True Love? von Deathsymphonie ================================================================================ Kapitel 6: Ein Notizbuch kommt nur selten allein ------------------------------------------------ Am nächsten Tag sah es auch nicht viel besser aus. Rosa wartete wie üblich vor unserem Haus, damit wir zusammen zur Schule laufen konnten. Bevor ich jedoch zu ihr herunter lief, erinnerte ich meine Mom nochmals daran, dass ich -Dank des Nachsitzens- später als sonst nach Hause käme. Sie meinte nur trocken, dass sie noch kein Alzheimer hätte und ich sie nicht daran erinnern bräuchte. Etwas angeknackst von ihrer Antwort, schnappte ich mir meine Schulsachen und stürmte regelrecht die Treppen hinunter. Ich wollte nur noch weg von meiner Mom und dieser ganzen miesen Stimmung. Aber in der Schule würde es nicht allzu anders aussehen. Auch da würde es dicke Luft geben, sowie die Urheber meiner Misslage. „Hey Lulu! Tut mir leid wegen gestern, aber ich musste von meinen Eltern aus auf die Geburtstagsfeier von meiner Großmutter Gisela und…“, brach sie ab, als sie meine -nicht gerade florierende- Stimmung bemerke. Sofort fragte sie besorgt nach: „Was ist denn los? Ist dir wieder Mrs. Martins auf die Nerven gegangen oder hat Amber wieder etwas auf deine Kosten angestellt? Wenn ja, dann werde ich diesem arroganten Mädchen zeigen wo der Hase langläuft! Es kann einfach nicht sein, dass sie dich immer wieder versucht fertigzumachen!“ „Rosa, bitte beruhige dich erst einmal“, bat ich meine Freundin, obwohl es in mir selber auch wieder anfing zu brodeln, als ich mir an die Geschehnisse vom vorherigen Tag ins Gedächtnis rief. Man merkte, wie sie widerwillig meiner Bitte nachkam. Als ich mir sicher war, dass Rosa auf Normaltemperatur herunter gekühlt war, lief ich los und begann zu erzählen: „Du hast leider den Nagel auf den Kopf getroffen. In der großen Pause ging ich zu meinem Schließfach, um meine Geschichtshausaufgaben für die nächste Stunde zu holen. Da ich zu sehr mit meinen eigenen Gedankengängen beschäftigt war, bemerkte ich Amber erst, als ich gegen sie stieß. Wir wichen erschrocken zurück, aber als wir uns von diesem Schock erholt hatten, entdeckte ich in ihrer Hand einen kleinen Stapel Zettel. Diese hatte sie scheinbar aus meinem Spind geklaut, da sie vor ein paar Sekunden noch genau davor stand. Natürlich beschuldigte ich sie und sie hielt wie erwartet dagegen. Also stritten wir uns lautstark im Flur, bis Mrs. Martins kam, und wissen wollte, was los sei. Amber hatte dann ihre Version der Geschichte erzählt und mich als Dieb ˈihrerˈ Hausaufgaben dastehen lassen. Als ich versuchte mich zu verteidigen, unterbrach mich unsere herzallerliebste Lehrerin und brummte mir Nachsitzen für heute auf. Aber als wäre das nicht schon genug, drohte sie mir mit Strafarbeit und gab die ganze Lügengeschichte von Amber an Mr. Faraize weiter. Dieser hielt mir ebenfalls eine Standpauke und als meine Eltern davon erfuhren, waren sie wütend und enttäuscht von mir, weswegen sie mir eine Woche Hausarrest auferlegten.“ Wir liefen ein kleines Stück schweigend den Weg entlang, denn Rosalia dachte nach, was sie mir antworten sollte. Oder aber sie schmiedete bereits irgendwelche Pläne. Ich hoffte, sie grübelte nur nach einer passenden Antwort. „Okay“, meinte sie, kurz vor unserem Ziel, „bei Mrs. Martins ist schon alles hoffungslos verloren, aber ich bin mir sicher, dass man Mr. Faraize gut zureden kann. Am besten suchen wir ihn in einer der großen Pausen auf und versuchen ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Und für Amber lasse ich mir noch etwas einfallen wenn du möchtest.“ Sie sah mich erwartungsvoll an und ich seufzte: „Na gut, das mit Mr. Faraize können wir ja mal probieren. Die Rache für Amber muss aber noch etwas warten, denn sonst biegt sie es wieder so hin, dass ich der Sündenbock bin und alles ausbaden darf…“ „Abgemacht! Das wird schon wieder“, sprach sie mir zu und lächelte mich aufmunternd an. Zum Glück hatte ich Rosa. Nicht zum ersten Mal war ich froh darüber, mit einer so tollen Freundin gesegnet zu sein und mit nun hoffnungsvollen Schritten überquerte ich zusammen mit Rosalia die Straße in Richtung Schule. ~.~.~ Mr. Faraize zu finden war ein Kinderspiel, ihn aber von der Wahrheit zu überzeugen, stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Er war nämlich felsenfest davon überzeugt, dass Mrs. Martins ihn niemals anlügen würde und wir mehr Respekt ihr gegenüber zeigen sollten. Das Ganze zog sich solange hin, bis er rief: „Lucy, du wirst beim Nachsitzen heute nicht nur die Aufgaben von gestern nachholen, sondern auch noch extra Aufgaben! Und du, Rosalia, gesellst dich gleich auch noch zu ihr, wenn du nicht sofort aufhörst. Ich bin eigentlich kein Lehrer, der gern solche Maßnahmen verordnet, aber ihr zwingt mich ja regelrecht dazu!“ „Ich hätte nichts dagegen, mit Lulu zusammen nachzusitzen“, erklärte Rosa Mr. Faraize ihren Standpunkt und ihre Meinung, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. In diesem Moment nahm ich mir vor, ihr, egal wie tief die in irgendwelchem Mist stecken würde, entgegenzukommen und zu helfen, sollte sie mal in irgendwelchen Schwierigkeiten steckten, beziehungsweise meine Hilfe benötigte. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass ich Rosa noch sehr oft an meiner Seite bräuchte. Die letzten Worte von unserem Geschichtslehrer hallten in meinem Kopf nach. Sie kamen mir nur allzu bekannt vor, und im nächsten Moment wusste ich wieder, von wem sie eigentlich stammten. Besagte Person tauchte nämlich hinter ihm auf und gesellte sich neben ihn. „Gibt es irgendein Problem hier, Mr. Faraize? Bereitet Lucy Ihnen wieder Schwierigkeiten?“, wollte Mrs. Martins von unserem Klassenlehrer wissen. Irgendwie überkam mich das Gefühl, dass diese Frau -wie eine Motte vom Licht- von Streit und Ärger angezogen wurde. Konnte sie ihre Nase nicht ein einziges Mal aus den Angelegenheiten anderer Menschen heraushalten?! Gerade als Mr. Faraize zu einer Antwort ansetzen wollte, schnitt ihm Rosa das Wort ab und erwiderte: „Nein, es ist alles in Ordnung, Mrs. Martins. Sie brauchen sich keine Sorgen machen, dass Lulu etwas anstellt, denn sie ist eine sehr zuverlässige und strebsame Schülerin!“ Nach einem kurzen Blick auf die Uhr an der Wand im Gang, fügte sie hinzu: „Wir müssen nun zu unserem nächsten Unterricht. Einen schönen Tag Ihnen beiden noch!“ Genau in diesem Moment klingelte es zum Ende der Pause und Rosa zog mich hinter sich her in Richtung Geografieraum. Das war gerade nochmal relativ gut ausgegangen… ~.~.~ Kaum war die Pause zu Ende, war auch schon der Tag größtenteils vorbei. Was hieß, dass die Schule beendet war und alle Schüler nach Hause gehen durften…naja, fast alle. Ich war leider eine der Unglücklichen, welche noch nach dem Unterricht im Schulgebäude bleiben mussten. Wie es der Zufall so wollte, wusste ich, in welchem Raum das Nachsitzen immer stattfand. Nun wartete ich nur noch, bis alle rausgegangen waren, damit ich in Ruhe den Raum aufsuchen konnte. Es musste ja nicht sofort die ganze Schule erfahren, dass die „Neue“ gleich in ihrer zweiten Woche an dieser Schule schon zum Nachsitzen musste… Das Klassenzimmer und der Flur draußen waren nun verlassen und ich hielt es für den richtigen Zeitpunkt, mich zu meiner nicht verdienten Strafe aufzumachen. Ich schulterte meine Tasche und wollte gerade losgehen, als ein Gegenstand in meinem Augenwinkel, meine Aufmerksamkeit erregte. Als ich mich dem Tisch näherte, erkannte ich, was es eigentlich war. Es war ein Notizbuch und es lag sogar noch aufgeschlagen auf dem Sitzplatz. Aus Respekt für das Gedankengut des Verfassers, schlug ich es zu, ohne einen genaueren Blick auf den Inhalt zu werfen und nahm es an mich. Ein Blick zur Uhr verriet mir, dass ich mich langsam mal beeilen sollte, den Raum des Nachsitzens aufzusuchen. Da ich mir fest vornahm, das Büchlein beim Sekretariat abzugeben, packte ich es schnell in meine Tasche und flitzte geschwind zu besagtem Raum. Dort angekommen, blieb ich überrascht im Türrahmen stehen. Mr. Faraize war noch gar nicht da und auch sonst war keine Menschenseele weiter anzutreffen. Hatte ich mich etwa im Raum geirrt oder mich gänzlich verirrt? Dabei war ich mir doch so sicher gewesen, dass es genau hier war. „Keine Sorge, du bist richtig“, ertönte es hinter mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Herrje war ich schreckhaft! Früher war das eigentlich nicht der Fall gewesen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ich jeder Sekunde einen Angriff von Amber erwartete. Wie ich anhand der Stimme und einem Blick zur Seite feststellen konnte, war es mein Klassenlehrer, welcher den Flur entlang geeilt kam. Ich fragte mich, warum er erst jetzt kam, denn eigentlich kam er immer pünktlich zu seinem Unterricht. „Wo waren Sie denn?“, fragte ich nach. Klar, man stellte solche Fragen normalerweise nicht, aber ich war halt eine sehr neugierige und wissbegierige Person. Dagegen konnte man nichts machen. Das war einfach so. „Ich…wurde etwas aufgehalten. Aber jetzt geh ruhig rein und suche dir einen Platz aus. Ich komme gleich nach“, erklärte er nur flüchtig, wechselte das Thema, schloss schnell die Tür auf und ging weiter in Richtung Vorbereitungsraum. Etwas verwirrt über seine Antwort, tat ich wie geheißen und suchte mir einen Platz im Klassenzimmer. Da es wenig Sinn hatte, sich irgendwo ganz hinten hinzusetzen, nahm ich einen Platz in den vorderen Reihen, in der Nähe des Lehrertisches und kramte meinen Block und meine Federtasche heraus. Mehr würde ich ja wohl nicht brauchen. Mr. Faraize ließ nicht lange auf sich warten. Mit einigen Blättern in der Hand kam er zurück und gab sie mir. Es waren Arbeitsblätter, auf denen das Thema der Hausaufgabe vom letzten Mal abgefragt wurde, sowie etwas aus der letzten Stunde. Ich ließ meinen Blick über die Blätter schweifen. Dabei bemerkte ich, dass wenn man sich mit dem Thema beschäftigt hatte, alles ohne weiteres lösen konnte. Für eine bestimmte Hälfte der Schülerschaft sah das etwas anders aus... Aber weil ich ja die Aufgaben eigentlich erledigt hatte und im Unterricht gut aufgepasst hatte, wusste ich dementsprechend alles und fing eifrig an, die Arbeitsblätter auszufüllen. ~.~.~ In Gedanken verloren schlenderte ich die Gänge entlang. Nachdem ich fertig und das Nachsitzen beendet war, machte ich mich auf den Weg ins Sekretariat. Zu meinem Pech hatte es aber bereits schon geschlossen. Ich musste also auf den morgigen Tag warten, um das Notizbuch abgeben zu können. Als ich so vor mich hin lief, schweiften meine Gedanken -wie so oft in letzter Zeit wenn ich allein war- zu Kentin. Wieder und wieder stellte ich mir dieselben Fragen und grübelte darüber, ob es ihm gut ging, was er so alles wohl machte, ob er schon Freunde gefunden hatte und ob er mich vermisste. Auf der einen Seite war ich froh, dass er den ganzen Stress mit Amber nicht mehr hatte und damit wahrscheinlich auch keinen mit Mrs. Martins, aber auf der anderen Seite fehlte er mir doch irgendwie. Zwar hatte er mir einen kleinen Teddy zum Abschied geschenkt, und klar, seine fröhliche und offene Art konnte manchmal nervig werden, aber trotzdem hatte ich ihn doch gerne um mich gehabt. Desweiteren- Plötzlich stieß ich mit jemand zusammen und war sofort wieder in der Realität. Das Licht der schon untergehenden Sonne offenbarte mir, in wen ich da gerade hineingelaufen war. Mit seinen, an den Spitzen schwarzgefärbten, weißen Haaren, seinen zweifarbigen Augen und seinem auffälligen Kleiderstil, blieb Lysander nicht unentdeckt. „Oh, tut mir leid, ich hab dich nicht kommen hören. Scheinbar war ich zu sehr in meinen Gedankengängen vertieft“, entschuldigte ich mich bei ihm. Er schenkte mir ein Lächeln und scherzte dann: „Scheinbar sind wir beide manchmal mir unseren Gedanken ganz woanders. Aber ich muss mich auch bei dir entschuldigen. Schließlich war es auch meine Schuld, dass ich in dich reingelaufen bin.“ „Schon gut“, meinte ich und lächelte zaghaft zurück, „apropos, was machst du eigentlich noch so spät in der Schule? Der Unterricht ist doch schon lange zu Ende.“ „Naja, weißt du, ich bin ganz normal, wie jeden Tag, nach Hause gegangen. Als ich dort ankam, rief mich Castiel an, dass wir heute wieder Proben wollten und er erinnerte mich daran, ja mein Notizbuch mitzunehmen. In diesem Moment fiel mir aber auf, dass ich es nicht mehr hatte und suchte mit meinem Bruder zusammen unsere Wohnung ab. Wir kamen schnell zu dem Ergebnis, dass es nicht dort war und so machte ich mich wieder auf den Weg in die Schule. Du musst wissen, ich verliere es sehr oft hier. Jedenfalls habe ich es in dem Raum gesucht, in welchem wir zuletzt Unterricht hatten, aber dort lag es auch nicht und so lief ich in Richtung Sekretariat und dachte darüber nach, ob es denn noch offen hätte.“ „Oooh!“, entkam es mir und nun wurde mir so einiges klar. Es war also Lysanders Notizbuch gewesen, welches ich auf dem Tisch gefunden hatte! Schnell kramte ich, auf der Suche nach besagtem Notizbüchlein, in meiner Mappe herum, ohne den verwunderte Blick Lysanders zu beachten. Meine Finger stießen auf den Einband des Buches und ich zog es mit einem, „Da ist es!“, heraus. Überrascht musterte er das Notizheft in meiner Hand. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass jemand es mitnahm. „Ich hatte es auf einem der Plätze gefunden und wollte es nach dem Nachsitzen abgeben, aber das Sekretariat war bereits zu, also beschloss ich es mitzunehmen und morgen abzugeben“, klärte ich ihn schnell auf, doch er sah mich stirnrunzelnd an. „Hast du gelesen was drinsteht? Und warum musstest du Nachsitzen?“ „Nein, das habe ich nicht“, gab ich ehrlich zu und schüttelte mit dem Kopf, „ich fände es nicht richtig, in den Sachen von anderen herumzuschnüffeln. Sicher, ich war neugierig was drinsteht, aber ich würde es auch nicht mögen, wenn jemand in meinen geheimen Gedanken lesen würde. Das mit dem Nachsitzen ist jedoch eine längere Geschichte.“ Als er meine Antwort auf seine erste Frage hörte, wirkte er erleichtert. Scheinbar hatte ich ihm einen schweren Stein vom Herzen genommen. Bei der Antwort auf das Thema Nachsitzen, wirkte er wieder so, als würde er über etwas Wichtiges nachdenken, bevor er dann meinte: „Das kannst du mir ja dann auf dem Weg zu dir nach Hause erklären.“ Völlig verdattert sah ich ihn an. Was hatte er gerade gesagt? Mein Blick entlockte ihm ein Lachen und er klärte mich auf: „Ich werde dich nach Hause begleiten. Es ist schon spät geworden und einem Mädchen, das abends allein die Straßen entlang läuft, kann vieles passieren.“ „Ach so“, brachte ich nur zustande, gab Lysander sein Notizbuch wieder und lief neben ihm her, während ich die ganze Geschichte zu erzählen begann. Angefangen beim gestrigen Tag, bis kurz vor dem Zeitpunkt, als ich in ihn gelaufen war und er ihn mich. Als es mich fragte, was denn die Ursache für meine geistige Abwesenheit gewesen war, zögerte ich ein wenig, bis ich es ihm erzählte. Ich ließ aber aus, wie sehr ich Kentin vermisste. Als wir bei mir ankamen, munterte er mich mit den Worten, „Es wird ihm bestimmt gut gehen“, auf, bevor er mir noch einen schönen Abend wünschte und weiter ging. Erst in diesem Moment fragte ich mich, warum ich ihm eigentlich meine Gedanken über Kentin anvertraut hatte. Das Meiste wusste gerademal nur Rosa. Immer noch grübelnd ging ich ins Haus und sah bereits meine Eltern mit erwartungsvollen Blicken im Flur stehen. Der forschende Blick meines Vaters und das verräterische Glitzern in den Augen meiner Mom sagten mehr als tausend Worte. Scheinbar waren die Tatsachen, dass ich später als abgemacht nach Hause kam und mich ein Junge zur Haustür gebracht hatte, genug Gründe, um die kleine Auseinandersetzung vom Vortag zu vergessen. Ich konnte mir schon regelrecht vorstellen, wie sie mich beim Abendessen „unauffällig“ nach Lysander ausfragen würden und nach dem Grund meines Zuspätkommens. Bereits bei diesen Gedankengängen wünschte ich mir eine schnelle und gute Fluchtmöglichkeit. Das ganze konnte ja noch heiter werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)