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Des Flusses Tod

von

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Wie es dazu kam

Die Luft war von klirrender Kälte, Frost bedeckte den Boden und auf den kahlen Ästen ruhte Schnee.

Auch das Wasser umspülte seinen Körper mit eisiger Wucht, als Kohaku durch die Fluten schwamm und mit seinen Fühlern am Flussbett entlang strich. Auf seinen reinweißen Schuppen bildeten sich unzählige Lichtreflexe bei jeder Windung und die Mähne tanzte in dem kalten Nass.

Kohaku wand sich zum Grund, wo das Wasser wärmer war, und schreckte dort ein paar Fische auf, die schnell das Weite suchten. Der Drache schnaubte belustigt, dann zuckte eines seiner Ohren und er drehte sich misstrauisch zur Oberfläche.

Schallwellen liefen durch das Wasser. Vom Flussufer brach Erde ab und rutschte in die aufgewühlten Fluten.

Mit einem nervösen Schweifschlag stieß Kohaku sich vom Flussbett ab und schlängelte sich nach oben, wo sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach und er sich, nachdem er Wasserperlen abgeschüttelt hatte, umsah.

Kohaku erstarrte.

Vor dem Ufer ragte ein gelbes Ungeheuer auf, das seinen einzigen Arm mit der schwarzen Klaue über seinen Fluss streckte.

Bagger, schoss es dem Flussgott durch den Kopf und er zog sich mit seinen Krallen an Land. Die Menschen neben dem Ungetüm riefen sich über dem Motorenlärm etwas zu, als Kohaku verärgert zischte und sich an dem, der ihm am nächsten stand, heranschlich.

Der Drache richtete sich hinter dem Arbeiter auf und sträubte die Mähne, dann streckte er seine Fühler aus.

Als er den Mann berührte, drehte dieser sich nachlässig um und starrte ihn an, blinzelte mehrmals, konnte keinen Ton von sich geben. Erst Kohakus Grollen riss ihn in die Realität zurück und der Mensch schrie auf. Der Flussgott zog die Lefzen zurück, drehte die empfindlichen Ohren nach hinten und schnappte warnend nach dem Mann, welcher zu Boden fiel und fortwährend kreischten von ihm weg kroch.

Auch die anderen Arbeiter hatten den Drachen entdeckt und ließen ihre Spaten fallen, doch der Bagger senkte seine Schaufel und grub sich in das Flussufer. Kohaku brüllte auf und erhob sich windend in die Luft.

Die Männer liefen panisch davon, als er sich um das Monster wand und mit seinen Hörnern die Glasscheibe zerbrach, hinter der ein Mensch begann hysterisch auf alle Knöpfe zu drücken und an Hebeln zu ziehen.

Dadurch drehte der Bagger sich und zog eine tiefe Furche in die Erde. Kohaku wurde von glühenden Zorn durchflutet und schob seinen Kopf in die Kabine; die Zähne gebleckt und fauchend.

Dann änderte der Bagger die Richtung und der Arm schob sich weiter in die lockere Erde.

Das Flussufer wölbte sich über der Schaufel, bis schließlich unter Getöse die Erde brach und der Schmutz in das sprudelnde Wasser rutschte. Der Baggerarm brach und fiel auf den Erdhügel, in dem unaufhaltsam die letzten Pfützen versickerten.

Kohaku zog sich mit blutverschmiertem Maul von dem nun zur Ruhe kommenden Ungeheuer zurück und rollte sich zusammen, die grünen Augen ins Leere gerichtet.

Seine Fühler zuckten und schoben sich langsam auf die nasse Erde zu, strichen darüber. Die Mähne lag schlaff auf seinem Rücken. Dann sprang er dem klaren Himmel entgegen und verschwand über den Baumwipfeln.
 

„Hey, Ryu! Wach auf und verzieh dich wieder an deinen eigenen Fluss!“, riss Kohaku eine Stimme aus dem Schlaf und er hob langsam ein Augenlid.

Vor ihm stand ein Kappa, die grüne Haut noch von Algen bedeckt und der Panzer nass.

Er hatte die Arme in die Seiten gestemmt und stierte den fremden Flussgott an, während hinter ihm gurgelnd sein Bach plätscherte.

Der Drache schob seinen Kopf unter eine Windung seines Körpers, doch als der Kappa an seiner Mähne zog, kam er zischend wieder hervor.

„Hast du mir zugehört?! Du sollst verschwinden!“, zeterte der Flusskobold und blitzte Kohaku ungerührt an. Seine schnatternde Stimme klingelte in Kohakus Ohren und er drehte sie missmutig von dem Kappa weg.

Dann erwiderte er: „Ich kann zu meinen Fluss nicht zurück kehren. Er wurde zugeschüttet.“

Daraufhin änderte der andere sein Verhalten und nickte. Er löste seine verspannte Haltung und klopfte dem Drachen sogar mitfühlend auf die Schuppen. „Ist meinem Bruder auch passiert. Schlimme Sache, aber da kann man nichts machen.“

„Wenn ich stärker gewesen wäre, hätte ich es verhindern können“, seufzte Kohaku und legte den Kopf auf den Waldboden, doch der Flusskobold winkte ab.

„Ach was, bis jetzt konnte kein Flussgott sein Gewässer retten! Sogar die ganz Großen wurden von den Menschen begradigt oder ganz zugeschüttet.“ Um seine Worte zu unterstreichen nickte der Kappa heftig.

Kohaku schlug mit seinem Schweif und sah in den Bach, der sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte und dachte über die Worte des Flusskobolds nach.

Jener fuhr währenddessen fort: „Ich habe schon kurz nach dem Schlüpfen die schlimmsten Sachen gehört, sag ich dir. Es heißt, Flussgötter ohne eigenes Gewässer würden wahnsinnig oder sich umbringen.“

Kohaku schnaubte und stupste den Kappa mit seiner Schnauze an. „Wenn kein Flussgott dies vermag, was ist mit anderen? Dämonen, Hexen oder fremde Götter?“

Der Kappa runzelte die Stirn, bis er verstand, was der Drache meinte. „Na, würde schon klappen. Aber wir können nicht von heute auf morgen unser Ich ändern, das müsste selbst so ein Frischling wie du wissen.“

„Aber man kann um Hilfe bitten und bei Hexen sogar in die Lehre gehen!“, konterte Kohaku aufgeregt und richtete seine Mähne auf.

Doch anstatt ihn zu unterstützen, ruderte der Flusskobold schnell zurück: „Hör mal, vergiss das, ja? Du wirst bald sowieso den Verstand verlieren, so schnell treibst du keine Hexe auf!“

Als Kohaku knurrte sprang der Kappa etwas zurück und versteckte sich hinter einem Farn, dann konnte er nur noch zusehen, wie der Drache sich in die Luft erhob.

„Na, das kann nicht gut gehen!“ Mit einem Platschen tauchte er wieder in seinen Bach ein.
 

Unter Kohaku wanderten regenschwere Wolken entlang, während über ihm die Sterne funkelten. Er schnaufte, schlängelte sich allerdings weiter über den finsteren Himmel, während seine Gedanken um nur ein Thema kreisten.

Nach kurzem Zögern wand der Drache sich um sich selbst und tauchte in die wattigen Massen unter ihm ein, um dann nass wieder heraus zu fliegen. Der Stadtlärm drang zu ihm hinauf und Kohaku schüttelte kurz seinen Kopf; er überflog die Häuser, bis er an einem See, von schlafender Natur umgeben, ankam und dort landete.

Als seine Klauen die Erde berührten, fing das Wasser an zu brodeln und zu dampfen.

„Toya Nushi, ich brauche deinen Rat“, murmelte der Drache und senkte den Kopf zu einer Verbeugung. Dann schoss eine Wasserfontäne in die Höhe und prasselte als Regen auf seinen schuppigen Leib.

In der Mitte des Sees erschein eine Maske, die die Züge eines alten Mannes besaß; der Unterkiefer hing nur noch an Fäden an dem Rest des Kopfes. „Nigihayami Kohaku Nushi, du hast mich schon lange nicht mehr besucht.“

Der Drache hob den Blick und sah den anderen Flussgott an. „Mein Fluss wurde zugeschüttet und –“

„Das ist nicht gut, junger Drache. Bist du dir bewusst, dass du bald den Wahnsinn anheim fallen wirst?“, unterbrach Toya Nushi ihn.

Kohaku schnaubte und zerfurchte mit seinen Krallen die lockere Erde. „Deshalb kam ich zu dir. Wenn ich bei einer Hexe in die Lehre gehe, müsste ich diesem Schicksal entkommen und stärker werden können.“

Der andere Flussgott schwieg lange Zeit und der Drache schlug nervös mit seinem Schweif. Als Toya Nushi schließlich weiter sprach, sträubte sich seine Mähne.

„Es gäbe da eine mächtige Hexe namens Yubaba, die schwor jedem Arbeit zu geben. Allerdings ist der Preis hoch und selbst dein Weg dorthin könnte sich als schwierig gestalten. Bist du dennoch entschlossen?“

Kohaku nickte.

Toya Nushi seufzte und begann wieder im Wasser einzutauchen. „Fliege zum Mizuchi Ishikari. Ein Seitenarm seines Flusses führt in die Geisterwelt…“ Dann verschwand die Maske des alten Mannes und über den See legte sich Ruhe.

Kohaku legte nachdenklich den Kopf schief. Mizuchi Ishikari? Mit einem winden seines Körpers stieg der Drache in die Luft und wirbelte über den dunklen Himmel davon.
 

Die Sonne schickte tanzende Feuerstrahlen über den Horizont, als Kohaku an einem Fluss landete. Als er das schnurgerade und betonierte Gewässer sah, hallten die Worte des Kappas in seinen Gedanken wider: Sogar die ganz Großen wurden von den Menschen begradigt oder ganz zugeschüttet.

Er schüttelte sich und sträubte seine Mähne, wobei sein Schweif zuckte. Welch grässliches Schicksal! Kohaku zischte kurz, dann trat er an das trübe Wasser und sah hinein.

Sein Spiegelbild blickte verzerrt zurück; glanzlose Schuppen, eine schmutzige Mähne und leere, blutunterlaufene Augen stachen hervor.

Der Drache wandte sich ab und richtete sein Augenmerk auf den Fluss, der ruhig und domestiziert dem Meer entgegen floss.

Da erst bemerkte Kohaku die gelben Augen mit den geschlitzten Pupillen, die ihn unter der Wasseroberfläche entgegenstarrten.

Er zuckte zurück und schnaubte, als eine tiefblaue Schlange an das Ufer kroch und Tropfen von ihren zarten Flossen hinab perlten. Sie überragte ihn bei weiten; ihr Kopf, der sich zu ihm senkte, besaß die Länge seines Körpers.

„Mizuchi Ishikari?“, erhob Kohaku die Stimme und senkte ehrerbietig den Kopf.

Die Wasserschlange lachte gurgelnd und erwiderte: „Ein junger Drache wie du es bist war schon seit Jahrzehnten nicht mehr hier. Was verlangst du von mir?“

Kohaku richtete sich wieder auf und blickte hoch zu dem riesigen Auge der Schlange. „Ich möchte über einen deiner Seitenarme in die Geisterwelt schwimmen.“

Mit einem Ruck hob Ishikari ihr Haupt. „Willst du etwa zu der Hexe Yubaba?“

Der Drache nickte, doch als der Mizuchi ihn weiterhin abwartend ansah, antwortete er: „Ja, in der Tat. Dürfte ich also?“

Ishikari rollte sich zusammen und legte ihren Kopf auf die Erde, so dass Kohaku in ihre Augen sehen konnte. Da erst entdeckte er den milchigen Schleier über der Pupille.

Die Schlange zischte: „Nenne mir einen nachvollziehbaren Grund und ich lasse dich passieren, wenn nicht, zeige ich dir, wie wild dieser Fluss noch sein kann.“

Kohaku zog verärgert die Lefzen zurück und fletschte die Zähne, entgegnete jedoch friedlich: „Mein Fluss wurde zugeschüttet. Wenn ich nicht der Lehrling der Hexe werde, gehe ich zugrunde.“

Auf seine Worte hin verzog die Schlange ihr Maul. „Es ist eine Schande, dass die Menschen jeden Tag mehr von uns auslöschen oder erblinden lassen. Wenn du denkst, du hättest einen Ausweg gefunden, so geh.“ Dann glitt Ishikari zurück in das trübe Wasser und verschwand in den Tiefen ihres Flusses.

Der Drache legte erleichtert seine Mähne an und folgte ihr in das Nass, das seinen Körper mit Schmutzpartikeln bedeckte.

Kohaku kniff die Augen zusammen um in dem verdreckten Wasser etwas sehen zu können und wand sich um Schmutzklumpen herum, die ihm entgegen trieben. Schlamm legte sich auf seine Schuppen und verfing sich in seiner Mähne.

Kohaku schwamm knapp unter der Oberfläche, und als er nach unten zum Grund sah erspähte er kurz das Aufblitzen dunkelblauer Schuppen.

Dann blickte er nur noch nach vorne.
 

Als Kohaku aus den Fluten auftauchte, erstreckte sich über ihm erneut der rabenschwarze Himmel. Verwirrt blickte er sich um und wich im letzten Moment der beleuchteten Fähre aus, die an einer steinernen Treppe andockte.

Der Drache schwamm näher und streckte an der ersten Stufe erneut den Kopf aus dem Wasser. Die Gestalten, welche in dem Moment das Schiff verließen, sahen ihn interessiert an, kamen allerdings nicht näher, sondern folgten einem Weg zu so etwas wie einem Dorf hinauf.

Als das letzte Wesen aus seinem Sichtfeld verschwand zog Kohaku sich auf die Treppe und schüttelte Wassertropfen ab.

Nervös schnaubte er, dann konzentrierte er sich und richtete seine Schuppen auf. Nachdem auch der letzte Hauch seiner wahren Gestalt verschwunden war, blickte Kohaku an sich runter und musterte seinen humanoiden Körper. Seltsam, dachte er und fiel daraufhin bei seinem ersten Schritt um.

Kohaku fluchte und rappelte sich mühselig wieder auf. Bei denen von der Fähre hatte das so einfach ausgesehen!

Ein Krächzen ließ seinen Kopf nach oben rucken. Über ihm kreiste ein Vogel, dessen Kopf der einer älteren Frau ähnelte. Kohaku zog die Augenbrauen zusammen und verfolgte das Tier mit seinen Augen, als es in Richtung eines gigantischen Hauses verschwand.

Doch dann schüttelte er es ab und stieg vorsichtig die Stufen hinauf. Immer wieder stützte er sich mit seinen Händen ab oder brach zusammen, so dass sein Körper unter der merkwürdigen Kleidung schon bald von blauen Flecken übersät war.

Dann erreichte er endlich den oberen Treppenabsatz und legte sich dort auf die Steine. Geschafft! Er drehte sich auf den Bauch und entdeckte eine weitere Treppe. Aufstöhnend legte er die Stirn wieder auf den rauen Stein.
 

Später hätte Kohaku nicht mehr sagen können, wie lange er gebraucht hatte. Doch nun stand er stolz unter einem strahlend blauen Himmel vor einer Brücke, die zu dem gigantischen Haus führte.

Er überquerte sie, sich vorsichtshalber an dem Geländer stützend, und ging auf das Tor zu.

Erst bei näherem Betrachten fiel ihm das Schild auf.

„Geschlossen“, wisperte er und verdeckte seine Augen mit einer Hand. Das konnte doch nicht wahr sein!

Kohaku knurrte kurz und sah sich entschlossen um, wurde dann auch belohnt, als er einen Weg entdeckte und ihm folgte.

Strauchelnd kam er in einem Garten an, der voller blühender Blumen war, und torkelte schließlich auf eine Schiebetür zu, bei der er feststellen musste, dass sie nicht aufzukriegen war.

„Verdammt noch mal!“, entkam es ihm. Kohaku stemmte sich, den Kappa als Vorbild nehmend, die Arme in die Seiten und biss sich auf die Unterlippe. Wohin nun? Er drehte sich langsam und blickte sich in dem Garten um. Dann stach ihm ein Türchen ins Auge; er ging zu ihm und öffnete es.

Wind wehte ihm entgegen und riss an seinen Haaren und der Kleidung. Kohaku stand auf einem Holzsteg an der Wand und blickte erneut auf eine schier endlose Treppe hinab.

Er ging auf die Knie und lehnte sich an die Wand, dabei den Kopf schüttelnd. So käme er morgen früh noch nicht an! Aber dann raffte er sich zusammen und kroch auf die erste Stufe zu.

Als Kohaku vor einer beleuchteten Tür stoppte und sich an das Metall setzte, keuchte er und schloss erschöpft die Augen, biss er sie ungläubig wieder aufriss. Warum hatte er sich für den Treppenabschnitt nicht zurückverwandelt?! Er lachte kurz auf und richtete seinen Blick dann auf den roten bis goldenen Himmel, der von rosanen Wolken überzogen wurde.

Die untergehende Sonne stach in seine Augen, also schloss Kohaku sie wieder. Dann öffnete er sie und schollt sich selbst in Gedanken. Er musste sich doch beeilen! Da erst realisierte er die Mondsichel über sich.

Er war eingeschlafen…

Kohaku schlug sich die Hand gegen die Stirn und richtete sich auf, wobei einige seiner Knochen ein protestierendes Knacken von sich gaben.

Und als die Tür, gegen die er lehnte, aufging, fiel er in den Raum dahinter. Kohaku fluchte.

„Dass so ein Jungspund wie du schon solche Wörter kennt…“, ertönte über ihm eine Stimme und ein Mann mit Brille schob sich in sein Sichtfeld. Anscheinend waren seine Haare im Laufe der Zeit an sein Kinn gewandert, überlegte Kohaku und versuchte nicht auf die Glatze des Mannes zu starren.

„Noch nie eine Glatze gesehen?“ Es war ihm misslungen.

Kohaku setzte sich auf und drehte sich dann zu dem Mann, der auf seine sechs Arme gestützt vor ihm hockte. „Verzeihen Sie die Störung. Könnten Sie mir den Weg zu der Hexe Yubaba weisen?“ Durch seine Verbeugung konnte er lediglich das Prusten des Fremden hören.

„Junge, das solltest du dir aus dem Kopf schlagen! Egal was du von ihr willst, du musst einen hohen Preis zahlen.“

Nachdem der Mann verstummt war, blickte Kohaku wieder auf und schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ich muss zu ihr!“ Um seine Worte zu unterstreichen, kniete Kohaku sich hin und legte die Stirn auf den Boden.

Dann spürte er, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte. „Du scheinst entschlossen zu sein, Junge. Dennoch werde ich dich nicht zu Yubaba bringen, es ist zu gefährlich!“

„Ich bitte Sie.“ Mehr erwiderte Kohaku nicht und selbst, als der Mann ging, blieb er kniend auf seinem Platz. Auch als er das Zischen eines Ofens hörte, seltsam hohle Klackgeräusche und ein Hämmern, verweilte er, bis Kohaku schließlich die Augen zufielen.
 

Als Kohaku erwachte, lag er auf einem Holzboden und spürte auf sich eine Decke. Er setzte sich auf und sah sich in dem dunklen Raum um.

Rechts stand ein Podest, von dem das Schnarchen eines Mannes, wahrscheinlich dem mit den sechs Armen, kam, links eine Wand mit unzähligen Schubladen. Er schlug die Decke zurück und stand auf, ging dann wackelig zu dem Podest. „Großväterchen?“

Kohaku sah, wie ein Arm zuckte, dann erschien das Gesicht des Alten. „Was denn?“

„Ich bitte dich, bring mich zu der Hexe Yubaba.“

Der Mann seufzte und richtete sich auf. „Ich weiß nicht, warum du so dringend zu ihr willst, aber du scheinst mir sonst keine Ruhe zu lassen. Morgen bringe ich dich zu ihr.“ Dann legte der Mann sich wieder und schon bald erfüllte sein Schnarchen den Raum.

Kohaku senkte erleichtert den Kopf und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Woran der Alte wohl merkte, wann morgen war?

Klingelnd fiel eine Plakette an einem Seil nach unten und der Mann schoss in eine aufreckte Position.

Kohaku starrte erschrocken die Holztafel an und dann den Mann der sich wütend murmelnd streckte. So also.

„Also, Junge, du solltest dankbar sein. Obwohl es jede Menge Beschwerden geben wird, werde ich doch hoch bringen“, gähnte der Mann und drehte knackend seinen Kopf nach links.

Kohaku nickte und verbeugte sich. „Tausend dank, Großväterchen.“

„So hat mich schon lange niemand mehr genannt, Junge.“ Dem Alten entkam so etwas wie ein Kichern, worauf Kohaku leicht grinsen musste.

Ihn hatte noch nie jemand Junge genannt.
 

Hinter Kohaku schlossen sich die Türen des Aufzugs und er stand allein in einem prachtvollen Flur. Er wandte sich der Doppeltür zu, die mit Gold verziert war, und ging darauf zu.

Als er den Türklopfer entdeckte, betrachtete er ihn interessiert, zuckte dann aber zurück.

„Guck nicht so dumm und komm her!“, giftete der Türklopfer.

Kohaku zog skeptisch eine Augenbraue hoch, öffnete jedoch die Tür und betrat einen goldenen Flur, an dessen Wänden Spiegel hingen.

Dann erblickte Kohaku sich in einem davon und schreckte leicht zurück. Ein blasser Junge mit wirrem Haar und Augenringen tat es ihm gleich.

Kohaku schluckte und wandte sich zitternd von dem spiegelnden Glas ab, auch bei den folgenden Spiegeln sah er nur nach vorne.

Am Ende des Ganges bog er nach rechts ab und blieb schließlich vor einer Holztür stehen. Er drückte sie auf und trat in ein Arbeitszimmer ein.

In dem Kamin flackerte ein Feuer, der Schreibtisch quoll über vor Papieren und Schmuck, dahinter saß die Hexe und starrte ihn missmutig an.

Kohaku stellte sich vor den Tisch, verbeugte sich und sagte: „Ich möchte Ihr Lehrling werden.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
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