lovely day von Schneehasi (Heiji&Kazuha) ================================================================================ Kapitel 1: One-Shot ------------------- Das leise Rauschen der Regentropfen im Ohr war bereits seit fast drei Wochen der ständige Begleiter von Kazuha und der Bewohner Osakas. Ihr schien es, als würde diese einzige, lästige Regenwolke nur über ihre Stadt befinden und wollte nun nicht mehr wegziehen. In den vergangenen Tagen hatte es in ihrer Stadt ununterbrochen geregnet. Tagein, tagaus. Heute morgen hatte es im Vergleich zu den vergangenen Tagen mal nicht geregnet, als sie aus dem Fenster geschaut hatte. Auch der Wetterbericht hatte für den heutigen Tag angekündigt, dass die Sonne nach mehreren Tagen Dauerregen – ach was, Wochen – scheinen würde. Zumindest würde man die Sonne hinter den Wolken wahrnehmen können. Immerhin ein kleines Licht am Horizont, wenn man es dramatisch ausdrücken wollte. In der Theorie klang das ja immer so schön, dass man nach drei Wochen Dauerregen in seiner Euphorie, seinen Regenschirm – der schon fast an der Hand festgewachsen war – zu Hause liegen ließ, nur um sich später über sich selber zu ärgern, wenn man seinen treuen Begleiter mal nicht dabeihatte.   Bis Mittag hatten die Meteorologen Recht behalten, es war tatsächlich so lange trocken geblieben, was in dieser Hinsicht schon fast ein Wunder war. Ein leises Seufzen entwich der Toyama, während sie nachdenklich aus dem Fenster starrte. Grau, grau, grau. So könnte man auch ihre Stimmung für heute beschreiben. Theoretisch gesehen sollte es im Juni sonnig und warm sein. Ein strahlendblauer Himmel ohne eine einzige Wolke am Horizont. Die Sommerferien würden bald anfangen, es war eigentlich an der Zeit, mit seinen Freunden Pläne für die kommenden Wochen zu schmieden. Vielleicht würde sie es in diesem Sommer schaffen, ihm ihre Gefühle zu gestehen. An einem ruhigen Ort, wo sie ungestört waren. Keine Ablenkungen, keine Ausflüchte. Weder für sie noch für ihn. Klartext reden. Sie wollte nun endlich wissen, woran sie bei ihm war. In diesem Fall gab es nur ein One-Way-Ticket. Im besten Fall erwiderte er ihre Gefühle oder sie würde mit einem gebrochenen Herzen dastehen und sich wünschen, das Thema nie angeschnitten zu haben.   Zu gerne würde sie von sich behaupten können, dass sie tatsächlich so selbstbewusst und kühn war, wie ihre Freundinnen immer sagten. Ja, sie war selbstsicher und wusste ihre Meinung kundzutun. Meistens jedenfalls. Kühn war sie nur, wenn sie sich gegen einen Verbrecher entgegenstellen musste und ihn ohne große Schwierigkeiten überwältigte. Wenn es jedoch um ihren Sandkastenfreund ging, war von beiden Eigenschaften nicht mehr viel übrig. Er schaffte es immer wieder, ihre schlimmsten Seiten zum Vorschein zu bringen und sie zu einem Streit zu  provozieren. Und wenn Kazuha mal ihren ganzen Mut zusammennahm und ihm versuchte, ihre Gefühle zu gestehen, lenkte ihn immer etwas anderes ab, was in dem Moment wichtiger war und vergessen war, dass sie ihm eigentlich etwas Wichtiges sagen wollte. Typisch Heiji eben.   Sie warf einen kurzen Blick zu Heiji, der sich gerade mit einigen Leuten aus dem Kendo unterhielt und dabei lauthals loslachte. Es waren Momente wie diese, die sie so liebte. Sie mochte den Klang seines ausgelassenen Lachens. Heiterkeit und Unbeschwertheit lag da immer in der Luft, wenn er lachte. Besonders gerne mochte sie auch seinen gelösten Gesichtsausdruck, als würde es diese ganzen schrecklichen Bilder an Tatorten, an denen er ermittelte, gar nicht geben. In diesen Augenblicken war er wie jeder 17 jähriger Oberschüler. Just in diesem Moment, schaute er zu ihr rüber, worauf sich ihre Blicke trafen. Sie spürte, wie ihr Herz einen Purzelbaum nach dem anderen in ihrem Brustkorb schlug und eine verräterische Röte ihre Wangen zum Glühen brachten. Bis es mit einem einzigen Satz zum stehen gebracht wurde. «Hab ich was im Gesicht?», rief er zu ihr rüber und zeigte dabei auf sich, während seine Freunde neben ihm ihre Blicke hin- und herwandern ließen. Natürlich war es so viel interessanter, was andere einander zu sagen hatten. Mit den Gedanken zurück in der Realität gelandet, fasste sie sich an ihre Stirn. Wie immer hatte er das perfekte Timing, einen Moment wie diesen zu zerstören. Dieser Detektiv-Freak! Es kostete ihr einiges an Selbstbeherrschung, ihn nicht gleich anzufahren. «Nein. Dein dümmliches Lachen hat mich nur aus einem sehr angenehmen Gedanken rausgerissen», gab sie zurück und drehte sich von ihm weg.    Der sonst so wortgewandte Schülerdetektiv sah nur, wie sie sich mit Schwung wegdrehte und aus dem Klassenzimmer lief. Er wurde wieder einmal mit dem Mysterium namens Frau konfrontiert und wurde einfach nicht schlau aus deren Verhalten. Dabei hatte schließlich Kazuha damit angefangen. Sie hatte ihn mit einem – für ihn – undefinierbaren Blick einige Sekunden angeschaut, dieser war sogar seinen Freunden aufgefallen. «Eiskalt», stichelte einer davon und stupste ihn mit dem Ellbogen in seine Rippen. «Halt doch die Klappe, ich hätte mich nicht umgedreht, wenn ihr nicht damit genervt hättet. Da habt ihrs’, sie hat nicht mich angeschaut, klar?» «Wenn du meinst, Hattori. Euch glaubt eh keiner, dass zwischen euch nichts ist.» Die alte Leier wieder. Wahrscheinlich würde diese Diskussion erst enden, wenn sie die Oberschule abgeschlossen hatten oder Kazuha und er den nächsten – für ihn – logischen Schritt wagten und endlich mit diesem Eiertanz aufhörten. Er war sich dessen bewusst, dass sein Timing in manchen Situationen nicht gerade passend war, seit dieser Sache auf der Ebisu-Brücke hatte sich ihr Verhältnis zueinander eher verschlimmbessert.   Nun ja, dieser Schnitzer ging wohl auf sein Konto. Schließlich hatte er aus dem Impuls raus diesem Kerl ins Gesicht gebrüllt, was er mit seiner Kazuha machte und dummerweise hatte sie jedes einzelne Wort gehört. Das war wohl kaum der perfekte Zeitpunkt und schon gar nicht der perfekte Ort, um Worte wie diese dem Mädchen zu offenbaren, in das man bereits seit Kindertagen verliebt war. Er konnte zwar ihre Erinnerungen mit ein paar dummen Sprüchen etwas zerstreuen, ein bittersüßer Nachgeschmack blieb trotzdem zurück. Wann immer sie ihn mit diesem Thema konfrontierte, wieso Frauen manche Dinge so hartnäckig hinterfragen mussten war ihm auch schleierhaft, und er sich dann in die Ecke gedrängt fühlte, ließ er einen dummen Spruch vom Stapel und zog dann den Zorn seiner Kindheitsfreundin auf ihn, die sich hitzig zu verteidigen wusste. Es war wie ein Rattenschwanz, sie stritten sich und irgendwann war dieses Thema bis zur nächsten Konfrontation gegessen. Heiji wusste, dass es kein Dauerzustand bleiben konnte. Er wartete immer noch auf den perfekten Zeitpunkt, um ihr diese drei Worte zu sagen. Im Angesicht zu Angesicht und nicht in Rage zu einem Kerl auf einer gammeligen Brücke inmitten von so vielen Passanten, die sein indirektes Geständnis sicher auch gehört hatten. Nur war es einfacher gesagt als getan. Wenn ihre beste Freundin aus Tokio ein Liebesgeständnis in London bekam, der noch von seinem besten Freund kam, so waren die Erwartungen hoch, dass Kazuha ebenfalls ein für sie genauso unvergessliches Liebesgeständnis bekam. Auch wenn Kudo seinen Gedankengang nicht ganz nachvollziehen konnte, schließlich wurde er auch indirekt zu seinem Geständnis gezwungen, nur dass es vor dem Big Ben passiert war, der gerade im Licht der Abendsonne erstrahlte.   Kazuha dagegen war der Ort des Geschehens so, wie er sie kannte, weniger wichtig. Es war ihr wichtiger, dass es irgendwann mal passierte. Heiji kannte sie schon so lange und war sich durchaus bewusst, dass ihre Gefühle für ihn nicht nur freundschaftlicher Natur waren. Sie zeigte es ihm immer wieder ganz subtil, dass sie sich um ihn sorgte und er ihr wichtig war. Auch wenn er immer so tat, als würde er es nicht registrieren, so war er immer noch Detektiv. Ihre manchmal patzigen Antworten rührten daher, dass sie nicht immer wusste, woran sie wirklich bei ihm war. Wahrscheinlich haderte sie mit dem, was danach geschehen würde, wenn diese Worte erst mal ausgesprochen worden waren. Im besten Fall fühlten beide dasselbe oder die Freundschaft würde zerbrechen. Dieses Mädchen machte sich manchmal zu viele Gedanken, ihm ging es schließlich genauso! Auch wenn er sich ihrer Gefühle ziemlich sicher war, blieb ein kleiner Prozentsatz übrig, dass sie doch nicht dasselbe fühlte. Bis der Augenblick gekommen war, konnte er nur hoffen, dass er richtig lag.   Das Schicksal schien es heute nicht wirklich gut mit ihr zu meinen. Dabei wurde für heute auf allen Kanälen gemeldet, dass es heute sonnig werden würde. Oder zumindest trocken nach drei Wochen Dauerregen. Nicht nur, dass es mittlerweile in Strömen regnete, sie hatte Heiji heute ohne Grund angefahren. Sie wünschte, sie könnte ihr Temperament in Fällen wie diesen etwas besser zügeln. Ihre schlechte Laune basierte auf Grund des Wetters und vermischt mit dem Schwebezustand, den Heiji und sie gerade durchmachten, war ihre Geduld schnell am Limit. Besonders dann, wenn sie ihn immer auf dieses eine Ereignis auf der Brücke ansprach. Das Pulverfass in ihrer Beziehung. Intuitiv wusste sie, dass er log, wenn er behauptete, nicht mehr den genauen Wortlaut zu kennen und sie mit irgendwas anderem abspeise, damit sie Ruhe gab. Das wiederum gab ihr einen Grund, den Tatsachen genauer auf den Grund zu gehen und weiter zu bohren, war ja nichts dabei, er war Detektiv und machte das bei seinen Fällen genauso. Schließlich war er ihr größter Fall. Daher war das Bohren ihrerseits ganz legitim, was ihn wiederum aufregte und zu ihren Streitereien führte. Eine Endlosschleife, die erst endete, wenn entweder er oder sie den entscheidenden Schritt machte. Alternativ könnte sie so lange weiterbohren und nerven, bis er die Geduld verlor und ihr den genauen Wortlaut von damals ins Gesicht schrie, nur damit sie ihn in Ruhe ließ. Diesen Gedanken wischte sie wieder beiseite. So etwas passierte nur in den Hollywoodfilmen. Heiji neigte zwar oft dazu, sein Temperament freien Lauf zu lassen, aber so weit würde er es nie kommen lassen, dass sie ihn zu einem Geständnis zwingen konnte. Da war dieser Mann eisern.   Jedenfalls hatte sie bei dem Regenwetter nicht nur ihren Schirm zu Hause liegen lassen, sie hatte es mit ihrem Verhalten wieder geschafft, ihre Beziehung zu Heiji zu verkomplizieren. Nun stand sie vor dem Eingang ihres Dojos und wartete. Ihr Handy hatte sie unglücklicherweise mit dem Schirm zu Hause gelassen. Die meisten aus dem Aikido-Klub wohnten in der entgegengesetzten Richtung und ein Umweg zu machen, damit sie trocken nach Hause kam, wäre Blödsinn gewesen. Bis vor einer Stunde war sie noch der festen Überzeugung gewesen, dass der Regen nachlassen würde und nun stand sie immer noch da und wartete. Kazuha sah gen den Himmel und rieb sich an der Schläfe. «Ich bin echt ein Dummkopf», murmelte sie niedergeschlagen. «Du nimmst mir die Worte aus dem Mund», ertönte es plötzlich neben ihr. Sprachlos weiteten sich ihre grünen Augen, während sie ihren Retter in der Not lässig auf sie zukommen sah. Mit einem Schirm in der Hand. «Heiji», brach sie hervor. «Woher wusstest du, dass ich hier nicht weggekommen bin?» Der Detektiv verdrehte seine Augen und zuckte mit seinen Schultern. «Intuition, schätze ich.» Sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch und musterte ihn abwartend. «Ich habe gesehen, dass du heute keinen Schirm dabeihattest, schließlich entgeht meinen Augen nichts.» Was dich betrifft jedenfalls nicht, aber das musste Kazuha nicht wissen. Er reichte ihr den Regenschirm, den sie aufspannte, und schnappte sich ihre Sporttasche. «Gehen wir nach Hause», meinte er mit einem sanften Lächeln.   Schweigend liefen sie nebeneinanderher, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Das leise trommeln auf dem Nylonschirm und ihre Schritte auf dem Asphalt brachen die Stille, die zwischen ihnen seit dem Aufbruch herrschte. «Du Heiji», begann sie, um das Eis zu brechen. Ein leises Grollen, welches ein Gewitter vorhersagte, ließ sie kurz innehalten und sie blieb mitten auf dem Weg stehen. «Was denn?» Er blieb ebenfalls stehen und sah Kazuha fragend an. «Was wolltest du sagen, Kazuha-chan?» Heiji war mindestens genauso nervös, wie sie es war. Ihr kurzer Schlagabtausch von heute Mittag war nicht nur ihm seltsam vorgekommen. Und dieser hatte bei beiden ein fremdes Gefühl hinterlassen, der nicht eher weggehen wird, solange die Sache unausgesprochen blieb. «Die Sache von heute Mittag tut mir leid», meinte die Polizistentochter dann. «Ach das...», er winkte ab. «Nicht so schlimm. Ich war heute irgendwie auch seltsam drauf. Passiert, ist ja nicht so tragisch.» Ehe sie etwas darauf erwidern konnte, zeigte er mit einem Nicken, dass sie weitergehen sollten, ehe das Unwetter ihr Stadtteil erreichte.   «So, da wären wir», meinte der Detektiv heiter, als sie vor Kazuhas Haustür standen. «Danke fürs Abholen», sie sah ihn lächelnd an. «Für dich immer gerne», gab dieser zurück. Sein Lächeln verschwand nach einem kurzen Wimpernschlag auch wieder und sein ernster, nachdenklicher Blick kam zum Vorschein. Ihre Hand klammerte sich fester um den Schirmgriff, während sie darauf wartete, was er ihr noch sagen wollte. Sie benetzte ihre trockenen Lippen und schluckte. Heiji räusperte sich und zupfte an seinem Hemdkragen. Kazuha wusste, dass ihm diese Worte, die er aussprechen wollte, nicht so einfach fiel und zudem auch wichtig für ihn waren. «Ich weiß, welche Worte du von mir hören möchtest, Kazuha», begann er holpernd. Nervös sah sie ihn an, während er um die Worte rang, die er ihr sagen wollte. «Es ist nicht so, dass ich sie dir nicht sagen möchte...», nervös kratzte er sich nun am Hinterkopf. «Oh», brach nun die Toyama stockend hervor. Dann hatte sie die Worte damals nur missverstanden. Heiji sah in ihr nicht mehr als nur eine Freundin. «Ich verstehe», gab sie geknickt von sich. Jetzt nur nicht weinen, dachte sie und biss sich auf die Unterlippe. «Du verstehst nicht», fuhr er dazwischen. «Ich denke, wir beide fühlen dasselbe. Ich möchte dir diese Worte sagen, wenn der Augenblick stimmt, nicht so, wie es auf der Ebisu-Brücke passiert ist. Es sollte ein besonderer Moment für uns beide sein, verstehst du?» Geistesabwesend nickte sie, um ihm irgendein Zeichen zu geben, dass sie ihn verstanden hatte. «Kannst du auf diesen Moment warten?» Zögernd berührte seine Hand die ihre. «Okay», murmelte Kazuha immer noch sprachlos, während ihre Hand die seine umschloss.   Genau genommen hatte er ihr mit diesen Worten bereits gesagt, was sie hören wollte. Er fühlte dasselbe, wie sie und das war das einzige, was in diesem Moment für sie zählte. Kazuha wusste nun, woran sie bei ihm war, diese Erkenntnis konnte sie nicht glücklicher machen.     Nun war dieser verregnete Tag doch nicht so schlimm.    - END -    Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)