Fliegenfang von Yosephia (Womit Väter es so zu tun haben) ================================================================================ Kapitel 7: Die Sache mit Laxus ------------------------------ Mit mürrischer Miene saß Laxus am Kopfende des Tisches und starrte in seinen Kaffee hinunter, als würden sich darin die großen Geheimnisse der Welt offenbaren. Mit einer Hand stützte er sein Kinn ab, mit der anderen fummelte er immer wieder am Henkel der Tasse herum. Seine Kiefer mahlten angespannt, als würden sie auf unverdaulichen Wörtern herum kauen. Und er sagte kein Wort. Ratlos suchte Sting den Blick seines Mannes, der ihm gegenüber saß, doch der hob minimal die Schultern an. Also sah Sting reihum. Orga spielte ungeduldig mit dem Schirmchen seines alkoholfreien Cocktails herum, Rufus sah vollkommen entspannt aus, als käme es alle Tage vor, dass sie alle von Laxus Dreyar zu einem Gespräch gebeten wurden, und Yukino verknotete ihre zierlichen Finger so fest miteinander, dass Sting fürchtete, sie würde sie sich selbst brechen. Keiner machte Anstalten, die Stille zu durchbrechen. Wahrscheinlich waren sie alle genauso verwirrt wie Sting. So gut sie auch mit Minerva befreundet waren und so viel sie auch mit ihr unternahmen, zu Laxus hatten sie kaum Kontakt. Die Gefühle zwischen Laxus und Minerva waren wohl unbestreitbar echt und stark – sonst hätten die Beiden wohl kaum geheiratet –, aber es war doch schwer, die Beiden als Paar zu betrachten. Oft wirkte es, als würden sie nur nebeneinander her und nicht miteinander leben. Ihre einzigen Zuneigungsbekundungen in der Öffentlichkeit bestanden darin, dass sie einander nonstop provozierten, zuweilen sogar im Wortlaut richtig bösartig, auch wenn Sting Minerva gut genug kannte, um zu bemerken, dass kein Ernst dahinter lag. Wenn Minerva sich mit ihren Freunden traf, war Laxus so gut wie nie dabei. Sogar bei Lokes und Yukinos Hochzeit hatte Minerva ihn nicht mitgenommen. Und von Bixlow hatte Sting erfahren, dass Laxus seine Frau auch nicht wirklich in seinem Freundeskreis involvierte. Tatsächlich hatten das Zusammenziehen in eine gemeinsame Wohnung und die spontane und streng geheime Eheschließung so gut wie gar keine Auswirkungen auf die Leben gehabt, die Laxus und Minerva davor geführt hatten. Fast so, als wäre ihr Ehedokument nur ein Nichtangriffspakt. Dementsprechend überraschend war es für Sting gewesen, als er letzte Woche von Laxus angerufen und um ein Treffen gebeten worden war. Es gäbe etwas Wichtiges zu besprechen. Mehr hatte Laxus nicht erklärt. Das war aber schon genug gewesen, um Sting neugierig zu machen. Noch viel neugieriger war er geworden, als er erfahren hatte, dass nicht nur Rogue, sondern auch Yukino, Rufus und Orga zu diesem Treffen eingeladen worden waren. Es musste wohl um Minerva gehen. Die würde sich wahrscheinlich zu neuen Höhen der Garstigkeiten aufschwingen, wenn sie von diesem Treffen hier erfahren sollte, wobei Sting sich nicht sicher war, ob dabei auch für ihn oder nur für Laxus eine Gefahr bestand. Allerdings hüllte Laxus sich bereits seit geschlagenen zehn Minuten in Schweigen und allmählich wurde es Sting zu bunt. Es war ja nobel von Laxus, dass er sie eingeladen hatte, der Käsekuchen hier war erstklassig, aber ohne ein Gespräch hatte Sting sein großes Stück innerhalb weniger Minuten verputzt und sein eigener Cocktail neigte sich auch dem Ende, der Strohhalm war bereits halb zerkaut und der Keks von Rogues Kaffee hatte auch schon seinen Weg in Stings Magen gefunden. „Okay, also was ist nun los?“, durchbrach er die Stille und ignorierte das Augenrollen seines Mannes und das Mundwinkelzucken von Rufus. Orga rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und Yukino blickte von ihren Fingern auf. „Wofür diese Geheimnistuerei?“ „Es geht um Minerva“, brummte Laxus dem Tisch entgegen und drehte mit dem Zeigefinger die Tasse einmal um ihre eigene Achse. „So weit waren wir auch schon.“ „Sting...“ So ruhig Rogues Stimme auch blieb, Sting hörte die Ermahnung deutlich heraus, aber er schob trotzig das Kinn nach vorn. „Was ist denn mit Nerva?“ Schon wieder mahlten Laxus' Kiefer, ohne dass ein Wort heraus kam. Nicht dass der Soldat ansonsten eine Plaudertasche wäre, aber so maulfaul kannte Sting ihn dann doch nicht. Allmählich fiel es ihm wirklich schwer, sich noch zusammen zu reißen. „Geht es um die Schwangerschaft?“, fragte Yukino leise. Zu Stings Überraschung zuckte Laxus zusammen und für einen Moment offenbarte sich auf seiner Miene ein Kaleidoskop an Gefühlsregungen: Sorge, Wut, Unverständnis, Verwirrung, Freude und – das am deutlichsten und dadurch auch am beunruhigendsten – ein Anflug von Panik. Schnell senkte Laxus wieder den Blick auf seinen Kaffee und drehte die Tasse erneut. „Wir wollten nie Kinder...“ Das hatte Sting sich vorher schon denken können. Sie waren alle überrascht, wenn nicht sogar geschockt gewesen, als Minerva ihnen vor einem Monat eröffnet hatte, dass sie schwanger war. So gut Minerva auch mit Lector und Frosch zu Recht kam – ja, Sting würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass Minerva in ihre Patenkinder richtiggehend vernarrt war –, sie war absolut kein Mamatyp. Selbst als heraus gekommen war, dass sie und Laxus geheiratet hatten, hatte Sting nicht einmal im Traum daran gedacht, dass die Beiden eine Familie gründen würden. Umso mehr sprach es für Minervas Prinzipientreue, dass sie keinen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen hatte. „Wir haben nicht direkt darüber gesprochen, aber wir waren uns immer einig“, fuhr Laxus fort, seine Stimme genau wie sein Blick gesenkt. „Bei dieser Schwangerschaft hat Minerva dann alleine entschieden und ich habe es akzeptiert, aber jetzt...“ Als bräuchte er eine Stärkung, hob Laxus seine Tasse an, doch bevor sie auch nur in die Nähe seiner Lippen kam, setzte er sie wieder auf dem Unterteller ab und drehte sie schon wieder um die eigene Achse. „Sie tut so, als wäre sie nicht schwanger.“ Verwirrt runzelte Sting die Stirn. Den Eindruck hatte er bisher eigentlich nicht gehabt. Klar, sobald jemand auch nur Anstalten machte, ihren Bauchansatz zu streicheln, massakrierte sie denjenigen regelrecht mit ihren Blicken. Die einzige Ausnahmen waren – wie sollte es auch anders sein? – Lector und Frosch. Jedwede Frage zum Stand ihrer Schwangerschaft überging sie einfach, egal wie sehr das die Leute aus dem Tritt brachte. Und Sting ging jede Wette ein, dass Minerva sich lieber beide Hände abhacken würde, als in einen dieser ominösen Schwangerschaftskurse zu gehen. Aber Minerva versteckte ihren Bauch nicht. Wie kam Laxus also darauf, dass sie ihre Schwangerschaft verleugnete? „Sie geht nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen, sie schraubt nicht bei der Arbeit zurück und sie weigert sich, Babysachen einzukaufen... Und sie redet nicht mit mir darüber. Irgendetwas stimmt nicht, aber sie winkt immer nur ab und macht genau die Dinge, die sie vor der Schwangerschaft gemacht hat.“ „Du meinst, sie bringt das Baby wissentlich in Gefahr?“, fragte Rufus leise und Yukino neben ihm zuckte gepeinigt zusammen. Sting verspürte den Wunsch, die Weißhaarige in den Arm zu nehmen, deren langjähriger Kinderwunsch sich einfach nicht erfüllen wollte, obwohl sie sogar schon zwei Hormonbehandlungen hinter sich gebracht hatte. „Nein, niemals!“, erwiderte Laxus ungewohnt heftig und ballte die Hand zur Faust, ehe er sie wieder öffnete und ratlos darauf starrte. „Aber sie... ich weiß auch nicht, vielleicht sieht sie die Gefahr nicht...?“ „Und du willst was von uns? Dass wir mit Minerva reden?“, fragte Rogue ruhig, auch wenn er Yukino eine Hand auf den Unterarm gelegt hatte. Laxus lächelte bitter und schüttelte den Kopf. „Als ob das etwas bringen würde. Minerva ist sturer als eine ganze Herde Maultiere.“ Sting unterdrückte ein Schnauben. Da war etwas dran. Die Schwarzhaarige war schon immer ein besonderer Fall gewesen, aber Sting hatte sie dennoch von Anfang an gemocht, als er in den Freundeskreis um Rogue aufgenommen worden war. Viele hielten Minerva für arrogant und kaltherzig, aber Sting hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass das nur eine Fassade war. Minerva behielt gerne die Kontrolle, sowohl über die Situation als auch über sich selbst. Woher genau das kam, wusste wohl nur Yukino, Minerva war schon immer so gewesen, seit Sting sie kannte. Aber es gab eben doch diese besonderen Momente und Gesten, die zeigten, was für einen butterweichen Kern sie hinter dieser stahlharten Schale verbarg. Am deutlichsten wurde das, wenn sie sich mit Lector und Frosch beschäftigte. Dann war sie kaum wieder zu erkennen. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, gestand Laxus und schob seinen erkalteten Kaffee so schnell von sich, dass dieser überschwappte. Mit sorgenvoll zusammen gezogenen Augenbrauen verschränkte er die Arme vor der muskulösen Brust und starrte weiter auf die Tischplatte. „Ich kann sie nicht zwingen, sich den ganzen Schwangerschaftskram anzutun, aber…“ „Minerva würde niemals etwas tun, was dem Kind schadet“, sagte Yukino auf einmal und hob energisch den Kopf. „Sie wollte dieses Kind nicht, aber jetzt ist es ihr Kind und sie wird dafür alles tun, was sie für richtig hält. Aber das heißt nicht, dass wir das verstehen müssen. Minerva wird vor niemandem Rechenschaft ablegen.“ „Aber wie kann es richtig sein, dass sie nicht zum Arzt geht? Das Kind könnte krank sein und eine Operation brauchen oder behindert sein oder es könnte für Minerva-“ „Lass’ sie in Ruhe!“ Wenn er nicht selbst so verblüfft wäre, hätte Sting über Laxus’ Miene lachen können, als Yukino ihm so über den Mund fuhr. So hatte wohl noch keiner mit dem blonden Muskelprotz geredet! „Minerva wird dieses Kind annehmen, egal was auch immer es haben sollte und egal was es ihr abverlangen sollte. Wenn sie nicht zu einem Arzt geht, dann, weil sie auf ihre Instinkte vertraut. Das ist ihre Art, damit umzugehen, und dafür hat sie ihre Gründe. So ist Minerva und so wird sie immer bleiben!“ Nicht zum ersten Mal fragte Sting sich, was es war, dass Minerva und Yukino so eng zusammen geschweißt hatte. Soweit er es wusste, waren die Beiden schon seit der Grundschule Freundinnen gewesen. Dabei waren sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Dennoch verband die Beiden etwas so Festes, Tiefgehendes, wie Sting es wirklich selten beobachten konnte. „Hör’ auf Yukino“, brummte Orga und deutete mit dem zerfledderten Schirmchen auf Laxus. „Wenn jemand Minerva versteht, dann ist sie es.“ Hilflos blickte Laxus reihum, doch Rufus und Rogue nickten nur zustimmend und Sting grinste aufmunternd. „Minerva hat Lector und Frosch versprochen, dass sie das Baby im Arm halten dürfen. Und Minerva bricht niemals die Versprechen, die sie den Beiden gibt. Vertrau’ einfach auf ihren Dickkopf.“ Sting bemerkte, wie die Lippen seines Mannes lautlos Dickkopf? formten, und er streckte ihm zur Antwort die Zunge heraus, ehe er sich wieder Laxus zuwandte, der sich mit einer Hand über das Gesicht strich. „Diese Frau ist kompliziert“, seufzte er resigniert. Unwillkürlich empfand Sting große Sympathie für den anderen Blondschopf. Minerva machte es einem wirklich nicht leicht und gerade Laxus schien sie es besonders schwer zu machen. Dennoch bestand kein Zweifel daran, dass der seine Frau aufrichtig liebte und sich große Sorgen um sie machte. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass auch Minerva jemanden hatte, der sie mit all ihren Macken annahm. Mehr noch: Dass Laxus hier bei ihnen saß und versuchte, seine Ängste in Worte zu fassen, um ihren Rat einzuholen, musste ihm unglaublich viel Überwindung gekostet haben. Normalerweise ließ er sich ja auch nicht in die Karten gucken und gab sich schroff und gefühlskalt. Für Minerva überwand Laxus seinen Stolz – und das war wahrscheinlich der größte Liebesbeweis, den ein Mann wie er erbringen konnte. Einem Impuls folgend klopfte er Laxus auf die Schulter. „Lass’ uns ins Sabertooth gehen, du brauchst einen Absacker.“ Laxus gab ein halb unterdrücktes Schnauben von sich, aber als Sting und die Anderen aufstanden, schloss er sich ihnen an. Vielleicht war es voreilig, das jetzt schon zu sagen, aber Sting hatte so ein Gefühl, als wäre das der Moment, in dem Laxus einer von ihnen wurde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)