin auf keinen Fall so, das weißt du ganz genau, und ich werde dich auch nicht im Stich lassen. Aber du tust so, als ob das gar nicht in Frage käme und ob es da draußen niemanden für dich gäbe. Aber das stimmt nicht. Ich bin gleich hier.“ „So einfach ist das nicht!“, widersprach sie sofort, als es ihr wieder möglich war. „I-ich… ich weiß das alles doch!“ Jetzt klang sie beinahe verzweifelt und er wollte sie einfach in die Arme nehmen um sie zu trösten. Aber sie drehte sich weg und schlang die Arme um sich. „Glaub mir und ich… ich bin einfach nur so verwirrt! Dan hat mir nur so wehgetan, dass ich mir selbst kaum mehr traue, und ich will nicht, dass zwischen uns in die Brüche geht wie mit Hibiki und…“ Sie verstummte und atmete ärgerlich und zugleich traurig aus. Dann blickte sie ihn geradeaus an. „Ich weiß auch nicht, was ich machen soll. Du bist mir wirklich wichtig, wichtiger als alle anderen. In Wahrheit…“ Sie verstummte und blies eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Als sie eine Weile nicht weitersprach, hakte er nach. „Geht der Satz noch weiter?“ Sie warf ihm einen augenrollenden Blick zu, aber einer ihrer Mundwinkel zuckte und ihr Blick hatte etwas Liebevolles, also war sie nicht wirklich genervt. „Irgendwie schon.“, gab sie zu, aber sie sprach nicht weiter. Natsu beschloss, dass sie es ihm schon irgendwann sagen würde, und überlegte, ob es jetzt Zeit war, schnell zu Juvia hinüberzurennen und die Blumen zu holen. Oder würde sie ihm dann weglaufen? Das war auch eine Möglichkeit… Und anbinden konnte er sie ja schlecht. „Hi, ihr zwei!“, wurden sie in diesen Moment von einer fröhlichen Stimme unterbrochen. „Nette, kleine Ecke, die ihr euch da ausgesucht habt. So versteckt.“ Die Stimme war leicht ins Anzügliche gewechselt und Lucy wurde neben ihm knallrot, während sie sich der Sprecherin zuwandten. Es war eine sportlichen jungen Frau mit kurzgeschnittenem, weißem Haar und einem niedlichen Gesicht, aus dem aus sie zwei große, blaue Augen ansahen. Ihr Grinsen wurde breiter, als sie leicht spöttisch fragte: „Na, auf einem Date?“ „Wir machen nur grad Pause.“, wehrte Lucy verlegen ab, aber Natsu trompetete dazwischen: „Ja!“ Er grinste breit, als die beiden jungen Frauen ihm einen Blick zuwarfen. „Hi, Lisanna.“ „Nein, sind wir nicht!“, wiedersprach Lucy, diesmal entschiedener. „Das sagst du jetzt.“, zog Natsu sie noch immer grinsend auf und Lisanna lachte. Dann schlang sie einen Arm um Lucys Schultern und zog sie mit sich. „Ich weiß, der Kerl ist ein Banause, aber er ist wirklich nicht so schlimm, wie er immer tut.“, tröstete sie Lucy verschwörerisch. Doch als Natsu Anstalten machte, ihnen zu folgen, wie sie ihn scharf an: „Bleibt da stehen, das sind Frauengespräche.“ Geschlagen hob er die Hände und stopfte sie dann in die Hosentaschen. Viel mehr als geflüstertes Getuschel und mehrere Blicke in seine Richtung bekam er von dem folgenden Gespräch nicht mit. Lucy, knallrot im Gesicht, befreite sich schließlich aus dem Griff der Weißhaarigen. „Jaja, ich glaube dir ja! Hey, schau, Natsu, da ist ein Kettenkarussell, lass uns damit fahren!“ Sie packte ihn an der Hand, um ihn hinter sich her zu zerren. „Denk daran, klare Worte!“, wies Lisanna sie an, als sie an ihr vorbeistürmte, Natsu im Schlepptau. „Alles andere ist unfair!“ „Ich habe verstanden!“, antwortete Lucy laut, aber es klang eher, als wollte sie schnell davonkommen als eine Zustimmung. Natsu erwiderte ihren Händedruck und ließ sich rückwärts von ihr mitziehen. „Bis dann, Lis!“ „Viel Spaß, ihr zwei. Tut nichts Unanständiges!“ Gutgelaunt winkte Lisanna hinter ihnen her, ehe sie sich umdrehte und wieder in der Menge verschwand. Das Treffen mit ihr konnte sich noch gut als ein Glücksgriff herausstellen! Lucys Hand schien magisch zu sein, denn sie zog ihn ohne Probleme zum Kartenstand, erstand zwei Tickets und schob ihn zu den hängenden Sitzen hinüber, ohne dass er es wirklich realisierte. Erst, als er sich anschnallte, fiel ihm etwas auf. „Warte, was mache ich eigentlich hier?!“ Aber bevor er irgendetwas tun oder auch nur wieder auf den sicheren Boden zurückkommen konnte, begann das Folterinstrument, auch bekannt als Karussell, sich zu drehen. Die Tortur schien ewig zu dauern, auch wenn es nur ein paar Minuten waren. Mehr tot als lebendig rutschte er hinterher aus seinem Sitz und torkelte davon. Ihm war so kotzübel, dass es eigentlich ein Wunder war, dass er sich nicht übergab. Lucy eilte an seine Seite und führte ihn etwas abseits, bis er seinen Magen wieder unter Kontrolle gebracht hatte. „Du wirst mich nie wieder dazu bringen, in so ein Ding zu steigen.“, schwor er ihr dramatisch. „Du bist eine Hexe! Eine echte Hexe, die mich verzaubert hat, ansonsten hätte ich mir das nie angetan!“ Dabei wusste sie genau wie alle anderen über seine Reisekrankheit Bescheid! Lucy versteckte ihr Lächeln hinter einer Hand. „Und wie soll ich das angestellt haben?“ Er schenkte ihr einen übertrieben argwöhnischen Blick. „Deine Berührung. So leicht führst du mich nicht noch einmal hinter das Licht. Du Hexe!“ Kichernd schob sie ihn voran. „Komm, sonst machst du den Kindern Angst. Du kannst mir unterwegs erzählen, wie verzaubert du von mir bist.“ Sie setzten ihre Jahrmarkttour fort, erstanden ein Geschenk für Erza, die bald Geburtstag hatte, amüsierten sich über einen wirklich hervorragenden Pantomimen und Natsu musste sich unbedingt an einem Würfelspiel probieren, das wirklich einfach aussah. So leicht war es dann doch nicht und nach dem fünften Versuch gewann er endlich einen Preis. Mit großer Geste überreichte er ihn an Lucy, nachdem er vorher groß getönt hatte, etwas für sie zu gewinnen. Dass es nur eine winzige Plüschmeerjungfrau mit blauem Haar war, die man als Schlüsselanhänger verwenden konnte, schien sie nicht sonderlich zu stören. „Jetzt mach nicht so ein Gesicht, ich find sie niedlich.“, versicherte sie ihm und hängte sie sich an ihre Handtasche. „Der Kerl hat doch betrogen. Das Spiel ist getürkt!“, schimpfte Natsu und warf einen finsteren Blick über die Schulter zurück. „Ansonsten hätte ich schon viel früher gewonnen! Und etwas Größeres!“ „Jaja, wenn du meinst.“, stimmte sie ihm belustigt zu. „Aber mir gefiel diese hier sowieso am liebsten.“ Sie tätschelte ihre Meerjungfrau. Inzwischen waren sie wieder auf dem Kardiaplatz angekommen und Natsu erhaschte einen Blick durch die Menschenmenge auf den Stand der Tombola. Das brachte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „So, ähm…“, begann er. „Ich hab noch was für dich.“ „Noch etwas?“, fragte sie verwirrt und er nickte. „Warte kurz hier.“ Er schob sie unter den großartigen Torbogen der Kardiakathedrale und rannte davon. Juvia war glücklicherweise noch am Stand und reichte ihm ohne weitere Fragen die Blumen, mit denen er zurückstürmte. Zum Glück sahen sie noch immer so frisch aus wie vorher, zumindest soweit er das beurteilen konnte. Lucy wartete noch immer dort, wo er sie zurückgelassen hatte. Sie sah wunderschön aus, wie sie dort stand, und eine kleine Gruppe aufgeregter Kinder, die gerade ein Eis bekamen, mit einem sanften Lächeln beobachtete. Ihr Haar glänzte wie Gold in der Sonne, ihr Gesicht wirkte in diesem Licht und mit diesem Lächeln besonders liebreizend und bezaubernd. Für einen Moment nahm sie seinen Atem. Dann gab er sich einen Ruck und ging auf sie zu. Sie bemerkte ihn erst, als er knapp vor ihr war. Ihr Blick huschte von seinem Gesicht zu den Blumen und ein seltsamer Ausdruck legte sich auf ihr hübsches Antlitz, den er nicht deuten konnte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit einem nervösen Knoten im Magen – was, wenn sie doch ablehnte? – streckte er ihr die Blumen hin. „Bitte lass mich in dein Herz.“ Es klang pathetisch, aber das war das erste, das ihm in den Kopf kam, also sagte er es einfach. „Ich werde es hüten wie ein Drache seinen Schatz!“ Und um dick genug aufzutragen fügte er noch hinzu: „Weil es mir genauso wichtig ist.“ „Natsu…?“, fragte sie und ihre Stimme klang unsicher und leicht verwirrt. „Bitte, gibt mir eine Chance. Ich beweise dir, dass Typen wie Dan nicht die Regel sind. Ich bin besser als der und besser als Hibiki. Ich bin der Beste für dich.“ „Aber, Natsu, ich…“ Sie sah ihn an und musterte ihn eingehend, als könnte sie in seinem Gesicht ablesen, was die Zukunft bringen würde. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und in ihren Augen stand eine Frage. Ob sie es wirklich wagen konnte, sich noch einmal auf ein solches Abenteuer einzulassen, ihm ihr Herz zu öffnen und ihn hereinzulassen. Er erwiderte ihren Blick so fest und sicher, wie er konnte. Er war gekommen, um zu bleiben, und er würde sie auf keinen Fall enttäuschen! „Natsu, du…“ Dann schüttelte sie den Kopf und lachte und sie klang mit einem Mal so befreit. „Natsu, du bist unmöglich!“ Aber das Lächeln, das sie ihm schenkte, war zärtlich und liebevoll und so wunderschön, dass er sie für einen Moment nur wie benommen anstarren konnte. „Ist das ein ‚Ja‘?“, verlangte er dann zu wissen. „Heißt das, dass du mir eine Chance geben wirst?“ Ihr Lächeln wurde breiter und sie trat auf ihn zu, um ihm die Blumen aus der Hand zu nehmen. „Was denkst du denn?“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und presste ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Natürlich hießt es das.“ Er riss die triumphierend die Fäuste hoch. „Hah! Sieg!“ Ungläubig starrte sie ihn an. „Hast du gerade wirklich…“, begann sie, dann rollte sie mit den Augen. „Du bist unverbesserlich!“, schalt sie ihn. „Anders wäre es dir ja wohl auch nicht recht, oder?“, erwiderte er selbstbewusst, aber es war nur eine rhetorische Frage, denn er ließ ihr gar keine Chance zum Antworten. Stattdessen nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie zum ersten Mal. Es war nur ein kurzer, nahezu keuscher Kuss, ein einfaches Aufeinanderpressen ihrer Lippen. Und doch war er so, so süß und berauschend und wundervoll und alles, was er wollte. Er konnte sich nichts Besseres vorstellen, als sie zu küssen und die Geste von ihr erwidert zu haben. Als sie sich nach diesem viel zu kurzen Moment wieder voneinander lösten, schien sie regelrecht zu strahlen. Lächelnd suchte sie seinen Blick und ihre folgenden Worte gingen beinahe im Lärm des Jahrmarkts unter. „In Wahrheit warst du mir schon immer wichtiger als alle anderen.“ Hosted by Animexx e.V. 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